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17. Kapitel: Neuengland-Staaten und Québec  

 

 
Mi, 6. September

Wir fahren nach Osten. Ganz in der Nähe liegt Buffalo. „Unsere Herzen aber sind frei und froh...“ Dorthin ist damals die „Schwalbe über dem Eriesee“ unterwegs gewesen. In Detroit, von wo sie losgefahren ist, waren wir ja auch schon.

Nun kommen wir in das Gebiet der schmalen Fingerlakes. „Manitu hat hier seine Finger draufgelegt“, sagen die Indianer. Er hat offenbar zwölf, kürzere und längere. Im Vergleich zu den Great Lakes sind sie winzig. Man kann sie vielleicht größenmäßig mit dem Attersee vergleichen. Sie sind parallel nebeneinander angeordnet.

Wir gleiten durchs Land, durch abwechslungsreiche Landschaft und Dörfer mit überraschend kleinen Häusern, meist sichtlich ohne Keller.

Auf der Suche nach einem Schlafplatz folgen wir dem Pfeil zu den Taughannock Falls. Der nette kleine Wasserfall liegt in einer eindrucksvollen Felsnische mit ganz glatten Wänden. Er gefällt uns sehr gut. Natürlich hat er keine Chance gegen das gestrige Niagara-Erlebnis. Wir machen eine kleine Wanderung entlang der Schlucht. Der Parkplatz neben einem Wäldchen eignet sich sehr gut als Schlafplatz. Fein, wieder einmal naturnäher zu übernachten. Wir haben es sehr gemütlich. Klaus schaut sich einen Film auf DVD an, und ich lege mich zum Lesen ins Bett. Da klopft es an unsere Tür- die Polizei. Hier dürfen wir nicht stehen bleiben. „Wir haben gar kein Schild gesehen“, stellen wir uns naiv. Das ist ein State Park. Da darf man grundsätzlich nicht über Nacht parken. Wir sind natürlich völlig „ahnungslos“. Klaus hat eine geniale Idee. Er kann nicht mehr fahren, weil er Wein getrunken hat, und seine Frau kann gar nicht fahren. Der Polizist will Klaus’ Führerschein sehen und überprüft die ID. Er überlegt. Dann telefoniert er. Schließlich dürfen wir ausnahmsweise bleiben. Zum Schluss interessiert er sich ohnehin nur mehr für unsere Pickerln und unsere Reise.

 

Do, 7. September

Die weitere Nacht haben wir ganz ungestört verbracht, sogar mit Polizeischutz ;-).

Wir fahren heute durch die Catskill Mountains, ein wichtiges Naherholungsgebiet, eine Art Wienerwald für New York City. Hier hat übrigens das legendäre Woodstock-Festival 1969 stattgefunden.

Eine hübsche, liebliche Landschaft, und überall blühen die Goldruten in ihrem leuchtenden Gelb. Dazu passen die roten Bauernhäuser und die weißen Bleistiftspitzen-Holzkirchen.

Auf dem Walmart-Parkplatz in Kingston schlagen wir unser heutiges Nachtlager auf. Da sind wir wenigstens vor Polizeiübergriffen sicher ;-).

 

Fr, 8. September

Unsere Route führt uns weiter nach Südosten. Wir verabschieden uns von den hübschen Catskill Mountains und überqueren den Hudson River. Den kennen wir ja aus New York City. Dort hat er uns nicht so gut gefallen. Hier stellt er sich uns als großer, mächtiger Fluss vor, mit dicht bewaldeten Ufern. Ich vermute mal, dass die Insel Manhattan einst auch ähnlich ausgesehen hat, mit einem Indianerpfad quer durch- dem Broadway.

Für unsere Reise schließt sich der Kreis und er bekommt ab nun noch ein Anhängsel dazu.

Wir fahren wieder durch kleine Dörfer, und Umleitungen wegen Straßenarbeiten führen uns weiter ins „Unterholz“, wie Klaus das nennt.

Nach langer Zeit können wir endlich wieder ein Pickerl auf die Rückwand unseres Wohnmobils kleben, nämlich das von CONNECTICUT. Der Name ist eine Verballhornung der indianischen Bezeichnung für „langer Fluss“. Diesen langen Connecticut River fahren wir nun entlang.

Der kleine Staat - er ist ein bisschen kleiner als die Steiermark - ist eine der 13 Kolonien, die im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1775-1783 gegen Großbritannien rebellierten.

Wir haben den Atlantik erreicht. In Mystic liegt unser Campingplatz für die nächsten zwei Nächte. Zuerst fahren wir aber zum Seaport, einem großen Seefahrtsmuseum. Die alte Walfängerstadt war ja Mitte des 19. Jhd. ein blühendes Schiffbau- und Handelszentrum. Im Freilichtmuseum wird die maritime Vergangenheit Neuenglands lebendig vorgeführt. Im weitläufigen Gelände stehen Hafenanlagen, Handwerksbetriebe, Kneipen, Läden, Häuser von Kaufleuten, eine Bank, eine Druckerei, usw. Mehrere historische Boote und Schiffe liegen im Hafen vor Anker. Hauptattraktion ist ein hölzernes Walfangschiff  aus 1841. So ähnlich hat wohl die „Pequod“ aus dem Roman „Moby Dick“ ausgesehen. In der museumseigenen Werft wurde vor einigen Jahren ein Wikingerschiff nachgebaut, mit dem 2016 die Fahrt von Leif Eriksson um das Jahr 1000, von Norwegen über Island und Grönland hierher wiederholt wurde. Das muss ein tolles Abenteuer gewesen sein. Auch dieses Schiff können wir bewundern- eine sehr schöne Arbeit. Es hat allerdings Radar eingebaut und wahrscheinlich auch noch andere verborgene moderne Ausrüstung- zur Sicherheit.

Nachdem wir uns satt gesehen haben fahren wir auf unseren Campingplatz und machen es uns gemütlich.

 

Sa, 9. September

Den heutigen Ruhetag genießen wir in Gesellschaft einiger Eichhörnchen, die sehr eifrig damit beschäftigt sind, Wintervorräte herumzuschleppen und zu vergraben. Das campfire prasselt. Auch von dieser Lagerfeuerromantik müssen wir uns langsam verabschieden.

An diesem wunderschönen herbstlich warmen Tag sind wieder einmal Haare schneiden und household chores - Putzen und Wäsche waschen - angesagt. In der Nacht wird es wahrscheinlich wieder empfindlich kühl werden. Diese Temperaturunterschiede bilden ja die Grundlage für den Indian Summer, von dem wir allerdings bis jetzt noch nicht sehr viel gesehen haben.

Der Wirbelsturm Irma rast mit ungeheuerlicher Geschwindigkeit und Wucht auf Florida zu. Solche Meldungen machen uns sehr betroffen. Dort waren wir doch erst vor Kurzem. Wir haben damals auch entlang der Durchzugsstraßen immer wieder die Zeichen für „Hurricane Escape“ gesehen, und auch viele allzu leicht gebaute Häuser.

Klaus hat natürlich bei der Reiseplanung darauf geachtet, dass wir nicht in der Hurricane-Saison dort sind. Aber so genau kann man das ja nie wissen.

 

So, 10. September

Es geht weiter nach Osten, nach RHODE ISLAND, the „Ocean State“ Das ist der kleinste US-Staat. Er ist ungefähr so groß wie Vorarlberg. Seinen Namen hat er von der Rhode Island. Auf dieser Insel liegt Newport, der Tummelplatz der Superreichen und Neureichen des ausgehenden 19. Jhd, die sich hier ihre - Hauptsache teuren - Mansions bauten. Der Film „High Society“ mit Grace Kelly, Bing Crosby und Frank Sinatra spielt hier. Und der Film „der Große Gatsby“ mit Mia Farrow und Robert Redford wurde hier gedreht.

