top of page

Auftakt: Europa

 

Mi, 1. März

Abfahrt ca. 13h

Klaus’ Mutti in Thalheim besuchen.

Susi bringt uns einen MaGraph, ein Spezialgerät von Olaf: „kosmische Energie wird verfügbar gemacht“. Er soll unseren Dieselverbrauch mindern.

Am Abend treffen wir Klaus’ Geschwister in einer Pizzeria in Wels.

In bewährter Weise übernachten wir vor unserer Autowerkstatt Sulzbacher in Eferding.

„Vielfältige Wasserspiele“ im Wohnmobil überraschen uns: Garage ausräumen, Bodenwanne trockenlegen. Viele nasse Katheter zum Trocknen auflegen (der Wassertank leckt).

Der Schlauch vom Waschbecken ist auch undicht, vermutlich ein Frostschaden.

Wir wollten nur das Pickerl machen lassen. Wie gut, dass wir die Schäden am bestmöglichen Ort bemerkt haben.

 

Do, 2. März

Die Nacht war kurz. Unser Werkstatttermin ist um 7h30. Es regnet stark, wir flüchten ins Kaffeehaus. Bis kurz nach 15h wird in der Werkstatt gearbeitet. Dann geht es endlich los - nach Landshut. DEUTSCHLAND

Schloss Niederaichbach, das „Kloster Kaltental“ in der Serie „Um Himmels Willen“.

Es ist sehr groß und ziemlich verfallen und steht direkt neben einem Atomkraftwerk.

Landshut hat eine sehr schöne Altstadt mit gotischen Straßenzügen. Es ist schon ziemlich dunkel, daher werden wir uns morgen alles genau anschauen.

Wir schlafen vor dem Rieblwirt am Stadtrand. Klaus isst hier auch zu Abend.

Es ist kalt, aber die Heizung bewährt sich.

 

Fr, 3. März

Frühstück im Café „Frühmorgen“.

Wir suchen und finden das sehr schöne Rathaus von „Falkental“ und die St. Martins Kirche mit dem höchsten Backsteinturm der Welt.

Ein Passant erzählt uns über die „Landshuter Hochzeit“. 1475 heiratete hier Herzog Georg der Reiche die Tochter des Polenkönigs, Hedwig = Jadwiga. Ein Glasfenster im Rathaus zeigt eine Darstellung davon. Alle vier Jahre findet zur Erinnerung daran ein mehrwöchiges Spektakel statt, bei dem sich viele Einwohner mittelalterlich einkleiden. Heuer werden wir im Juni ganz woanders sein. Aber 2021 haben wir uns notiert.

Unsere Reise nach Norden geht weiter. In Worms machen wir Station. Diese Stadt enttäuscht uns. Wir können keinerlei Charme erkennen. Den Dom mit den Skulpturen der streitenden Königinnen (Kriemhild und Brünhild) davor „ham’s eing’mauert“. Er kommt überhaupt nicht zur Geltung. Viele Straßennamen erinnern an die Nibelungen, und Drachen stehen auch einige herum.

Übernachtung bei einem Segelflugplatz

Sa, 4. März

Trier: nette Altstadt, Porta Nigra - ehemaliges römisches Stadttor aus dem 4. Jhd. v. Chr. - sehr beeindruckend.

Die Konstantinbasilika stammt aus derselben Zeit. Sie diente als Audienzhalle der Kaiser. An sie wurde im Barock - sehr frech - hinten das kurfürstliche Palais angebaut, mit Lustgarten. Das passt gar nicht dazu.

Weiter geht es nach LUXEMBURG, das uns nur eine Sitzbesichtigung wert ist.

In Lüttich (Liège) - BELGIEN - kurven wir im Regen herum und können uns für die Stadt nicht begeistern. Wir übernachten in bewährter Weise auf einem großen Parkplatz neben einem Sportplatz.

 

So, 5. März

Kurzer Abstecher in die NIEDERLANDE: Maastricht. Die hübsche Universitätsstadt liegt am Fluss Maas, nach dem sie benannt ist.

