Spanien, Marokko, Portugal, März-Mai 2019
So, 10. März
Um 10h geht es los. „Willkommen im richtigen Leben“, meint Klaus. Ich habe mich auch schon sehr darauf gefreut, wieder unterwegs zu sein.
Unsere erste Pause machen wir in Bruck an der Mur. Das Kornmesserhaus ist zwar leider eingerüstet, aber der kleine Spaziergang gefällt uns trotzdem sehr gut. Dabei begegnen und der große Schmiedeeiserne Brunnen aus dem 16. Jhd. und zwei tratschende Frauen aus Bronze.
In Murau steht die wohlbekannte Kirche von der alten S2,50 Briefmarke. Uns interessiert aber vor allem das neue, ultramoderne Glasgebäude der Bezirkshauptmannschaft. Es steht am Fluss und ist direkt in den Felsen gebaut. Sehr interessant, aber vollständig begeistert bin ich nicht. Es ist mir einfach zu blau. Auf einem Felsen am Wasser sitzt die keltische Göttin Murna, nach der der Fluss benannt ist.
In Spittal an der Drau gönnt sich Klaus eine Pizza, und wir umrunden das Schloss Porcia.
Unser heutiges Tagesziel ist Iselsberg bei Lienz. Klaus hat schon zu Hause diesen Schlafplatz vor einem Gasthof ausbaldowert. Ich glaube, so gut wie heuer waren wir noch nie auf eine Reise vorbereitet. Der Blick auf die Dolomiten im Abendlicht ist wunderschön.
Heute haben wir 6 Länder bereist: Wien, Niederösterreich, Steiermark, Salzburg, Kärnten, Osttirol.
Der Blick auf die Bergwelt ist wunderschön, aber es ist saukalt. Es hat tatsächlich Minusgrade. Da hilft nur eins, sich ins Bett kuscheln.
424,5 km
Mo, 11. März
Sonnenschein begrüßt uns am Morgen. Wir waren in der Nacht warm angezogen und gut zugedeckt und haben gut geschlafen.
Nach dem täglichen Morgensport und einem guten Frühstück brechen wir auf, Richtung Italien.
Die verschneite Bergwelt der Dolomiten verzaubert uns.
Im Schigebiet von Vilgraten, z.B. Silian liegt viel Schnee. Der Winterbetrieb in voll im Gang, und die Pisten präpariert.
Unmittelbar darauf überschreiten wir die Grenze nach ITALIEN und sind in SÜDTIROL.
In der Burg Bruneck besuchen wir eines der sechs interessanten Messner-Mountain-Museums. Überall auf der Welt hat der berühmte Bergsteiger Bergvölker besucht und Exponate gesammelt.
Nach der Mittagspause fahren wir weiter, vorbei an Brixen, Bozen und Meran, nach TRIENT.
Der Passo Tonale hat es in sich. Es ist sehr kalt, 6° minus.
Es wird Abend, und überall sprühen eifrig die Pistenbeschneiungsanlagen. Solche High-Tech-Geräte haben wir noch nie gesehen.
Schließlich landen wir in der LOMBARDEI. In Sondrio = Sünders, peilen wir wieder einen erlaubten Übernachtungsplatz an, vor einer Pizzeria. Er biete sogar echte Camping- Infrastruktur an, und das gratis.
Das war heute eine lange, bergige Fahrt, und Klaus ist rechtschaffen müde.
Wir kochen uns was Gutes, tippen noch ein wenig und gehen bald schlafen.
359 km
Di, 12. März
An diesem wunderschönen sonnigen Tag geht es weiter nach Italien hinein, vorbei am Comosee. Der winterliche Eindruck ist völlig verschwunden.
In Turin machen wir eine Pause, eine Industriestadt mit wenig Charme. Das interessanteste Gebäude der Stadt scheint tatsächlich der neue Glaspalast der Kaffee-Firma LAVAZZA zu sein. Es gefällt uns tatsächlich gut. Besonders schön ist der Park im Innenhof. Hier ist bereits la primavera eingekehrt. Einige Bäume blühen bereits.
Wir fahren weiter nach Sestriere. Zu diesem berühmten Schigebiet geht es bergauf, und der Winter kehrt zurück. Wir sind wieder im Schnee. Dieser Wintersportort gefällt uns gar nicht. Er besteht praktisch nur aus Hotels, sogar richtige Bettentürme sind dabei. Zum Übernachtungsplatz, den Klaus zu Hause gefunden hat, kann man nicht mehr zufahren. Eine Kette wurde davor gespannt. Hier gefällt’s uns eh nicht.
Wir fahren also weiter und landen bald in FRANKREICH.
Das Abendessen im einzigen offenen Restaurant, das wir finden, ist mehr als mau, dafür sehr teuer.
Das wunderschöne Abendrot hinter den Bergen versucht uns zu versöhnen. Und bald finden wir dann auch einen geeigneten Schlafplatz- auf einer Autobahnstation.
484 km
Mi, 13. März
Es war ein guter Platz, ruhig und ungestört. In der Nacht war Schneefall angesagt, aber wir sind knapp unter der Schneegrenze geblieben. Bei uns hat es erfreulicherweise nur geregnet.
Wir sind auf dem Weg nach Grenoble. Der Ort mit dem klingenden Namen, in dem die Olympischen Spiele 1968 ausgetragen wurden, ist ziemlich unspektakulär.
Südlich von Valence, im Dorf La Voulte-sur-Rhône, peilen wir den Intermarché an, auf dessen Parkplatz man übernachten darf. Der Ort hatte früher offensichtlich mehr Bedeutung, über ihm thronen eine recht große Burg und eine große romanische Kirche. Es macht Spaß, durch die engen, verwinkelten Gasseln zu spazieren und über steile, verfallene Stufen zu den Resten der Burg hinauf zu klettern.
Bei der Herfahrt ist uns eine wilde Camping-Kolonie aufgefallen, in der es wahrscheinlich lauschiger ist als auf dem Supermarktparkplatz. Die schauen wir uns jetzt an. Hier gefällt es uns tatsächlich viel besser. Wir stehen zwischen Bäumen, mit Blick auf den Fluss. Erstaunlich, dass dieser Ort in Klaus’ schlauem Stellplätze-App nicht verzeichnet ist.
Den ganzen Tag über hatten wir heute Aprilwetter, mit viel Sonnenschein und ebenso vielen Regenschauern. Die blühenden Bäume verkünden uns aber untrüglich La Printemps.
Wir haben heute bereits ziemlich zeitig unser Tagesziel erreicht, weil wir ja gestern weiter gefahren sind als geplant. Wir haben also genug Zeit, uns einen Film anzuschauen und entscheiden uns für „Gangster in Key Largo“ mit Humphrey Bogart. Er spielt auf einer der Florida Keys. Wir haben offensichtlich unsere Amerikareise noch nicht ganz aufgearbeitet.
252 km
Do, 14. März
Heute steht die Chauvet-Höhle auf unserem Programm, die in der Nähe von Vallon-Pont-d’Arc im Flusstal der Ardèche liegt. Sie ist eine der bedeutendsten Fundplätze von Höhlenmalerei. Die vielen eindrucksvollen - sehr lebendig wirkenden - Darstellungen sind durchschnittlich 33.000 Jahre alt. Ihr Zustand ist besonders gut, weil die Höhle bereits in der Würm-Eiszeit durch einen herabfallenden Felsbrocken für die Außenwelt verschlossen worden war. Erst 1994 wurde sie entdeckt. Die Originalhöhle können wir nicht sehen. Aber sie wurde für die Besucher 2015 mit höchstem Aufwand sehr schön nachgebaut, viel schöner, als das in Altamira gelungen ist. Zwischendurch habe ich sogar vergessen, dass wir nicht in der Original-Höhle sind. Es handelt sich nämlich zugleich auch um eine Tropfsteinhöhle, mit zahlreichen Spuren und Knochen von Höhlenbären. Alles wurde bis ins kleinste Detail nachgebildet.
Bereits zu Hause haben wir uns für eine deutsche Führung angemeldet. Wir haben Glück, wir sind die einzigen Gäste, und unser Führer Gerhard kann sich uns ganz exklusiv widmen.
Wir erfahren, dass diese Höhle UNESCO-Kulturerbe ist, mit der Anmerkung: „Erstes Meisterwerk der Menschheit“. Hier befinden sich die ältesten figurativen Malereien, die jemals gefunden wurden. Und gleichzeitig handelt es sich um ein Meisterwerk. Die Höhlenmalereien von Lascaux und Altamira sind wesentlich jünger.
Es ist ziemlich dunkel hier drinnen. Die Bilder sind sehr dezent beleuchtet, also nicht mit Scheinwerfern angestrahlt. Manche sogar mit einem rötlichen, flackernden Licht, dass Fackeln nachempfunden ist.
Voller Eindrücke machen wir uns auf die Weiterfahrt.
Unser nächstes Ziel und zugleich das heutige Tagesziel ist Salon-de-Provence. Hier haben wir einen Campingplatz gebucht. Es war gar nicht so einfach, einen zu finden, weil um diese Jahreszeit noch fast alles zu hat.
Wir machen einen kleinen Spaziergang in der Altstadt, dabei lernen wir, dass der berühmte Arzt, Apotheker und Wahrsager Nostradamus (1503-1566) hier die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat. Besonders gut gefällt uns der Uhrturm, der im 17. Jhd. über einem Stadttor auf die Stadtmauer gesetzt wurde. Eine Burg gibt es auch.
223 km
Fr, 15. März
Duschen und Haare waschen, die Segnungen eines Campingplatzes- eine wahre Wohltat.
Nach dem obligatorischen Morgensport – wir haben sogar Hanteln mit – machen wir uns auf den Weg nach Marseille. Es ist doch jedes Mal wieder ein erhebender Moment, wenn wir zum ersten Mal auf einer Reise das Meer sehen.
Als erstes fällt in dieser Stadt der große Hafen auf. Die berüchtigten Docks, die ich als ziemlich heruntergekommen in Erinnerung habe, wurden offenbar revitalisiert. Viele interessante, moderne Gebäude stehen hier. Wir schauen auch auf die berühmte Gefängnisinsel mit dem Château d’If hinüber, von wo einst, Alexandre Dumas dem Grafen von Monte Christo zur Flucht verhalf.
Uns interessiert besonders das „Mucem“, Le Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée. In der ständigen Ausstellung geht es besonders um den Kontrast von europäischem und afrikanischem Leben in den Städten des Mittelmeerraums. Das Interessanteste, ist allerdings das moderne Gebäude selbst, ein kubusförmiger, verglaster Bau aus dem Jahr 2013. Sehr speziell ist die netzartige Betonkonstruktion an der Meerseite. Man kann auf einem Außenrundgang zwischen Gebäude und Betonnetzt gehen. Über Stufen und Stege gelangt man zum historischen Fort Saint Jean hinüber, von wo man einen tollen Ausblick auf den Hafen und die Kathedrale hat.
Weithin sichtbar auf einem Hügel steht das Wahrzeichen der Stadt, die Wallfahrtskirche Notre-Dame-de-la-Garde. Da fahren wir jetzt hin. Besonders deshalb, weil Klaus vor vielen Jahren mit seinen Kindern dort war und den Platz gerne wiedersehen möchte. Das neugotisch-byzantinische Machwerk mit der 20m hohen, goldenen Maria mit dem Kind auf der Turmspitze entspricht nicht meinem Geschmack. Die Aussicht von hier oben ist allerdings besonders schön. Im Inneren sind die vielen Schiffe, die zum Dank für die Errettung aus Seenot aufgehängt wurden, interessant. Teilweise wirken sie wie Mobiles.
Wir haben einen guten Eindruck von Marseille gewonnen und unser Tagewerk vollbracht. Also fahren wir wieder zurück nach Salon-de-Provence auf unseren Campingplatz. Wir können doch tatsächlich in der Sonne sitzen- Unterleiberl-freie Zone.
130 km
Sa, 16. März
Das Wetter ist sonnig aber ziemlich windig, so wie in den letzten Tagen.
Nach der Campingplatzroutine - Wasser nachfüllen, Klo ausleeren, Abwasser ablassen, Müll entsorgen – fahren wir los, nach Arles.
Wir finden einen Parkplatz am Stadtrand, und unsere Klappräder kommen das erste Mal auf dieser Reise zum Einsatz.
Die romanische, ehemalige Kathedrale St-Trophime gefällt uns sehr gut, besonders das reich gestaltete Portal.
Nächste Station ist die große römische Arena- erstaunlich gut erhalten. Hier finden noch immer Stierkämpfe statt.
Nach dem netten Radausflug durch die Altstadt, geht es weiter zum nächsten Highlight, dem Pont du Gard. Diesen Aquädukt über den Fluss Gardon bauten die Römer im 1. Jhd. n.Chr. Leider ist es verboten, die Drohne drüberfliegen zu lassen. Wir spazieren ein wenig in der reizvollen Flusslandschaft umher- in Sandalen, wohlgemerkt. Es ist schon fast vergessen, dass wir noch vor wenigen Tagen so gefroren haben.
Als nächstes steht Nîmes auf unserem Programm. Der sehr gut erhaltene römische Tempel, die Maison Carrée, stammt aus dem 1. Jhd. v.Chr. Gegenüber steht das sehr gelungene moderne Kulturzentrum Carré d’Art, entworfen von Sir Norman Foster.
Ganz in der Nähe befindet sich die hiesige Arena, mit der Skulptur eines Stierkämpfers davor.
Auch in dieser Stadt sind wir natürlich wieder geradelt.
Einen kleinen Abstecher machen wir noch nach Montpellier, ehe wir für heute genug Kultur getankt haben. Das einzige, was uns in dieser Universitätsstadt wirklich interessiert, ist das ganz neue Wohnhaus L’Arbre Blanc. Das originelle Gebäude gefällt uns sehr gut. Für mich sieht es allerdings eher wie ein weißer Kaktus aus, als wie ein Baum.
So, jetzt fressen wir noch ein paar Kilometer, ehe wir kurz vor Narbonne unseren Schlafplatz erreichen, den Klaus schon von zu Hause aus für uns ausgesucht hat. Ganz gratis ist das Übernachten hier nicht, aber man steht sehr angenehm unter Bäumen und es gibt Wasser und Strom. Was will das Herz also mehr.
Als ganz besonderen Service empfinden wir, dass man sich von der Pizzeria gegenüber eine Pizza holen kann.
270 km
So, 17. März
Am Morgen ist es ein wenig kühl, tagsüber wird es dann wahrscheinlich heiß. Und am Abend wird es wohl wieder abkühlen.
Wir machen uns auf den Weg nach Barcelona
Gegen Mittag überschreiten wir die Grenze nach SPANIEN- ¡Eviva España!
Ab nun müssen wir spanische Vokabel aus den Untiefen unseres Hirns hervorholen, und es kommt uns alles Spanisch vor.
In Figueres machen wir eine Pause. In dieser kleinen, netten Stadt wurde Salvador Dalí 1904 geboren. Er hat hier den letzten, noch erhaltenen Turm der Festung revitalisiert und in seiner unnachahmlichen Art gestaltet. Von innen kann man das alte Gemäuer noch gut erkennen. Von außen sieht es für mich eher nach Mickymaus-Stil aus. Staunenden Auges gehen wir durch die Räume. Ich bewundere die Fantasie und den Gestaltungswillen. Das alles ist schon seeehr surreal. Das im Spanischen Bürgerkrieg zerstörte Theater der Stadt hat der Künstler zu seinem Mausoleum umgestaltet. 1989 ist er gestorben.
Nach dieser Kulturspritze fahren wir wieder weiter und kommen am frühen Abend in Barcelona an. Der Campingplatz, den Klaus schon zu Hause für uns gebucht hat, ist ziemlich groß und ziemlich voll. Wir stehen ganz nahe am Strand, haben also hier unseren „Ruheplatz am Wasser“ gefunden.
299 km
Mo, 18. März
Heute früh haben wir relativ viel Zeit und können uns ausgiebig der Morgentoilette und dem Morgensport hingeben.
Wir haben nämlich als einzigen Fixtermin eine Führung durch die Sagrada Familia um 16h.
Auf den Baufortschritt seit wir vor 11 Jahren hier waren, sind wir schon sehr gespannt.
Mit dem Bus fahren wir ca. 45 Min. ins Stadtzentrum, bis zur Plaça de Catalunya.
Wir flanieren ein wenig auf den Ramblas, am Meer und im Barri Gòtic, gönnen uns eine köstliche Paella Verdura und wandern schließlich zur Sagrada Familia. Da hat sich erstaunlich viel getan, seit wir hier waren. Aber auf einem Modell sehen wir, was noch alles fehlt. Immerhin soll die Kirche 2026 - hundert Jahre nach Gaudís Tod - fertig werden.
Der ganze Haupteingangsbereich samt vier Türmen wurde z.B. noch gar nicht begonnen. Dafür müssen sogar einige Wohnhäuser abgerissen werden. Ob wir in 7 Jahren nochmals herkommen werden, um die Endkontrolle abzunehmen ;-)?
Sehr eindrucksvoll und außergewöhnlich ist die Kathedrale auf jeden Fall. Ich bin aber ein bisschen zwiegespalten, ob sie mir gefällt. Vieles ist schon sehr buntglänzend und knallig, besonders die Turmspitzen aus Murano-Glas. Und außerdem sind die Hauptsponsoren für den Bau erzkonservative Kreise. Klaus meint lapidar: „Es wird nimmer besser.“ Das Innere ist aber sehr schön. Bäume scheinen in den Himmel zu wachsen, und Licht in allen Farben durchflutet den Raum. Wir haben die beste Tageszeit gewählt und sind berührt von der mystischen Stimmung.
Der geniale Architekt, Antoni Gaudí (1852-1926), begann mit dem Bau 1882.
Nach seinem Tod tat sich lange Zeit gar nichts. Im Spanischen Bürgerkrieg und während des Zweiten Weltkriegs hatte man andere Sorgen.
Der älteste Teil, die Geburt Christi, ist daher viel älter, als die Kreuzigung und Leidensgeschichte auf der anderen Seite. Die Stile unterscheiden sich sehr.
Die Führung war interessant, und der Spaziergang durch die Stadt hat uns besonders gut gefallen. Wir haben uns an den schönen Fassaden, den abgeschrägten Straßenecken, den breiten Gehsteigen und der Street-Art erfreut. Es war sehr nett, einiges wiederzuerkennen. Auch der Torre Agbar hat sich uns aus der Ferne gezeigt.
Jetzt haben wir aber ca.15 km in den Beinen, und sind daher sehr froh, nach der langen Busfahrt wieder zu Hause zu sein. Es ist am Abend ziemlich kühl geworden, und ein heißer Tee tut uns gut.
Di, 19. März
Heute geht es Richtung Saragossa, also hauptsächlich nach Westen.
Wir nehmen nicht die Autobahn, sondern fahren parallel dazu auf der Staatsstraße. Das war eine gute Entscheidung, denn wir fahren auf einer spektakulären Küstenstraße entlang, während die Autobahn nebenan ständig in Tunnels verschwindet.
Dann verabschieden wir uns für längere Zeit vom Meer, und fahren die weite Ebene des Ebro-Tals hinauf. Wir gleiten durch eine eher karge aber sehr reizvolle Landschaft. Auf den Hügeln liegen Städte mit sehr spanischen, bereits ein wenig maurisch anmutenden trutzigen Kirchtürmen.
In Lleida machen wir eine Pause und einen Spaziergang.
Die Stadt selbst macht auf uns einen eher trostlosen Eindruck. An allen Ecken lungern arbeitslose - meist schwarze - Burschen herum.
Wir steigen über viele, viele Stufen auf den Burgberg mit der ehemaligen Kathedrale La Seu Vella hinauf. Hier oben herrscht eine friedlichere und freundlichere Stimmung, obwohl die Kirche verlassen wirkt und langsam zu verfallen scheint. Im Apostelportal sind z.B. alle Podeste leer. Von den heiligen Männern fehlt jede Spur. Sehr schön ist aber der Kreuzgang aus dem 14. Jhd. Er ist auch einer der größten Europas. Das Maßwerk ist sehr fein gearbeitet.
Wir werden nicht - wie ursprünglich geplant - in Lleida übernachten. Die Stadt gefällt uns nicht, und außerdem ist es noch früh am Nachmittag. Wir können also leicht noch ein wenig weiterfahren.
Ca. 60 km vor Saragossa finden wir ein sehr schönes „Plätzchen“, abseits der Straße.
Wir kochen und genießen ein köstliches Chili sin Carne, bevor wir - wie jeden Abend - hinter unseren Bildschirmen verschwinden.
258 km
Mi, 20. März
Heute früh hatte es 4°, Brrrr .Die Zahnpasta hat es kaum aus der Tube geschafft. Gott sei Dank haben wir auch warmes Gewand und Zusatzdecken für die Nacht mit. Tagsüber wird es aber wieder deutlich wärmer.
Wir fahren weiter durch das Ebro-Tal nach Saragossa (Zaragoza). Die Stadt liegt an den Ufern dieses Flusses. In der Römerzeit hieß sie Caesaraugusta. Daraus wurde dann der heute Name verballhornt.
Gleich bei der Einfahrt sehen wir die romanische Brücke, Puente la Reina.
Die Stadt gefällt uns sofort. Wir schwingen uns wieder einmal auf die Fahrräder und fahren auf einem netten Radweg den Fluss entlang ins Zentrum.
Eher zufällig finden wir den tollen Brücken-Pavillon, den die irakische Architektin Zaha Hadid anlässlich der Expo 2008 schuf. Er erinnert uns an eine Walfisch.