Wir erkunden die kleine Stadt mit den Fahrrädern. Dieser warme und sonnige Herbsttag lädt ja geradezu dazu ein. Unsere Drahtesel freuen sich, dass sie nach langem wieder einmal ausgelüftet werden Zunächst geht es den belebten Broadway entlang. Den gibt es in fast in jeder Stadt, die etwas auf sich hält. Im Hafen liegen riesige Superyachten. Hier startet auch eine der bekanntesten Segelregatten der Welt, der America’s Cup.

In der Washington Street stehen mehrere schöne Holz-Wohnhäuser aus dem späten 17. und frühen 18. Jhd.

Gegründet wurde Rhode Island um 1636 von Roger Williams, den die Puritaner in Massachusetts wegen Nonkonformismus aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen hatten. Da gründete er halt einfach einen neuen Staat, der bald ein Sammelpunkt für andere wurde, die dem strengen Reglement auch entfliehen wollten.

Die Hauptstadt lassen wir - wie so oft - aus. Ihr frommer Name Providence = göttliche Vorsehung zieht uns auch nicht besonders an.

Um 11:11 zeigt unser Tacho 88888 an. So symmetrisch hat es auf unserem Display noch nie ausgesehen. Das ist ja wie im Buch „die Kunst aufzuräumen“ von Ursus Wehrni.

Wir fahren durch die sauberen Straßen von Rhode Island, vorbei an schmucken Häusern. Das Wasser des Atlantik glitzert im Sonnenschein. Segelboote schaukeln friedlich. Und zugleich tobt „Irma“ in Florida. Wir denken oft daran.

Und schon reisen wir in den nächsten Staat ein, MASSACHUSETTS, the „Spirit of America“.

Bis jetzt habe ich ihn immer nur mit dem gleichnamigen Hit der Bee Gees in Verbindung gebracht. Als ich 11 Jahre alt war, habe ich für die Brüder Gibb geschwärmt.

Der Walmart-Parkplatz in Raynham ist unser heutiges Tagesziel.

 

Mo, 11. September (9/11)

Im Schutze des Walmarts haben wir - wie so oft - sehr gut geschlafen.

Jetzt fahren wir nach Südosten auf dem Scenic Highway nach Cape Cod = Kap Kabeljau. In meinen Augen sieht diese schmale Halbinsel wie ein Schnabelschuh mit aufgebogener Spitze aus. Klaus sieht eher den Arm eines Kraftsportlers, der seine Muskeln spielen lässt, und dazu den Unterarm aufstellt und die Finger nach innen biegt. Leider hat er Bingo Wings, und aus dem Ellbogen tropfen ihm ein paar Inseln.

Wir fahren durch sehr hübsche gepflegte Orte. Die schönsten Plätze am Wasser sind privat. Dort stehen die Häuser der Reichen- wahrscheinlich geerbt, wie bei uns am Attersee. Wir gehören jetzt auch dazu. Unser Häuschen hat für die Mittagspause doch noch ein Plätzchen mit Aussicht aufs Meer gefunden.

Der Fremdenverkehr ist hier Wirtschaftsfaktor Nummer eins. Die Dünen, die bis über die Straße wehen und kilometerlangen weißen Strände an beiden Küsten sind hier das Highlight. Besonders reizvoll sind aber auch die vielen kleinen Seen, die es zusätzlich noch dazwischen gibt. Moby Dick ist der wichtigste Werbeträger, und ein ganzbesonderer Verkaufshit sind Luftmatratzen in allen möglichen Formen, als Pizzastück, als Donut, als Brezel, als aufgerissenes Maul eines Hais, in das man sich sozusagen hineinlegt, und viele Unsäglichkeiten mehr. Der National Seashore ist so etwas Ähnliches wie ein Nationalpark, ein Naturschutzgebiet am Meer eben.  

Seit 1914 ist Cape Cod genau genommen keine Halbinsel mehr. Der Cape Cod Canal schneidet sie durch und macht sie zu einer Insel. Für die Schiffe ist das ein Abschneider. Sie ersparen den Weg um diese langgezogene Halbinsel herum.

Der Fischfang spielt auch eine große Rolle- Kabeljau selbstverständlich.

Dort wo sich die „Finger des Muskelarms“ nach innen biegen ist ein natürlicher Hafen entstanden. Dort sind Ende November 1620 die Pilgerväter mit der Mayflower gelandet- Mütter waren wohl auch dabei. Sie waren Puritaner, strenge Calvinisten, die in England damals verfolgt wurden. In Plymouth in Südwest-England fuhren sie los. Eigentlich wollten sie nach Virginia, wo schon andere Siedler lebten. Es war aber schon so spät im Jahr, dass an eine Weiterfahrt nicht mehr zu denken war. Sie warteten ein paar Wochen hier in der geschützten Stelle und segelten dann - sobald die Witterung es einigermaßen zuließ - quer durch die Bucht. An der Küste gingen sie an Land. Es war eisig kalt. Es herrschte damals ja die kleine Eiszeit. Die Passagiere überwinterten auf dem Schiff. Leider überlebten das viele nicht. Die Kälte, der Nahrungsmangel aber auch die Enge und die schlechten hygienischen Zustände waren dafür verantwortlich. Im Frühling segelte die Mayflower nach England zurück. Die Siedler fanden eine aufgelassene Indianersiedlung mit einer Quelle, die die Keimzelle für das amerikanische Plymouth wurde. Vornehme Familien Neuenglands versuchen ihre Abstammung auf einen Passagier der Mayflower zurückzuführen. Es gibt sogar die „General Society of Mayflower Descendants“.

Wir machen wieder einmal eine nette kleine Wanderung entlang des Salt Marsh-Gebiets.

Eigentlich wollten wir mit der Fähre quer über die Bucht nach Plymouth fahren, aber leider verkehrt sie nur an Wochenenden. Also müssen wir doch den Umweg mit dem Auto nehmen. Ca 100km sind das noch. Einen sicheren Schlafplatz haben wir dort ja, den Walmart-Parkplatz. Ein wunderbares Abendessen wartet heute auf uns. Wir waren nämlich am Vormittag endlich wieder einmal in einem Whole Foods Market und haben uns köstliche Dinge beim Buffet gekauft. Diese Biomärkte sind halt lange nicht so häufig, wie die Walmarts, und übernachten kann man da auch nicht. Noch ein bisschen Bildschirmarbeit, und dann sind wir rechtschaffen müde. Heute ist es ziemlich spät geworden.

 

Di, 12. September

Auf zur Mayflower. Die wurde nämlich nachgebaut und liegt hier im Hafen. What a shame, das Schiff wird gerade restauriert, daher es nicht hier, und man kann es nicht sehen. Sie soll 2020 zur 400 Jahr-Feier neu erstrahlen. So müssen wir uns halt mit einem Foto in unserem Reiseführer und den anderen Sehenswürdigkeiten, die es hier an der Waterstreet gibt, begnügen. Neben zahlreichen Souvenirshops bestaunen wir einen „antiken“ Tempel. Darin befindet sich ein hochverehrter Felsbrocken. Auf den haben die frommen Ankömmlinge als erstes ihren Fuß gesetzt. Es handelt sich um einen National Shrine. Was sie für ein Theater um diese Sache machen, ist erstaunlich, zumal die Mayflower ja keineswegs das erste Schiff war, das mit Siedlern an Bord nach Amerika kam. Die spinnen, die Amerikaner.

Hier steht auch die Skulptur eines Pilgervaters, der landeinwärts blickt. Ihm gegenüber auf einem Hügel steht die Skulptur eines Indianers. Er blickt auf den Europäer hinab, „und wundert sich“, meint Klaus.

