
10. Kapitel: Oregon und Washington
So, 2. Juli
Ein wunderbarer Morgen erwartet uns, im sonnendurchfluteten Wald. Auf einem Parkplatz mit Restroom leeren wir unser Klo aus, unser letztes Geschenk an Kalifornien. In dieses Land werden wir ja vermutlich nie wieder zurückkehren. Nach ca. 10km überschreiten wir die Grenze nach OREGON. Auf den Autokennzeichen ist eine Douglasfichte abgebildet = Oregon pine. Nach ca. einem Monat ist endlich wieder ein neues Pickerl fällig.
„In Wirklichkeit sind wir ja in die Steiermark eingereist“, meint Klaus. Es sieht hier wirklich fast so aus, grün mit bewaldeten Hügeln, allerdings dünner besiedelt.
Für eine Weile schlagen wir unser Büro in einem McDonalds auf- nicht aus kulinarischen Gründen, sondern wegen des Internets. Mc Donalds, unser Fenster zur Welt. Dann fahren wir ungefähr 250km weiter nach Nordosten in den Crater Lake National Park, unseren 12. Nationalpark. Wir fahren bis zu einer Höhe von fast 2500m hinauf und befinden uns unvermittelt in einer Winterlandschaft wieder, und das bei 22° Außentemperatur. Es macht Spaß, barfuß in den Schnee zu steigen. Vor 7700 Jahren - also noch gar nicht so lange her - ist der Vulkan Mount Mazama ausgebrochen und eingestürzt. Der große Krater füllte sich über die Jahrhunderte mit Schnee und Regenwasser zu einem fast unwirklich tiefblauen, beinahe kreisrunden See mit ca. 7-9km Durchmesser. Er ist mit seinen ca. 600m der tiefste See der USA. Später brach der Vulkan nochmals aus, und es bildete sich eine Insel, the Wizard Island. Dieser „Zauberer“ schläft nur und kann jederzeit wieder Feuer spucken. Das indigene Volk der „Klamath“ verehrt den See als heilige Stätte. Im Abendlicht spiegeln sich die Berge im Wasser. Gibt es einen romantischeren Platz zum Übernachten? Natürlich ist das im Nationalpark verboten. Wir hoffen aber, dass die Ranger abends nicht das ganze Gelände nach frechen Leuten, wie uns, absuchen.
Mo, 3. Juli
Um den faszinierenden Sternenhimmel mit dem neuen Weitwinkel fotografieren zu können, muss man den richtigen Zeitpunkt erwischen. Der Mond muss schon untergegangen sein, und es muss noch stockdunkel sein. Der richtige Zeitpunkt ist- um 3h30. Das schlaftrunkene Torkeln aus dem Bett lohnt sich aber, der Anblick ist unbeschreiblich- einzig vergleichbar mit unserer Wüstenwanderung mit Schlafen unter freiem Himmel in Jordanien. Klaus meint: „ Ich glaub’, diese ist die beste Inkarnation, die ich je hatte.“ Nach kurzem Kuscheln sind wir um 5h30 schon wieder auf, um der Sonne beim Aufgehen zuzuschauen. Langsam kommen die Farben zurück. Die schneebedeckten Berge spiegeln sich im spiegelklaren Wasser- unfassbar schön. Nochmals ins Bett zu gehen zahlt sich jetzt nicht mehr aus. Da schlagen wir lieber ein paar Eier in die Pfanne. Bis um 7h30 sind wir vollkommen allein, dann kommen langsam die ersten Besucher. Wir fahren beim Nordtor aus dem Nationalpark hinaus.
Die Cascade Mountains, eine Kette von Vulkanen, ziehen sich bis Kanada hinauf. Unser eingestürzter Vulkan im See gehört dazu- und auch Mount St. Helens und Mount Rainier in Washington, die wir auch sehen werden. Diese Bergkette gehört zu den Kordilleren, die sich von Alaska bis Feuerland ziehen. Bald sind wir allerdings wieder in der „Steiermark“, genauer gesagt, im „Mürztal“ ;-). Allerdings gibt es hier kilometerweit keine Ortschaften. Unser heutiges Tagesziel liegt ca. 300km weiter im Westen, am Pazifik: die Oregon Dunes. Auf dem Weg dorthin machen wir einen kurzen Abstecher zum Fort Umpqua - benannt nach dem Fluss, dem wir schon seit einiger Zeit folgen - eine Rekonstruktion mit Palisaden und allem Drum und Dran.