Wir schauen uns den Kirchenzwilling mit dem roten Turm am Vrijthof an. (War das einmal ein Friedhof?) Dann wandern wir zum Markt am Rathaus, wo das Denkmal von Johannes Petrus Minckeleers, dem Erfinder der Gasbeleuchtung, steht. Er hält eine brennende Fackel in der Hand.

Die Liebfrauenkirche sieht merkwürdig aus, mit ihrem besonders wuchtigen Westportal mit ganz schlanken Türmen an den Seiten.

Nun geht es wieder zurück nach BELGIEN, nach Löwen (Leuven) in FLANDERN. Es ist die Hauptstadt von BRABANT. Das Stadtbild ist von überbordender Gotik geprägt - „Lecce auf gotisch“, wie ich bemerke. Ein typisches Beispiel dafür ist das Rathaus.

Wir übernachten im Hafen mit Blick auf „Manhattan“ - eine Lagerhalle mit dieser Aufschrift.

Wir packen heftig aus, um und ein, um das Auto fertig für die Verschiffung zu machen. Es darf nichts im Auto herumliegen. Alles muss in den Kasteln verstaut sein. In der Garage muss alles festgezurrt sein. Leider müssen wir feststellen, dass es in der Bodenwanne wieder feucht ist. Dort können wir also in Zukunft nichts mehr verstauen.

Wir müssen auch unsere Koffer für ca. einen Monat ohne Auto packen.

Nachdem wir mit dem Gröbsten fertig sind, fängt es zu schütten an - perfektes Timing.

 

Mo, 6. März

Wir entleeren unser Klo, unseren Frischwasser- und Abwassertank und mit viel Mühe und in mehreren Etappen die Gasflasche. Das muss alles leer sein, bevor das Auto aufs Schiff darf. Außerdem haben wir schon seit einigen Tagen Tankmathematik betrieben. Er darf nämlich höchstens zu einem Viertel voll sein.

Wir vergessen auch nicht, unsere neuen Länderpickerln auf die weiße Rückwand unseres Autos zu kleben: L, NL, B.

Gegen Mittag kommen wir in Antwerpen an. Unser Zimmer in Plaza-Hotel ist toll - riesengroß.

Fahrt in den Hafen - sehr aufregend. Wir suchen lange herum, bis wir uns in den riesigen Hafenanlagen zurechtfinden, viel Papierkram. Nun steht das Wohnmobil - mit Kennzeichnung, wo es hin soll - inmitten anderer Autos bereit. Wir verabschieden uns und hoffen, es in ca. einem Monat in Baltimore wiederzusehen. Mit dem Taxi geht’s zurück zum Hotel.

In Antwerpen lebt die größte Anzahl orthodoxer Juden Europas. Hier ist auch ein wichtiges Zentrum des Diamantenhandels. Wir wohnen mitten drin. Das Straßenbild wird hier durch Männer mit Bärten und Bejkeles in ihren schwarzen Mänteln und schwarzen Hüten geprägt. Das befremdet uns irgendwie.

Wir genießen Minibar, Schreibtisch und Internet und spazieren am Abend durch ein prächtiges Villenviertel. Die Backsteinbauten sind durch helle und dunkle Ziegel gemustert.

In diesem Stil ist auch die Bahnlinie, an der wir entlanggehen. Sie erinnert uns ein wenig an die Wiener Stadtbahn.

Di, 7. März

Das große Badezimmer nützen wir natürlich weidlich aus. Das Frühstücksbuffet spielt alle Stückeln.

Stadtspaziergang: Rubenshaus - 1611 von Rubens gekauft, umgebaut und gestaltet. Er wohnte mit seiner Familie bis zu seinem Tod hier. Der Garten ist besonders schön, zu dieser Jahreszeit allerdings noch ziemlich kahl.