Als nächstes steht die Plimoth Plantation, ein Freilichtmuseum, auf unserem Programm. Die Gründer der Stadt schrieben den Namen tatsächlich damals recht oft mir „i“ und ohne „u“. Genaue Othographieregeln gab es ja noch nicht. Das Dorf der Pilgerväter wurde hier aufgebaut. Schauspieler in zeitgenössischer Tracht erzählen in altertümlichem Englisch ihre ganz persönliche Geschichte und sprechen mit uns aus der Sicht des 17. Jhd. Da wir ja aus Österreich kommen, nehmen sie an, dass wir dem 30jährigen Krieg entflohen sind, und natürlich mit einem Schiff gekommen sind. Unser Wohnmobil wird so zu einem Planwagen, mit dem wir seit einem halben Jahr durchs Land ziehen. Klaus fragt die Leute, ob er ein Bild von ihnen „malen“ darf. Ein Landsknecht schimpft hefig über den „Kaiser“ - das war damals der Habsburger, Ferdinand II mit seinem Feldherrn Wallenstein - und erzählt Kriegsgeschichten. Die Häuser haben kleine Gemüsegärten, und Perlhühner laufen herum. Um alles möglichst authentisch zu gestalten, wurden sogar Tiere rückgezüchtet. Ein „Living Museum“ wird das genannt. Wir sind sehr angetan. Auch eine Indianersiedlung ist dabei. Schließlich haben die Siedler im Herbst 1621, nach ihrer ersten Ernte, gemeinsam mit den Indianern das erste Thanksgiving Fest gefeiert, das seither in den USA und in Kanada immer am vierten Donnerstag im November stattfindet. Es ist einer der wenigen staatlichen Feiertage und ein wichtiges Familienfest. Traditionell werden bei der Feier nur Produkte gegessen, die in Amerika heimisch sind, z.B. Truthahn, Süßkartoffeln, Mais, Kürbiskuchen und Cranberry-Sauce.

Uns hat das Flanieren und Plaudern in diesem Dorf sehr gut gefallen, an diesem wunderschönen, warmen, fast heißen Tag.

Fürs Übernachten haben wir heute einen Campingplatz im Wompatuck State Park ausgesucht. Von hier aus können wir morgen mit einer Fähre oder einem Pendelzug nach Boston Downtown fahren. Endlich wieder ein typischer State-Park-Campground in der „Wildnis“, wie wir ihn lieben. Wir werden drei Nächte hier bleiben. Klaus geht Holz suchen, und bald knistert wieder ein gemütliches Feuer.

 

Mi, 13. September, unser 16. Jahrestag

Ein neuer strahlender Herbsttag beginnt. Wir fahren zum Hafen. Dort lassen wir unser Auto zurück und nehmen die Fähre nach Boston. Das kleine Schiff nimmt nur Fußgänger mit. Und wieder bewegen wir uns auf die Skyline einer unbekannten Stadt zu- eine ungewöhnliche Skyline, Hochhäuser in Braun- und Beigetönen, mit eine Art Stadttor- alles kompakt beisammen. Und daneben steht ein „venezianischer Turm“. Nach ca. 45 Minuten gehen wir mitten in Downtown an Land.

Anders als in Seattle, wo die Autobahn mitten über die Innenstadt hinwegdonnert, haben die Bostoner das wesentlich eleganter gelöst. Die 6-spurige Durchzugsstraße verläuft seit dem 1980er-Jahren unterirdisch. Die umfangreichen Bauarbeiten wurden damals als „Big Dig“ bezeichnet. Da, wo die Stadtautobahn früher war, kann man jetzt über den Greenway flanieren, der zwischen Wohnhäusern als Parkgürtel durch die halbe Stadt führt.

Boston ist mit seinen ca. 600.000 Einwohnern die größte Stadt Neuenglands und die Hauptstadt von Massachusetts.  In der Metropolregion wohnen 4,5 Mio. Menschen. Die Stadt ist eine der ältesten, wohlhabendsten und kulturell reichsten der USA. Neben den Universitäten und Museen ist auch noch das Boston Symphony Orchestra von großer Bedeutung. Außerdem ist hier einer der wichtigsten Handelshäfen der Welt.

Seinen Namen hat Boston von einer gleichnamigen Stadt in England.

Die sogenannte Bostoner Tea Party fand 1773 statt. Damals gab es Proteste gegen England, wegen der hohen Steuerbelastung, insbesondere der hohen Teesteuer. Junge Leute verkleideten sich als Indianer, schlichen auf ein Schiff und kippten die gesamte Teeladung ins Meer. Dieser Vorfall und der darauf folgende Strafkatalog der Engländer gilt als Initialzündung für den Unabhängigkeitskrieg (1775-1785).

Eine rote Pflasterspur, der Freedom Trail führt zu den wichtigsten historischen Stätten der Stadt, die uns allerdings allesamt nicht sonderlich interessieren. Historisierender Baustil und der spezielle amerikanische Patriotismus sind einfach nicht unser Ding.

Unser Spaziergang führt uns zu einem kleinen, sehr alten Friedhof, dem Cranary Burial Ground, auf dem verschiedene berühmte Persönlichkeiten begraben sind, u.a. auch die Eltern von Benjamin Franklin. Er stammte aus sehr ärmlichen Verhältnissen. Um seine Eltern zu ehren, errichtete er ihnen hier einen Obelisken.

Jetzt nehmen wir die U-Bahn und fahren zum Museum of Fine Art (mfa). Der Anbau vom renommierten Architekten, Sir Norman Foster ist zwar unspektakulär, aber wir halten ihn für sehr gelungen.

Gleich zu Anfang sehen wir ein Gemälde, das die Niagarafälle zeigt, wie sie im 19. Jhd. ausgesehen haben, vor dem großen Erdrutsch. Die Amerikanischen Fälle waren damals noch mit den Hufeisenfällen verbunden und die Sturzhalde gab es natürlich auch noch nicht. Die Landschaft an den Ufern ist noch unberührt von Hotels, Restaurants und Aussichtstürmen.

Was mir gefällt sind die funktionellen Jugendstilmöbel von Josef Hoffmann, ein paar Picassos und einige Impressionisten wie z.B. Monet und Renoir.

Ein weiteres Museum steht noch auf unserem Programm, das Isabella Stewart Gardner Museum. Die exzentrische Dame aus der Bostoner Gesellschaft ließ sich um 1900 einen „venezianischen“ Palast erbauen und zog mit ihren Kostbarkeiten, die sie in vielen Jahren gesammelt hatte - vor allem europäische Kunst - dort ein. Die Anordnung der Kunstwerke hat sie sehr individuell und scheinbar ungeordnet gestaltet. Unser erster Eindruck. „die Dame hat einen Knall gehabt.“ Aber dann denke ich mir, dass sie einfach konsequent ihren Traum verwirklicht hat. Und da sie genügend Kleingeld hatte, konnte sie das auch tun.

Von außen erkennt man den Palast gar nicht so deutlich als solchen. Es führt auch eine Mauer herum, die Klaus an die eines Serails erinnert. Von innen aber umso mehr. Alles ist eher dunkel und ziemlich überladen. Der große Innenhof mit plätschernden Brunnen, Skulpturen und vielen Pflanzen und Bäumen ist allerdings sehr schön. Wir halten Ausschau nach dem Bild von Vermeer, „Das Konzert“, weshalb wir überhaupt hergekommen sind. Wir fragen eine freundliche Kustodin danach. „Leider wurde es gestohlen“, klärt sie uns auf. Wir sind ganz betroffen. „Vor 27 Jahren“ fügt sie hinzu“. Oh, wie peinlich. Das haben wir gar nicht gewusst. Im Vermeer-Centrum in Delft haben wir nichts davon erfahren. Da haben wir jetzt keinen Grund mehr, noch länger in diesem Haus zu bleiben.