Saragossa beherbergt das erste Marienheiligtum der Welt, die Virgen del Pilar. Der Apostel Jakobus, der bei der Missionierung ziemlich erfolglos war, hatte eine Erscheinung. Engel brachten eine hölzerne Säule vom Himmel, auf die schwebte die Jungfrau Maria herab und sprach dem heiligen Mann Mut zu. Engel und Maria entschwanden wieder, aber die Säule blieb zurück. Eine Kapelle und schließlich die imposante Basílica Nuestra Señora del Pilar wurden drumherum gebaut. Das „barocke Beweisfoto“ befindet sich - in Stein gemeißelt - an der Außenseite der prächtigen Kirche. Ihre charakteristischen vier Türme und die Kuppel haben wir schon von weitem gesehen. Von der „Originalsäule“ ist übrigens noch ein winziges Stückchen übrig, das von Gläubigen sehr verehrt und geküsst wird. Ein Fernsehteam ist gerade am Drehen, als sich Klaus hinkniet, um sich das näher anzuschauen. Dieser Beweis seiner „Frömmigkeit“ wird sicher landesweit gesendet ;-).
Das weitere Kircheninnere ist barock und klassizistisch, also keiner näheren Erwähnung wert.
Die Kathedrale, La Seo mit ihrem hohen achteckigen Turm, am anderen Ende des großen Platzes, ist tatsächlich interessant, besonders an der Seite. Die Verzierung mit blauen Kacheln ist maurisch und gotisch zugleich. Diesen Stil, in dem Elemente des Islam im Christentum weiterverwendet werden, nennt man mudéjarisch. Der kaskadierende Innenraum des Doms erschlägt uns allerdings fast.
Davor stehen Wahrsagerinnen, die mir in der Hoffnung auf ein Trinkgeld, unter Anrufung der Hl. Maria, ein langes Leben und eine „gran amor“ prophezeien- „con el“, auf Klaus deutend. Das trifft sich ja gut.
Jetzt freuen wir uns schon auf das Goya-Museum. Hier sind vor allem seine Druckgraphiken aus dem Beginn des 19. Jhd. ausgestellt, die Klaus besonders schätzt.
Sie beschäftigen sich vor allem mit den Schrecken des Krieges und des Stierkampfs. Auch einige lustige Karikaturen sind dabei. Er beschäftigte sich außerordentlich scharfsinnig mit den politischen und sozialen Umständen seiner Zeit, teilweise mit erschreckendem Realismus, teilweise mit Symbolismus - er stellt auch immer wieder Dämonen dar - und teilweise ironisch.
Der Heimweg führt uns zur Aljafería, dem kunsthistorische Erbe der Mauren. Der Palast hat einen grob quadratischen Grundriss und ist von Wehrmauern und einem Graben umgeben. Einst wurde er als Lustschloss konzipiert. Heute ist er der Sitz des aragonesischen Parlaments. Die kunstvollen Verzierungen mit den Hufeisenbögen an den Eingängen der Räume und die schönen Holzdecken gefallen uns gut. Besonders schön ist der Innenhof mit dem Garten. Die Orangen sind schon reif.
Ganz in der Nähe haben wir unser Auto geparkt. Nach unserer Mittagspause geht unsere Reise wieder weiter.
Ab nun sind wir auf dem Weg in die Hauptstadt, die wir voraussichtlich morgen erreichen werden. Die Straße führt deutlich bergauf in das spanische Hochland von Kastilien, die Meseta, auf der auch Madrid liegt.
Nach ca. 100km erreichen wir Calatayud. Hier gibt es wieder einen ausgewiesen Gratis-Schlafplatz für Wohnmobile. Diese Internetseite, die Klaus da gefunden hat, ist wirklich Gold Wert.
Wir spazieren ein wenig durch die wenig interessante Stadt und schauen zum Castillo de Ayud hinauf, dem Namensgeber der Stadt. Klaus hat Hunger. Es ist 17h, und um diese Zeit gibt es in Spanien noch kein Abendessen. Aber es gibt die berühmten Tapas, „Papas Tapas“ also. Leider schmecken sie lange nicht so gut, wie sie aussehen. Morgen werden wir wieder selber kochen.
Nach diesem sonnigen Tag wird es - wie gehabt - am Abend wieder ziemlich kalt. Da kann man nur unter die warmen Decken unseres gemütlichen Alkovens flüchten.
185 km
Do, 21. März
Es war wieder sehr kalt in der Nacht.
Mit dem Morgensport warten wir, bis es ein wenig wärmer geworden ist.
Nach einem sehr erfolgreichen Einkauf beim Aldi - viel Bio aber leider auch viel Plastik - geht es weiter nach Madrid durch die geschwungenen Weiten der kastilischen Hochebene, der Steppenlandschaft von El Cid. Immer wieder sieht man Felsformationen - Klaus meint schmunzelnd: „Monument Valley“ - und die Erde ist an manchen Stellen ganz rot- wie in Oklahoma ;-).
In Sigüenza machen wir Mittagspause. Wir gehen ein bisschen spazieren und steigen auch zur riesigen Burg hinauf, die behutsam und sehr gelungen zu einem Hotel umgebaut wurde. Auch der Dom - eine trutzige Wehrkirche gegen die Mauren - ist eindrucksvoll, für meinen Geschmack allerdings innen etwas zu überladen. Das nette spätmittelalterliche Städtchen gefällt uns sehr gut, kleine Häuser in engen Gassen. Alles strahlt eine gewisse Strenge aus- sehr spanisch eben.
Während wir im Wohnmobil unseren Salat essen, beobachten wir im benachbarten Park eine Gruppe von Jugendlichen, die ganz locker und ohne Lehrer Gymnastik betreiben. Sie sind sehr fröhlich und haben eine gute Ausstrahlung. Es macht Freude, ihnen zuzuschauen. Auf ihren T-Shirts steht COSIGÜENZA, ein nettes Wortspiel. So sind sie eben, in Sigüenza.
Wir reißen uns los und brechen wieder auf.
Am Nachmittag erreichen wir unseren gebuchten Campingplatz in Madrid. Erfreulicherweise ist er sehr schön, direkt idyllisch. Auch die Ausstattung ist gut. Das ist sehr fein, denn wir wollen vier Nächte hier bleiben. Wir waschen Wäsche und kochen uns ein gutes Nachtmahl.
Beim Essen sitzen wir im Freien in der Sonne. Aber sehr bald spüren wir die abendliche Abkühlung und flüchten ins Wohnmobil.
Unser morgiger Ausflug in die Stadt bedarf noch etwas Vorbereitung. Wir freuen uns schon sehr auf den Prado.
248 km
Fr, 22. März
Wir fahren mit der U-Bahn ins Stadtzentrum. Zuerst müssen wir uns aber mit den Ticket-Automaten herumschlagen. Klaus meint, er kommt sich vor wie einst der Polizeipräsident Pilch bei seinem Kampf mit dem Kaffeeautomaten.
Der erste Eindruck von Madrid, gleich wie wir aussteigen, ist sehr nett. Und das, obwohl es sich um eine Millionenstadt handelt, der drittgrößten der EU. Es ist übrigens auch die höchstgelegene Hauptstadt der EU. Man flaniert auf breiten Gehwegen, entlang von großen Parkanlagen, vorbei an großen, imposanten Palästen, z.B. dem Palast der Kommunikation. An denen erkennt man noch die Hauptstadt eines einstigen Weltreichs. Die Wohnhäuser haben meist die typisch spanischen - und auch französischen - ganz schmalen Balkone mit hübsch verzierten Gittern. Manche Bewohner bewahren da oben ihre Fahrräder auf, die oft nur hochkant darauf Platz haben.
Unser Hauptprogramm des heutigen Tages ist das Museo Nacional del Prado, eines der größten und bedeutendsten Kunstmuseen der Welt, hervorgegangen aus der ehemaligen Kunstkollektion des spanischen Königshauses. Heuer ist es 200 Jahre alt.
Dank Klaus’ genialer Reiseleitung haben wir unsere Tickets bereits im Internet gekauft und können daher hoch erhobenen Hauptes an den langen Schlagen vor der Kassa vorbeirauschen.
Die riesige Sammlung des Museums beinhaltet über 7000 Exponate, von denen ca.1500 ausgestellt sind. Selbst das ist zu viel auf einmal. Wir suchen uns gezielt die Werke, die wir sehen wollen, und durcheilen so manchen Raum rasch.
Uns interessiert: Hieronimus Bosch - hier wird er El Bosco genannt - mit seinen Bildern voller Symbolkraft „Der Garten der irdischen Lüste“ und „Der Heuwagen“, Albrecht Dürer „Adam und Eva“ und sein berühmtes Selbstportrait mit den langen blonden Locken, Goya „Die Erschießung der Aufständischen vom 3. Mai 1808“- sehr ausdrucksstark und erschreckend realistisch und einige „Schwarze Gemälde“ aus seinem Spätwerk, z.B. „Der Teufel predigt den Hexen“. Diese sogenannten „Pintas Negras“ sind sehr dunkel, auch vom Inhalt her. Es gibt aber auch sehr ansprechende Goyas, z.B. „der Sonnenschirm“, das fröhlich und lebenslustig wirkt, und natürlich „Die nackte Maja“ Dieses freizügigen Gemälde brachten den Künstler sogar vor die Inquisition, weil doch tatsächlich einige Schamhaare zu sehen sind. Er malte dann „Die bekleidete Maja“. Beide Bilder waren einst mit einem Scharnier verbunden, damit man die unzüchtige mit der züchtigen rasch verdecken konnte. Lustig finde ich auch die Darstellung der „königlichen Familie Karls IV“- völlig ungeschönt. Zeitgenössische böse Zungen behaupteten, dass König und Königin darauf aussähen wie der Bäcker und seine Frau nach einem Lottogewinn.
Gut gefällt uns auch Tizians „Karl V mit seinem Hund“ und seine „Venus und der Orgelspieler“. Diego Velázquez berühmtestes Werk „Las Meninas = Die Hoffräulein“ zieht uns ebenfalls in seinen Bann. Auf diesem Gemälde sind der Maler selbst und die fünfjährige Infantin Margarita Theresa - die spätere Gemahlin Kaiser Leopolds I - mit Hofdamen und einer Hofzwergin dargestellt. Dieses süße Kind kennen wir schon aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien. Das Bild „Die Übergabe der Stadt Breda“ findet Klaus auch noch erwähnenswert.
Zu unserer Freude gibt es auch ein Wiedersehen mit einem Bruegel „Der Triumph des Todes“, den wir erst vor kurzem in der großen Ausstellung in Wien gesehen haben.
Wir wandern weiter durch die Säle, und zu unserer Überraschung hängt da plötzlich die Mona Lisa, Häää? Wir recherchieren und lernen, dass das Werk erst 1966 entdeckt wurde, weil es übermalt war. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um die Arbeit eines Schülers Leonardos, der zeitgleich mit dem Meister zur Übung eine exakte Kopie des Originals herstellte.
Weniger Begeisterung ruft - wie so oft - Rubens bei uns hervor. Auch an El Greco eile ich eilig vorbei. Er entspricht so gar nicht meinem Geschmack.
Zuletzt besuchen wir noch die Romanische Kapelle mit Wandgemälden und Alabasterfenstern.
So, das haben wir geschafft. Wir gehen nun noch ein wenig durch die Stadt, und der nette Eindruck bestätigt sich. Wir flanieren z.B. durch eine Fußgängerzone mit Bücherflohmarkt, der uns an die Bouquinisten von Paris erinnert.
Der Bahnhof Atocha ist interessant. Er hat neben vielen Lokalen und Geschäften einen Palmengarten als Wartehalle.
Auf dem Weg zum Bio-Markt, den Klaus bereits in Wien ausfindig gemacht hat, durchqueren wir den riesigen Parque del Buen Retiro. Der idyllische Park ist die Grüne Lunge von Madrid. Es gibt sogar einen kleine See zum Bootfahren, und die Leute liegen und sitzen gemütlich im Gras. Es ist ja tagsüber wieder richtig warm geworden.
Nach unserem erfolgreichen Bio-Einkauf suchen wir uns die nächste U-Bahn-Station und fahren nach Hause.
Wie schon erwähnt, hat uns die Stadt überraschend gut gefallen. Was uns noch aufgefallen ist, sind die Ampelpärchen, ähnlich wie wir sie auch in Wien haben.
Um 16h können wir unsere müden Füße endlich in unserem gemütlichen Häuschen hoch lagern. Wir haben heute immerhin 14 km zu Fuß abgespult.
Die eigentliche Arbeit, Fotos und Reisebericht, beginnt allerdings jetzt erst. Aber wir wollen das ja nicht anders.
Sa, 23. März
Wir haben die Tag- und Nachtgleiche überschritten. Es wird also jeden Tag wärmer, und es bleibt auch länger warm. In der Nacht haben wir heute keinerlei Zusatzgewänder gebraucht.
Am Morgen ist die Gradanzahl zweistellig.
Unser Ticket für die Sammlung Thyssen-Bornemisza gilt erst ab 13h. Also können wir uns fürs Turnen, Frühstücken und Putzen - muss auch sein - viel Zeit lassen.
Dann machen wir uns wieder auf den - bereits vertrauten - Weg zur U-Bahn.
Wir können nur immer wieder wiederholen, wie gut uns Madrid gefällt. Wir spazieren durch nette Grätzln mit engen Gasseln und über - von Lokalen gesäumte - Plätze, wo die Leute im Freien sitzen. Fast an jeder Straßenecke ertönt Musik und wir können sehr interessante Street Art bewundern. Alles ist voller Leben und wir flanieren mittendrin durch den Frühling. Die meisten Straßenschilder sind aus glasierten Kacheln. Es ist oft auch noch ein Bild dabei, das zum Straßennamen Bezug nimmt. Spaniens Hauptstadt scheint wirklich eine Stadt mit sehr hoher Lebensqualität zu sein.
Eher zufällig erreichen wir die Plaza Mayor, den Hauptplatz. Der rechteckige Platz ist komplett von vierstöckigen Wohnhäusern umgeben. An der Nordseite steht die reich bemalte Casa de la Panaderia = Haus der Bäckerei aus dem 16. Jhd. Heute wird hier kein Brot mehr verkauft. Das Haus dient mittlerweile dem spanischen Tourismusverband. Ein Brautpaar zeigt sich auf dem Balkon. Es wird ihm heftig zugejubelt, und die Kameras klicken.
Kann man hier auch heiraten, oder ist das einfach eine coole Fotolocation?
Auf dem Platz steht natürlich auch eines der vielen Reiterstandbilder der Stadt. Dieses hier stellt Philipp III dar.
Kaum vorstellbar, dass hier bis ins 18. Jhd. Stierkämpfe stattfanden. Als Zuschauerlogen dienten die Fenster der Wohnhäuser.
In der Galerie Thyssen-Bornemisza wird gerade eine Sonderausstellung vom zeitgenössischen Künstler Balthus gezeigt. Seine Werke werden ja sehr kontrovers besprochen. Er malte viele halbwüchsige Mädchen in ihrer Nacktheit. Auch sehr provokante und kritische Werke sind dabei, z.B. „Die Musikstunde“, in der es eindeutig um Missbrauch von Seiten der Lehrerin geht.
Die Haupt-Sammlung selbst zeigt eine fantastische Reise durch sieben Jahrhunderte europäischer Malerei. Auch in diesem Museum gibt es natürlich eine Unmenge von Exponaten, von denen wir uns nur einigen widmen wollen, damit uns die Fülle nicht erschlägt.
Tapfer kämpfen wir uns von den alten Meistern, z.B. Holbein - mit seinem berühmten Portrait von Heinrich VIII - Ghirlandaio - dem Lehrer Michelangelos - und Raffael chronologisch voran bis zum Impressionismus: Degas, Pissarro, Renoir, Monet, Sisley, Bonnard, Gauguin, Toulouse-Lautrec, Emil Nolde, Edvard Munch, James Whistler, van Gogh, Delacroix, Géricault und mein geliebter Cezanne.
Klaus freut sich über Lyonel Feininger. Gemeinsam freuen wir uns über Gabriele Münter und Kandinsky, Kirchner, Max Pechstein und Max Beckmann.
Es wird immer moderner, und wir entdecken Werke von Georges Braque, Henri Matisse, Oskar Kokoschka, Paul Klee, Chagall, Salvador Dalí, Magritte, Piet Mondrian und Miró. Auf Edward Hopper hat sich Klaus besonders gefreut.
Natürlich gibt es auch in diesem Museum einige Goyas, und wir entdecken sogar einen Waldmüller. Frans Hals hat uns auch schon immer gefallen.
Und schließlich landen wir bei Picasso. Sein „Harlekin mit Spiegel“ scheint mir das schönste Bild im ganzen Haus zu sein.
Aber es geht chronologisch noch weiter voran, bis zu Roy Lichtenstein.
Jetzt sind wir müde und hungrig. Schließich ist es bereits 15h. Wir gehen in ein veganes Restaurant, das uns das Internet empfohlen hat. Es heißt „Viva la vida!“ = Es lebe das Leben. Die Burger sind riesig und ziemlich gut.
Frisch gestärkt gehen wir jetzt noch zur Kathedrale. Sie ist auch riesig aber ziemlich hässlich. Der Palacio Real = Königsschloss steht gegenüber. Er sieht auch nicht interessant aus.
Wir wollen jetzt nur noch nach Hause. Uns tun die Füße weh. In der U-Bahn schlafe ich sogar ein. Wie schön ist es doch zu Hause hinter dem Bildschirm.
So, 24. März
Heute am Sonntag ist in der Stadt besonders viel los. Viele Menschen sind unterwegs. Die vielen Straßenmärkte bieten noch zusätzlich ein buntes Bild.
Neben dem Schauen und Staunen steht heute das Museo Reina Sofía auf unserem Programm. Es widmet sich ganz der zeitgenössischen Kunst.
Ergriffen stehen wir vor dem riesengroßen Bild „Guernica“ von Picasso. Darauf haben wir uns besonders gefreut.
Auf dem Heimweg schauen wir noch zum Forum der Caixa-Bank [kascha]. Das alte Gebäude des ehemaligen Elektrizitätswerks wurde geschickt modernisiert und wird nun als Konferenzzentrum und für Ausstellungen verwendet. Wir haben allerdings in den letzten Tagen genug Bilder gesehen. Besonders spannend finde ich den Teil der Fassade, der vollständig begrünt ist. In diesem „vertikalen Garten“ blühen sogar Blumen.
Den Nachmittag verbringen wir zu Hause, und genießen es, in der Sonne zu sitzen.
Mo, 25. März
Wir verlassen Madrid, die schöne Stadt und den schönen Campingplatz, der nur einen Wermutstropfen hatte, die lila scheißenden Vögel, die vor nichts Respekt hatten.
Wir füllen also nicht nur unseren Wassertank, sondern waschen auch gleich das Auto notdürftig. Unsere Campingmöbel haben wir schon vorher geputzt.
Wir sind wieder unterwegs, und zwar nach Segovia. Das liegt ca.100 km entfernt. Um dorthin zu gelangen, müssen wir das Kastilische Scheidegebirge überwinden.
Wir sind wieder in KASTILIEN unterwegs, das nach seien vielen „castillos“ benannt ist- das spanische „Burgenland“ also.
In Segovia suchen wir wegen des großen Erfolgs wieder einen offiziellen Schlafplatz auf. Er ist schon fast voll. Wir finden gerade noch ein Plätzchen. Hier stehen wir neben einer ziemlich abgehalfterten Stierkampfarena.
Die Silhouette der Stadt ist sehr pittoresk. Hoch oben thront der Alcázar- so werden die vielen Burgen von Kastilien genannt.
Wir satteln unsere Drahtesel und radeln ins Stadtzentrum. Da steht fast unvermutet ein über 800m langer antiker Aquädukt aus dem 1. Jhd. n.Chr. Er ist so gut erhalten, weil er Segovia über Jahrhunderte hinweg mit Wasser aus den umliegenden Bergen versorgte, und daher ständig gewartet wurde. Er ist dem Gelände angepasst und daher ganz unterschiedlich hoch. An einer Stelle können wir von oben auf die Wasserrinne schauen, und unten in der Stadt ist er mit Doppelbögen 28m hoch.
Nun geht es bergauf zum Burgberg. Das ist zu steil für unsere kleinen Klappräder, also lassen wir sie - wohl versperrt natürlich - zurück und gehen zu Fuß weiter.
Wir wandern durch schmale Gassen, vorbei an vielen alten Kirchen und alten Häuser in mittelschlechtem Erhaltungszustand. Interessant sind die Verzierungen an den Außenfassaden mit erhabenen Verputzelementen in wiederkehrenden Mustern.
Auf der Plaza Mayor steht der riesige spätgotische Dom. Uns gefällt er nicht besonders, obwohl einzelne Verzierungen sehr schön sind. Die sehen wie geklöppelte Spitzen aus.
Der Alcázar allerdings entpuppt sich als sehr interessant. Vom 11. bis zum 15. Jhd. wurde daran gebaut. Wir bewundern den Waffensaal, den Thronsaal, den Saal der Könige - in dem über 50 Goldstatuen spanischer Könige auf dem Gesims sitzen - ein Schlafzimmer und die Burgkapelle. Die Holzdecken gefallen uns besonders gut. Im Mittelalter war die Burg die bevorzugte Wohnstatt der kastilischen Könige.
Von hier oben hat man eine Aussicht auf das karge Umland. Mittendrin steht eine kleine achteckige Kirche. Es handelt sich um Santa Cruz, eine der ganz wenigen vollständig erhaltenen Templerkirchen der Welt. Wie alle Templerkirchen ist ihr Grundriss dem Felsendom in Jerusalem nachempfunden. Sie wurde 1208 geweiht. Benannt ist sie nach einem „echten“ Splitter des Kreuzes Christi, den sie beherbergt. Morgen werden wir sie uns genauer anschauen.
Auf dem Heimweg werfen wir nochmals einen Blick auf den Dom. Von weitem sieht er eindeutig besser aus.
Gott sei Dank sind unsere Räder noch dar. Auf der Herfahrt ist es so locker bergab gegangen. Jetzt müssen wir ordentlich bergauf schnaufen.
Unsere köstliche Minestrone haben wir uns jetzt wirklich verdient.
115 km
Di, 26. März
In der Nacht hat es heftig abgekühlt, Gott sei Dank nicht unter unseren Bettdecken. In der Früh liegt Reif auf unseren Dachluken. „Der Frühling ist gereift“, meint Klaus.
Segovia liegt ja ein bisschen höher als Madrid, über 1000m hoch.
Tagsüber wird es sicher wieder wärmer werden, und außerdem haben wir ja eine Heizung.