Wir brauchen heute einen Campingplatz, weil wir endlich wieder Wäsche waschen müssen. Endlich finden wir einen, der noch einen Platz für uns hat. Wir sind allerdings nicht begeistert. Die bucklige, schiefe Wiese ohne hook-up und das nicht funktionierende Internet werden noch gekrönt durch jede Menge Jugendlicher, die mit all-terrain vehicles (ATV) = Quads, die man hier überall mieten kann, durch die Dünen rasen. Mit ihren bis zu 150m hohen Sandhügeln und enormen Flächen ohne Bewuchs eignen sie sich besonders gut dafür. Diese Art, sich der Natur zu nähern, ist allerdings nicht unser Ding.
Di, 4. Juli, Independence Day
Wir finden eine schöne Stelle in den Dünen, wo wir ohne Motorenlärm barfuß im warmen Sand stapfen können- vorgestern war es noch der Schnee. Man könnte fast glauben, man ist in der Sahara. Die Oregon Dunes sind ein riesiges Gebiet. Die Dünen ziehen sich über mehr als 60km hin.
Wir fahren jetzt ca. 350 km entlang der Küste weiter nach Norden, sehr scenic. Immer wieder ragen imposante Felsen aus dem Meer, z.B. am Cape Kiwanda. Bei Astoria entdecken wir einen Hügel. Da fahren wir jetzt rauf. Vielleicht können wir von dort aus das Feuerwerk zum Independence Day sehen und auch dort übernachten. So kommen wir ganz ungeplant in den Genuss des Anblicks der Astoria Column, ein Trajansäule-Verschnitt mit einer „Historia Pauperum“ drauf, wie Klaus das nennt, „Biblia“ ist es ja keine.
Auf dem spiralförmig aufsteigenden Fries sind Szenen aus der Geschichte des amerikanischen Westens dargestellt, von 1792 an, als Captain Gray als erster Weißer hier an Land ging bis in die 1880er-Jahre, als die Eisenbahn gebaut wurde. Natürlich kommt auch die große Expedition von Lewis und Clark von 1804 bis 1806 vor. In Amerika kennt die beiden Forscher jedes Kind. Über den Atlantik ist ihr Ruf nicht gedrungen. Präsident Jefferson hatte 1803 das Luisiana Territory, auch „Neufrankreich“ genannt, von den Franzosen gekauft und damit die Fläche der USA verdoppelt. Es reichte von Luisiana bis Montana hinauf. Das ganze Mississippi und Missourigebiet gehörte dazu. Der Westen, besonders jenseits der Rocky Mountains war völlig „wild“ und unerforscht. Er beauftragte die beiden Forscher mit der Erkundung. Sie machten das sehr ordentlich und legten auch Karten an. So schufen sie die Grundlage für die Besiedlung. Auch diese Stadt hier, Astoria, wurde damals gegründet. 1925 wurde diese unsägliche Säule errichtet. Wir steigen die 164 Stufen hinauf und genießen die Aussicht. Langsam füllt sich der Parkplatz, und jede Menge Leute lagern auf der steil abfallenden Wiese. Wir sind also nicht die einzigen, die eine ähnliche Idee hatten. Wir sind allerdings die einzigen mit Wohnmobil, die einzigen Ausländer und auch die einzigen mit Stativ und ordentlichem Fotoapparat. Das, was wir von hier aus vom Feuerwerk mitkriegen, ist allerdings ziemlich mager. Der Blick auf die Brücke und den Fluss ist aber sehr schön, und es herrscht eine gute Stimmung. Gegen Mitternacht wird es langsam ruhig. Die anderen müssen wieder nach Hause fahren und morgen zur Arbeit gehen.
Mi, 5. Juli
Um 5h früh wird an unsere Tür geklopft, und wir werden verjagt. Der Parkplatz muss nämlich jetzt gereinigt werden. Müde und schlaftrunken fahren wir los und finden zu unserer Freude sehr bald einen anderen Parkplatz. Bevor wir wieder ins Bett gehen, können wir uns noch -schon wieder - am Sonnenaufgang erfreuen. Dann schlafen wir ungestört noch ein paar Stunden. Beim Frühstück fährt eine bunte Museums-Straßenbahn an uns vorbei.
Nun überqueren wir die sehr lange Astoria-Megler Bridge - 6,5 km lang - über den Mouth of Columbia, die große Mündung des Columbia River. Das nostalgische Cannery Pier Hotel steht direkt darunter. Mitten auf dem Wasser verläuft die Grenze zum Staat WASHINGTON. Landschaftlich geht es hier zunächst genauso weiter wie in Oregon. Wir fahren wieder durch endlose Wälder ohne Ortschaften. Neben uns fließt der sehr breite Columbia River. Uns ist schon aufgefallen, dass in Amerika die meisten Flüsse und Bäche völlig wild und unreguliert fließen, besonders im Westen. Es gibt einfach genug Platz.