Wie kommen wir nun von hier am besten zur Harvard Universität in Cambridge? Wir sind ziemlich müde. Museumsbesuche sind immer recht enegieraubend. Also nehmen wir einfach ein Taxi. Es bringt uns über den Charles River zum elitären Universitätscampus.

Hier können nur sehr Betuchte ihre Kinder hinschicken. Unter anderem studierten die Präsidenten Barack Obama und John F. Kennedy hier. Letzterer wurde 1917, also vor genau hundert Jahren, in Boston geboren, und sein Großvater war zeitweilig Bürgermeister der Stadt. Zwischen den ehrwürdigen Backsteingebäuden sitzen Studenten im Gras oder auf bunten Stühlen und haben ihre MacBooks auf den Knien. Die Statue von John Harvard thront im Zentrum. Der linke Fuß ist schon ganz abgegriffen und glänzt daher golden. Es soll nämlich Glück bringen, wenn man ihn berührt. „Nur, wenn man genug gelernt hat“, meint Klaus. Der puritanische Theologe hatte in Cambridge, in England, studiert. 1637 wanderte er hierher aus. Er starb kinderlos und hinterließ sein Vermögen und seine umfassende Bibliothek dem College in seiner Nachbarschaft, das seither seinen Namen trägt. Es entwickelte sich zu einer der führenden und ältesten Hochschulen der Vereinigten Staaten.

Nicht weit von hier entfernt liegt auch das hoch angesehene Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Wir fahren mit der U-Bahn zurück in den Hafen und träumen von einem netten Restaurant fürs Abendessen. Wir wollen doch unseren heutigen Jahrestag gebührend feiern. Wir suchen lange herum und werden einfach nicht fündig. So viele nette Lokale haben wir tagsüber gesehen. Jetzt haben sie alle zu. Wir beschließen, die kulinarischen Feierlichkeiten zu vertagen und beeilen uns, die nächste Fähre zu erwischen. Dort stellen wir uns beim Buffet an, um uns ein Sandwich zu kaufen. „Die gibt es nur bis Mittag“, müssen wir erfahren. „Offenbar essen die Amerikaner am Abend nichts“, vermute ich, „deshalb sind sie auch alle so schlank ;-).“ Wie gut, dass wir zu Hause im Wohnmobil noch etwas Knäckebrot und Käsereste haben.

Boston verabschiedet sich von uns, mit seiner beleuchteten Skyline.

Zu unserer Überraschung finden wir in unserem Heimathafen eine Pizzeria vor. Damit haben wir überhaupt nicht mehr gerechnet. Das Lokal ist sehr einfach, Besteck müssen wir uns aus unserem Auto holen. Aber die Pizzas sind sehr gut, und als Draufgabe gibt es ein Baseballmatch im Fernsehen. Schließlich gehört das ja auch zu Amerika.

Zufrieden und ziemlich spät kommen wir in unserem State Park an und fallen bald ins Bett.

 

Do, 14. September

Heute genießen wir einen Ruhetag auf dem Campingplatz und erkunden den State Park mit unseren Klapprädern. Schließlich haben wir bei unserer Ankunft eine Landkarte geschenkt bekommen. Wie schön, dass wir nun gegen Ende unserer Reise nochmals Stress rausnehmen können. Wir sind sehr dankbar, dass wir schon so viel von dem, was wir uns vorgenommen haben, geschafft haben.

 

Fr, 15. September

Wir haben uns hier im State Park schon richtig heimisch gefühlt, schließlich waren wir drei Nächte hier. Heute geht es wieder weiter. Es ist sehr warm, 29°.

Solange wir noch in Massachusetts sind, möchte ich unbedingt noch die Shaker erwähnen, deren speziell schräge Glaubensgemeinschaft hier bis zur Mitte des 19. Jhd. eine große Blüte erlebte. Die ältliche  - vermutlich jungfräuliche - Gründerin sah im Traum Adam und Eva beim Geschlechtsverkehr. Damit war ihr klar, dass die Sexualität die Wurzel allen Übels ist. Die Gläubigen lebten streng zölibatär und nach Geschlechtern getrennt. Waisenkinder und Kinder von Mitgliedern, die noch aus der Zeit vor ihrem Eintritt stammten, oder die durch einen „Sündenfall“ passiert waren, wurden in familienähnlichen Verbänden aufgezogen. Sie konnten sich bei ihrer Volljährigkeit entscheiden, ob sie bei der Gemeinschaft bleiben wollten oder nicht. Ihren Namen hatten die Shaker von den extatischen Schütteltänzen, die sie bei ihren Gottesdiensten vollführten. Mich wundert es nicht, dass sie Probleme mit Nachwuchs hatten. Wenn ich sie als eine Art Ordensgemeinschaft betrachte, finde ich sie nicht mehr ganz so schräg. Jedenfalls waren sie sehr geschickte Handwerker, deren Tradition noch heute fortlebt- besonders in Souvenirläden. Auch versierte Finanzleute waren sie. Mehrere US-Präsidenten ließen sich von Shakern beraten. Was auch noch von ihnen übrig geblieben ist, sind einige „Runden Scheunen“ = „Round Barns“. Ein Bauer kann, in der Mitte des Gebäude stehend, ohne lange Wege eine ganze Herde Kühe füttern- „form follows function“. Klingt eigentlich praktisch, hat sich aber nicht allgemein durchgesetzt.

Jetzt fehlen und nur noch drei Bundesstaaten. Der nächste ist NEW HAMPSHIRE, „Live free or die“.

Unser heutiges Büro im Walmart-Nachtquartier in Hinsdale ist eine der vielen Filialen von „Dunkin’Donuts“, die uns immer wieder unterkommen. Also sehen wir so einen Laden auch einmal von innen. Es ist nämlich sehr wahrscheinlich, dass wir Amerika verlassen werden, ohne eine einzigen Donut gegessen zu haben.

 

Sa, 16. September

Wir fahren den Connecticut River entlang, der die Grenze zwischen New Hampshire und VERMONT, the „Green Mountain State“ bildet und überqueren ihn schließlich.

Die Grenzstadt, Brattleboro ist laut Reiseführer die Stadt mit der größten Dichte an Alt-Hippies. Wir entdecken gleich eine Food-Coop, einen Flohmarkt und einige Tibet-Fähnchen. Ein älterer Mann fährt auf dem Fahrrad an uns vorbei, ein anderer stützt sich auf seinen Rollator. Das waren jetzt die Alt-Hippies. „Ansonsten“, meint Klaus, „muss man bei diesem Städtchen genau darauf achten, dass man den Reiz und Charme nicht verpasst.“ Bald zeigt sich uns Vermont aber von seiner allerbesten Seite. Wie alle Neuengland-Staaten, ist es recht klein, ca. 240km lang und ziemlich schmal. Es bietet Flüsse und Seen, dicht bewaldete Hügel, und die Gebirgslandschaft der Green Mountains lädt im Winter zum Schifahren ein.

Nach den Hippies zogen nach den 1960er-Jahren zivilisationsmüde Städter und betuchte Aussteiger hierher. Sie renovierten Bauernhöfe, versuchten sich in Bio-Landwirtschaft, lernten ein Handwerk und ließen so die alte Tradition wieder aufleben. Schwarze Kühe, grüne Weiden, rote Holzscheunen, weiße Dörfer. Es gibt altmodische General-Stores, Farmers Markets, Country Inns und Kneipen. Die Produkte aus Vermont sind von hoher Qualität und verkaufen sich auch in New York City. Fast Food ist hier nicht angesagt. Die Großen Werbetafeln - „Billbords“ - entlang der Highways sind verboten. Auch der Umweltschutz samt nachhaltigem Tourismus wird groß geschrieben. Vermont rudert ohne großes Aufsehen gegen den Mainstream.