Beim Wegfahren haben wir noch einmal einen sehr schönen Blick auf die Stadt und den Alcázar.
Unser Frühstück nehmen wir neben dem gestern erwähnten Templerkirchlein ein. Leider können wir nicht hinein. Das ist erst ab April möglich.
Nun starten wir unsere Burgentour:
Arévalo aus dem 14. Jhd. ist die erste. Isabella die Katholische verbrachte hier ihre Jugend. Charakteristisch ist der halbrunde Turm.
Weiter geht es auf kleinen Straßen durch Dörfer. Alle Kirchtürme sind von Störchen bewohnt. Wir gleiten durch eine karge Landschaft. Viele Flächen werden für große Solarparks genutzt. Es gibt aber auch Felder. Die werden durch große, fahrbare Sprinkleranlagen bewässert, wie wir es aus Amerika kennen.
Die eindrucksvollste und schönste der kastilischen Burgen ist Coca, ein architektonisches Schmuckstück, trutzig und verspielt zugleich. Der Backsteinbau wurde vom prunkliebenden Erzbischof von Sevilla im 15. Jhd. in Mudéjar-Gotik gebaut. Dieser Stil zeigt den maurischen Einfluss, nachdem diese bereits besiegt waren- wie wir ja bereits in Saragossa gelernt haben.
Uns gefallen die Ziegelverzierungen. Die Burg ist sehr schön restauriert.
Wir leisten uns eine Eintrittskarte und können so - über sehr hohe Stufen - auf den Turm hinaufsteigen und die Aussicht auf unser Auto genießen. In halber Höhe kann man zum zweiten Turm hinüberwechseln.
Für die Mittagspause und unser Sportprogramm haben wir einen wunderschönen Platz im Wald gefunden. Wir genießen die warmen Sonnenstrahlen.
In Medina del Campo steht unsere nächste Burg, La Mota- sehr groß, mit einem mächtigen Burgfried. Sie wurde von den Katholischen Königen benutzt. Im 17. Jhd. diente sie als Staatsgefängnis für hochgestellte Gefangene. Cesare Borgia saß hier ein bis ihm die Flucht gelang.
Und nun geht es geradewegs weiter nach Salamanca. Das erste, was wir zu sehen bekommen, ist die alte Brücke über den Tormes, die von den Römern gebaut wurde und immer noch als Fußgängerbrücke benutzt wird. Auch die Silhouette des Doms sieht interessant aus.
Wir brauchen aber zunächst einen Parkplatz und finden zu unserer Freude einen in Gehweite zum Stadtzentrum, direkt am Fluss. Hier stehen einige Wohnmobile rum. Da stellen wir uns dazu, und hier werden wir auch die Nacht verbringen.
Auf der Suche nach einem Restaurant kommen wir am Kloster San Esteban vorbei, mit seiner über und über mit feinsten Steinmetzarbeiten beklebten Fassade. Man nennt das den plateresken Stil. Diese Arbeiten erinnern angeblich an Goldschmiedearbeiten- sehr kunstfertig. Wem’s gefällt...
Zum Abendessen gibt es Pizza. Das einzige Lokal, das uns um 18h schon etwas zu essen anbietet, sieht von außen gar nicht einladend aus. Aber es schmeckt köstlich.
254 km
Mi, 27. März
So wie jeden Tag bisher ist es am Morgen sehr kalt. Wir ziehen uns für unseren Spaziergang in die Stadt warm an.
Wir marschieren heute früher los, weil alles, was wir sehen wollen, zu Mittag für eine lange Siesta zumacht.
Als erstes besuchen wir die Plaza Major. Der Reiseführer bezeichnet sie als einen der schönsten Plätze Europas. Er gefällt uns tatsächlich sehr gut.
Nun spazieren weiter und kommen an der Casa de las Conchas vorbei. Die Fassaden des „Hauses der Muscheln“ sind über und über mit steinernen Jakobsmuscheln beklebt.
Wie alle Gebäude der Altstadt ist auch dieses aus rötlichem Sandstein gebaut. Das ist sehr reizvoll.
Nun kommen wir zum Dom. Seine Geschichte ist originell. Die romanische Kirche wurde irgendwann zu klein. Also wurde einfach eine neue, größere, drangebaut. Das hatte den Vorteil, dass die alte Kirche erhalten blieb, und wir sie heute noch in ihrer ganzen Pracht, nahezu unverändert, bewundern können.
Zunächst steigen wir ihm buchstäblich aufs Dach. Man kann nämlich von oben besonders gut den mittelalterlichen Turm des alten Doms sehen. Außerdem hat man von hier oben eine schöne Aussicht auf die Stadt und auf den Fluss. Sogar unser Auto können wir erahnen.
Nun nehmen wir uns das Kircheninnere vor. Wir haben eigentlich nur deshalb Eintritt für den Dom bezahlt, damit wir vom neuen in den alten Teil hinübergehen können. Beide Dome sind ganz eigene Kirchen und nur durch eine Verbindungstüre miteinander verbunden. Die romanische Kirche gefällt uns in ihrer Einfachheit viel besser als die neue. Wir sehen viele alte - ganz besonders reizende - Fresken, wie wir sie lieben. Hier wurden sie niemals übermalt. Das Altarbild ist ein monumentales Wandretabel, das von der Florentiner Frührenaissance inspiriert wurde. Es besteht aus vielen Einzelbildern, die Szenen aus dem Leben Jesu darstellen.
Die neue Kathedrale wurde Anfang des 16. Jhd. begonnen, und ist grundsätzlich gotisch wirkt aber sehr überladen.
Als nächstes widmen wir uns der Universität. Sie wurde im 13. Jhd. gegründet. Voriges Jahr feierte sie ihren 800. Geburtstag. Es war die erste Spaniens und gehörte zu den bedeutendsten Bildungsstätten Europas. Sie hat ja auch heute noch einen klingenden Namen. Die Westfassade ist wieder ein Musterbeispiel für den plateresken Stil in seiner heftigsten Ausformung.
Herausragende Universitätslehrer im 16. Jhd. waren hier Fray Luis de Leon und Francisco de Vitoria. Noch bevor in Europa von Völkerrechten und Menschenrechten die Rede war - das geschah erst ab dem 17. Jhd. - hielten sie bereits Vorlesungen zu diesem Thema. Aus gutem Grund, denn es bestand bei der Eroberung Nordamerikas, Mittel- und Südamerikas und den Karibischen Inseln durchaus die Tendenz, die indigene Bevölkerung auszurotten, um eine Neue Welt im Sinne des Christentums zu schaffen. Ohne das feste Auftreten dieser Professoren vor Karl V. hätte es kaum staatliche Bestimmungen gegeben, die Nichtchristen ein Recht auf Existenz einräumten. Wir bekommen das reich verzierte Treppenhaus, alte Hörsäle und die alte Bibliothek zu sehen.
Das Kloster Santa Maria de las Dueñas ist nicht weit entfernt. Die Kapitelle im Rundgang um einen hübschen Innenhof im ersten Stock gehören zu den verblüffendsten Skulpturendekorationen der Renaissance, eine variantenreich ausgeschmückte Szenerie des Grotesken. Nackte Körper mit deutlich ausgebildeten Geschlechtsteilen, Hermaphroditen, verzerrte Gesichter und flehende Gesten- ein Panorama menschlicher Seelenzustände, die offenbar der Erlösung bedürfen. Erstaunlich, dass so freizügige Darstellungen um die Mitte des 16. Jhd. zur Zeit des Konzils zu Trient und am Beginn der Gegenreformation geschaffen wurden.
Kommentar von Klaus: „Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“.
Es ist Mittag geworden, und die Sonnenstrahlen wärmen wieder. Jacken, Unterleiberl und Socken können fallen. Am Abend und in der Nacht wird’s dann wieder stark abkühlen.
Wir verabschieden uns nun von der Stadt, die genauso schön ist, wie ihr Name klingt. Die Landschaft erscheint uns nicht mehr so karg. Steineichen-Wälder lassen sie grüner erscheinen.
In Alba de Tormes - benannt nach dem Fluss - ist von der einstmals großen Burg der Herzöge von Alba heute nur mehr der mächtige Hauptturm erhalten.
In der Iglesia de San Juan sitzen im Altarraum - ehemals bunt bemalte - steinerne Apostel aus dem 11. Jhd. Wir sind 10 Minuten vor Schließung der Kirche angekommen und rennen auf der Suche nach ihr in der Stadt treppauf und treppab. Unser sportlicher Einsatz hat sich gelohnt. Wir kommen gerade noch rein und sind sehr beeindruckt. Jede einzelne Figur ist sehr ausdrucksstark. So eine Darstellung ist einmalig auf der Welt.
In der Nähe gründete Teresa von Ávila ein Kloster, in dem sie auch 1582 gestorben ist. Wir besuchen in der Klosterkirche ihr Grab.
Unseren Mittags-Salat haben wir uns nun redlich verdient. Wir finden dazu wieder einen schönen Platz im Grünen mit Blick auf schneebedeckte Berge.
Jetzt freuen wir uns auf Ávila. Der erste Blick auf die Stadt mit ihrem komplett erhaltenen romanischer Mauerring mit 88 Türmen und 9 Stadttoren entlockt uns ein begeistertes, langes „Ohhh“. Wir durchschreiten die Stadtmauer und- ein kleines, kurzes „o“. Eine ganz normale moderne Stadt ohne jedes Flair. Immerhin kommen wir auf unserer Flucht aus der Stadt am strengen Bau des Convents de la Santa vorbei, vor dem die Heilige Teresa in Bronze gegossen auf einer Bank sitzt.
Wir fahren noch ein Stückchen weiter und suchen uns einen Koch- und Schlafplatz. Bald finden wir einen besonders gut geeigneten, in altbewährter Weise neben einem Friedhof.
Do, 28. März
Wir haben die letzten Nächte auf wirklich „wilden“ Plätzen verbracht, ohne Entsorgungsmöglichkeiten. Nun ist unser Klo voll. Wir greifen also auf unseren reichen Erfahrungsschatz zurück und peilen die nächste Tankstelle an. Tatsächlich hat sie eine Außentoilette, und eine diskrete Entleerung ist möglich.
Erleichtert - im wahrsten Sinne des Wortes - machen wir uns auf den Weg zum Escorial.
Die Landschaft ist ansprechend, hügelig mit Wäldern. So ähnlich schaut es bei uns in Österreich auch aus. Wir haben eine richtige Rundreise gemacht, haben das Kastilische Scheidegebirge erneut überquert, und sind jetzt wieder in der Madrider Gegend gelandet.
Von der Ferne glänzen die Türme und Kuppeln des Escorial in der Sonne. Entfernt erinnert uns der Bau ein wenig an Melk. Er ist ja auch noch ziemlich entfernt. Natürlich stimmt die Farbe nicht. Der hiesige Klosterpalast ist grau, aber mindestens doppelt so groß.
Er wirkt trotz seiner Größe schlicht und eher streng.
Laut Reiseführer sollte er Ausdruck der Weltmacht und geistiger Disziplin sein. Philipp II ließ ihn im 16. Jhd. errichten. Es ging ihm um den „entschlossenen Dienst an der Erlösung der Menschheit“. Ein ziemlich übersteigertes Selbstbewusstsein würde ich das nennen. Das Gebäude war Palast, Mausoleum und Kloster zugleich. Die dort lebenden Mönche hatten nur eine Aufgabe. Sie mussten ununterbrochen für des Heil der königlichen Familie beten. Außerdem gab es noch eine Schule und eine Bibliothek.
Wir fahren mehrmals die Straße auf und ab um einen geeigneten Platz zu finden, von wo aus wir den Escorial möglichst gut fotografieren können. Von der Nähe gibt er fototechnisch einfach nichts her.
Wir haben es geschafft und sind jetzt auf dem Weg nach Toledo. Das ist ca. 100 km entfernt.
Die Anfahrt zur Stadt ist wieder ziemlich spektakulär. Es bietet sich uns eine tolle Silhouette. Hoffentlich werden wir nicht wieder enttäuscht.
Nachdem wir erfolglos zwei ausgewiesene Schlafplätze anvisiert haben - sie waren hoffnungslos überfüllt – landen wir schließlich in einer wilden Campingkolonie. Wir stehen am Río Tajo und haben einen schönen Blick auf die Stadt und den Alcázar. In dieser Burg ist ein Militärmuseum untergebracht. Das interessiert uns nicht so sehr.
Nach einer ausgedehnten, gemütlichen Mittagspause machen wir uns zu Fuß auf den Weg ins Stadtzentrum. Ein idyllischer Weg führt am Flussufer entlang.
Wir betreten die Stadt durch das tolle Stadttor, die Puerta de Bisagra. Die bunten Dachschindeln der beiden Tortürme, stellen jeweils das Stadtwappen, einen Adler, dar.
Auch innerhalb der Stadtmauern geht es zu unserer Freude interessant weiter. Erstaunlich ist nur, dass in diesen engen Gassen Autos fahren dürfen. Einige wagen sich wirklich hier herein. Wie oft in solchen alten Städten geht es heftig steil bergauf- ein Ausdauertraining für uns.
Das Stadttor nach Osten ist die reich verzierte Puerta del Sol in maurischem Stil, mit Hufeisen-Bogen.
Sehr interessant ist die Mezquita El Christo de la Luz, eine ehemalige Moschee aus 999. Später wurde eine christliche Kirche daraus. Eine Apsis wurde dazu gebaut. Man wollte das einheitliche Erscheinungsbild beibehalten und erfand dabei den Mudejar-Stil. Die romanischen Fresken gefallen uns besonders gut.
Nun suchen wir uns den Weg zur Kathedrale. Der Reiseführer beschreibt sie als eines der gewaltigsten Bauwerke der Christenheit. Man baute vom 13. bis 15. Jhd. an dem hochgotischen Gotteshaus. Der Innenraum ist wieder einmal hoffnungslos überladen. Viele Künstler konnten sich in dieser riesengroßen Kirche austoben. Man tut sich schwer, einzelne Kunstwerke zu würdigen. Das Chorgestühl ist z.B. wunderschön und meisterlich geschnitzt.
Heftiges Gewurle bietet das „Transparente“, das das Wunder der Eucharistie darstellen soll. Sowohl architektonisch wie plastisch und malerisch geradezu abenteuerlich in Szene gesetzt. Die Figuren scheinen von einem hoch oben gelegenen sonnendurchfluteten Fenster aus förmlich in den Kirchenraum hereinzustürzen. Zum Glück sind da ein paar Wolken, an denen sie sich anhalten können. Das Ganze ist eine Glanzleistung des spanischen Hochbarock.
Der gewaltige gotische Hauptaltar ist sehr bunt und sehr golden und stellt in einzelnen Schautafeln Szenen aus dem Leben Jesu und Marias dar.
Die Sakristei ist eigentlich eine kleine Bildergalerie. Hier befinden sich bedeutende Werke von bedeutenden Malern. An der Stirnseite hängt ein großformatiges Werk El Grecos, die „Entkleidung Christi“. Erstaunlich ist das knallrote Gewand Jesu. So eine Farbgewalt hätte ich diesem eher düsteren Maler gar nicht zugetraut. Wir entdecken aber auch Tizian, Raffael, Goya, Velázquez, Caravaggio und Bellini. Aber nur Bilder mit christlichen Inhalten werden hier ausgestellt.
Wir wandern weiter zur Kirche Santo Tomé, um dort ein weiteres Meisterwerk El Grecos zu bewundern: „Das Begräbnis des Grafen Orgaz“. Ich weiß ja, warum ich ihn nicht mag.
Die ehemalige Synagoge Santa Maria la Blanca hat eine schaurige Geschichte. Nach Hetzpredigten der Dominikaner gab es im 15. Jhd. ein blutiges Program. Danach wurde das Gebäude zur Kirche. Wie sich das offenbar für christliches Vorgehen gehört. Ich muss an Grillparzers „Jüdin von Toledo“ denken.
Das Gebäude stammt aus dem 13. Jhd. Der helle Innenraum gefällt uns besonders gut. Ich finde, dass er eine große Würde ausstrahlt.
Nach dem Abendessen im „Petit Café“ machen wir uns auf den ziemlich langen Heimweg, vorbei an der mittelalterlichen Brücke, Puente de San Martin. Wir sind ziemlich müde, aber es wartet ja noch - wie jeden Abend - Bildschirmarbeit auf uns. Die Stadt hat uns in ihrer Gesamtheit sehr gut gefallen. Nicht umsonst gehört die ganze Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Unser Schlafplatz hat sich in der Zwischenzeit geleert. Wir sind jetzt ganz alleine hier.
175 km
Fr, 29. März
Wir fahren zum Mirador, einem Aussichtsplatz hinauf und werfen einen letzten Blick auf die schöne Stadt und den Fluss.
Wir haben würdig Abschied genommen, und unsere Reise geht weiter nach Osten, Richtung Valencia.
Wir sind in KASTILIEN-LA MANCHA unterwegs. Und endlich sehen wir auch eine Windmühle. Ist das die einzige, die Don Quijote übrig gelassen hat?
Wir nähern uns langsam dem Meer, und plötzlich sind wieder Wolken am Himmel. In den letzten Tagen haben wir keine einzige gesehen. Die Landschaft ist sanft hügelig, in zarten Farbtönen, braun, grün, rötlich, wie mit einem lockeren Pinselstrich gemalt.
Mittagspause halten wir in Tarancón.
Unser heutiger Schlafplatz liegt in Castillo de Garcimuñoz, direkt neben dem Kastell. Er bietet Frischwasser und Abwasserentsorgung. Wir sind sehr zufrieden.
Der Eingangsbereich und der Turm der Burg sind sehr originell mit farbigen Plexiglaselementen künstlerisch gestaltet. Leider ist sie geschlossen. Was hätte sich uns im Inneren wohl noch geboten?
Nach dem Nachtmahl gibt es heute wieder eine Filmabend. „African Queen“- weiter in unserem Humphrey Bogart-Zyklus.
186 km
Sa, 30. März
Das war wieder einmal ein guter Platz. Wir konnten hier sogar unser Wasser nachfüllen.
Nun sind es noch ca. 200 km bis Valencia.
Wir verlassen langsam das Hochplateau, weil wir ja in Richtung Meer unterwegs sind.
Wir haben es das letzte Mal in Barcelona gesehen.
Der Campingplatz in Puçol, einem Vorort von Valencia ist sehr schön und gut ausgestattet, einfach perfekt.
Valencia ist die drittgrößte Stadt Spaniens, nach Madrid und Barcelona.
Wir möchten vor allem die Ciudad de las Artes y las Ciencias (= Stadt der Künste und Wissenschaften), die unser Lieblingsarchitekt Santiago Calatrava für seine Heimatstadt gestaltet hat, sehen. Der sehr interessante und schöne Gebäudekomplex wurde von 1991 – 2006 in einem trockengelegten Flussbett angelegt. Als erstes sehen wir die Oper Reina Sofia, die uns ein wenig an die Kommandobrücke eines Raumschiffs erinnert. Daneben steht das Wissenschafts-Museum. L’Hemisfèric ist ein Kino, und die blaue Àgora dient als Multifunktionshalle. Die Grünanlage L’Umbracle wurde als Zugangsbereich geplant. Das weiße Drahtgeflecht fügt sich zusammen mit Palmen und anderen Pflanzen zu einem besonders reizvollen Ganzen.
Aufgelockert wird das Ensemble durch große Wasserbecken, auf denen man Boot fahren und im Actionball rollen kann. Viele Menschen nutzen diese neue „Ciudad“ zum Flanieren und Spazieren gehen.
Dieses moderne Wahrzeichen Valencias ist von einer großen Grünanlage umgeben, in denen fröhliche Leute picknicken und musizieren.
Auf dem großen Parkplatz davor sind wir mit Klaus’ Schulfreundin Monika und ihrer Familie verabredet. Sie haben einige Wochen in Marokko verbracht uns sind jetzt auf dem Heimweg.
Wir plaudern sehr nett und erhalten wertvolle Tipps, weil wir ja selber bald in Marokko sein werden. Außerdem verkaufen sie uns ihre übriggebliebenen Dirham, so heißt das marokkanische Geld. 10 Dirham sind ca. € 1,00. Unser Motorhome wird wieder einmal heftig bewundert- zu Recht wie wir finden. Da kann ihr notdürftig eingerichteter Bus nicht mithalten.
Gemeinsam verbringen wir den Abend im Hemisfèric-IMAX-Kino. Wir liegen quasi in unseren Stühlen und schauen uns einen Film über die Amerikanischen Nationalparks an. Freudig erkennen wir vieles wieder. Der 1900 m² große, konkave Bildschirm bietet den Eindruck, als wäre man selbst mitten im Geschehen.
Die nächtliche Beleuchtung der Gebäude begeistert den Fotografen Klaus natürlich besonders.
Für unsere Verhältnisse ziemlich spät kehren wir auf unseren Campingplatz heim.
276km
So, 31. März
Heute Nacht war Zeitumstellung. Das Wetter passt allerdings gar nicht zur Sommerzeit.
Es regnet und wir sind nicht ausgeschlafen.
Da bietet sich ein fauler Ruhetag an.
Die Waschmaschine auf dem Campingplatz ist kaputt. Also fahren wir in den Ort Puçol hinein und suchen die dortige Laundry auf.
Diese hässliche, schäbige Satellitenstadt hätten wir sonst gar nicht kennen gelernt.
Den restlichen Tag verbringen wir gemütlich zu Hause auf dem Campingplatz, während der Regen auf unser Dach trommelt.
Am Abend schauen wir uns wieder einen Film an: „Homesman“ von Tommy Lee Jones, ein sehr realistischer Film, der die dunklen Seiten des Lebens im Wilden Westens beleuchtet und mit den gängigen Western-Mythen gründlich aufräumt. Die berührende Geschichte begleitet mich in meine Träume.
15 km
Mo, 1. April
Wir verabschieden uns von diesem tollen Campingplatz und den besonders freundlichen Mädels an der Rezeption.
Es hat aufgehört zu regnen, ist aber kalt und diesig. Zum Morgensport haben wir heue früh keine Lust gehabt.