Heute geht es nach Nordosten zu den Vulkanen. Schon bald grüßt uns der schneebedeckte Mount St. Helens. Er ist im März 1980 sehr heftig ausgebrochen. Wir erinnern uns noch daran. Das Ganze hat zwei Monate gedauert. Damals wurde die gesamte Spitze weggesprengt. Der Berg ist seither um ca. 400m niedriger und hat an der Nordseite eine riesige „Narbe. Es hat sich damals eine Magmablase gebildet, die immer größer wurde, bis sie schließlich platzte. Es gab mehrere Todesopfer. Der Himmel wurde verdunkelt. Der Aschenregen war enorm. Inmitten der Verwüstung ist bald neues Leben gesprossen. Viele kleine Tiere haben überlebt und das Wild kehrte zurück. Die Hänge wurden mit Silbertannen aufgeforstet. Heute sieht alles sehr friedlich aus, als wäre nie etwas gewesen. Bunte Blumen blühen, und man kann sich das Ausmaß der Zerstörung heute gar nicht mehr vorstellen. Im Visitors’ Center schauen wir uns eine kleine Ausstellung mit Fotos an. Hier erfahren wir auch, dass es 2004 nochmals einen Ausbruch gab. Der war aber vergleichsweise harmlos.
Unser nächstes Ziel, weiter im Norden, ist der, fast quadratische, Mount Rainier National Park, in dem der Vulkan mitten drin liegt. Wir fahren hinein, suchen uns in bewährter Weise einen netten Parkplatz und richten uns zum Übernachten ein. Allerdings - man ahnt es bereits - kommt der Ranger und verweist uns, sehr freundlich aber bestimmt, auf den Campground. Der ist allerdings voll, wie wir feststellen müssen. Also fahren wir weiter durch den Park und machen eine Nachtbesichtigung im Mondlicht. Erstaunlich, wie nahe wir dem Berg kommen. So weit hinauf werden in Amerika komfortable Straßen gebaut. Wir sind schon wieder oberhalb der Schneegrenze. Auf einem etwas versteckteren Parkplatz versuchen wir nochmals unser Glück.
Do, 6. Juli
Diesmal waren wir erfolgreich. Wir bleiben bis zum Morgen ungestört.
Der Mount Rainier [’reinier] ist fast 4400m hoch. Auf den meisten Autokennzeichen von Washington ist er drauf. Er ist nämlich der höchste Berg dieses Bundesstaates und der Cascade Mountains, der zweithöchste Berg der USA. Nur der Mount McKinley - Denali heißt er jetzt wieder- in Alaska ist noch höher. Auch er gehört zu den Vulkanen des Pazifischen Feuerrings. Das ganze Jahr über ist er mit Schnee bedeckt. Zuletzt ausgebrochen ist er 1963. Er ist aber keineswegs erloschen. Immer wieder steigen dünne Rauchwolken auf.
Wir befinden uns hier im Hochgebirge. Echte Bergsteiger und Touristen mit Schlapfen - wie wir - treffen hier aufeinander.
Im Reflection Lake spiegelt sich der Vulkan in seiner vollen Größe. Wunderschön ist das: See, Berg, dunkelgrüne Tannen, Schnee, Wasserfälle von der Schneeschmelze und bunte Frühlingsblumen. Mein Privat-Reisebüro hat für den Ausflug hierher wieder einmal die beste Zeit im Jahr gewählt.
Wir haben heute noch einen weiten Weg vor uns. In Seattle haben wir einen Campingplatz gebucht- damit wir nicht „schlaflos“ bleiben ;-). Bis dahin sind es ca. 300km. Einen Abstecher machen wir noch zum Holzpalisadenfort Nisqually, benannt nach dem Indianerstamm, der hier lebte. Es wurde bereits in den 1930er-Jahren authentisch, sorgfältig und liebevoll rekonstruiert. Die Räume sind so eingerichtet, als wären sie bewohnt. Im Gemüsegarten samt Hühnerstall, in der Küche - aus der es köstlich duftet - und im Laden arbeiten Leute in zeitgenössischen Gewändern- „a living museum“. Das Fort war - wie auch Fort Umpqua - ein Außenposten der Hudson Fur Company , die einige Jahrhunderte den Pelzhandel in den britisch beherrschten Teilen Nordamerikas kontrollierte. Das Unternehmen fungierte in diesen Gebieten als britische De-facto-Regierung. Es gab Verträge der Pelzjäger mit den Indianern und ein Netzwerk solcher Forts. Besonders die Biberpelze waren in Europa beliebt. Die Schiffe waren mit ihrer Ladung ca. ein halbes Jahr unterwegs- wir wissen, wie lang das ist. Sie mussten um das Kap Hoorn herumfahren. Es gab ja noch keinen Panamakanal. Von 1833 bis in die zweite Hälfte des 19. Jhd. haben hier Menschen aus verschiedensten Nationen zusammen gelebt und gearbeitet. Es waren Trapper mit ihren Familien, die sich weitgehend selbst versorgten. Das war, bevor die Besiedlung aus dem amerikanischen Osten im großen Stil einsetzte und sich London und Washington auf den 49. Breitengrad als Grenze zwischen dem britischen und dem US-Interessengebiet geeinigt hatten.