Auf dem Grünplatz in Sichtweite der Liebfrauenkathedrale steht das Denkmal des berühmten Sohnes der Stadt.

In dieser großen gotischen Kirche gibt es auch einige Bilder von ihm zu sehen. Wir sind allerdings keine großen Fans von ihm.

Dem geschnitzten Chorgestühl und der bemerkenswerten hölzernen Kanzel schenken wir mehr Aufmerksamkeit.

Ein Turm wurde nicht fertiggestellt. Das ist uns ja von unserem Stephansdom her vertraut. Was uns nicht gefällt, ist die Kuppel, die später mitten hineingesetzt wurde und gar nicht dazupasst.

Vor der Kirche wölbt sich das Straßenpflaster über die Marmorskulpturen der sterbenden Freunde, Nello und Patrasche. Der sehnlichste Wunsch des armen Jungen, Nello, war es, in die große Stadt zu gelangen und in der Kathedrale die Bilder von Rubens zu sehen. Mit großer Mühe ist ihm das, zusammen mit seinem Hund Patrasche, gelungen. In der Weihnachtsnacht sind sie dann gemeinsam in ebendieser Kirche vor Hunger, Erschöpfung und Kälte gestorben.

Diese Geschichte lief bei uns im Fernsehen als Zeichentrickserie unter dem Namen „Niklaas, der Junge aus Flandern“.

Auf dem Großen Markt vor dem Rathaus steht der Brabo-Brunnen. Ein Riese lebte am Ufer der Schelde. Er verlangte Zoll von den Schiffen, die passieren wollten. Wer kein Geld hatte, dem hackte er die Hand ab. Der Held Brabo besiegte ihn, hackte nun ihm die Hand ab und warf sie in den Fluss. So wurde er zum sagenhaften Gründer Antwerpens. Auch der Name der Stadt soll auf „Hand werfen“ zurückgehen. In Wirklichkeit kommt er aber von „an der Warft“. Die ersten Siedler lebten nämlich auf Warften, das sind künstlich aufgeworfene Siedlungshügel. Der Platz ist von wunderschönen Gildenhäusern gesäumt.

Uns hat es in Antwerpen sehr gut gefallen. Auch die vielen Radfahrer - haben wir in Flandern nicht anders erwartet - sind ganz nach unserem Geschmack.

Wir machen die erste Eintragung in unseren Blog. Das Hochladen ist mit dem langsamen Internet sehr langwierig, aber schließlich gelingt es doch.

 

Mi, 8. März

Es regnet heftig, also fahren wir mit dem Taxi zum Zentralbahnhof, an dem wir gestern schon mehrmals vorbeispaziert sind - ein imperialer Kopfbahnhof mit viel Goldschmuck, barock aus dem 19. Jhd. Gegen Mittag fährt unser Zug nach Gent, Fahrzeit ca. eine Stunde.

Unser Zimmer im River Hotel ist viel kleiner, aber es ist alles da, was wir brauchen, und die Internetverbindung ist viel schneller und stabiler. Wir wohnen direkt am Fluss Leie.

Jacob van Artevelde, Regent von Flandern im 14. Jhd. im hundertjährigen Krieg, dessen Denkmal ganz in unserer Nähe auf dem Vrijdagmarkt = Freitagmarkt steht, ist der Namensgeber unseres WLAN-Passworts.

Unser Hotel ist ein ehemaliges Fabrikgebäude. Es wurden moderne Teile angebaut und Stahlkonstruktionen als Stilelemente belassen.

Abendspaziergang im Regen. Das nasse, spiegelnde Kopfsteinpflaster ist ideal zum Fotografieren. Wohin man schaut, kleine, reizende, reichverzierte Häuser mit Butzenscheibenfenstern, romantisch beleuchtet. „Das ist ja wie in der Grottenbahn!“, rufe ich. Am Fluss sieht es aus wie in Venedig oder wie in Amsterdam. Wir sind begeistert. Und Klaus fasst zusammen: „Die Stadt is a Wåhnsinn“.