Noch ein Pluspunkt für diesen sympathischen Bundesstaat: Hier steht die Ben & Jerry’s Ice Cream Manufactory. Das Motto der bärtigen Alt-Hippies ist „Peace, Love & Ice Cream“. Nur naturreine, lokale oder Fairtrade-Produkte werden verwendet. Wir haben das kontrolliert ;-).

Zu unserer Überraschung entdecken wir auch hier einige hübsche, alte „Covered Bridges“, die alle noch in Betrieb sind.

Wir fahren weiter auf dem Highway #100 durch die Green Mountains, der als besonders „scenic“ empfohlen wird und es erfreulicherweise auch tatsächlich ist.

In Quechee gibt es eine tief eingeschnittene „Gorge“, die sich, ein bisschen größenwahnsinnig, als „Little Grand Canyon“ bezeichnet. Auf jeden Fall ist es hier nett genug, um ein wenig spazieren zu gehen.

Ein Pickerl auf einem Auto fällt uns auf: „Veterans against Trump“. So eine Aussage ist wohl auch nur in Vermont möglich. Eigentlich ist sie ein Widerspruch in sich. Die Leute, die ihr Veteranentum so stolz vor sich hertragen, sind ja wohl eher der anderen Seite zuzuordnen.

Nun pendeln wir zurück nach NEW HAMPSHIRE. Das bildet ja zusammen mit dem Nachbarstaat Vermont die sogenannten „Twin States“. Sie sind beide ungefähr gleich groß und dreieckig. Das Vermont-Dreieck steht auf dem Kopf. So erscheinen die Zwillinge gemeinsam als Rechteck.

Klaus träumt davon, hier in den White Mountains, endlich von einem „Elch geknutscht“ zu werden. Am Lily Pond bestehen angeblich die besten Chancen dazu. An den Straßen stehen immer wider Achtung-Schilder „Moose Crossing“. Wir finden sogar Spuren dieser scheuen Tiere. In der Abenddämmerung legt sich Klaus mit der Kamera auf die Lauer, leider ohne Erfolg. Wir werden in der Nähe schlafen und den Elchen morgen früh nochmals die Chance geben, uns zu sehen. Im National Forest ist es verboten, wild zu übernachten. Aber wir finden einen netten, einfachen Campingplatz und stellen den Wecker für morgen auf 6h30. Solche Natur-Campingplätze sind übrigens in der Nacht stockdunkel. Abends sieht man noch manchmal den Schein eines Lagerfeuers, aber später nur noch die Sterne.

 

So, 17. Sept.

Wir sind früh aufgestanden und in Windeseile aufgebrochen. Jetzt stehen wir - im Morgengrauen - auf unserem idyllischen Beobachtungsplatz von gestern, am Lily Pond. Wir frühstücken und schauen der Sonne beim Aufgehen zu. Die Morgenstimmung ist wunderschön. Die Bäume spiegeln sich im Wasser. Aber - leider - „Moosenkuss“ gibt es wieder keinen.

Schließlich geben wir auf und queren die White Mountains weiter auf dem Kancamagus Highway. Es geht deutlich bergauf. Im Winter wird hier Schi gefahren. Wir fahren durch Dörfer im Morgendunst. Die Idylle wird nur manchmal - wie überall sonst auch - durch die vielen, oft  überdimensionierten, amerikanischen Flaggen gestört.

Die Blätter beginnen sich zu färben, und wir werden zu begeisterten Leaf Peepers. So werden die Leute genannt, die extra zum bunten Herbst anreisen. Wir haben uns ja auch ganz bewusst dafür entschieden, ausgerechnet jetzt hier zu sein. Für die ersten weißen Siedler war das die Zeit der letzten Indianerangriffe vor dem Winter. Daher kommt der Name „Indian Summer“ für diese Jahreszeit.

Die bunte Laubverfärbung „Fall Foliage“ ist nirgendwo so intensiv ausgeprägt, wie im Nordosten Nordamerikas. Dort verlaufen die Gebirgszüge - anders als bei uns - in Nord-Süd-Richtung. Daher kann die kalte Luft ungehindert nach Süden vordringen. Gleichzeitig sorgt die kräftige Sonneneinstrahlung bei Tag im September und Oktober noch für viel Wärme. Die Temperaturunterschiede von Tag und Nacht sind daher extrem groß. Die armen Bäume kennen sich nicht aus. Im Stamm und in den Wurzeln bereiten sie sich auf den Winterschlaf vor, und schicken nicht mehr so viele Säfte hinauf, während die Blätter im Altweibersommer schon wieder Frühlingsgefühle haben. Wenn die Tage kürzer und die Nächte kälter werden, stellen die Bäume ihr Wachstum ein und kappen die Verbindung zu den Blättern, damit sie nicht an ihrem durstigen Laubkleid vertrocknen. Die durch die Photosynthese entstandene Glukose kann nun nicht mehr abgebaut werden. Das Chlorophyll zerfällt, und die Blätter verfärben sich. Je stärker der Temperatursturz zwischen Tag und Nacht ausfällt, umso leuchtender sind die Farben. Besonders der Ahorn wird knallrot. Andere Bäume sind leuchtend gelb. Dazwischen gibt es viele Schattierungen. An Fotomotiven mangelt es nicht.

Wir verabschieden uns nun endgültig von New Hampshire und fahren wieder nach VERMONT hinüber.

Montpelier [Mont’pi:lier], die Hauptstadt von Vermont, ist die kleinste Hauptstadt der USA, und die einzige ohne McDonalds. Statt dessen haben die Studenten des New England Kulinary Institutes das Bäckerei-Café „La Brioche“ aufgezogen. Sieht sehr nett aus, aber testen können wir es nicht, weil am Sonntag geschlossen ist. Viel mehr hat das Städtchen mit knapp 8000 Einwohnern nicht zu bieten, obwohl das hiesige State Capitol eine goldglänzende Kuppel hat.

Wir fahren durch die Green Mountains, ein herbstlich buntes Land. Die Landschaft hat etwas heimatlich Vertrautes.

Auch die Trapp-Familie hat sich nicht zufällig in Vermont niedergelassen. Die Gegend hat sie an Salzburg erinnert. Die wussten schon, wo es schön ist. In Stowe steht heute noch die Trapp Family Lodge und profitiert nicht nur von ihrem klingenden Namen, sondern auch von ihrer Lage mitten im Wintersportgebiet. Über dem Eingang steht „Grüß Gott“. In der Lobby und im Salon sieht alles sehr gediegen aus, und Musik von Mozart erklingt dezent im Hintergrund. Ein Gemälde von der Burg Hohen Salzburg hängt an der Wand. Wegen der großen Nachfrage musste erweitert werden. Mittlerweile stehen bereits 11 Salzburger Holzhäuser mit blumengeschmückten Balkonen in der Nachbarschaft. Und die lokalen Betriebe naschen mit, z.B. die „Edelweiss Bakery“, das „Innsbruck Inn“, usw.

Nun peilen wir unser heutiges Tages- und Schlafziel an, den Walmart in St. Albans.

 

Mo, 18. Sept.

Wir verlassen die USA. Allerdings nicht für immer. Wir haben vor, noch einmal auf dieser Reise zurückzukehren. Auch KANADA besuchen wir voraussichtlich nicht zum letzten Mal. Heute reisen wir jedenfalls in die Provinz QUEBEC ein- keine zweisprachigen Aufschriften, alles nur französisch. Die Provinzen Kanadas können selbständig entscheiden, welche Amtssprachen bei ihnen gelten, englisch oder französisch oder beides. In der Provinz Québec ist französisch die einzige Amtssprache. Es unterscheidet sich erheblich von dem, das in Frankreich gesprochen wird und es gibt außerdem viele regionale Unterschiede und Dialekte. In ganz Kanada haben ca. 24% der Bevölkerung französisch als Muttersprache, aber ein sehr hoher Prozentsatz von ihnen spricht auch fließend englisch. In dieser Provinz allerdings sprechen ca. 60% der Bewohner zu Hause französisch, nur ca. 10% englisch. Der Rest entfällt auf italienisch, chinesisch, usw.