Als erstes machen wir eine Sitzbesichtigung der Altstadt von Valencia. Selbst wenn unsere Lust zum Aussteigen größer wäre, es gibt einfach keinen Parkplatz für uns. Das unfreundliche Wetter und das Verkehrsgewühl motivieren auch nicht besonders. Also begnügen wir uns damit, einen kurzen Blick auf den - zugegeben, recht ungewöhnlichen - Dom zu werfen und dann abzuhauen.
Wir sind also auf dem Weg nach Süden, nach Murcia. Die Sonne kommt ein wenig heraus, und schon macht es wieder mehr Spaß durchs Land zu fahren.
Der erste Eindruck der Stadt ist sehr nett. Auch der hiesigen Kathedrale schenken wir einen wohlwollenden Blick. In dieser Hinsicht sind wir einfach etwas übersättigt.
Der große ausgewiesener Übernachtungsplatz neben dem Parkplatz eines Einkaufszentrums erweist sich als sehr geeignet für uns. Wir stehen neben einem Grünstreifen mit Bäumen und können darüber hinaus gleich bequem einkaufen.
Und schon wieder wartet ein Filmabend auf uns: „Winter’s Bone“. Der Film handelt von den Lebensbedingungen sozial benachteiligter US-Amerikaner, dem sogenannten White Trash-Milieu. Viele der Bilder sind uns von unserer Amerikareise durchaus vertraut.
276 km
Di, 2. April
Es geht weiter nach Südwesten. Wir merken deutlich, dass es wärmer wird.
Bevor wir aber ans Meer kommen, müssen wir die Wüste von Tabernas durchqueren. In dieser kargen Gegend, der einzigen Wüste Europas, sieht es aus wie im Wilden Westen. Das fand auch Sergio Leone, als er hier seine Dollar-Trilogie mit Clint Eastwood und „Spiel mir das Lied vom Tod“ drehte. Auch der „Klappstuhl“ aus „Der Schuh des Manitu“ ist hier irgendwo begraben.
Wir sind jetzt in ANDALUSIEN.
Unser heutiges Tages ziel ist Almería. Seinen Namen bekam das Städtchen von den Mauren. Er bedeutet „Spiegel des Meeres“. Unter dem Kalifat von Córdoba wurde auch die große Burganlage errichtet, die größte Wehranlage, die von den Muslimen in Spanien gebaut wurde.
Wir können von unserem Schlafplatz aus hinüberschauen. Wir stehen nämlich im Hafen, wo wir um wenig Geld auch über Nacht stehen können.
Direkt neben uns befindet sich die Industrieruine von El Cable Inglés, eine ehemalige Erzverladeanlage der Engländer. Es handelt sich um eine Verlängerung der Eisenbahnschienen zum Meer hin. Bis in die 70er-Jahre wurde hier direkt von der Eisenbahn aus verschifft. Das war damals eine große technische Errungenschaft. Heute rostet alles vor sich hin, bietet aber reizvolle Fotomotive.
Besonders berührt und erschreckt uns das Mahnmal für die Opfer, die während des Zweiten Weltkriegs von hier aus nach Mauthausen deportiert wurden.
Während wir fleißig an unseren Computern sitzen, dringen plötzlich schrille Töne an unsere Ohren. Eine Blasmusikkapelle, bestehend aus lauter jungen Leuten, die sich redlich bemühen, kommt auf den Parkplatz marschiert. Wir werden mehrmals von ihnen umkreist. Am Anfang finden wir das ja noch lustig, aber dann sind wir froh, als sie wieder abziehen. Schließlich ist es ja bereits 23h.
239 km
Mi, 3. April
Die nächtlichen Lichter im Hafen und dann das Morgenlicht sind sehr schön.
Heute führt uns unser Weg nach Granada.
Die Gegend ist weiterhin sehr einsam und karg. Der Wind geht heftig, also der ideale Standort für einen Windpark. Wir durchqueren gerade einen sehr großen.
Einige ausrangierte und bunt besprühte Eisenbahnwaggons stehen herum. Sie scheinen aus der Hippiezeit zu stammen. Jetzt sind sie verlassen, so wir viele verfallende Häuser auch.
Und immer wieder gibt es auch riesige Flächen mit Folientunneln- heftig bewässert natürlich.
Außerdem sind manchmal ganze Hügelketten mit Olivenbäumen in Reih und Glied bepflanzt.
Viele Ortsnamen haben offensichtlich einen arabischen Ursprung.
Wie auch Guadix (wie immer man das ausspricht), wo wir einen Zwischenhalt machen. Der Name heißt „Fluss des Lebens“ und hat mit Asterix jedenfalls nichts zu tun.
Hier gibt es die Cuevas, ca. 2000 Höhlenwohnungen. Diese Wohnform ist sicher sehr energiesparend, kühl im Sommer und warm im Winter. Weiße Rauchfänge ragen aus den Hügeln. Meist gibt es weiß getünchte Anbauten. Diese „Häuser“ sind ganz normal bewohnt. Fast das ganze Dorf besteht aus solchen Behausungen. Manche Bewohner lassen Touristen ins Innere schauen. Ein Trinkgeld ist dafür natürlich hoch erwünscht. Auch wir werfen einen Blick und eine Münze hinein. Auch Restaurants und Hotels wurden in den Tuff gegraben.
Bei der Weiterfahrt taucht die Sierra Nevada vor uns auf. Sie macht ihrem Namen alle Ehre und ist tatsächlich schneebedeckt.
Nun peilen wir unseren heutigen Campingplatz an. Er liegt etwas außerhalb von Granada, in La Zubia. Er ist ziemlich klein aber ganz besonders schön. Es handelt sich um einen ehemaligen Landsitz. Alle Gebäude sind im hübschen granadinischen Baustil gestaltet. Der Betreiber ist ein Deutscher.
Für morgen haben wir Tickets für die Alhambra. Da wir bereits vor 10h im Reisebüro sein sollen, nutzen wir den heutigen Nachmittag, um uns anzuschauen, wo das überhaupt in der Stadt zu finden ist, und wo es in der Nähe gibt.
Wir nehmen also den öffentlichen Bus und fahren ins Stadtzentrum von Granada.
Wir können alles zu unserer Zufriedenheit recherchieren. Außerdem finden wir einen Akustiker, bei dem Klaus doch tatsächlich das kleine Plastikteil, das dazu dient, das Hörgerät im Ohr zu stabilisieren, bekommt- sogar gratis. Es ging schon vor einiger Zeit verloren, und Klaus hat das teure Gerät seither zur Sicherheit nicht mehr benutzt, aus Sorge, es zu verlieren. Hurra, jetzt kann er mich wieder gut hören ;-).
Die Stadt gefällt uns recht gut. Es gibt viele großzügig angelegte Fußgängerbereiche. Auch hier fällt uns wieder auf, dass die Einheimischen sehr warm angezogen sind. Sie tragen Mäntel und Pelzkrägen, während wir im T-Shirt und Sandalen unterwegs sind. Die sind eben viel heißere Temperaturen gewohnt. Die etwas über 20°, die wir hier genießen, kommen ihnen offenbar gar nicht warm vor.
Was uns noch auffällt sind die vielen Darstellungen von Granatäpfeln im öffentlichen Raum. Ob das etwas mit dem Namen „Granada“ zu tun hat? Die Königin Isabella hatte diese Frucht jedenfalls in ihrem Wappen.
Damit die Kultur nicht zu kurz kommt, schlendern wir zum Dom, durch schmale Gassen mit vielen Läden, die wie ein arabischer Bazar anmuten. Die Kathedrale steht auf den Resten der Freitagsmoschee. Sie ist in einem Mischstil aus Gotik und Renaissance gebaut. Die Außenwirkung ist durch die vielen Gebäude, die sie umgeben stark eingeschränkt. Und von innen wirkt sie ziemlich kühl und hallenartig. Die Capilla Real, die Königskapelle, wurde Anfang des 16. Jhd. in Isabellinischer Gotik an den Dom angebaut. Sie ist die königliche Grabkapelle für Isabella die Katholische - Königin von Kastilien und León - und ihren Gatten Ferdinand II – König von Aragón. Außerdem steht hier noch das Hochgrab ihrer Tochter Johanna - die Wahnsinnige genannt - und deren Gatten, Philipp dem Schönen.
Die Sarkophage sind Meisterstücke der Renaissance. In der Krypta stehen die eigentlichen Särge aus Blei, in denen die sterblichen Überreste tatsächlich bestattet sind.
Der Hochaltar, ein Renaissance-Retabel, wirkt wie eine Theaterbühne auf mehreren Etagen. Er besteht aus zahlreichen Figurengruppen.
In der anschließenden Sakristei werden Tafelbilder und Gegenstände aus dem Besitz Isabellas ausgestellt.
Vom vielen Herumrennen tun uns die Füße weh, und wir sind müde. Jetzt wollen wir nur noch heim. Ein Autobus bringt uns zum Campingplatz zurück.
201 km
Do, 4. April
Wir sind nicht ausgeschlafen. Auf dieser Reise schlafen wir ja erfreulicherweise sehr viel, aber heute sind wir schon um 8h losgefahren. Wir wollen nämlich auf alle Fälle einen Platz auf dem großen Parkplatz, den wir gestern gefunden haben, kriegen. Alles ist noch leer. Also frühstücken wir hier erst mal. Dann machen wir uns auf den Weg zum Reisebüro. Um 10h geht unsere Führung los.
Die Teilnehmer unserer englischsprachigen Führung sind fast nur Amerikaner. Wir kommen uns vor wie in Amerika - mit viel nettem Smalltalk - und genießen das sehr.
Unser Guide, die sympathische, quirlige Hanna spricht sehr gut Englisch und gestaltet die drei Stunden, die wir hier herumwandern, sehr kurzweilig.
Die Alhambra ist der Burgberg von Granada. Der Name bedeutet soviel wie „Rote Burg“, in Anspielung auf die rötlichen Außenmauern.
Der Hügel wurde bereits in der Römerzeit besiedelt. Ab dem 8. Jhd. waren die Mauren in Spanien und bauten auch diese Festung.
Das Bollwerk der Alhambra ist die Alcazaba. Sie ist vielfach durch Mauern und Gräben gesichert.
Vom Torre de la Vela, dem Wachturm aus hat man eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt.
Ab dem 13. Jhd. spalteten sich die Nasriden vom Kalifat von Córdoba ab und gründeten hier in Granada ihren eigenen Herrschaftsbereich. Zwischen 1232 und 1492 errichteten sie mehrere Paläste in der Alhambra.
Hofstaat und adelige Familien wohnten hier oben. Es entwickelte sich eine richtige Palaststadt mit über 2000 Bewohnern. Von deren Behausungen stehen heute nur noch einige Grundmauern.
Die Festung wurde niemals erobert, aber 1492 musste der letzte Sultan Boabdil nach langer Belagerung schließlich doch kapitulieren und symbolisch den Schlüssel zur Burg den Katholischen Königen übergeben. Als er die letzte Bastion der Mauren in Spanien aufgeben und die Alhambra verlassen musste, soll er sich auf einer Anhöhe noch einmal umgedreht und geweint haben.
Nach der Reconquista, der Rückeroberung, drückten Isabella und ihre Nachkommen der Alhambra ihren Stempel auf. Die Moschee wurde zur Kirche Santa Maria umfunktioniert und mit Kreuz und Glockenturm versehen. Zur Sicherheit wurde auch noch ein Kloster gegründet. Als politische Machtdemonstration ließ ihr Enkel Karl V. direkt neben den Nasriden-Palästen, mitten in die Medina, der Zivilstadt, seinen riesigen Renaissance-Palast errichten. Er wollte die Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Islam demonstrieren. Uns gefällt dieses Gebäude gar nicht. Um wieviel schöner sind doch die feinen Verzierungen der maurischen Paläste. Wir können uns an den kunstvollen Arabesken, kaligraphischen Verzierungen und geschnitzten Holzdecken gar nicht satt sehen.
Generlife war die Sommerresidenz des Sultans und diente seiner Erholung. Die Gärten sind besonders schön. Wasser spielte und spielt in dieser heißen Gegend immer noch eine große Rolle. Der Name bedeutet - frei übersetzt - „Paradies“.
Ursprünglich waren das Nutzgärten. Hier wurde Gemüse für die Bewohner angebaut.
Nach dieser Blütezeit war Granada lange Zeit in Bedeutungslosigkeit versunken. Erst durch die Wiederentdeckung der Alhambra als Tourismusmagnet wurde die Stadt wieder wohlhabend. Die Gärten waren z.B. bis in die 1950er-Jahre völlig verwahrlost.
Nach drei interessanten Stunden sind wir müde und hungrig und gönnen uns Paella und Pizza.
Und schon sind wir wieder unterwegs, nach Córdoba.
Kurz vor unserem Ziel lernen wir einen neuen Fluss kennen, den Guadalquivir. Wir hoffen sehr, dass wir auf dem Campingplatz unterkommen können. Man konnte nämlich nicht reservieren. Wir haben Glück. Wir wollen hier nämlich für zwei Nächte bleiben.
Unsere Nachbarn sind Wiener. Voller Begeisterung und mit Stolz geschwellter Brust des Fußballfans stürzt der Mann auf uns zu: „Córdoba 1978“, ruft er, „I wer’ narrisch“.
Klaus muss ihn enttäuschen: „Das war nicht hier, sondern in Argentinien“.
Die Antwort: „Mei Bua håt des a behauptet, åber i håb eam g'sågt, er is a Drottel.“
Wenn er „Nudelaug“ gesagt hätte, wär’s der echte Mundl Sackbauer gewesen.
229 km
Fr, 5. April
Es regnet. Wir machen das Beste draus und nützen den Vormittag mit Ausschlafen, Putzen und Homepage aktualisieren.
Gegen Mittag kommt die Sonne raus, und wir beschließen, nun doch unsere Drahtesel zu satteln, um in die Innenstadt zu fahren. Es ist ja nicht weit. Kaum haben wir uns fertig gemacht, fängt es wieder zu schütten an. Eine Programmänderung ist angesagt. Wir rufen uns ein Taxi. Um wenig Geld bringt es uns direkt zum bedeutendsten Bauwerk der Stadt, der Mezquita-Catedral.
Sie wurde im 8. Jhd. als Moschee errichtet und mehrmals erweitert. Sie war eine der größten Moscheen, die jemals gebaut wurden. Als Freitagsmoschee bot sie ca. 20.000 Gläubigen Platz. 23.000 m2 ist sie groß und hat über 800 Steinsäulen in parallelen Reihen. Darüber wurden rot-weiß-gestreifte Doppelbögen errichtet. Die scheinbar endlose Wiederholung von Säulen und Bögen sollte die Unendlichkeit Gottes zum Ausdruck bringen. Es wurden fast nur Säulen verwendet, die bereits vorhanden waren. Sie stammten von römischen und phönizischen Tempeln. Deshalb sehen sie alle unterschiedlich aus. Weil sie natürlich auch nicht gleich hoch sind, wurden manche auf zusätzliche Steinsockel gestellt.
Tausende Öllampen hingen einst von der Decke. Die wurden Ende des 19. Jhd. behutsam durch elektrische Leuchten ersetzt.
Durch einen Glasboden kann man ein wenig auf das Mosaik des Vorgängerbaus hinunterschauen. In diesem hatten über 50 Jahre lang Christen und Moslems nebeneinander gebetet. Dann hatten die Mauren den Christen die Kirche abgekauft, und die Moschee an deren Stelle gebaut. Das war also sehr zivilisiert abgelaufen.
Leider machte das Karl V. nach Abschluss der Reconquista gar nicht so zivilisiert. Er ließ einfach eine Renaissancekirche mitten hinein bauen. Dadurch wurde die herrliche sakrale Architektur gefühllos verschandelt, ich würde sogar sagen entweiht. Immer wieder tauchen völlig unpassende Seitenaltäre und störendes christliches Gekröse auf. Die spinnen, die Spanier... Klaus versucht, das in seinen Fotos möglichst auszublenden. „Da will ich gar nicht hinschauen“, meint er. Er vergleicht die christlichen Einbauten mit einem Krebsgeschwür mit Metastasen.
Es sollte halt wieder einmal die Überlegenheit des Christentums gezeigt werden. Das wirkt richtig peinlich.
Die Bevölkerung war übrigens strikt gegen den christlichen Kirchenbau. Der Stadtrat verbot den Handwerkern sogar, daran mitzuwirken. Aber gegen Kaiser und Bischof konnten sie sich halt nicht behaupten.
Trotz alledem ist die Mezquita immer noch beeindruckend. Wie schön das alles doch einmal gewesen sein muss.
Im angrenzenden Orangen-Garten reinigten sich die muslimischen Gläubigen, bevor sie das Gotteshaus betraten.
Der große Glockenturm schließt in seinem Inneren die Reste des Minaretts aus dem 10.Jhd. ein. Obenauf setzte man den Erzengel Raphael.
Sonniges und trockenes Wetter begrüßt uns, als wir ins Freie treten. Wir sind froh, dass wir uns aufgerafft haben, unser warmes, gemütliches Häuschen zu verlassen.
Der Sonnenschein lädt uns ein, noch ein wenig weiter durch die Stadt zu schlendern.
Córdoba geht auf die römische Zeit zurück. Davon zeugt auch die Puente Romano über den Guadalquivir aus dem 1. Jhd. v.Chr, unter Kaiser Augustus erbaut.
Sie dient nun als Fußgängerbrücke und als Drehort für die „Lange Brücke“ von Volantis aus „Game of Thrones“.
Bevor die Stadt 711 von den Mauren eingenommen wurde, war sie ein Teil des Westgotenreiches gewesen.
Nun wurde sie zunächst Sitz des Statthalters von Al-Andalus und später die Hauptstadt des Emirats von Córdoba. Im 10. Jhd. wurde sogar ein Kalifat draus, zu dem auch Granada gehörte. Córdoba war damals eine der größten und bedeutendsten Städte der Welt. Christen, Juden und Muslime lebten friedlich zusammen. Die maurische Zeit war überhaupt eine Blütezeit. Es gab gepflasterte Straßen, alle Kinder gingen zur Schule und ähnliches mehr. 1236 schlug die Reconquista zu und eroberte das Kalifat zurück.
Die Nasriden machten sich quasi selbständig, und die maurische Enklave in Granada bestand noch bis 1492.
Wir wandern durch Gässchen voller Souvenirläden. Ein Buffet-Restaurant lacht uns an. So etwas ist ganz nach unserem Geschmack. Man kann sich aus einer großen Auswahl seine eigene Mischung zusammenstellen. Kaum haben wir Platz genommen, da hören wir bereits heftig den Regen aufs Glasdach trommeln. Und plötzlich fängt es gar zu hageln an. Nach wenigen Minuten ist der Spuk wieder vorbei, und wir können unseren Spaziergang trockenen Fußes fortsetzen. Er führt uns in den ältesten Teil der Stadt, ins Judenviertel. Auch an einigen blumengeschmückten Patios (= Innenhöfe) kommen wir vorbei. Hier werden die Blumentöpfe an den Mauern aufgehängt.
Der Himmel über uns wird immer schwärzer und bedrohlicher. Also nehmen wir uns wieder ein Taxi und fahren nach Hause. Wir genießen die Wärme in unserem lieben Motorhome und einen Kaffee dazu. Auch neuerlicher Regen lässt nicht lange auf sich warten. Wir hatten heute Aprilwetter, wie es im Buche steht. Die Regenpausen und die Sonnenstrahlen haben wir perfekt ausgenützt.
Sa, 6. April
Es regnet, und auf dem Campingplatz ist es gatschig.
Trotzdem werden wir Córdoba in guter Erinnerung behalten.
Wir fahren weiter nach Süden, durch eine ziemlich fruchtbare Gegend mit sattem Grün und Feldern. Viele Hügel haben knubbelige Afro-Frisuren, bestehend aus runden, in Reih und Glied stehenden Olivenbäumen.
Bald wird dieses Bild durch Föhrenwälder abgelöst, und es wird langsam gebirgiger.
Das gemütliche Gleiten durch diese Landschaft gefällt uns jetzt sehr gut. Hin und wieder gibt es kleine, weiße Städte und große, weiße Schafherden.
Zwischendurch regnet es immer wieder, und kurz darauf kommt dann wieder die Sonne hervor.
In Ronda gibt es mitten in der Stadt eine spektakuläre, tiefe Schlucht mit steilen Felsabbrüchen. Wir sind wir wieder einmal treppauf, treppab unterwegs, bis wir sie endlich finden. Bei Nieselregen ist das ja auch recht nett, aber bei Sonnenschein wäre es wohl noch viel toller. Auf dem Weg zurück zum Auto fängt es wieder zu schütten an, und meine Plastiksackerl-Konstruktion zum Schutz meines Stoff-Rucksacks kommt zum Tragen.
Wir rutschen über nasses Katzenkopfpflaster, und sind froh, dass wir ohne Sturz ins Trockene kommen.
Den ausgewiesenen Schlafplatz, den wir jetzt anpeilen, gibt es nicht. Wir machen uns also auf Plätzchensuche und sind auch bald sehr erfolgreich- neben der Straße und doch im Grünen.
Da stehen wir nun „ ...bei Sturm und bei Regen“, allerdings nicht auf Kreta.
Für die Nacht brauchen wir wieder Zusatzgewand und Zusatzdecken.
Einer der häufigsten Sätze, die auf dieser Reise fallen, ist: „Und ich hab’ geglaubt, wir werden schwitzen.“
198 km
So, 7. April
Das war ein besonders guter Platz. Der Morgen ist wunderschön und frisch. Ich fühle mich fast wie auf einer Bergtour. Die Sonne blitzt ein wenig durch die Wolken. Kalt ist es halt, bei 5°, und der nächste Regen lässt auch nicht lange auf sich warten.
Wir sind nun auf dem Weg nach Gibraltar, auf einer schönen Bergstraße durch die Serrania del Ronda.
Wir hoffen sehr, dass die Fähre heute Abend fahren wird, trotz der Wetterbedingungen.
Wir sind heute schon um 8h30 losgefahren, damit wir genügend Zeitreserven haben.