And now we are heading to Seattle. Der hiesige RV-Park, auf dem wir gebucht haben, wirkt auf den ersten Blick nicht sehr ansprechend. Aber wir haben eindeutig den schönsten Stellplatz erwischt und sind daher sehr zufrieden. Die nächsten drei Nächte werden wir hier verbringen. Unser Campground hat übrigens die Hausnummer 15531. An vierstellige haben wir uns ja längst gewöhnt, aber diese Hausnummer ist schon speziell hoch.
Fr, 7. Juli
Heute widmen wir uns also Seattle, benannt nach einem Indianerhäuptling. Die Stadt ist mit ihren rund 650.000 Einwohnern die größte im Nordosten der USA. Ein Uber Car bringt uns wieder einmal ins Stadtzentrum. Wir sind mittlerweile Premium-Kunden.
Die Stadt liegt fast überall am Wasser. Der größte See ist der Lake Union, der durch einen Kanal Verbindung zum Meer hat. Im Westen ist er schmal wie ein Fluss. Weitere, kleinere Seen gibt es auch noch, und einige Inseln. Über den fjordartigen Puget Sound im Westen ist die Stadt mit dem Pazifik verbunden. Im Süden des Sounds liegt die große Olympic Peninsula. Fast ihre gesamte Fläche nimmt ein Nationalpark ein.
Auch die vielen Parks und Wäldchen machen Seattle sehr sympathisch. Ziemlich hügelig ist es hier, dementsprechend steil sind manche Straßen. Wir finden das Klima sehr angenehm. Es hat meist um die 20°-22°. Die bereits erwähnte Olympic Peninsula und Vancouver Island - liegt bereits in Kanada - sind sehr gebirgig, und halten dadurch die kalten Winde vom Pazifik her ab. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Stadt sind die Firmen Boeing, Microsoft und Starbucks, das ihren weltweit ersten Coffee Shop 1971 hier eröffnete. Wir kontrollieren das gleich. In Downtown werden eifrig weitere Hochhäuser gebaut. Der Pike Place Market mit seinen historischen Backstein-Markthallen zieht massenhaft Touristenströme an. Mir stinkt es zu sehr nach Fisch. Gleich ums Eck, in einem Durchgang ist es ganz bunt. Ist das ein Kunstwerk? Ist das ein Gemälde? Bei näherem Hinsehen merken wir, dass das viele, viele bunte durchgekaute Kaugummis sind. Sieht toll aus, ist aber irgendwie auch grauslich. Diese Gum Wall wird im Internet als „die ekligste und unhygienischste Sehenswürdigkeit der Welt“ bezeichnet. Klaus macht natürlich ein tolles Foto. Überall in den Straßen ertönt Musik. Straßenmusikanten jeden Alters und jeder Stilrichtung erfreuen die Passanten an fast jeder Straßenecke. Ein junger Mann hat sogar ein Klavier auf dem Gehsteig aufgestellt. Den sympathisch Eindruck der Stadt dämpfen die Autobahnen sehr, die auf Stelzen über die City und die Waterfront - sollte ein idyllischer Platz am Wasser sein - dröhnen. Ebenso auf Stelzen fährt die Hochbahn, Monorail. Sie wurde anlässlich der Weltausstellung 1962 gebaut, so wie auch die Space Needle, ein Aussichtsturm, das Wahrzeichen der Stadt. Im Park davor finden sich einige große, sehr originelle Blumen aus Glas. Die Dauerausstellung nennt sich „Garden and Glass“. Eine Spezialität Seattles sind die „Enten“. Diese Sightseeing Busse können sowohl an Land als auch im Wasser fahren: „Ride the Ducks“. Wir spazieren durch einige der vielen Parks, in denen es hohe Bäume und so manche Kunstwerke zu bewundern gibt, z.B. bunte Totempfähle. Nett sind auch der Waterfall Garden Park am Pioneer Square und der Danny Woo Community Garden in China Town, ein Urban- Gardening-Projekt.