In den 1990er-Jahren gab es deutliche separatistische Bestrebungen. Die Abstimmung von 1995 über den Verbleib der Provinz bei Kanada ging ganz knapp aus.

Wir haben einen Campingplatz in Saint-Philippe-de-la Prairie - ganz in der Nähe von Montréal - gebucht.

Von hier aus werden wir morgen die Stadt erforschen.

 

Di, 19. Sept.

Montréal ist die zweitgrößte Stadt Kanadas, nach Toronto, und hat 1,7 Mio. Einwohner. In der Metropolregion leben ca. 5 Mio. Menschen. Namensgeber war der Hausberg, Mont Royal.

Der Seefahrer Jacques Cartier, gründete die Siedlung im 16. Jhd. und benannte Berg und Stadt zu Ehren des französischen Königs François I. Die französische Besiedlung begann. Damals lebten hier die Irokesen. Im 18. Jhd. - nach dem 7-jährigen Krieg - setzten sich zwar die Briten durch, aber die französische Sprache blieb und ist bis heute vorherrschend. Montréal wurde zum Mittelpunkt des Pelzhandels der North West Company, die der Hudson’s Bay Company Konkurrenz machte. Viele Briten und Iren wanderten in dieser Zeit ein. Ihr „Goldenes Zeitalter“ hatte die Stadt durch die rasche Industrialisierung im 19. und zu Beginn des 20. Jhd. Die Weltwirtschaftskrise traf die Stadt aber voll. Nach der Eröffnung des St.-Lorenz-Seewegs 1959 ging es dann wieder bergauf.

Eine Spezialität von Montreal sind eigenständige Gemeinden mitten in der Stadt, die sich nicht eingemeinden lassen wollten. Diese Gebiete sind fast ausschließlich englischsprachig. Zu ihnen gehören z.B. die West Islands. Diese „Inseln“ liegen nicht im Wasser sondern in der Stadt. Leonard Cohen ist dort aufgewachsen.

Wir fahren mit dem Auto zur Endstation der U-Bahn und von dort öffentlich in die Stadt. Downtown begeistert uns zunächst nicht besonders, aber das Viertel am Alten Hafen finden wir dann doch ganz nett. Die ganze Stadt ist ja eine Insel im sehr breiten St.-Lorenz-Strom, auf dem auch große Hochseeschiffe verkehren. Von hier aus bewundern wir das neue Riesenrad, die riesige Drahtgitterkugel „Biosphère“ und Habitat 67, eine eigenwilligen Wohnhausanlage, die aus scheinbar ungeordnet übereinander geworfenen Betonwürfeln besteht. Die neugotische Kirche „Notre Dame“ - Kanada ist ja grundsätzlich ein katholisches Land - verschwindet fast zwischen den Hochhäusern. Man muss ganz genau schauen, dass man sie überhaupt entdeckt.

Dann sitzen wir in einem Bistro in der Sonne und hören den Straßenmusikanten zu. Die vielen Radwege und Radverleihstationen gefallen uns natürlich auch. Kinder in Schuluniformen- ach ja, sie sind ja Untertanen der Queen.

Rein zufällig geraten wir in eine sehr eindrucksvolle und berührende Ausstellung über die besten Pressefotos des Jahres 2016.

Der Reiseführer hat uns den Bio Dôme im Olympic Park besonders ans Herz gelegt. Er wurde für die Olympischen Spiele 1976 als Radstadion gebaut. In den 1980er-Jahren wurde er renoviert und umgestaltet und beherbergt nun eine „Indoor Nature Exhibit“, eine Mischung aus Zoo, Aquarium und Botanischem Garten. Wir finden ihn nur „Na ja“, besonders weil wir alles was wir hier zu sehen kriegen schon in freier Natur gesehen haben.

Wir fahren wieder nach Hause, auf unseren Campingplatz und widmen uns für den Rest des Abends unseren Computern.

 

Mi, 20. Sept.

Fahrt nach Nordosten, nach Québec City und halber Ruhetag auf dem Campingplatz in St-Nicolas, Lévis. Das liegt am Südufer des St.-Lorenz-Stroms. Morgen werden wir den Fluss überqueren, um in die Provinzhauptstadt zu kommen. Wir waschen unsere Wäsche. Ist das jetzt das letzte Mal auf dieser Reise?

 

Do, 21. Sept

An diesem strahlenden, sommerlich warmen Tag gönnen wir uns wieder einmal eine Hop On Hop Off-Tour. Das ist sehr praktisch, weil uns der Bus direkt von unserem Campingplatz abholt und am Abend wieder zurückbringen wird.

Die erste Sehenswürdigkeit auf dem Weg in die Stadt ist eine alte Eisenbrücke, die Québec-Brücke. Am heutigen Tag hat sie ihren 100. Geburtstag und ist noch immer in Betrieb. Sie ist die größte freitragende Brücke der Welt. Als nächstes fahren wir an der großen Universität vorbei. Der launige Busfahrer erzählt uns einiges.

Im Stadtzentrum, gleich beim Denkmal des Stadtgründers, Samuel de Champlain, steigen wir in den eigentlichen Hop On Hop Off-Bus um. Wir verlassen ihn zwischendurch immer wieder, spazieren selbständig im Sonnenschein herum und hoppen später wieder on.

Die Ville de Québec liegt am Nordufer des St.-Lorenz-Stroms. Die Indianer, die ursprünglich hier lebten, gaben der Stadt ihren Namen, wegen der markanten Verengung des Stroms. Sie gilt als „europäischste“ Stadt Nordamerikas. Die französisch geprägte Altstadt mit ungewohnt engen Gassen, netten Geschäften und Gebäuden aus der ersten Hälfte des 17. Jhd. ist gut erhalten. Sie wurde daher sogar zum Weltkulturerbe ernannt. Sie besteht aus der Oberstadt, die sich auf einem ca.100m steil aufragenden Hochplateau befindet, und der Unterstadt am Fluss. Zwischen den beiden Stadtteilen gibt es sogar eine Standseilbahn. Die Oberstadt hat Stadtmauern und eine Zitadelle. So etwas gibt es nördlich von Mexiko auf dem amerikanischen Kontinent nur hier.

Québec ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Sie hat ca. 500.000 Einwohner, und ca. 700.000 in der Metropolregion.

Um 1608 wurde ein Handelsposten errichtet, aus dem sich dann im Laufe der Jahre die Hauptstadt „Neufrankreichs“ entwickelte. Um diese Entwicklung voranzutreiben, schickte der französische König - Ludwig XIV war das damals - 800 junge Frauen hierher. Die sogenannten „Töchter des Königs“ waren Waisen oder sehr arme Mädchen, die er mit einer großzügigen Mitgift ausstattete. Sie sollten heiraten, Land erwerben und sich vermehren. Das Konzept ging auf.

Im 18. Jhd. wurde la Ville de Québec und die ganze Provinz von den Briten eingenommen. Der englische König wollte sich ihre Unterstützung vergewissern, daher sicherte er den Bewohnern vertraglich zu, dass sie den katholischen Glauben und die französische Sprache behalten durften- bis heute. Über 90% der Bewohner haben französisch als Muttersprache. 1867 wurde Québec Provinzhauptstadt im neuen Staat Kanada. Die Provinz schloss sich nur unter der Bedingung an, dass sie die Privilegien der Sprache und Religion weiter behalten durfte. Es wehen bis heute in der Stadt viele Fahnen mit der hellblauen Lilie, die ja von jeher das Symbol für Frankreich war.