Die Berge haben wir überwunden, und jetzt geht es eben dahin, Richtung Meer. Und schon sehen wir den weißen Felsen von Gibraltar über 400m hoch, senkrecht aufragen- sehr beeindruckend. „Das dramatische Ende des Mittelmeers“, nennt ihn der Klaus.
Um in die britische Enklave hinein zu kommen, gibt es veritable Grenzformalitäten. Die üben schon für den endgültigen Brexit, die BRITEN. Gleich nach der Grenze müssen wir vor einem Schraken warten. Es ist kein Zug, der da vorbeifährt, sondern ein Flugzeug der British Airlines. Es handelt sich um die ganz normale Landebahn des Flughafens. Die vierspurige Straße führt quer drüber. Ein paar Minuten später sehen wir den ersten Doppeldecker-Bus, die erste typisch britische Telefonzelle und den ersten roten Briefkasten. Alles ist auf englisch angeschrieben. Bobbies regeln den Verkehr- Rechtsverkehr übrigens, wer hätte das gedacht.
Gibraltar ist gebirgig, und es gibt wenig Platz. Der einzige Parkplatz, auf dem Wohnmobile stehen dürfen, ist beim Leuchtturm. Die Aussicht von hier aufs Meer ist toll - da drüben ist Afrika - aber wo sind die Affen? Alle Straßen, die in die Affenrichtung führen, sind für Wohnmobile gesperrt. Es gibt irgendwo einen Autobus - er fährt alle halben Sunden - der zu einer Seilbahn führt. Keine Ahnung, wie lange wir dann dort wieder warten müssten. Ich hab’ die hiesigen Affen ja schon mal gesehen, und Klaus sind sie „wurscht“. Also: Wenn die hier so „affig“ sind, dann sind sie selbst schuld, wenn wir genervt von der erfolglosen Herumkurverei raschest wieder abhauen.
Bald sind wir wieder in Spanien und unterwegs nach Tarifa.
In der südlichsten Stadt des europäischen Festlands erwartet uns zu unserer freudigen Überraschung, ganz in der Nähe vom Hafen, ein Bio-Restaurant mit angeschlossenem Laden. So bringen wir die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre äußerst nutzbringend herum.
Ja, hurra, sie fährt, trotz beachtlichen Wellengangs.
Im Internet steht, dass die Überfahrt nach Tanger eine Stunde dauert. Auf dem Schiff steht in großen Lettern, dass es nur 35 Minuten braucht. Wir sind immerhin in 1 ¾ Stunden drüben. Fast die ganze Zeit an Bord verbringen wir in der langen Schlange vor dem Passport-Schalter.
Die Zollformalitäten im Hafen dauern weitere 2 ½ Stunden. Wir deklarieren freiwillig unsere Drohne. Die dürfen wir nämlich nicht einführen. An der Grenze müssen wir sie deponieren und können sie bei der Ausreise wieder abholen. Hoffentlich ist sie dann noch da.
So, jetzt sind wir wirklich in MAROKKO, in AFRIKA. Wir atmen erst mal tief durch, um das zu realisieren. Der erste Muezzin ruft. Jetzt wissen wir es genau.
Unsere Uhren haben auch einen Gang zurückgeschaltet. Sie haben sich brav von selbst um eine Stunde auf westeuropäische Zeit umgestellt.
Ganz in der Nähe vom Hafen ist der Parkplatz und Schlafplatz für Wohnmobile, den Klaus schon in Wien für uns ausgesucht hat. Wir haben einen schönen Blick auf eine ganz moderne Moschee, auf Palmen und auf den Atlantik. Es ist kühl, aber die Luft ist mild.
164 km + 39km auf dem Schiff
Mo, 8. April
Auf unserem Parkplatz hat bis in die späte Nacht hinein Highlife geherrscht. Junge Männer sitzen zu viert oder fünft in ihren Autos und lassen laute Musik spielen. Offenbar gibt es keine Nachtlokale. Nach Mitternacht war es immer noch nicht besser. Also haben wir uns noch einmal aufgerafft und den Platz gewechselt. Hier war es viel ruhiger, und wir sind doch noch zu unserer Nachtruhe gekommen.
In der Nacht hat es wieder geregnet. Jetzt ist es trocken.
Wir spazieren in die Medina = Altstadt von Tanger. Interessant ist hier, dass die Menschen ihre Häuser in die ehemalige Stadtmauer hinein und auch obenauf gebaut haben.
Wir brauchen eine SIM-Karte. Klaus möchte nämlich von seinem Handy aus ein WLAN für uns schaffen. Bald finden wir ein einschlägiges Geschäft. Es gibt hier lauter ganz kleine Läden, die alles mögliche verkaufen. Auch an einer Bank kommen wir vorbei und holen uns Bargeld.
In einer Ecke, mitten im Müll sitzen zwei ziemlich kleine Kinder und schnüffeln. Wir sind sehr betroffen und fühlen uns so hilflos.
Es regnet wieder. Diese Wechselbäder haben wir offensichtlich von Europa aus mitgebracht. Wir sind sie mittlerweile gewohnt.
Wir fahren weiter, durch ein grünes, blühendes Land- vorbei an hässlichen, verfallenden Häusern, und an sehr hübschen. Jemand verbrennt Müll neben der Straße. Frauen in roten Röcken und lustigen Strohhüten sammeln Blüten in riesigen Säcken, vielleicht Heilkräuter. Viele Verkaufsstände für Orangen und Töpferwaren säumen die Straße. Die Moscheen in den Dörfern sehen wie einfache Dorfkirchen aus. Meist sind sie weiß und grün umrandet, der Farbe des Propheten. An den eckigen Türmen sind oben Lautsprecher angebracht, aus denen mehrmals am Tag das laute „Allahu Akbar“ ertönt. Den Störchen, die ihre Nester darauf bauen, ist die Konfession egal.
Die Medina von Tétouan ist UNESCO-Weltkulturerbe. Der König hat hier seine Sommerresidenz. Die weiße Stadt zieht sich den Berg hinauf.
Wir flanieren durch den Souk = Markt. Er ist ein wahres Labyrinth, aber ein sehr buntes und lebendiges. Die Marktschreier haben ein erstaunliches Organ. Ein kleiner Laden liegt neben dem anderen. Man kann hier alles kaufen, was man sich nur vorstellen kann, sogar Milka-Schokolade. Das ist fast wie in einem westlichen Einkaufszentrum.
Lebendige Hühner, die gar nicht gesund aussehen, sitzen in winzigen Ställen. Man kann sich eines aussuchen. Das wird dann vor aller Augen geschlachtet, gerupft und ausgenommen. Am nächsten Stand nimmt ein junger Mann eine Ziege aus. Hier stinkt es fürchterlich, genauso wie an den Fischständen. Grauslich ist das, besonders für meine Veganer-Augen, aber auch ehrlicher. Man kauft das Fleisch hier nicht sauber und appetitlich abgepackt und denkt sich nichts mehr dabei.
Die Gemüse- und Backwarenstände und besonders die Gwürzstände gefallen mir da schon besser.
Viele Menschen strahlen eine ruhige Würde und Freundlichkeit aus. Die Männer tragen oft warme, lange Gewänder mit spitzen Kapuzen. Manche sehen damit aus wie der Knecht Ruprecht. Bei manchen hat man den Eindruck, als wären sie mit Bademänteln unterwegs. Die Muster und Materialien der langen, sackförmigen, bestickten Kleider der Frauen sind von seltsamem Geschmack. Viele tragen darüber deckenartige, rot weiß gestreifte Wickelröcke. Alle Frauen tragen Kopftuch. Manche haben noch Strohhüte mit bunten Bommeln auf.
Wir haben uns ein wenig verirrt. Es fängt wieder an zu regnen, also beschließen wir, uns ein Taxi zu unserem Parkplatz zu nehmen. Es fahren nur voll besetzte an uns vorbei. Alle winken ab. Schließlich nimmt uns doch eines mit. Wir quetschen uns zu den anderen Fahrgästen dazu, und kommen für ein paar Cent tatsächlich dorthin, wo wir hin wollen.
Der Parkplatzwächter ist uns schon beim Hineinfahren aufgefallen. Er wirkt gebildet auf uns und scheint mehrere Sprachen zu sprechen. Zum Abschied schenkt er uns ein kleines Büchlein, das er offenbar selbst geschrieben hat- eine Kurzgeschichte auf englisch, französisch, spanisch und arabisch. Er befasst sich mit den Problemen der Welt. Es steht auch eine E-Mail-Adresse dabei. Wir werden ihn kontaktieren und uns noch einmal herzlich bedanken.
Unser nächstes Ziel ist Chefchaouen, die blaue Stadt.
Sehr viele Häuser sind blau. Viele sind dreckig und armselig, aber blau angestrichen. Die Farbe soll vor dem bösen Blick schützen.
Im Souk gibt es zusätzlich zu den kleinen Läden auch viele Frauen, die einfach auf dem Boden sitzen und ihre Kräuteln verkaufen. Für Klaus, den Fotografen bieten sich auch hier wieder jede Menge Motive.
Die Kasbah ist eine Festung aus dem 15. Jhd, mitten in der Medina. Sie wurde aus Stampflehm erbaut.
Sehr viele Touristen sehen wir auch hier nicht. Noch bis in die 1920er-Jahre war es Ausländern verboten, die Stadt zu betreten.
Wir fahren weiter Richtung Fèz. Die Straßen sind ganz gut, und die Wegweiser sind nicht nur mit arabischen, sondern auch mit lateinischen Buchstaben beschriftet. Viele Aufschriften sind auf französisch.
Bald haben wir aber genug für heute und halten Ausschau nach einem Schlafplatz. Wir finden ihn in den Bergen, in den westlichen Ausläufern des Rif-Gebirges, einem bewaldetes Mittelgebirge. Wir stehen neben der Straße, unter einem großen Baum, mit Blick hinunter ins Flusstal. Über den Müll, der herumliegt, sehen wir einfach hinweg.
Die vielen streunenden Hunden sind uns ja bereits überall aufgefallen. Einige davon kommen nun nach und nach zu uns auf unseren Platz. Es spricht sich unter ihnen offenbar schnell herum, dass da vielleicht etwas zu holen wäre. Gott sei Dank bleiben sie friedlich.
Wir bezeichnen sie als unsere Hofhunde, die uns beschützen.
140 km
Di, 9. April
Am frühen Morgen klopft es an unsere Tür. Ein junger Mann bittet um etwas zu essen. Unsere Auswahl ist gering. Wir bieten ihm Brot und Obst an. Er ist hoch zufrieden und zeigt uns zum Abschied seine Identitätskarte. Ist das bei den hiesigen Bettlern so üblich?
Heute nehmen wir uns Zeit, nach Fès zu kommen. Wir fahren wieder einmal bewusst auf Nebenstraßen.
Auf diese Weise begegnen wir vielen Menschen und Tieren. Schaf- und Ziegenherden mit fotogenen Hirten, Männern und Frauen, die zu Fuß gehen und auf Eseln reiten.
Esel scheinen überhaupt eine wichtige Rolle zu spielen. Sie dienen als Reittier, als „Heuwagen“ und „Lastwagen“. Den Viechern wird enormes Gewicht aufgebürdet, Gasflaschen, Getränkekisten und vieles mehr. Sogar geackert wir mit ihnen- oder sind das doch eher Maultiere?
Uns gefällt die unbekümmerte Farbigkeit bei der Kleidung, aber auch bei der Bemalung der Häuser. Auf den ersten Blick scheint es nicht zusammen zu passen. Aber in seiner Gesamtheit wirkt alles einfach bunt und lebendig. Viele Wohnhäuser sind in einem erbärmlichen Zustand. Aber die Vorderseite ist frisch mit einer kräftigen Farbe angemalt.
Zur Mittagspause bekommen wir schon wieder Besuch. Zwei schüchterne Buben vom nahegelegen Gehöft wagen sich vorsichtig und neugierig näher. Klaus lockt und ermutigt sie, indem er ihnen Weintrauben zuwirft. Schon bald wird ein lustiges Spiel daraus.
Aber unser „Wagen, der rollt“ weiter. Und bald liegt uns die ziemlich große Stadt Fès zu Füßen. Sie hat immerhin über einer Million Einwohner.
Ein großer Carrefour-Markt lädt uns ein. Drinnen geht es ganz europäisch zu. Das erscheint uns fast unwirklich, nach den Märkten der letzten Tage.
Was uns amüsiert auffällt ist, dass die Handymasten als hohe Palmen getarnt sind- auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar.
Unser Campingplatz ist einfach, aber ausreichend. Es gibt hier eine Frau, die unsere Wäsche waschen wird. Morgen kriegen wir sie hoffentlich zurück.
Beim Einchecken treffen wir ein deutsches Paar. Wir beschließen, morgen zu viert einen Guide zu nehmen, den uns der Campingplatz-Betreiber wärmsten empfiehlt. Angeblich spricht der auch deutsch.
Er selbst kann in fünf Sprachen stammeln, versteht aber in diesen Sprachen kaum ein Wort. Wir sind erstaunt, wie wortreich man eine Sprache nicht sprechen kann. Er hätte sich lieber an Bismarck ein Beispiel nehmen sollen, der ja angeblich in sieben Sprachen schweigen konnte.
Wir richten uns ein, und Klaus checkt seine E-Mails. Unser Parkplatzwächter von gestern hat uns zurückgeschrieben. Solche unverhoffte Begegnungen mögen wir.
208 km
Mi, 10. April
Heute geht es also mit Führer nach Fès. Die Stadt wird auch als Kulturhauptstadt Marokkos bezeichnet.
Wir freuen uns schon darauf. Er wird uns hoffentlich durch die riesige Altstadt lotsen und uns die Highlights zeigen, die wir vielleicht alleine eh nicht gefunden hätten.
Das Paar aus Deutschland schließt sich uns an. So haben wir nette Gesellschaft und das Ganze wird für uns billiger.
Wir werden mit dem Auto abgeholt und zur Altstadt gebracht. Karim, unser Guide führt uns zuerst ins Judenviertel Mellah. Es war im Mittelalter das größte im ganzen Maghreb. Die Juden lebten damals hier im Ghetto unter dem Schutz des Sultans.
Dann ziehen die sieben glänzenden Messingtore des Königspalasts unsere Blicke auf sich. Der Palastkomplex stammt aus der Merinidenzeit, aus dem 16. Jhd.
Als Palastwache stehen sechs Männer in unterschiedlichen Uniformen davor. Marine, Luftwache, Militär, Palastwache, Polizei und Gendarmerie, alle schützen den König. Mohammed VI ist sehr beliebt. Er bemüht sich um Modernisierung des Landes und um die Stärkung der Rechte der Frauen. Allerdings ist er einer der reichsten Monarchen der Welt, während seine Untertanen mit einem Stundenlohn von ca. € 1,00 zurechtkommen müssen.
Nach der Reconquista, im 15. Jhd. haben sich viele Muslime aus dem ehemaligen Kalifat Córdoba in Fès niedergelassen.
Der moderne Teil der Stadt wurde im 19. Jhd. durch die Franzosen gegründet.
Das Interessanteste ist aber die sehr große Altstadt, die größte in Nordafrika. In ihr wohnen ca. 50.000 Menschen. Die ganze Stadt hat ca. 1 Million Einwohner.
Die Gründungslegende der Stadt Fès ist sehr nett. Edris II, dessen Grab immer noch eine Pilgerstätte ist, wollte im 7. Jhd. eine Stadt gründen und wusste nicht wo. Er warf eine Hacke hinter sich, und dort wo sie landete, baute er die Stadt. Hacke heißt auf Arabisch „Fas“. Daher soll der Name Fès kommen.
Wir fahren auf die Südburg hinauf, von wo wir eine schöne Aussicht auf die Medina haben. Rundherum verläuft noch immer eine Stadtmauer. Auch die Nordburg kann man von hier aus sehen.
Wir tauchen nun zu Fuß in die Medina ein. Manche Gassen sind so eng, dass eine Person -die nicht zu dick ist - gerade hindurch kommt.
Karim führt uns zu einigen Handwerksbetrieben. Zuerst kommen wir zu einer Töpferei.
Wir schauen den Künstlern beim Formen und Bemalen zu. Die Brennöfen wurden früher mit Olivenkernen geheizt, weil die so eine große Hitze erzeugten. Heute verwendet man Gas. Sehr schönes Geschirr könnte man hier kaufen - wenn man etwas brauchen würde - und alles handgemacht.
Sehr interessant ist es auch, wie die schönen bunten Mosaike für Tischplatten, Böden, Brunnen, etc. gemacht werden. Zweifach gebrannte, bunte Kacheln werden dafür mit dem scharfen Hammer vorsichtig in genau vorgezeichnete, kleine Teile zerschlagen. Die werden zu Mustern zusammengesetzt und mit der Rückseite nach oben aufgesetzt. Dann kommt Gips drüber, als Kleber sozusagen. Nach dem Trocknen - das dauert ca. drei Wochen - kommt noch Zement drüber, um das Ganze haltbar zu machen.
Diese Töpferei ist eine Cooperative, die vom Staat unterstütz wird und zugleich auch eine Berufsschule.
Bei manchen Ständen gibt es etwas zu kosten, z.B. Kaktusfeigen, Datteln und Nüsse.
Auch mit Düften werden wir besprüht: Moschus, Amber, u.ä. Besonders gut riecht das Duftöl aus Orangenblüten. Wir können zusehen, wie es gemacht wird. Wir kaufen Arganöl, das ja besonders gut für die Haut sein soll. Wir sehen zu, wie eine Frau mit einem Stein die Argannüsse aufschlägt. Man braucht 35kg Nüsse, um 1L Öl herstellen zu können.
Es gibt aber auch grausige Dinge. Kamelfleisch wird angepriesen mit einem abgeschnittenen Kamelkopf als „gnaschtiges“ Werbemittel.
In die Färberei bringen die Leute ihre Kleidung zum Umfärben, oder wenn die Farben schon ausgebleicht sind und aufgefrischt werden sollen. Es werden nur Naturfarben benutzt: Henna, Safran, Indigo, usw. Mitten auf der Straße wird gearbeitet. Ein farbiges Bächlein fließt zwischen unseren Füßen bergab.
Auf der Place Seffarine zeigt ohrenbetäubender Lärm an, dass wir uns auf dem Platz der Kupferschmiede befinden. Hier werden auch alte Kupfer- und Messingtöpfe repariert, und man kann sich Kupfergeschirr XXL für Hochzeiten oder andere Feiern ausleihen.
Nun öffnet sich uns ein großes, weißes Tor mit Hufeisenbogen. Wir gelangen in den Hof der berühmtesten und ältesten Moschee, Karaouine. Dieses wichtigste Gebäude der Stadt wurde im 9. Jhd. von einer reichen Kaufmannstochter gegründet. Die Moschee wurde auch bald Lehranstalt und ist somit die älteste Universität der Welt. Heutzutage hat sie aber kaum noch Bedeutung. Die marokkanische Elite schickt ihre Kinder lieber auf Hochschulen in westlichem Stil.
Es gibt in der Altstadt von Fès übrigens über 800 Moscheen, fast in jeder Straße eine. Oft fallen sie uns gar nicht auf, weil die Gassen so eng und so belebt sind. Wenn uns Karim darauf hinweist, sehen wir, wie schön und kunstvoll sie gestaltet sind.
Es gibt einen Eingang für die Männer und einen für die Frauen. Im Hof ist ein Brunnen, an dem sich die Menschen vor dem Gebet waschen. Wir Ungläubigen dürfen nicht hineingehen.
Die Bibliothek der Karaouine beherbergt einige wertvolle Handschriften, z.B. die berühmte „Al Muwatta“, die auf Gazellen-Pergament geschrieben wurde.
Wir steigen nun auf das Dach der Gerberei - einer drei ältesten der Welt - und können von dort auf die vielen Bottiche hinunterschauen und die Arbeiter beim Gerben und Färben beobachten.
Das wird heute noch ganz traditionell mit Taubenkot und Kalk gemacht. Der Ammoniak im Taubenkot entfernt Fett, Fleisch und Haaren von den Häuten. Zum eigentlichen Gerben verwendet man Tamariskenblüten. Weizenkleie wird als Weichmacher verwendet. Gefärbt wird mit Mohnblumen, Granatapfel und anderen natürlichen Färbemitteln.
Weil das Verfahren so stinkt, bekommen wir jeder ein Stämmchen Pfefferminze in die Hand gedrückt, an dem wir zwischendurch riechen können, um es besser auszuhalten.
In den modernen Gerbereien am Rande der Stadt wird mit chemischen Mitteln gearbeitet. Das Gerben geht viel schneller vor sich. Diese Produkte sind viel billiger, aber dieses Verfahren ist sehr schlecht für die Umwelt.
In der Bäckerei steht ein großer Backofen. Die Frauen machen zu Hause das Brot und bringen es dann hierher zum Backen. Meine Oma hat mir einmal erzählt, dass das in ihrer Jugend auch so gemacht wurde.
Das Handwerk wird in Marokko sehr groß geschrieben. Es gibt kaum Industrie. Die Buben lernen traditionellerweise von ihren Vätern. Schulpflicht gibt es keine. Heutzutage werden aber immer mehr Kooperativen mit staatlicher Unterstützung gegründet- mit angeschlossenen Berufsschulen.
Wir gehen an einem Kindergarten vorbei. Hier lernen die Kleinkinder ab dem Alter von zwei Jahren die arabische Schrift und werden in die islamische Religion eingeführt, bevor sie mit sechs Jahren in die eigentliche Schule kommen.
Eine Weberei in einem alten Riad untergebracht. Solche Mehrparteien-Wohnhäuser mit Innenhof-Garten und Brunnen werden in letzter Zeit sehr gerne von Betuchten gekauft, renoviert und modernisiert. Einige wurden zu Hotels umgebaut.
Gleich in der Nähe befindet sich die alte Karawanserei. Sie war völlig verfallen. Wir sehen ein Foto von den Ruinen. Früher kamen die Händler von weit her und konnten in dieser Art Hotel übernachten. Im Hof konnten sie an Ständen ihre Waren verkaufen. Das Gebäude wird gerade sehr schön hergerichtet und soll wieder revitalisiert werden. Die Balkone und Holztüren sind aus Zedernholz. In die Zedernwälder werden wir ja heute noch fahren.