Do, 9. März

Gent bei Tag und ohne Regen, später sogar bei Sonne. Der Gesamteindruck der Stadt macht’s. Die Sehenswürdigkeiten nehmen wir natürlich auch mit: Das Stadthaus, die Kirche St. Niklaas, die Burg Gravensteen, mitten in der Stadt.

Witzig finden wir die schmale Graffiti-Street, die ihrem Namen vollständig gerecht wird. An den Glockenturm Belfried = Belfort ist die Tuchhalle angebaut. Der Turm mit der Rolandglocke trägt einen goldenen Drachen an der Spitze. Originell ist das Relief des Mammelokker. Der Sage nach erhielt ein zum Tode durch Verhungern Verurteilter täglich Besuch von seiner Tochter. Die arbeitete als Amme und ließ ihren Vater Milch aus ihren Brüsten saugen, um ihm das Leben zu retten. Diese mildtätige Handlung rührte sogar den Richter, und er ließ den armen Mann frei - eine nette Geschichte.

In der Kathedrale St. Bavo = Sint Baaf - ein lokaler Heiliger aus dem 7. Jhd. - ist vor allem der Genter Altar bemerkenswert. Der Flügelaltar wurde im15. Jhd., also in der Frührenaissance, von den Gebrüdern van Eyck geschaffen. Die Darstellung der Anbetung des Lammes ist sehr ungewöhnlich. Klaus schwärmt von der Farbigkeit und der Komposition.

Der Altar war übrigens während des 2. Weltkriegs im Salzbergwerk bei Altaussee versteckt.

Unbedingt erwähnt gehört unser Abendessen: Salat mit Ziegenkäse = Geitenkaas, unbeschreiblich köstlich.

 

Fr, 10. März

Der bereits erwähnte Freitagsmarkt - gleich bei unserem Hotel - hat seinen Namen zu Recht, wie wir feststellen.

Wir machen einen Stadtspaziergang bei strahlendem Sonnenschein.

Vieles ist uns bereits ganz vertraut. Die offiziellen Sehenswürdigkeiten kennen wir schon, also widmen wir uns den Details.

Wir dringen ins Stadthaus ein - das Tor ist wegen einer Hochzeit gerade offen - und steigen bis zum Dachstuhl hoch. Dabei entdecken wir einen Thronsaal und genießen die nette Aussicht auf die Stadt. Der Gerichtssaal wird restauriert, Bauarbeiter sind gerade keine da, also steigen wir frech auf eine Leiter und besichtigen ihn über die Absperrungen hinweg.

Auf einem historischen Gebäude prangt groß die Aufschrift De Post. Zu unserer Überraschung finden wir im Inneren ein ultramodernes Warenhaus vor.

Das Metselaarshuis = Zunfthaus der Steinmetze aus dem 16. Jhd. - gegenüber der Nikolauskirche - hat uns gleich am ersten Abend gefallen. Oben auf dem Treppengiebel drehen sich sechs Tänzer heiter mit dem Wind. Heute findet Klaus endlich gute Lichtverhältnisse zum Fotografieren vor.

 

Sa, 11. März

Wir haben ein E-Mail von Seabridge bekommen. Unser Auto ist bereits auf dem Schiff und unterwegs nach Amerika. Per Internet können wir verfolgen, wo genau es sich befindet. Es ist lustig und auch etwas aufregend, das immer wieder zu kontrollieren.

Fahrt mit dem Zug nach Rotterdam. Dabei überschreiten wir die Grenze und sind jetzt wieder in den NIEDERLANDEN. Den belgischen Waffeln und den vielen Schokoladegeschäften haben wir ja tapfer widerstanden.

Unser Hotel, „M citizen“, ist ganz modern und sehr stylisch. Die Zimmer sind winzig, aber sehr funktionell. Mir gefällt das.

Vom Bett aus sehen wir direkt zum Witte Huis hinüber, dem ersten Hochhaus Europas, 1900 wurde es gebaut. Neben den modernen Wolkenkratzern wirkt es klein.