Das markanteste Gebäude der Stadt ist das Luxushotel Château Frontenac. Mit seinen vielen Spitzen und Erkerfenstern sieht es sehr französisch aus. Der Baustil ist eine Mischung aus Neu-Gotik und Neu-Renaissance. Uns gefällt der riesige Kasten nicht besonders. Gleich gegenüber steht auf seinen langen Spindelbeinen, mit einem Obelisken auf dem Rücken, die surrealistische Skulptur des „Eléphant Spatial“ von Salvador Dalí. Es handelt sich um ein Symbol, das in seinen Werken immer wieder vorkommt. Der Künstler hat ja einmal gesagt, dass sich ihm selbst manchmal die Aussage eines Werks nicht erschließt. „Kein Wunder“, würde ich in diesem Fall sagen. Was uns allerdings sehr gut gefällt, sind einige vormals graue, unscheinbare Fassaden, die mit Stadtszenen bemalt wurden. Da schauen berühmte Persönlichkeiten aus den Fenstern oder spazieren in den Straßen, zwischen modern gekleideten Leuten. Eine Tafel daneben erklärt jeweils, um wen es handelt. Wie in einem Suchbild, kann man z.B. den Stadtgründer höchstpersönlich entdecken, oder die frommen Augustinerinnen, die das Hôtel-Dieu - das erste Krankenhaus - gegründet haben.

Der Bus-Guide bezeichnet Québec als die schönste Stadt Nordamerikas. Das könnte sogar hinkommen. Wir sind tatsächlich sehr angetan. Als wir allerdings mit dem Bus wieder nach Hause fahren, geraten wir auf der Stadtautobahn in den täglichen Mega-Stau. Es gibt keine U-Bahn, keine Straßenbahn, nur Busse, die auch nicht vorankommen. Also bleibt doch von den großen Städten auf dem amerikanischen Kontinent für uns unbestritten Vancouver diejenige mit der größten Lebensqualität- nach höchst subjektiver Einschätzung natürlich.

 

Fr, 22. September, Herbstbeginn

Klaus kommt von den Waschräumen mit Fliesenboden zurück und erzählt: „Happy Fall, I said, and my Apple-Watch took it literally.“ Das Glas ist leider ganz zersplittert. Interessant, wie deutlich uns unsere „alten“ Geräte zu verstehen geben, dass sie ausgetauscht werden wollen. Unser Vormittagsprogramm ist also gesichert. Wir peilen den nächstgelegenen Apple-Store an. Das Überspielen aller Daten auf die neue Uhr - von der neuesten Generation natürlich - verläuft problemlos. Ich bin wieder einmal beeindruckt.

Nun fahren wir weiter nach Osten und verabschieden uns vom St.-Lorenz-Strom, der hier wieder sehr breit ist. Da kann man keine Brücke mehr drüber bauen. Am Nachmittag erreichen wir die kanadische Provinz, NEW BRUNSWICK. Wenig später sind wir back in USA. Diesmal ist der Grenzübertritt ganz problemlos verlaufen.

Unser erster Eindruck von MAINE, the „Pine Tree State“: wunderschön. Im allerersten Supermarkt füllen wir unsere Obst- und Gemüsevorräte auf. Das darf man ja nicht nach Amerika einführen. Endlich haben wir wieder unsere geliebten Zuckererbsen und Babykarotten. Außerdem kleben wir feierlich das letzte Pickerl für diese Reise auf die Rückwand unseres Wohnmobils. Wir haben alle 48 Lower States der USA bereist. Nur Alaska und Hawaii haben wir ausgelassen.

Bei der Weiterfahrt habe ich doch tatsächlich einen lebendigen Waschbären gesehen. Leider war er zu rasch weg. Klaus konnte ihn nicht mehr entdecken, und schon gar nicht fotografieren. Das sind die Vorteile des Beifahrers.

Jetzt brauchen wir nur noch einen Schlafplatz. Wir finden ihn in Plaisted, direkt am hübschen Eagle Lake, inmitten von hübschen kleinen Häusern. Die Nachbarn geben uns ihren Segen, und das Heulen der Wölfe werten wir vorsichtshalber auch als Zustimmung.

 

Sa, 23. September

Maine ist größer als alle anderen Neuenglandstaaten zusammen, eine Hügellandschaft mit zahllosen Seen und Flüssen. 80% der Fläche sind bewaldet. Durch den Nordwesten, der ziemlich wild ist, ziehen sich die Ausläufer der Appalachen. Da gibt es nur ganz wenige Straßen, und diese Gegend ist praktisch unbewohnt.

Die Küste ist zerklüftet und ähnelt mit ihren über tausend vorgelagerten Inseln den Schären in Schweden und Finnland. Überall wird Lobster = Hummer angeboten- nicht für uns.

Wir haben es nicht eilig. Wir gleiten also gemütlich durch die bunten Wälder dahin, nach Südosten.

Wir fahren auf einer der sehr vielen „Divided Highways“. Sie sind ungefähr so wie unsere Schnellstraßen, fast wie Autobahnen. Aber es kann Kreuzungen geben. Die echten Autobahnen heißen „Freeways“, und wenn sie Bundesstaaten miteinander verbinden, „Interstates“. Anders als bei uns gibt es überall zusätzlich zu den üblichen Verkehrszeichen noch Schilder, mit Erklärungen dazu, z.B.: „Do not pass“, „Speed limit“, „Road work ahead“, „Be prepared to stop“, „Deer Crossing“, „Ped Xing“ = Pedestrian Crossing, u.ä. Klaus meint, die schreiben das für die Analphabeten dazu.

Wir peilen heute wieder einmal einen Walmart an. Wir kommen schon gegen Mittag in Presque Isle an. Die namensgebende Halbinsel wird nicht durchs Meer, sondern durch zwei Flüsse gebildet. Wir verbringen also einen halben Ruhetag hinter den Bildschirmen im kühlen „Büro“. Außerdem gehen wir spazieren. Unmittelbar hinter dem Einkaufszentrum fängt der Wald an. Sofort taucht man in eine andere Welt ein. Das ist fast ein bisschen unwirklich.

 

So, 24. September

Wir haben ein E-Mail von Fred und Gail bekommen. Die beiden haben wir beim Grand Canyon kennen gelernt und werden sie in den nächsten Tagen in ihrem Haus in Maine besuchen. Sie empfehlen uns wärmstens den „Fair“ in Unity. Das ist eine große Nachhaltigkeitsmesse, die jedes Jahr stattfindet. Da das gar nicht so weit weg ist - ein Stückchen weiter im Süden - beschließen wir spontan, hin zu fahren. Uns gefällt diese regionale und gar nicht touristische Veranstaltung. Da kann man Handwerkern und Künstlern bei der Arbeit zuschauen und Workshops besuchen. Es gibt schöne kunstgewerbliche Produkte aus Holz, Leder, Stein, natürlich gefärbter Wolle, usw. zu kaufen und jede Menge köstliches, biologisches Essen. Außerdem kann man sich über nachhaltiges Bauen u.ä. informieren. Auch einige Religionsgemeinschaften stellen sich vor. Bei der Gelegenheit erfahren wir, dass es in Maine doch tatsächlich noch eine aktive Shakergemeinde gibt.

Wir finden ein wunderschönes blaues Tuch als Geburtstagsgeschenk für Klaus’ Schwester, Maria. Die Frau, die es gemacht hat, erzählt uns, dass sie sogar die Indigopflanzen selbst anbaut und dann die Farbe selbst herstellt. Es ist sehr schön, dieses edle Stück anzuschauen und zu wissen, wo und wie es entstanden ist.