Wenn alles fertig ist, sollen hier Handwerker mit ihren Läden einziehen. So ähnlich haben wir das ja in Zentralasien gesehen.
Ständig will uns jemand etwas verkaufen und wir kramen unsere Vokabelkenntnisse aus Ägypten hervor: „La Shukran“ = Nein danke.
Trotz des Gewurles drängen sich zusätzlich immer wieder Händler mit ihren Handwagen oder beladenen Eseln durch die schmalen Gassen. Mit dem Ruf „Belek, Belek“ verschaffen sie sich Platz.
Ich nehme an, dass es im Alten Wien im Mittelalter ungefähr so zugegangen ist, wie in der heutigen Zeit hier, in der Medina von Fès.
Zuletzt besuchen wir noch einen traditionellen Hamam. Tagsüber können sich die Touristen alles anschauen. Für den Abend kann man dann reservieren. Man wird vom Hotel oder Campingplatz abgeholt und nach dem Bad wieder nach Hause gebracht.
Wir werden das nicht in Anspruch nehmen, weil wir heute noch weiterfahren wollen.
Wir sind jetzt vier Stunden lang herumgelaufen und haben vielleicht 5% der Altstadt gesehen.
Jetzt haben wir langsam genug und sind froh, dass wir wieder wohlbehalten auf dem Campingplatz abgeliefert werden.
Auch unsere Wäsche finden wir frisch gewaschen und trocken vor.
Es ist bereits 15h als wir endlich wieder auf Achse sind. Es geht nach Süden Richtung Atlasgebirge.
Wir sind hungrig und gönnen uns eine Tajine. Das traditionelle Gericht wird in einem Tonschmortopf mit konisch spitzem Deckel zubereitet. Es gibt viele verschiedene Varianten. Ich bekomme eine mit Gemüse- köstlich. Wir sitzen in diesem Restaurant sehr nett im Garten.
Wir fahren weiter nach Ifrane, einem beliebter Urlaubsort für die marokkanische Mittel- und Oberschicht. Fast glauben wir, in Europa zu sein, nicht nur wegen der Häuser mit Steildächern. Das ist für Marokko ganz ungewöhnlich.
Mischliffen liegt auf ca. 2000m Höhe und ist ein beliebter Wintersportort. Auch der König hat einen Palast hier.
Nun beginnen die berühmten Zedernwälder, in denen die Berberaffen leben, die von hier aus nach Gibraltar eingeschleppt wurden. Zum Glück bekommen wir wenigsten hier ein Exemplar zu Gesicht.
Unser GPS kennt sich in dieser Gegend offenbar nicht so gut aus. Er ist halt einfach überfordert, weil die arabischen Ortsnamen auf ganz unterschiedliche Weise transkribiert werden. Wir wissen nie, in welcher Schreibweise sie im System gespeichert sind. In weiser Voraussicht haben wir aber auch eine Landkarte dabei.
So finden wir unseren ausgewiesenen Schlafplatz neben einem heruntergekommenen Hotel.
Zuerst meinen wir, dass alles völlig verlassen ist, aber dann macht sich doch ein älterer Mann bemerkbar und verlangt einen kleine Obolus für die Übernachtung. Immerhin können wir auch unser Klo ausleeren. Wir sind jetzt sozusagen im „Atlasvorland“.
In dieser einsamen Gegen gibt es kaum Lichtverschmutzung, und wir können uns an einem wunderbaren Sternenhimmel erfreuen.
Do,11. April
Am Morgen zeigt das Thermometer 1°, immerhin plus. Auf der Wiese neben unserem Auto liegt Reif. In den Bergen reift der Frühling offenbar noch langsamer.
Wir freuen uns, das tiefverschneite Atlasgebirge vor uns zu sehen. Als wir in der Schule im Geographieunterricht mit dem Atlas gearbeitet haben, hätten wir uns nicht im Traum vorstellen können, dass wir einmal hierher zu seinem Namensvetter kommen würden.
Fast immer, wenn wir stehenbleiben, um ein Foto zu machen, sind wir sehr bald von Kindern umringt, die uns um „Bonbon, Bonbon“ bitten. Wir haben ja so was nicht.
Da fällt mir ein, dass uns Margit aus dem Kalenderteam zum Abschied eine Packung vegane, zuckerfreie Hildegard-Kekse geschenkt hat. Die verteilen wir jetzt an die hoffnungsvolle Jugend des Landes. Sie bedanken sich artig. Ob das genau das war, was sie sich erhofft haben?
Außerdem nehmen wir Autostopper mit. Wir brauchen immer ein paar Wochen, bis wir uns endlich entschließen, uns zu trauen.
Oft werden wir mit netten Begegnungen belohnt, und wir können einigen Leuten lange Fußmärsche ersparen.
Viele Menschen stehen an den Straßen und hoffen, mitgenommen zu werden, manchmal ganze Familien mit Gasflaschen und sonstigem Gepäck. Offenbar wohnen sie irgendwo in der Pampa. Wir sehen ja immer wieder einsame Gehöfte, zu denen es überhaupt keine öffentlichen Verbindungen gibt. Uns erinnert das an die Beduinendörfer, die wir in Jordanien gesehen haben.
Wir fragen uns, wovon die Leute hier überleben können. Offenbar habe sie Schafe und ein paar Hühner. Ob es hier irgendwelche Jobs gibt?
Ich habe ja schon über Transportmethoden geschrieben. Immer öfter sehen wir auch Fahrräder, die als echte „Drahtesel“ dienen- voll bepackt mit den erstaunlichsten Dingen. Vor uns fährt gerade ein Kleinlaster, der auf dem Dach lebende Schafe mitführt.
Gestern waren wir ja noch nicht im richtigen Atlas, aber nun haben wir den schneebedeckten Gebirgszug überschritten - über den Tizi’n’Talghemd-Pass = Kamelstuten-Pass - und sind jetzt in einer Steinwüste im Tal des Ziz-Flusses - Oued Ziz - auf einem alten Karawanenweg unterwegs.
Der Atlas teilt nämlich Marokko dramatisch in den grünen, fruchtbaren Norden und den steinigen, wüstenhaften Süden.
Sommerlich warm ist es jetzt wieder geworden und so macht es wieder Spaß unser Yoga- und Sportprogramm am Flussufer zu absolvieren.
Ein azurblauer Stausee hat richtige Bilderbuch-Oasen geschaffen, mit Palmen.
Auch veritable Schluchten gibt es da. „Schau, eine kolossale Landschaft“, ruft Klaus. „Wenn man net in Amerika g’wesen wär’n, dann wär’ ma jetzt beeindruckt.“
Hier herrscht ein ganz anderer Baustil vor. Häuser, Burgen, Hotels sind aus getrocknetem, ungebranntem Lehm errichten und teilweise wunderschön gestaltet und verziert. Leider verfallen viele davon. Wenn sie nicht gewartet und gepflegt werden und Wind und Wetter ausgesetzt sind, haben sie eben nur eine begrenzte Lebensdauer.
Das kleine Dorf Zibzate hat z.B. einen unverfälschten Ortskern aus gestampftem Lehm, ohne jeden Tourismus.
Ein selbst ernannter Führer, der sogar recht gut französisch spricht, führt uns zu den Häusern, die besonders „malerisch verkommen“ (Spezialausdruck von Gabi) sind. Alte Frauen waschen an einem Wasserlauf die Wäsche. Es gibt Elektrizität, aber nur fürs Licht. Waschmaschinen oder ähnlichen Komfort haben sie hier nicht.
Erstaunlicherweise möchte unser Guide weder Geld noch Lebensmittel für seine Dienste annehmen. Wir können ihm schließlich doch einen großen, roten Apfel aufdrängen.
Weiter geht es in unserem ureigensten „Road-Movie“. Je länger wir in einem Land sind, desto normaler erscheint uns alles, weil wir es ja täglich sehen. Und wir werden mehr und mehr ein Teil davon.
Wohnmobil haben wir schon lange keines mehr gesehen. Um touristische Zentren herum sind sie immer zahlreich, aber hier in der Einsamkeit sind wir doch eher die Exoten.
Wir fahren nun durch den niedrigen, schmalen Legionärstunnel, den die Fremdenlegionäre, die in dieser Gegend stationiert waren, 1927/28 in den harten, roten Granit schlugen- nur mit Spitzhacken und ihrer Körperkraft. Sechs Monate brauchten sie dazu.
Jetzt stehen wir in Errachidia [-ídia] - der Ortsname klingt wie eine Halskrankheit - einer Stadt von immerhin 100.000 Einwohnern, neben einer der vielen verfallenen Kasbahs = Burgen aus getrocknetem Lehm. In der Stadt gibt es auch moderne Gebäude in diesem Stil. Manche von ihnen sind bunt bemalt. Das erinnert uns ein wenig an New Mexiko.
Die Anlage hier ist sehr groß. Vielleicht handelt es sogar um die ehemalige Altstadt.
Auf jeden Fall ist es ein toller Abenteuer-Spielplatz für Klaus und seine Kamera und ein wunderbarer, ruhiger Schlafplatz für uns- denkste.
Eine abendliche Überraschung wartet auf uns. Sechs Burschen streichen um unser Auto herum. Mit rudimentären Englischkenntnissen und ihrem Handy-Übersetzungsprogramm schaffen sie es, uns zu verklickern, dass dieser einsame Platz unsicher ist. Hamza ist der cleverste. Er steigt bei uns ein und bringt uns ins Dorf zu seinem Elternhaus. Wir werden in das sehr einfache Lehmhaus zum Tee gebeten. Die Mama gießt den Tee - wie hier üblich - in hohem Bogen in ein Glas. Das wird dann mehrmals zurück in die Kanne geschüttet, bis die Mischung perfekt ist und bis sich eine Schaumkrone bildet. So kommen wir in den Genuss einer marokkanischen Tee-Zeremonie, wie sie auch im Reiseführer beschrieben wird. Immer mehr Nachbarn tauchen auf, um uns Exoten zu sehen. So werden auch noch die letzten Reste unserer gesunden Kekse aufgegessen.
Wir freuen uns sehr über den netten Kontakt, der mit Facebook besiegelt wird. Wir hätten nie damit gerechnet, dass wir Gelegenheit kriegen, so ein Haus von innen zu sehen. Dieses Erlebnis wird als „Hamza-Teaparty“ in unsere Annalen eingehen.
Heute Nacht ist es viel wärmer als gestern in den Bergen. Um 22h haben wir noch 19°.
265 km
Fr, 12. April
Wir hauen in der Früh ohne Frühstück ab. Wir wollen nicht schon morgens - wie „angedroht“ - mit Couscous gefüttert werden.
Es hatte heute frühmorgens bereits 14°. Was für ein Unterschied zu gestern in den Bergen.
Wir fahren weiter nach Süden, nach Erfoud. Die Stadt macht einen sauberen und relativ gepflegten Eindruck. In vielen Läden und an vielen Ständen werden Fossilien angeboten. Im Reiseführer wird davor gewarnt, dass viele davon nicht echt sind.
Von hier aus geht es weiter zum Hotel und Camping „Sahara Garden“. Unsere deutschen Kollegen aus Fès haben uns den Platz empfohlen.
Wir suchen im GPS und lernen dabei zu unserer Freude, dass man, wenn man die Anzeige stark vergrößert, eine Zielpunkt markieren kann. Das ist sehr hilfreich, wenn man den Namen nicht schriftlich eingeben kann.
Die Fahrt geht durch die schier unendliche Steinwüste. Allerdings, „die meisten Kuhreiher, die wir sehen, sind leider nur Plastiksackerln“ (Zit. Kaus).
Ein Stückchen weiter weg, parallel zu uns fließt unser Fluss Ziz. Entlang seiner beiden Ufer zieht sich ein breiter, grüner, palmenbewachsener Oasen-Streifen. Da gibt es viele Lehmdörfer, die im Reiseführer auch als Kasbahs bezeichnet werden. Nicht nur die Burgen heißen hier so. Interessant ist der Kontrast zwischen sehr liebevoll und kunstvoll verziert und doch dem Verfall preisgegeben. Es wäre bei diesen Bauten eine ständige Wartung nötig, und dafür fehlt hier offensichtlich das Geld, die Zeit und wohl auch die Initiative. In gutem Zustand sind immer die Moscheen- so wie in Osteuropa die Kirchen.
Nun nähern wir uns der Sandwüste. Erst Anti-Verwehungszäune auf den Dünen zeugen davon.
Zahlreiche Luxushotels mit klingenden Namen - z.B. „La Rose du Desert“ oder „Le Château de Sable“ - gibt es hier. Sie sind sehr schön in Lehmbauweise gebaut, mit grünen Palmengärten und Swimming-Pools. Rundherum ist nur Wüste.
Wir verlassen den Fluss, unseren treuen Begleiter, und unser Weg zweigt auf eine Sand-Rumpelpiste ab. Anfangs kommen wir noch gut voran, aber dann geraten wir wohl doch auf den falschen Weg und stecken plötzlich im Sand fest. Während wir noch am Überlegen sind, was wir jetzt tun sollen, stürzen von allen Seiten Helfer herbei. Auch mehrere, sehr eifrige Buben sind dabei. Mit bloßen Händen graben sie unsere Räder frei und legen etwas unter. Wie gut, dass hier so viel Zeug - wie z.B. Plastikflaschen - herumliegt ;-). Außerdem lassen sie ziemlich viel Luft aus den Reifen. Man merkt ihnen an, dass sie wissen, was sie tun.
Nach mehreren Anschiebe-Versuchen haben wir es wieder auf halbwegs festen Untergrund geschafft. Wir sind sehr erleichtert. Aus Dankbarkeit kaufen wir unseren Helfern etwas von dem Ramsch, den sie feilbieten, ab- überteuert natürlich.
Wir sind hier übrigens in der Erg = Sandwüste Chebbi. Das ist der westlichste Zipfel der Sahara. Unser Campingplatz, der bezeichnenderweise „Sahara Garden“ heißt, ist nur mehr einige Minuten entfernt. Es handelt sich um eine sehr schöne Anlage mit Blick auf die Dünen. Der Campingplatz ist fast leer, aber es werden hier viele Beduinenzelte vermietet, und die sind alle von jungen Leuten ausgebucht. Einige von ihnen fahren mit Schiern die Dünen hinunter und kühlen sich anschließend im Pool ab. Auch Wüstentouren und Kamelreiten werden angeboten. Wir brauchen das nicht. Wir haben ja bereits unsere einschlägigen Erfahrungen aus Ägypten, Tansania und Jordanien.
Zum Abendessen bietet das Restaurant ein reichhaltiges Buffet mit großem vegetarischen Anteil an. Alles schmeckt wunderbar.
111 km
Sa, 13. April, Halbzeit unserer Reise
Heute ist es ziemlich heiß. Ich erinnere mich noch daran, wie wir gefroren haben. Das ist gerade einmal eine Woche her.
Wir kommen wieder gut zurück auf die asphaltierte Straße, und bei der nächsten Tankstelle pumpen wir unsere Reifen wieder auf.
Der Weiterreise steht nun nichts mehr im Weg.
Wir sind zu unserem Fluss Ziz zurückgekehrt und fahren nun durch das Tafilalet, eine der größten Flussoasen der Welt.
Neben ca. 350 Dörfern sind die Hauptorte Rissani mit seinem großen, prachtvoll verzierten Torbogen und Erfoud. In den Steinbrüchen in der Umgebung wird fossilienhaltiger schwarzer Marmor abgebaut. Wir suchen Mitbringsel für die Enkelkinder und geraten dabei ganz unvermutet in eine Werkstatt, in der wir eine interessante Führung bekommen. Wir kaufen aber keine der massiven Tischplatten und Waschbecken, sondern nur Ketten mit fossilen Haifischzähnen. Die sind immerhin ca. 350 Millionen Jahre alt. Es gab hier damals ein Korallenriff.
Die Millionen von Dattelpalmen und Felder werden durch Tiefbrunnen und durch unterirdische Kanäle bewässert.
Immer wieder fahren wir bei Lehm-Kasbahs vorbei, aber wir sind den Anblick mittlerweile schon gewohnt. Und immer häufiger sind die neueren Häuser in den Dörfern mit gebrannten Ziegeln gebaut.
An der Straße fallen uns immer wieder merkwürdige Hügel auf. Das sind die Rhettaras. Grundwasser führende Gesteinsschichten werden möglichst nahe der Oberfläche angezapft und das Wasser durch unterirdische Leitungen in die Oasen geleitet. Der Bau der Rhettaras war und ist eine sehr aufwändige, mühselige und nicht ungefährliche Arbeit. Früher mussten das die Sklaven machen. Es wurden im Abstand von 30-60 Metern Schächte gegraben. Durch den Aushub sind eine Art überdimensionale Maulwurfhügel entstanden.
Und schon wartet die nächste wunderbare Begegnung auf uns:
In Izilef bleiben wir bei einem jungen Autostopper stehen.
Ismail freut sich so sehr, dass er uns zunächst mal nach Hause einlädt. Er wohnt bei der Familie seines Bruders, und wir lernen seine Schwägerin mit ihren zwei kleinen, süßen, schüchternen Mädchen kennen- Fatima und Rehab (diesen Namen kann man sich in unserem Alter gut merken).
Wir bekommen natürlich Tee und zusätzlich gefülltes Fladenbrot- sehr würzig und recht scharf, mit Kräutern und Gemüse gefüllt. Später lese ich im Reiseführer, dass das ein traditionelles Gericht dieser Gegend ist, die in Erdöfen gebacken wird.
Zum Abschied müssen wir noch einen Sack voller Datteln aus eigener Ernte mitnehmen.
Ismail führt uns dann noch in die Felder. Er baut vor allem Getreide an. Die Arbeit muss per Hand gemacht werden. Mit einem Traktor kann man gar nicht hinfahren.
Von der Straße aus würde man gar nicht vermuten, dass sich weiter hinten so fruchtbares Land befindet, bewässert durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem.
Wir sind ja jetzt wieder in einer langgestreckten Flussoase.
Unser neuer Freund hat auch einen Esel und ein Kamel, wie er stolz bemerkt.
Außerdem ist er Berber und kein Araber. Dieser Unterschied ist offensichtlich wichtig.
Er bringt uns bei, wie die Berber einander begrüßen, nämlich mit „Azúl“.
Es ist sehr nett, mit einem Einheimischen durchs Dorf zu wandern. Wir kommen bei unserem Spaziergang z.B. an einem Festzelt vorbei, in dem gerade eine Hochzeit gefeiert wird und an zwei kleinen Greißlereien.
Zu guter Letzt haben wir ihn noch dorthin gebracht, wo er eigentlich hin wollte, natürlich nicht, ohne vorher die Facebook-Daten auszutauschen.
Jetzt stehen wir in Tinejdad im Schatten einer Tankstelle und hoffen, dass wir hier eine ungestörte Nacht verbringen können.
Die Gegend, in der wir jetzt sind, heißt Ferkla.
162 km
So, 14. April, Palmsonntag
Wir verschicken zur Feier des Tages gleich ein Foto mit Palmen per WhatsApp an die Family.
Schon in der Früh hat es 19°. Es scheint also wieder ein heißer Tag zu werden.
Immer noch tragen die Einheimischen Pullover, Jacken, Mäntel und Wollhauben.
Wir fahren nach Westen. Heute warten zwei tolle Schluchten auf uns. Sie befinden sich im Hohen Atlas.
Als erstes peilen wir die Schlucht von Todgha an. Immer wieder sehen wir, wie fröhliche Frauen am Fluss Teppiche und Wäsche waschen. Das bietet ein buntes Bild. Entlang der Straße eröffnen sich immer wieder Aussichtspunkte auf Palmen, Dörfer und Felder. Sie sind samt und sonders von Souvenirhändlern besetzt, und bei jedem Foto können wir uns bettelnder Kinderscharen kaum erwehren. Entlang der Straße liegen schmucke Dörfer, der alten Bauweise nachempfunden. Immer wieder sehen wir aber auch echte Kasbahs. Ein Hotel oder Restaurant neben dem anderen zeigen uns deutlich an, dass wir uns einem touristischen Highlight nähern. Die oft bunt bemalten Fake-„Kasbah-Hotels“ bezeichnen wir als „Kasperl-Hotels“. Und doch vermitteln diese zinnenbekrönten Lehmziegelbauten mit ihren weiten Höfen, Palmengärten, Tonlampen, Berberteppichen und schmiedeeisernen Möbeln zusätzlich zum westlichen Komfort auch das Lebensgefühl der Berber.
Wir fahren auf senkrechte Wände zu. Die bis zu 300m hohen Felsen rücken stellenweise bis auf 20m zusammen. Wir haben die Schlucht von Todgha erreicht. Sie ist wirklich spektakulär. Den Fluss säumen Palmen und Oleander. Dementsprechend touristisch geht es hier zu. Die Besucher aus aller Herren Länder plätschern im Wasser. Schwarze Ziegen und sportliche junge Leute klettern in den Wänden herum. Souvenirhändler verkaufen ihre bunten Schals. Zu unserem Erstaunen ist hier sogar ein Müll-Einsammler unterwegs. Das haben wir in Marokko bis jetzt ja noch nie gesehen. Das höchste Gefühl der hiesigen Mülltrennung wäre es, den Müll von der Landschaft zu trennen. Alles andere ist illusorisch.
Wir fahren durch die Schlucht und versuchen, die Verbindungsstraße zu finden, auf der man in einem Rundweg zur zweiten Schlucht, der Schlucht von Dadès fahren kann.
Leider geht das nur mit einem Allradauto, wie wir feststellen müssen. Wir drehen also um und fahren die 50 km zurück.
Dann nehmen wir die Hauptstraße. An den Straßenrädern werden ganze Satellitenstädte im „Kasperl-Stil“ gebaut, mit gebrannten Ziegeln und bunt bemalt.