Die Gegend, in der wir wohnen, besteht aus lauter modernen Hochhäusern mit vielen großen Glasflächen. Die Formen sind ganz verschieden, ungewöhnlich, ja sogar gewagt. Ein gutes Beispiel dafür sind die „Cubes“ - Würfel, die schräg auf Wohnhäuser aufgesetzt sind. Was für ein Lebensgefühl muss man wohl darin haben. Wir freuen uns, dass wir einen solchen Würfel, also eine Wohnung, von innen besichtigen können - drei Stockwerke mit schmalen, halsbrecherischen Treppen, sehr schiefe Wände mit speziellen Maßmöbeln, nette Aussicht von oben.

Der Eindruck der Stadt ist großzügig, weitläufig, offen. Viele der Hochhäuser sind sehr originell. Nicht umsonst wird Rotterdam „The Capital of Modern Architecture“ genannt. Sie arbeiten mit allen Formen und Mitteln moderner Architektur. Uns gefällt das sehr gut.

Wir spazieren am Alten Hafen entlang, vorbei an einem mobilen Riesenrad, zur tollen, sehr beindruckenden Markthalle, die erst 2014 gebaut wurde - ein hufeisenförmiges, elf Stockwerke hohes, langgestrecktes Gebäude mit unzähligen Geschäften und Lokalen. An der Außenseite befinden sich Wohnungen.

So, 12. März

Spaziergang bei frühlingshaftem Wetter. Auch in den anderen Vierteln der Stadt setzt sich der erste Eindruck fort. Nur ganz vereinzelt sehen wir ältere Gebäude, z. B. die gotische, ein bisschen schiefe - steht auf Sumpfboden - Laurenskerk, auch Grote Kerk (= große) genannt, und das Rathaus aus 1920. Auch ein historisches Denkmal entdecken wir - von wem wohl? Richtig, von Erasmus von Rotterdam.

Im 2. Weltkrieg wurde die Stadt fast völlig zerstört. Hier wurden die historischen Gebäude nicht wieder aufgebaut, sondern man entschloss sich zu einem grundsätzlichen städtebaulichen Neubeginn.

Wasser spielt eine große Rolle in Rotterdam, insbesondere der Fluss Maas. „Nahe am Wasser gebaut“, meint Klaus. Die weiße, hohe Erasmusbrücke wird von den Einheimischen „Der Schwan“ genannt.

Der Hauptbahnhof ist auch ganz neu - unser Westbahnhof x 2.

Klaus macht tolle Fotos, oft mit interessanten Spiegelungen.

Die Stadt ist ein totales Kontrastprogramm zu Gent. Allerdings gibt es natürlich auch hier unzählige Fahrräder und viele Radwege.

 

Mo, 13. März

Das Hauptprogramm des heutigen Tages: Wäsche waschen. Wir suchen und finden einen Waschsalon.

Zu unserer Überraschung kommen wir dabei in ein Stadtviertel mit hübschen alten Häusern, entlang eines Kanals. Alles ist also im Krieg doch nicht zerstört worden.

 

Di, 14. März

Fahrt nach Delft, mit dem Zug.

Der erste Eindruck der Stadt: sehr nett, Kanäle wie in Amsterdam, viele Fahrräder, eine Kirche mit schiefem Turm, die erste Windmühle auf dieser Reise.

Den ganzen Weg zu unserer Unterkunft begleitet uns das Glockenspiel der Neuen Kirche = Nieuwe Kerk, per Hand gespielt von einem Carrioneur.

Es gibt auch eine Alte Kirche. Beide Kirchen sind übrigens alt. Sie stammen beide aus dem 14. Jhd.

Diesmal haben wir ein richtiges Apartment mit voll ausgestatteter Küche.

Erfreulicherweise trägt uns der junge Mann vom Empfang die Koffer über die steile und enge Treppe hinauf. Wir wohnen nämlich ganz oben, unter dem Dach.