Es freut mich sehr, dass es in Amerika auch so etwas gibt- weit entfernt vom Main Stream. Sehr viele Leute waren dort, meist junge Familien mit Kindern, kaum Dicke. Ein völlig anderes Klientel als wir es vom Walmart gewohnt sind.

Genau dorthin sind wir allerdings jetzt wieder unterwegs, und war nach Bangor.

Man spürt jetzt den Herbst schon deutlich. Tagsüber ist es noch sehr warm, ja sogar heiß. In der Früh ist es allerdings empfindlich frisch, und nachts kühlt es stark ab.

 

Mo, 25. September

Klaus hat Namenstag.

Die nächsten Tage werden wir im wichtigsten touristischen Ziel dieses Bundesstaats, dem Acadia Nationalpark verbringen, einem der meistbesuchten Nationalparks der USA. Er liegt im Süden von Maine, auf der Insel Mount Desert Island im Atlantik und ist 192km2 groß. Durch einen Damm ist er mit dem Festland verbunden. Samuel de Champlain - wir kennen ihn aus Québec - hat diese Insel als erster beschrieben. Er nannte den höchsten Berg - er ist fast 500m hoch - wegen seines baumfreien Gipfels „Mount Desert“. Mittlerweile ist sein offizieller Name „Mount Cadillac“, aber die Insel behielt den ursprünglichen Namen bei, obwohl sie überhaupt nicht Desert-artig ist.

Anfang des 20. Jhd. kauften reiche Privatleute - unter ihnen der Milliardär John D. Rockefeller - die Insel. Sie schenkten das Gebiet dem Staat, mit der Auflage, daraus ein Naturschutzgebiet zu machen. 1929 wurde der Nationalpark gegründet.

Zerklüftete Felsküsten und eine raue Landschaft mit Bergen und Seen erwarten uns. Ob wir hier in der unberührten Wildnis endlich einen Elch zu sehen kriegen?

Endlich wohnen wir wieder in einem der von uns so geliebten Nationalpark-Campgrounds. Wunderschön, mitten im Wald gelegen, sehr einfach, ohne Wasser und Strom. Picknick-Table und Feuerstelle fehlen allerdings nicht. Klaus geht gleich Holz sammeln. Dann wandern wir zum Meeresufer und klettern ein wenig auf den rosa Felsen herum. Am Abend nützen wir den Gratis-Shuttlebus und fahren ins Dorf, Bar Habor. Das besteht ausschließlich aus Gift-Shops und Lobster-Lokalen. Igitt, was werden wir wohl heute zu essen kriegen? Nach einigem Suchen - das gibt uns Gelegenheit zu einem Spaziergang am Hafen - finden wir doch noch etwas für unsere Gaumen. Allerdings stellen wir wieder einmal fest, dass uns das, was wir selber kochen, immer noch am besten schmeckt.

Wieder zu Hause sitzen wir noch eine Zeitlang am Feuer. Ich glaube, das wird uns zu Hause abgehen.

 

26. September

Schon beim Frühstück im Freien wärmt uns ein gemütliches Feuer.

Dann machen  wir das erste Selfie unseres Lebens, um es an Klaus’ Mutti zu schicken, die im Krankenhaus liegt.

Der Shuttlebus leistet uns auch heute wieder gute Dienste. Es handelt sich um eine Art Hop On Hop Off-Bus. Mehrere Linien fahren alle schönen Plätze im Nationalpark an, und man kann jederzeit aus- und einsteigen. Alle Busse haben wieder Rampen für Rollstühle und Halterungen für Fahrräder. Manche Dinge machen sie sehr gut, die Amerikaner.

Am malerischsten ist unsere Wanderung am tiefblauen Jordan Pond. Wir entdecken unsere erste Biberburg in freier Natur und später sogar noch eine. Gar nicht wenige von diesen Tieren gefällte und benagte Bäume liegen herum. Die Baumeister selbst bekommen wir allerdings nicht zu Gesicht.

Am spektakulärsten ist das Thunder Hole. Wenn das Wasser in die Vertiefung hineinbraust und sich dort verfängt, hört man tatsächlich ein lautes Donnern, und manchmal spritzt das Wasser in einem gigantischen Wirbel bis zu 30m hoch.

Und wo genau sind jetzt die Elche?

 

27. September

Wir nützen wieder die Segnungen des Shuttlebusses. Er bringt uns heute in Gegenden des Nationalparks, in denen wir noch nicht waren. Ein schöner aber unspektakulärer Wandertag.

Klaus hat sich im Restaurant eine Pizza mit Lobsterstückchen bestellt. Sie hat ihm sehr gut geschmeckt. Also ist auch dieses Kapitel - das angeblich unbedingt zu Maine gehört - erfolgreich abgehakt, und das ganz ohne Zangen und Hämmer. Am Abend widmen wir uns nochmals der  Lagerfeuerromantik, diesmal wirklich zum letzten Mal auf dieser Reise.

 

Do, 28. September

Bevor wir Acadia verlassen erklimmen wir noch den höchsten Berg- mit dem Auto. Hier bewährt sich wieder einmal die Kleinheit unseres Wohnmobils. Für RVs ist die Straße nämlich verboten. Wir hingegen fahren völlig unbehelligt hinauf und finden oben auch zum Parken bequem Platz. Vom Mount Cadillac aus hat man tatsächlich eine sehr schöne Aussicht aufs glitzernde Meer und viele kleine Inseln, und der Berg ist tatsächlich auf dem Gipfel kahl. Der besteht nämlich vollständig aus Gletscherschliff.

Das war jetzt ein würdiger Abschied vom letzten Nationalpark auf dieser Reise. Von den 59, die es in den USA gibt, waren wir in 18, natürlich auch in vielen State Parks, National Forests, National Monuments, National Historical Sites, National Reserves und ähnlichen Naturschutzgebiete. Von den kanadischen NP haben wir zwei besucht.

Die nächste Station ist der Walmart in La Moine, wo wir in bewährter Weise das Internet nutzen.

Und nun freuen wir uns auf den Besuch bei Fred und Gail. Die beiden wohnen im Dorf West Rockport, in einem sehr schönen Haus, mitten im Föhrenwald. Zum Abendessen führen sie uns nach Camden, einem hübschen kleinen Städtchen am Meer. Das Restaurant liegt malerisch am Hafen. Den restlichen Abend verbringen bei angeregten Gesprächen. Als Graphik-Designer können sie Klaus’ Fotos und Filme besonders würdigen.

Vor ihrem Haus übernachten wir im Wohnmobil.

 

Fr, 29. September

Bevor wir abfahren, sind wir noch zu einem köstlichen Frühstück mit Blueberries, Bagels, Ahornsirup, usw. eingeladen. Fred und Gail kommen uns von all unseren Begegnungen am nächsten. In vielen Bereichen liegen sie ganz auf unserer Linie. Wie schön, dass wir zuletzt auch noch solche Amerikaner kennenlernen durften, die völlig jenseits des Mainstreams sind.

Die letzten Kilometer vor der Grenze genießen wir noch das wunderschöne - herbstlich bunte - Land, Maine, das uns richtig ans Herz gewachsen ist. Überhaupt scheinen sich die Neuenglandstaaten gut zum Leben zu eignen. Wir haben uns hier fast noch wohler gefühlt, als in Kanada.

Es ist ziemlich kühl. Die kurzen Hosen können wir wegpacken und die Socken und Unterleibern hervorholen. An ein Sitzen im Freien ist nicht mehr zu denken.

In der Früh haben wir sogar eingeheizt. Nun ist ganz eindeutig der Herbst da.

Unser letztes US-Bargeld legen wir in Calais, unserem letzten Walmart in den USA, in Ben & Jerry’s Ice Cream an. Ein köstlicher und würdiger Abschied. „Tschüs, liebes Amerika, Tschüs mit „ü“. Du wirst uns ein bisschen abgehen, aber nicht sehr“.

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