Der Dadès windet sich durch die Landschaft und schafft eine breite grüne Oase, die einen wunderschönen Kontrast zu den kargen Felsen bietet. Hier gedeihen Oasengärten mit Feigen-, Nuss und Obstbäumen und viele Silberpappeln. Wegen der hohen Lage und der kalten Winter gibt es hier kaum Palmen. Die Schlucht wir ziemlich schmal und steil. Diesmal schauen wir von oben hinunter und bewundern teilweise bizarre Gesteinsformationen aus Kalk und Sandstein. Die „Affenpfoten“ gefallen uns besonders gut. Es handelt sich dabei um sogenannte Wollsackverwitterung. Die chemische Verwitterung setzt am oberflächennahen Kluftsystem des Gesteins an und bewirkt ein schalenförmiges Abplatzen des Gesteins. Dadurch entstehen gerundete Kalkblöcke, die wie Kissen und besagte Wollsäcke aussehen.
Wir haben wieder einen Mitfahrer. Diesmal ist es ein Rucksacktourist aus Frankreich. Er ist sehr schweigsam aber auch sehr anhänglich. Er geht sogar mit uns Abendessen und Klaus hat bereits befürchtet, dass wir heute Nacht im Wohnmobil zusammenrücken müssen ;-).
Das Restaurant müsste eigentlich „Auf gute Nachbarschaft“ heißen. Aufs Klo geht man ins Hotel nebenan. Der Tajinetopf wird aus dem Haus gegenüber geholt, und der Nachbarsbub fährt mit dem Fahrrad einkaufen. Schließlich wird uns nach ziemlich langer Wartezeit ein köstliches dreigängiges Menü serviert. Ich freue mich, dass ich in den Genuss eines Couscous komme, das ja für diese Gegend ein ganz typisches Gericht ist.
Der Wirt schlägt uns vor, vor seinem Lokal La Source du Dadès gratis zu übernachten. Der junge Mann nimmt sich hier ein Zimmer. Wir sind nicht sicher, ob er morgen mit uns weiterfahren will.
255 km
Mo, 15. April
Heute Nacht hat Klaus wieder Sterne fotografiert, also war es mit dem Nachtschlaf ziemlich durchwachsen.
Unser Franzose von gestern ist nirgends zu sehen. Entweder ist er bereits mit jemandem anderen mitgefahren, oder er schläft noch. Er geht uns nicht ab.
Wir fahren noch ein Stückchen weiter in die Schlucht hinein. Plötzlich wird die ganz schmal und hoch. Das ist der sogenannte Säbelhieb. Der Legende nach liebten einander ein Mädchen und ein junger Mann aus verfeindeten Stämmen. Sie flohen vor ihren Familien, bis das Gebirge ihnen den Weg versperrte. Verzweifelt hieb der junge Mann mit seinem
Säbel auf die Felsen ein. Der Himmel hatte ein Einsehen, und es öffnete sich dieser schmale Spalt für sie.
Wir haben profanere Interessen. In die nächste Hotel-Camping-Anlage fahren wir einfach hinein entleeren unser Klo und hauen wieder ab. Ein bisschen Chuzpe zahlt sich meist aus.
Das Tal wird wieder breiter. Der Dadès ist hier fast ausgetrocknet, aber nach der Schneeschmelze - die Winter sind in dieser Höhe sehr kalt und schneereich - wird er zu einem reißenden Fluss, der sogar manchmal die Straße unpassierbar macht.
Wir schrauben uns auf einer dem Berg abgetrotzten Straße immer weiter bergauf, bis in eine Höhe von 2066m. Die Ausblicke von hier oben sind gewaltig. Wir sind auf dem höchsten Punkt des Passes angelangt und drehen um.
Als wir wieder bei unserem gestrigen Schlafplatz vorbeikommen, erkennt uns der Wirt wieder und winkt strahlend.
Bald sind wir wieder aus der Schlucht draußen und fahren jetzt auf der „Straße der Kasbahs“ weiter. Wir haben ja eh schon so viele davon gesehen. Immer wieder steht alt neben neu, traditionelle Bauweise neben neuer Bauweise, bei der die alte Formensprache beibehalten wird.
Schon oft sind uns Schulen aufgefallen. Sie sind an ihrer bunten Bemalung zu erkennen. Buben und Mädchen stehen gemeinsam davor. Sie tragen keine Schuluniformen. Die meisten Mädchen tragen Kopftuch, aber manche auch nicht. Viele Schüler und Schülerinnen fahren mit dem Fahrrad.
Bei einer dieser Schulen ist die Mauer kaputt, und wir können hineinschauen. Wir sehen einen Sportplatz und Eingänge in verschiedenen Farben.
Allerorten wird Rosenwasser angeboten. Die Damaszener Rosen wurden bereits im 10. Jhd. von Mekka-Pilgern hierher gebracht, und sind seither hier heimisch. Die Frauen sammeln im Morgengrauen vorsichtig die Blütenblätter und verkaufen sie an Destillerien. Für einen einzigen Tropfen echtes Rosenöl benötigt man 30 Blüten. Kein Wunder, dass es so teuer ist. Das Rosenwasser ist viel billiger. Es ist eine Art Nebenprodukt und wird in der marokkanischen Küche viel verwendet. Auch zum Marzipan kommt ein Schuss dazu. 1ml Rosenöl kostet ca. € 20,00. Um diesen Preis bekommt man einen ganzen Liter Rosenwasser.
Unser heutiger Fahrgast ist eine jüngere, einheimische Frau, ganz traditionell gekleidet, mit Kopftuch. Sie ist allein und offenbar recht mutig. Na, mit uns hat sie ja Glück gehabt. Für die 20km, die sie mit uns unterwegs ist, hätte sie zu Fuß ziemlich lange gebraucht.
Heiß ist es heute wieder, 30°. Die Hitze beginnt, uns zu schaffen zu machen.
Wir haben das Flusstal verlassen und fahren wieder durch endlose Steinwüsten. Langsam geht’s mir ein bisschen auf die Nerven. Alles ist staubig und oft auch recht dreckig. Das ist halt die andere Seite der Medaille.
Eine in Reiseführer angepriesene Kasbah wollen wir uns jetzt doch noch näher zu Gemüte führen. Die vieltürmige Kasbah Amridil ist gut erhalten, bzw. gut restauriert. Sie stammt aus dem 17. Jhd. und ist wunderschön mit geometrischem Ornamentdekor verziert. Sie wurde des Öfteren als Filmkulisse verwendet und ist auf dem alten 50 Dirham-Schein abgebildet.
Das Innere der - vollständig aus vor Ort vorkommenden Materialien (Lehm, Palmstämme, Schilf- und Palmmatten) erbauten - Kasbah war noch bis in die 1960er Jahre bewohnt, und so haben sich einige Gegenstände des häuslichen Bedarfs aus Keramik und Flechtwerk erhalten, die einen Eindruck vom - für damalige Zeiten recht feudalen - Leben der Bewohner geben.
Im Erdgeschoss ist ein kleines Heimatmuseum untergebracht. Die Werkzeuge und Küchengeräte kennen wir durchaus von zu Hause.
Das war eine echte Burg mit Wachtürmen und Soldaten. Die wohnten aber außerhalb des Gebäudes. In der Burg selbst lebten der „Chief“ und ein Imam mit ihren Familien. Meist hatten sie je zwei Frauen und einige Kinder. Es gab auch einen Harem, in dem andere weibliche Verwandte lebten, also keine Konkubinen.
Wir bekommen auch Küchen und Stallungen zu sehen, aber Toiletten waren keine vorgesehen. Man erledigte das draußen, oder man ging auf Dach und machte einfach runter, wie unser Führer so anschaulich beschreibt.
Insgesamt wohnten ca. 40 Leute auf der Burg. Denn es gab ja auch noch Bedienstete.
Der „Chief“ war für einen bestimmten Umkreis um die Burg zuständig und hatte dafür auch die Gerichtsbarkeit.
Der Fußweg vom Auto hierher - durch einen schönen Oasengarten und vorbei an Getreidefeldern - war gar nicht so leicht zu finden. Diesmal waren wir über einen selbst ernannten Führer dankbar.
Weit wollen wir heute nicht mehr fahren. Wir landen wieder einmal neben einer Tankstelle.
167 km
Di, 16. April
Wir sind auf dem Weg nach Ouarzazate, zu den Filmstudios.
Auf dem Weg dorthin überrascht uns das Solar-Turmkraftwerk Noor III. Noor = Licht. Ein Heliostat leitet das Sonnenlicht mit einem Spiegel immer auf den gleichen ortsfesten Punkt. Die Energie wird in einem großen Solarpark gespeichert. Der Ort wurde gewählt, weil die Sonne hier 365 Tage im Jahr scheint. Wir haben so etwas noch nie gesehen, und der 240m hohe, leuchtende Turm wirkt auf uns im ersten Augenblick wie ein helles Signal von Außerirdischen. Ein irgendwie unwirkliches Flirren in der Luft wird erzeugt. Vielleicht wird ja unser Solarpanel auf dem Dach des Wohnmobils von diesem heiligen Licht bestrahlt ;-).
Der Kontrast dieser High-Tech-Anlage zum benachbarten Lehmdorf könnte nicht größer sein.
Mitten in der Stadt Ouarzazate steht die große, beeindruckende Kasbah Taourirt. Viele Standeln verkaufen Ramsch, der mit der Filmindustrie zu tun hat.
Wir besuchen die Atlas-Filmstudios. Hier wurden gedreht:
„Der Medicus“, „Die Päpstin“, „Asterix und Obelix Mission Kleopatra“ (mit Gérard Depardieu), „Der Gladiator“, „Kundun“, „der letzte Kaiser“, einige Bibelverfilmungen und noch viele andere Filme, die ich nicht kenne. Auch „Game of Thrones“ und „Vikings“ entstanden zum teil hier. Der erste Film, der hier gemacht wurde, war „Die Jagd nach dem Juwel vom Nil“ mit Michael Douglas und Kathleen Turner.
Tausende Jobs bietet die Filmindustrie den Leuten, die hier leben, und der Stadt einen großen wirtschaftlichen Aufschwung.
Wir wandern durch ägyptische, römische und tibetische Bauten, stehen wie Jesus vor dem Gericht des Hohepriesters und wandern wie der Medicus durch Isfahan. Wir können uns auch auf Kleopatras Thron setzen und in ihr Stutenmilch-Bad steigen- ist gerade keine Milch drin. Nicht nur Obelix’ Hinkelstein, auch der Palast des „letzten Kaisers“ von China ist nur aus Styropor, und die Rückseiten der Häuserfronten bestehen aus einfachen Holzgerüsten.
Die Bauten werden oft - etwas verändert - mehrfach benutzt.
Uns hat’s gefallen.
Wir fahren weiter, Richtung Marrakesch. Da werden wir aber erst morgen hinkommen.
Heute steht noch die malerisch Ksar = befestigtes Dorf, Aït-Ben-Haddou am Fuße des Hohen Atlas auf dem Programm. Aït = Stamm.
Sehr beeindruckend schmiegt sich die Ortschaft an den Felsen- ein Bilderbuch-Dorf. Das Auto muss man auf einem Parkplatz außerhalb abstellen, und zu Fuß hinaufsteigen. Das alte Dorf besteht aus mehreren eng aneinander gebauten und teilweise ineinander verschachtelten Wohnburgen, Ein wunderbares Beispiel traditioneller Lehmbauweise.
Die meisten Ecktürme sind im oberen Bereich mit geometrischen Motiven dekoriert, wobei die immer wiederkehrenden Rautenmotive als abstrahierte Augen gedeutet werden können, die Unheil abwehren sollten.
Seit 1987 gehört die Anlage zum UNESCO- Weltkulturerbe.
Ein Eingangstor ist nicht alt, sondern war Filmkulisse für „Lawrence von Arabien“. Aber alles andere ist echt.
Unten stehen die neueren Bauten, die teilweise immer noch bewohnt werden. Einige wurden zu Gästehäusern, Läden und Restaurants umgestaltet. Die meisten Bewohner sind allerdings in die moderne Stadt umgesiedelt. Je weiter man bergauf steigt, desto älter werden die Häuser. Ganz oben steht der alte Speicher aus dem 11. Jhd. Von hier aus sieht man auf die schönen Oasengärten hinunter.
Unser Führer ist heute El Hassane, der hier mit seiner Familie ein sehr schönes Gästehaus betreibt. Er spricht ziemlich gut deutsch, ist weit gereist und war auch schon in Wien.
Wir lernen, dass die traditionellen Kasbahs sehr wohl aus Ziegeln bestehen, aber eben aus ungebrannten, nur getrockneten. Außen werden sie dann durch Lehm, gemischt mit Pflanzenmaterial verputzt. Wir können zuschauen, wie gerade ein Turm restauriert wird und wir sehen den Platz, wo der Lehm für die Ziegeln gestampft wird.
Ganz unerwartet und ungeplant springt uns ein sehr schöner Berberteppich an, der unbedingt in unser Wohnzimmer will. Also trägt Klaus auf dem Heimweg eine verdächtige Walze auf dem Rücken. El Hassane werden wir - Inshallah - wieder bei den Afrika-Tagen auf der Donauinsel in Wien treffen.
Es ist später geworden als wir geplant hatten.
Hier haben wir den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Ab nun geht es wieder nach Norden. Heute wollen wir nur noch schnurstracks zu unserem Tagesziel, Telouet. An der hiesigen Kasbah fahren wir einfach vorbei. Wir haben einfach langsam genug. Ein paar Kilometer weiter gibt es einen ausgewiesenen Schlafplatz neben einem Gästehaus. Zwei Wohnmobile aus Deutschland stehen bereits hier. Da passen wir ja hervorragend dazu.
160 km
Mi, 17. April
Heute überqueren wir den Hohen Atlas. Je höher wie hinaufkommen, desto mehr Häuser gibt es aus Stein. Außen sind aber auch sie - in den zum Fels passenden Farben ;-) - verputzt.
Es geht bis zu einer Höhe von 2200m hinauf- auf einer tollen Bergstrecke mit schönen Ausblicken. An jedem Aussichtspunkt warten natürlich auch hier die Ramschhändler auf uns.
Die Straße ist meistens sehr gut ausgebaut, aber stellenweise sind sie noch nicht ganz fertig damit. Wir können schon wieder etwas dazulernen. Bei einer Baustelle schauen wir zu, wie Felsen angebohrt werden. In die Löcher werden Stahlstifte gesteckt, um die Felswände zu stabilisieren.
Wir sind wieder im marokkanischen Norden. Alles ist grüner, und wir haben die Kasbahs und die Berber hinter uns gelassen.
Wir suchen den ANIMA-Garden, André Hellers magischen Garten. Nach einigem Herumgekurve finden wir ihn dann auch endlich.
Wir sind froh, dass wir nicht aufgegeben haben, denn er ist wunderschön. Man flaniert zwischen Bäumen und Sträuchern und freut sich an der Blütenpracht, am Wasserplätschern und an den vielen Kunstwerken. 2010 wurde dieses wunderschöne Symbol des Lebens angelegt. Diese Üppigkeit! Gestern waren wir noch in der Wüste.
Jetzt brachen wir noch eine Bleibe für die Nacht. Wir finden einen sehr schönen Campingplatz. Von hier aus können wir morgen mit dem Autobus nach Marrakesch hineinfahren.
Wir benützen auch die Waschmaschine. Trockner gibt es keinen. Also hängen wir - wie in früheren Zeiten – die Wäsche an die Leine. Bei diesen Temperaturen wird sie sicher schnell trocknen.
Heute ist wieder Filmabend. “Bis ans Ende der Welt“ von Wim Wenders steht auf dem Programm. Er wurde 1991 gedreht und spielt in einer fiktiven Zukunft im Jahr 1999. Für uns ist es witzig diese Zukunfts-Vorstellungen von der echten Zukunft aus z betrachten. Der Film ist sehr lang. Wir schaffen nur einen Teil davon. Den Rest werden wir uns bei nächster Gelegenheit geben.
186 km
Do, 18. April, Gründonnerstag
Eigentlich warten wir ja auf den Autobus in die Stadt. Da hat Klaus plötzlich eine Idee. Er hebt den Daumen. Warum nicht mal den Spieß umdrehen und selber die Autostopper sein? Gleich das erste Auto, das vorbeikommt, hält an. Eine junge, westlich gekleidete Frau ohne Kopftuch sitzt am Steuer. Sie bringt uns extra mitten in die Medina.
Marrakesch - eine der vier Königsstädte des Landes - hat das Image, eine der faszinierendsten Städte der Welt zu sein. Sie hat ca. 900.000 Einwohner. Der Name Marokko leitet sich vom Namen dieser Stadt ab. Die Franzosen haben die moderne Stadt gebaut und die Altstadt erfreulicherweise unangetastet lassen, genauso wie in Fès.
Hinter einer hohen Mauer mit einem edlen Eingangstor liegt der Königspalast. Davor stehen, wie in Fès, die Wächter mit ihren unterschiedlichen Uniformen.
Das Minarett der Koutoubia-Moschee grüßt herüber. Es ist das Wahrzeichen der Stadt und des ganzen Landes. Es ist - besonders oben - wunderschön verziert. Über eine Rampe im Inneren des Turms ritt früher der Muezzin auf die zinnenbewehrte Galerie hinauf. Die Fenster befinden sich daher an jeder Seite auf einer anderen Höhe. Heutzutage reitet oder steigt kein Muezzin mehr auf ein Minarett hinauf. Sie greifen allesamt zum Mikrophon, und die Lautsprecher übertragen die Gebetsrufe.
Den „Galgen“ ganz oben auf dem Turm sieht man hier besonders gut. Jedes Minarett hat ihn. Er dient dazu, am Freitag eine Fahne zu hissen, um zum Freitagsgebet einzuladen. Zum Glück werden dort keine Ungläubigen aufgeknüpft.
Der berühmte Platz Djemaa el-Fna ist voller Händler, Quacksalber, Akrobaten, Wahrsager und Schlangenbeschwörer.
Man kann sich auch seine Hände mit Henna kunstvoll bemalen lassen.
Besonders farbenprächtig sind die Wasserverkäufer. Sie haben einen Beutel aus Ziegenleder mit Ausguss dabei. Um den Hals hängen mehrere Trinkschüsserln. Wir greifen da lieber nicht zu. Das wäre unseren Darmbakterien vielleicht nicht recht.
Die Schlangenbeschwörer versuchen wir zu ignorieren. Man weiß ja, wie arg diese armen Tiere durch das immer wiederkehrende Rausreißen der Giftzähne gequält werden. Die Typen sind auch recht aggressiv und versuchen ständig uns ihre Schlangen umzuhängen.
Klaus macht nicht einmal ein Foto von ihnen.
Man kann auch Pferdekutschen mieten. Sie sind allesamt in grün und goldglänzend gehalten. Mich erinnert das frappant an „Palmers“.
Natürlich tauchen wir auch in Marrakesch in die Souks ein. Was das betrifft, sind wir allerdings schon etwas übersättigt. Wir besuchen die Wollfärber und Filzer und kaufen lustig bunte Filzpatschen für die Mädchen. Klaus selbst findet für sich eine gemütliche Haus-Hose, als Nachschub für die aktuelle, die bereits in Auflösung begriffen ist.
Bei den Süßigkeitenläden naschen hunderte von Wespen an dem picksüßen, klebrigen Zeug. Uns wird ständig etwas zum Kosten angeboten, aber selbst die winzigste Kostprobe müssen wir ordentlich mit Wasser neutralisieren.
Viel interessanter sind da die Stände, die aus kunstvoll aufgeschichtetem Obst frische Säfte pressen.
Zum Mittagessen sitzen wir in einem der netten Terrassenlokale, von wo aus wir einen schönen Blick auf das bunter Treiben in den engen Gassen haben. Unsere Tajines sind köstlich, mit viel Gemüse. Wir essen gemütlich, und plötzlich fällt uns ein, dass wir kaum noch Bargeld haben. Mit Kreditkarte kommt man in diesem Land nicht weit. Gott sei Dank haben wir gerade noch genug. Bald finden wir einen Geldautomaten und sind nun wieder liquid.
Als Kontrastprogramm zum Markttreiben schauen wir uns noch ein edles Hotel an, mit einem sehr schönen Garten. Da kann man unter Palmen beim Kaffee sitzen oder am Pool liegen. In andere Innenhöfe von Häusern kommen wir leider nicht rein.
In der Nähe des - laut Reiseführer - schönsten Tors der Stadt Bab Agnaou ist der Taxi-Standplatz. Wir haben genug für heute und lassen uns nach Hause chauffieren.
Fr, 19. April, Karfreitag
Wir nützen die Gelegenheit, auf dem Campingplatz unser Auto zu waschen. Fast zwei Wochen Wüste ist darauf geklebt und hat ihm beinahe das Aussehen einer Kasbah verliehen, mit Lehmverputz.
An einem großen Carrefour-Markt können wir nicht einfach so vorbeifahren. Wir schwelgen in europäischen Genüssen. Unser Kühlschrank war ohnehin schon ziemlich leer.
Eigentlich haben wir uns auf den Jardin Majorelle, den Garten von Yves Saint Laurent gefreut. Zu unserer Überraschung herrscht da aber so ein gewaltiger Andrang, dass wir mit einer Wartezeit von mehreren Stunden an de Kassa rechnen müssten.
Wir beschließen, in auszulassen- nicht allzu schweren Herzens. Wir haben ohnehin heute noch einiges vor.
Wir fahren weiter nach Norden, nach El-Jadida. Die Landschaft in platteleben und ein bisschen grün- semiarid mit Schafen und Ziegen.
Bei einem der vielen, bunten Obststände erstehen wir eine riesengroße Papaya.
Dann liegt endlich wieder der Atlantik vor uns.
El-Jadida = die Neue wurde von den Portugiesen im 15. Jhd. als Stützpunkt für den Seeweg nach Indien angelegt. Die große Festung „Cité Portugaise“ stammt aus dem 16.–18. Jhd. Sie gilt als bedeutendes Beispiel militärischer Bauten der Renaissance. Zu dieser Anlage gehören auch katholische Kirchen- haben wir schon lange keine mehr gesehen.