Bei einem ersten Spaziergang kommen wir am Rathaus vorbei, das wirkungsvoll ganz allein auf dem Platz steht.

Das Innere der Neuen Kirche wird vom Grabmal des Wilhelm von Oranien beherrscht. Er war im 16. Jhd. Statthalter der spanischen Niederlande. Er verbrachte seine letzten Jahre in Delft und wurde hier ermordet. Der Kämpfer für die Freiheit der Niederlande war zuvor von Philipp II für vogelfrei erklärt worden. Wir kennen ihn aus Goethes Trauerspiel „Egmont“.

Seit dieser Zeit werden alle Mitglieder des hiesigen Königshauses in der Gruft dieser Kirche bestattet, zuletzt Königin Juliana.

Was mich befremdet, ist, dass man die Kirche durch den Shop betreten muss.

Die Nachrichten berichten von einer Blizzardwarnung in New York. Angeblich soll am Donnerstag, wenn wir hinfliegen wollen, das Schlimmste schon vorbei sein. Wollen wir es hoffen. Der Wetterbericht kündigt große Kälte an - hoffentlich gilt das nur für das Wetter.

Klaus ist sehr süß. Er meint, ich werde die Stadt mit meinem Liebreiz erwärmen.

Mi, 15. März

Delft ist die hübscheste Stadt auf unserer bisherigen Reise. Die kleinen Häuser wirken wie von Vermeer gemalt.

Heute finden in den Niederlanden die Parlamentswahlen statt. Aus diesem Grund können wir wieder einmal in ein Rathaus eindringen, weil hier Wahllokale untergebracht sind.

Die Kirche mit dem schiefen Turm ist die Oude Kerk, die Alte Kirche. Vermeer liegt darin begraben. Auch hier gibt es keinen Altar. Die Sitzbänke sind von allen Seiten her auf die Kanzel hin ausgerichtet, evangelisch halt.

Im ehemaligen Haus der St.-Lucas-Gilde, der Malergilde, ist das Vermeer-Centrum untergebracht. Hier sind Reproduktionen aller seiner Werke in Originalgröße und in chronologischer Reihenfolge ausgestellt, und wir lernen viel Interessantes über die Details. Jan Vermeer (1631-1675) hat ja nur 37 Bilder gemalt, ehe er ganz unerwartet gestorben ist. Man weiß nur sehr wenig über sein Leben. Wir lieben ihn und haben schon viele seiner Gemälde im Original gesehen. Auch in Amerika werden wir uns Bilder von ihm anschauen.

Sein letztes Wohnhaus befand sich übrigens genau gegenüber von unserem Quartier, wo jetzt die katholische Kirche steht.

Nun machen wir einen Spaziergang in der Sonne. In vielen Geschäften sehen wir das berühmte Delfter Porzellan, mit holländischen Motiven in einem besonderen Blau, delfts blauw. Mir hat das noch nie gefallen. Die Keramikmanufakturen gibt es bereits seit dem 17. Jhd. In fast alle Privatwohnungen kann man direkt hineinschauen. In Holland gibt es keine Vorhänge. Das ist uns damals schon in Amsterdam aufgefallen.

Wir spazieren bis zum idyllischen Oostpoort, dem östlichen Stadttor, und genießen das Lebensgefühl in einer Stadt fast ohne Autos, dafür mit vielen Fahrrädern.

Einen sehr passenden Film schauen wir uns heute Abend an: „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“.

Wir verlassen das niederländische Sprachgebiet. Es hat uns Spaß gemacht, uns aus Aufschriften, Speisekarten, etc. zusammenzureimen, was das heißen könnte. Eines meiner Lieblingswörter war „Behangpapier“ für Tapete. Die gesprochene Sprache haben wir allerdings gar nicht verstanden.

Was noch bedeutsamer ist: Wir verlassen EUROPA für das nächste halbe Jahr.

Wir freuen uns aufgeregt.

bottom of page