Und jetzt tun uns die Füße weh, und wir rufen uns ein Uber-Car nach Hause. Morgen ist auch noch ein Tag.
Sa, 8. Juli
O weh, wir haben verschlafen, es ist schon fast 9h! Klaus stürzt zum Telefon. Seine Mutti hat heute Geburtstag, und er will sie anrufen, solange seine Schwester, Maria noch bei ihr ist. Dort ist es ja um 9 Stunden später, also bereits Abend. Gottseidank schafft er es gerade noch.
Den restlichen Tag verbringen wir gemütlich - mit viel Putz- und Schreibarbeit - zu Hause. Haare schneiden ist auch wieder einmal angesagt. Klaus lernt jedes Mal dazu. Er kann das jetzt schon so gut, dass ich ihn wahrscheinlich auch in Wien als meinen Stylisten behalten werde. Ca. um 17h rufen wir uns wieder ein Uber-Car. Der Fahrer erzählt uns begeistert von der wunderbaren, romantischen Stadt Wien. Er war ein Flüchtling aus dem Iran. In Traiskirchen hat er sich in ein Mädchen verliebt, das auch dem Iran stammte. Er bekam ein Visum für die USA und wollte natürlich seine Freundin mitnehmen. „Das geht nur, wenn ihr verheiratet seid“, sagte man ihm auf der amerikanischen Botschaft. Also holten sich die beiden zwei Zeugen von der Straße und heirateten sofort. Die Ehe hält immer noch, und ihre Kinder sind mittlerweile erwachsen. Vor ein paar Jahren haben sie Wien wieder besucht.
Kaum hat Mohammeds Geschichte geendet, sind wir bereits beim „Japanese Garden“ angelangt, einer Oase, die zum Seele baumeln lassen einlädt. Danach machen wir einen langen, mehrstündigen Spaziergang = Hatscher durch den waldartigen Washington Park, tolle Villenviertel und einen Mini-Regenwald. Wir wandern mitten durch den Wald. Ein wenig irritierend ist es allerdings, dass der Weg asphaltiert ist. Wir haben schon öfter gemerkt, dass die Amerikaner sogar einige Wanderwege asphaltieren. Wir gelangen über den Capitol Hill zum großen Union Lake und gehen ein Stück um ihn herum- idyllisch ist es hier am Wasser. Wir können tolle Yachten bewundern. Rundflüge mit Wasserflugzeugen werden angeboten.
Unser Weg führt durch eine weitere sehr hübsche Wohngegend, teilweise recht steil bergauf.
Gestern waren wir im Stadtzentrum und heute sind wir im Grünen, abseits aller Touristenpfade. Nach über dreieinhalb Stunden Fußmarsch kommen wir endlich beim Kerry Park an, gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang. Hier genießen wir die klassische Aussicht auf Space Needle, Skyline samt Riesenrad und schneebedeckten Mount Rainier im Hintergrund. Der Berg ist durch das Abendlicht orange beleuchtet. Es sieht so aus, als wäre er aus einer anderen Welt aufgetaucht und würde nun neben der Stadt schweben. Als wenn das noch nicht genug wäre, geht schließlich auch noch der Vollmond auf. Wir sind natürlich keineswegs die einzigen, denen ihr Reiseführer diesen Aussichtspunkt empfohlen hat.
Nun geht es wieder bergab, zurück in die Stadt. Rechtschaffen müde rufen wir uns ein Uber-Car. Auf dem Heimweg verabschiedet sich die Stadt mit einem Feuerwerk für uns- diesmal vom Auto aus gut sichtbar.
So, 9. Juli
Heute fahren wir nach Bellingham. Die kleine Stadt liegt ganz nahe an der kanadischen Grenze. Wir sind bei Donna und Joe - wir haben sie auf einem Campingplatz in Arizona, in der Sonora Wüste, kennen gelernt - in ihrem schönen Haus, zu einem gar köstlichen Lunch eingeladen. Sie haben ein Schuhgeschäft, das auf Trekking-, Wander- und Gesundheitsschuhe spezialisiert ist- Birkenstock, Gießwein, Haflinger. Extra für mich sperren sie heute am Sonntag den Laden auf, und ich finde dort endlich Trekkingsandalen mit Zehenschutz, die noch dazu hübsch sind.
Danach machen wir noch einen netten Spaziergang am See. Am frühen Abend brechen wir auf. Wir wollen heute noch über die kanadische Grenze und bis Vancouver kommen. Dort haben wir einen Platz in einem RV-Park gebucht.