Berühmt und sehr beeindruckend ist die „Portugiesische Zisterne“, ein ehemaliges Waffenlager, das später als Wasserspeicher der befestigten Stadt genutzt wurde. Heute ist sie nur noch Touristenattraktion.
Durch ihr spätgotisches Kreuzrippengewölbe und der majestätischen Größe wirkt sie fast wie ein sakraler Raum, Durch ein Loch in der Decke kommt etwas Licht und natürlich Regenwasser herein. Die Spiegelungen im Wasser, bei dem fahlen Licht, wirken fast unwirklich.
Auf den Festungsmauern kann man spazieren gehen und die Ausblicke aufs Meer genießen. Hier treffen sich auch die Liebespaare und halten Händchen.
Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit sind ja in muslimischen Ländern normalerweise tabu. Nicht mal berühren darf man einander, wenn man nicht verheiratet ist.
Wir wünschen ihnen jedenfalls viel Glück.
Überhaupt wirkt die Stadt recht sympathisch.
Unseren Übernachtungsplatz finden wir im nahegelegen Sidi Bouzid direkt am schönen Sandstrand. Wir stecken unsere Zehen in den Atlantik.
Und das bei Vollmond.
227 km
Sa, 20. April, Karsamstag
Beim Kaffeekochen wird unsere Gasflasche leer. Das heißt, sie hat sechs Wochen lang durchgehalten, obwohl wir anfangs recht oft geheizt und in letzter Zeit recht oft den Kühlschrank mit Gas betrieben haben. Natürlich haben wir eine zweite Flasche dabei.
Wir werfen noch einen letzten Blick auf den schönen Strand, der erstaunlicherweise gar nicht dreckig ist, und weiter geht es nach Norden Richtung Casablanca.
In der Nacht hat es mehrere Stunden lang geregnet und jetzt steht Wasser auf der Straße, besonders an den unbefestigten Rändern. Aber jetzt ist es wieder sonnig.
Zum ersten Mal in diesem Land fahren wir auf einer Autobahn- ein sehr ungewohntes, angenehmes Dahingleiten. Ansonsten ist der marokkanische Straßenverkehr ja sehr „rustikal“, wie Klaus das ausdrückt. Wir sind jeden Abend dankbar, dass wieder alles gut gegangen ist.
Casablanca ist größte Stadt Marokkos mit 3,3 Mio Einwohner.
Drehorte vom berühmten Film dieses Namens mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann können wir keine besichtigen, weil ja überhaupt nichts davon hier gedreht wurde.
Wir begnügen uns mit einer Sitzbesichtigung. Die moderne Stadt gefällt uns gut und wirkt offen und aufgeschlossen auf uns. Paare gehen z.B. Arm in Arm auf offener Straße spazieren. Es gibt viele moderne Glaspaläste und allerorts wird weiter gebaut. Klaus meint, wir sollten in einigen Jahre wieder herkommen.
Wir fahren die Corniche entlang, die zum Flanieren, Sporteln und Spielen genutzt wird.
Auf einer künstlich angelegten Insel steht die sehr große Hassan-II.-Moschee aus 1993. Das größte und schönste sakrale Bauwerk sollte sie sein. Das Minarett ist tatsächlich ziemlich schön, und die Lage - praktisch ins Meer hinaus gebaut - ist tatsächlich atemberaubend.
Wenn man das nötige Kleingeld hat, kann man wahrscheinlich in Casablanca ganz gut leben.
Nach einer netten Mittagspause im Wald fahren wir weiter an der Atlantikküste nach Norden, in die Hauptstadt Rabat. Auch sie ist eine moderne Stadt mit ca. 600.000 Einwohnern.
Seit den 1990er-Jahren werden neue Wohnbauten statt der Sums mit ihren Wellblechhütten gebaut. Es gibt aber leider immer noch welche.
Wir gehen sehr selektiv vor, was das Besichtigen betrifft. Innerhalb der Mauern der Chellah, liegt ein stimmungsvoller, schattiger Garten, eine verfallene Moschee mit hübschem Minarett, auf dem wieder einmal in mehreren Stockwerken die Störche nisten, und römische Ruinen.
Nun sind wir froh, die Großstadt wieder verlassen zu können.
Übrigens ist nicht nur in dieser Stadt, sondern überall, wo wir in Marokko waren, die Polizei sehr präsent. Es gibt viele Kontrollpunkte auf den Straßen. Wir wurden aber überall durchgewunken. Das Gerücht, dass sie bei den „reichen Ausländern“ nur abkassieren wollen, können wir gar nicht bestätigen.
Weit wollen wir heute nicht mehr fahren. Ca. 200 km vor Tanger richten wir uns auf einer Autobahnstation häuslich ein und kochen und essen gemütlich.
Und jetzt wollen wir noch rasch per Internet unsere morgige Überfahrt nach Spanien buchen.
Klaus füllt das komplizierte Formular aus. Zuletzt kommt die Kreditkartennummer. Und dann will die Bank den TAN schicken. Herrje, das geht ja nur aus die österreichische Telefonnummer. Also muss die SIM-Karte gewechselt werden. Jetzt hat er aber kein Internet. Also kurz Roaming eingeschaltet. Sofort werden € 60,00 abgebucht. Das sorgfältig ausgefüllte Formular ist natürlich auch wieder weg. Da entdecken wir, dass es neben der Tankstelle einen Kiosk gibt, der Tickets für die Fähre verkauft. Da klappt es nun endlich. Allerdings sind die Fähren um 16h und um 18h bereits ausgebucht. Daher müssen wir bereits um 14h fahren. Wir überlegen kurz und beschließen dann, heute noch ca. die halbe Strecke nach Tanger zu fahren. Damit wir morgen mehr Zeitpolster haben.
Unser endgültiges Nachtlager schlagen wir wieder auf einer Autobahnstation auf.
Die ist bestens ausgestattet. Es gibt sogar kleine Gebetsräume. Da es eigene Eingänge für Männer und Frauen gibt, hätten wir sie fast mit den Klos verwechselt. Drinnen sitzen die Leute gemütlich auf den Teppichen und schauen in ihre Handys.
390 km
So, 21. April, Ostersonntag, FROHE OSTERN!
Wir haben uns den Wecker gestellt und kommen in der Früh zügig weg.
Wir wollen nämlich mit genug Zeitpuffer bei der Fähre sein.
Zunächst fahren wir durch eine niederösterreichische Hügellandschaft, grün mit Wäldern.
Und dann durch die „Camargue“ mit unzähligen Störchen, die im Sumpf herumstaksen, und Pferden.
Eine Zwischenstation legen wir noch ein.
Die sehr stimmungsvolle Medina von Assilah ist von mächtigen Stadtmauern umgeben.
Die meisten Häuser sind blendend weiß mit blau in maurisch-andalusischem Stil. Alles ist sauber. Es gibt keine lästigen Verkäufer. Viele Fassaden sind bemalt. Einige der Bilder gefallen uns besonders gut. Wir meinen, dass es hier eine Künstlerkolonie gibt. Die Stimmung ist auf jeden Fall ganz speziell. Was für ein schöner Abschluss unseres Aufenthalts in Marokko.
Das war noch nicht ganz der Abschluss.
Wir werden von der Polizei aufgehalten. Klaus hat die Sperrlinien überfahren und die Geschwindigkeitsbeschränkung geringfügig überschritten. Natürlich machen das alle Einheimischen ohne mit der Wimper zu zucken, und natürlich hat sich Klaus, schon allein wegen der Gerüchte über die marokkanische Polizei immer sehr bemüht, die Vorschriften einzuhalten. Jetzt ist es also passiert. Das Unangenehmste dabei ist, dass wir nicht mehr viel Bargeld haben. Und wenn wir in die Stadt zurück müssten, um etwas abzuheben, würden wir vielleicht unsere Fähre versäumen.
Der Beamte ist freundlich. Ich kann mit ihm französisch sprechen. Er erklärt uns, dass wir einen großen Fehler begangen haben. Wir geben uns schuldbewusst. Er wiegt den Kopf und meint schließlich zu unserer Überraschung, wir sollen das nächste Mal besser aufpassen. Und wir können aufatmend und ohne Strafzettel weiterfahren. „Bonne route“ hat er uns auch noch gewünscht. So wurde aus dieser Geschichte eine unserer netten marokkanischen Begegnungen. Die letzten 20 Kilometer passen wir jetzt aber wie die Haftelmacher auf.
Gegen Mittag kommen wir in Tanger im Hafen an. Diesmal nähern wir uns von der anderen Seite und bekommen so die moderne Stadt zu sehen, die durchaus einen guten Eindruck macht.
Während wir noch überlegen, wie wir am besten unsere restlichen Dirham ausgeben, wird bei der Einfahrt in den Hafen festgestellt, dass unser Ticket für einen normalen PKW gilt und nicht für ein Wohnmobil. Dabei haben wir das beim Kauf doch genau angegeben. Wir müssen also etwas aufzahlen, womit unser Bargeldproblem auch gelöst wäre.
Wie gut, dass wir so früh dran sind, denn die Grenzformalitäten ziehen sich hin. Wir müssen Zettel ausfüllen, unser Auto wird gescannt, ein Drogenhund und Beamte schnüffeln in unserem „Wohnzimmer“ und in unserer Garage herum. Zum Schluss wird noch mit einem großen Spiegel die Unterseite des Wohnmobils betrachtet. Zu guter Letzt bekommen wir auch endlich unsere Drohne zurück, die wir ja bei der Einreise hier zurücklassen mussten.
Wir sind sehr erleichtert, als wir endlich für die Auffahrt aufs Schiff angestellt sind.
Wie wir gerade aufs Schiff fahren, hören wir noch den Abschiedsgesang des Muezzins. Er wird uns nicht abgehen.
Offizielle Abfahrtszeit ist 14h. Wie nicht anders zu erwarten, fahren wir erst um 15h los.
Zwei Stunden später landen wir in SPANIEN, ANDALUSIEN, EUROPA.
Unsere Uhren stellen sich automatisch um eine Stunde vor.
Heute bleiben wir in Tarifa und suchen uns einen Schlafplatz. Wir haben schon einen ausgewiesenen Platz, ganz in der Nähe vom Hafen im Auge. Er ist gut geeignet.
Nun haben wir Lust auf ein Osterdinner und machen einen Spaziergang, bei dem wir Ausschau nach einer Pizzeria halten. Ganz in der Nähe der Festung sind wir schließlich erfolgreich. Wir switchen in unseren Hirnen französisch aus und schalten spanisch ein: „Pizza sin queso“ und „Cerveza sin alcohol“.
Außerdem schalte ich Roaming an meinem Hany ein und bekomme viele, viele alte WhatsApps. Es dauert eine Weile, bis ich wieder auf dem neuesten Stand bin. Außerdem melden wir uns bei unseren Lieben, weil wir wieder in Good Old Europe gelandet sind.
96 km + 39 km auf der Fähre.
Mo, 22. April, Ostermontag
Wir schlafen aus und fahren dann gemütlich los.
Als erstes kaufen wir in einem Supermarkt ein. Wir freuen uns schon so auf Obst und Gemüse, das man nicht schälen muss. Daher erstehen wir u.a. Grünen Salat, Tomaten, Paprika, Erdbeeren, usw. An die europäischen Preise müssen wir uns allerdings erst wieder gewöhnen. Hier ist alles mindestens doppelt so teuer.
Vor dem Supermarkt sitzt ein Bettler und bittet um etwas „Change“. Klaus’ Intuition trügt ihn auch diesmal nicht. Er meint, wir sollten ihm etwas geben. Nach ein paar Worten, die er mit ihm wechselt, stellt sich heraus, dass er ein Belgier ist, der mit seinem Fahrrad bis hierher gefahren ist. Eigentlich ein netter Kerl. Schon wieder eine nette Geschichte.
Vor uns liegt ein großes fruchtbares Gebiet in Südwest-Spanien.
Alles ist sehr grün, die bunten Blumen und der Oleander blühen. Uns gefallen die Bäume und die Wiesen- als Gegensatz zur Wüste, aus der wir kommen.
Wir fahren an Jerez de la Frontera vorbei. Von hier kommt der Sherry. Der Weißwein, der in einem komplizierten Verfahren mit Branntwein verstärkt wird, ist besonders in Großbritannien sehr beliebt. Er ist nach der Stadt benannt, allerdings nach der Aussprache, die sie unter den Mauren hatte.
Und in dieser Gegend werden auch edle Stiere für den Stierkampf gezüchtet. Wir sehen die schönen Tiere auf der Weide. Sie werden sehr gut gehalten. Schließlich sollen sie ja eine gute Figur machen, wenn sie vor das Publikum treten...
Wir nähern uns Cádiz von Süden auf der ganz schmalen Landverbindung der langgestreckten Halbinsel zum Festland. Da haben gerade die mehrspurige Straße und die Eisenbahnlinie nebeneinander Platz.
Unser heutiger Schlafplatz ist ein großer Parkplatz am Hafen. Es gibt hier einen Sondertarif von € 3,00 für Wohnmobile, die über Nacht hier stehen wollen. In unserer Nachbarschaft liegen Kreuzfahrtschiffe.
Wir machen einen Spaziergang in die Stadt, die wir sofort sehr sympathisch finden. Die klassizistischen Denkmäler blenden wir einfach aus.
Es ist hier in Spanien wesentlich kühler, als es in der Wüste von Marokko war. Aber die Leute sind hier sommerlich gekleidet, während sie in Marokko Mäntel und warme Jacken anhatten.
Durch die Puerta de Tuerra mit den Resten einer aus dem 16. u. 17. Jhd. stammenden Stadtmauer kommt man in die elegante Altstadt. Der Platz auf der schmalen Halbinsel ist begrenzt, daher sind die Gassen schmal, aber immerhin sind sie echte Fußgängerzonen. Es schlängeln sich hier keine Mopeds zwischen den Fußgängern durch, und es werden keine beladenen Esel durchgetrieben. Die schönen Geschäfte kommen ganz ohne Markschreier aus, und alles ist sauber. Wir finden auch den Bioladen, den wir im Internet entdeckt haben.
Die Außenfassade der Markthalle ist in viele Rundbögen gegliedert. Jeden schmückt ein modernes Gemälde. Das sieht fast wie eine Galerie aus. Leider ist im Inneren gar nichts los. Die Stände sind leer. Da sind wir eindeutig zum falschen Zeitpunkt gekommen.
Die Kathedrale wurde erst im 18. Jhd. fertig. Mehrere Baustile wurden gemischt. Klaus könnte es nicht besser beschreiben: „Mehrere Baumeister haben sich über Jahrhunderte hinweg so bemüht und sind so gänzlich gescheitert.“ Sie ist völlig uninteressant. Zuletzt ist ihnen offenbar auch noch das Geld für die Marmorverkleidung ausgegangen. Wir gehen trotzdem daran vorbei. Ein kurzer Blick ins Innere überzeugt uns, dass wir dafür sicher keinen Eintritt bezahlen wollen. Aber man kann hier sehr hübsch am Wasser entlang gehen.
Nach unserem Rundgang durch die Stadt kochen wir uns ein gutes Abendessen und plaudern ein wenig mit den Oberösterreichern, die sich neben uns gestellt haben.
108 km
Di, 23. April
In der Nacht hat es wieder einmal heftig geregnet und auch gestürmt. Auf dem Parkplatzhaben sich große Pfützen gebildet.
Wir hoffen auf Sonne, wenn wir zu Mittag in Sevilla sein werden.
Zunächst fahren wir über die Puente de la Constitución, einer modernen Straßenbrücke aus 2015, die nach Osten zum Festland hinüberführt. Sie ist länger als die Golden Gate Bridge. Diese Feststellung ist den stolzen Spaniern offenbar wichtig.
Überhaupt ist vieles in der Stadt nach der Constitución = Verfassung von Càdiz aus dem Jahr 1812 benannt. Sie war Vorbild für spätere spanische und ausländische Verfassungen.
Die Teiche entlang der Autobahn scheinen zur Salzgewinnung zu dienen. Jedenfalls tummeln sich in ihnen doch tatsächlich Flamingos.
Unser erster Eindruck von Sevilla- absolutes Verkehrschaos. Einige Straßen sind gesperrt. Alles ist sehr eng. Eine Taxi-Demonstration, die alles lahm legt. Unser GPS ist natürlich überfordert. Der Parkplatz, den wir eigentlich angepeilt haben, ist offenbar momentan nicht erreichbar. Wir wollen nur noch entkommen. Zu allem Überfluss beschädigt uns ein Lastwagen beim Vorbeifahren den linken Außenspiegel schwer. Wir sind halt sehr breit.
Wir blenden den Ärger aus und stellen fest, dass Sevilla eine schöne Stadt ist, voller blühender Bäume mit großer Parkanlagen, Pferdedroschken und Fahrradwegen.
Zum Glück hat Klaus noch einen Plan B im Ärmel. Es gibt einen anderen ausgewiesenen Übernachtungsplatz außerhalb der Stadt, in Almensilla. Ich sag’s ja immer wieder: „Wenn mi des Reisebüro net vermittelt hätt’.“ (Travnicek/Qualtinger).
Wir atmen auf, als sich dieser Platz als sehr geeignet erweist.
Alles löst sich in Wohlgefallen auf:
Mit Geschick und Klebestreifen kann Klaus den beschädigten Spiegel wieder soweit hinkriegen, dass er funktioniert, obwohl ihm die „Gedärme“ rausgehängt sind. Diese Machination hat das Zeug zu einem Dauer-Provisorium. Zum Glück ist das Glas nicht kaputt gegangen.
Und ganz in unserer Nähe hält ein Linienbus, der uns ins Stadtzentrum bringt.
Wir überqueren den Guadalquivir, den wir ja bereits in Córdoba kennen gelernt haben. Zwei Arme dieses großen Flusses durchfließen die Stadt. Der zentrumsnähere wird von Ruderern und Kajakfahrern zum Wassersport genutzt.
Überall hängen Wahlplakate. Die spanischen Parlamentswahlen finden ja in ca. einer Woche statt.
Als erstes besuchen wir Kathedrale. An deren Platz stand bis ins 14. Jhd. eine der größten Moscheen der Welt. Das ehemalige Minarett ist übriggeblieben. Das ist wirklich sehr schön, obwohl ihm in der Renaissance ein Aufsatz verpasst wurde. Ganz auf der Spitze steht eine Figur mit Wetterfahne, der Giraldillo- girar = sich drehen. Der Glockenturm wird daher La Giralda genannt wird. Nach der Reconquista war das Gotteshaus den Christen übergeben worden. Durch ein Erdbeben wurde es zerstört und der riesengroße gotische Dom wurde gebaut. Na servas, wir haben gar nicht gewusst, dass Gotik so barock sein kann- überbordend. „Da haben sie sich wirklich was einfallen lassen“, meint Klaus lachend. Alles wirkt wie ein lustiges Durcheinander.
Das kunstvoll verzierte maurische Tor der Vergebung, ist von der alten Moschee auch noch übrig geblieben. Natürlich wurde es später mit Heiligendarstellungen christianisiert. Es führt in den Orangengarten - wie in Córdoba - wo sich die muslimischen Gläubigen vor dem Gebet rituell säuberten.
Christoph Kolumbus liegt in dieser Kirche begraben. Aber trotzdem wollen wir uns nicht in die endlos lange Schlange vor dem Eingang einreihen.
Auch den benachbarten Alcázar geben wir uns nur von außen. Schließlich waren wir in der Alhambra. Das muss genügen.
Wir begeben uns nun auf die Suche nach einem Hop-on Hop-off Bus. Dabei kommen wir durch ganz schmale Gassen. Uns gefällt das Flair der Stadt.
Bei der Fahrt im Sightseeing-Bus verschaffen wir uns einen Überblick über Sevilla.
Herkules soll die Stadt gegründet haben, weil er fand, dass hier der schönste Platz der Welt wäre. Sowohl die Römer, als auch die Mauren waren begeistert, als sie hierher kamen. Den Namen bekam Sevilla von den Mauren, unter deren Herrschaft sie ungefähr 500 Jahre lang stand.
In dieser Stadt schrieb Cervantes seinen Don Quijote und Prosper Merimee seine Carmen. Wir fahren an der Zigarettenfabrik vorbei, in der die Anfangsszenen spielen. Mozarts Don Giovanni lebte hier und natürlich Beaumarchais’ bzw. Rossinis Barbier von Sevilla. Der römische Kaiser Trajan wurde in Sevilla geboren.
Als erstes fahren wir am Torro del Oro vorbei, in dem einst das geraubte Gold aus Amerika aufbewahrt wurde. Heute ist ein Schifffahrtsmuseum darin untergebracht.
Triana ist ein besonders traditioneller Stadtteil und die Wiege des Stierkampfs und des Flamenco, der ja zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe erhoben wurde.
Viele der Sehenswürdigkeiten, die uns angepriesen werden, bleiben besser unerwähnt.
1992 fand in Sevilla die Weltausstellung statt. Das führte zu vielen infrastrukturellen Maßnahmen. Es wurde unglaublich viel Geld dafür in die Hand genommen. Auch Calatrava schuf dafür eine Brücke über den Guadalquivir. Auf dem Gelände befinden sich jetzt der Technologiepark „Cartuja 93“ und der Freizeitpark „Isla Mágica“.
Wir überqueren nun den Fluss und fahren in den ältesten Teil der Stadt mit niedrigen Häusern, schmalen Gassen und offenen Plätzen. Hier könnte man fast vermuten, in einer Kleinstadt zu sein und nicht in einer Metropole mit rund 700.000 Einwohnern. Wir können sogar noch die Reste der alten Stadtmauer aus der muslimischen Zeit sehen.
Die Iglesia de Santa Maria la Blanca steht im ehemaligen Judenviertel. Sie wurde im 17. Jhd. auf den Grundmauern einer alten Synagoge erbaut, nachdem alle Juden, die nicht bereit waren zu konvertieren, umgebracht worden waren. Da will ich gar nicht hinschauen. Nuestra Señora de la Esperanza, im Volksmund La Macarena, benannt nach dem Altstadt-Teil, in dem ihre Kirche steht, ist die berühmteste Frau Andalusiens. Zu Ostern wird die weinende Madonnenstatue, prächtig geschmückt, durch die Straßen getragen, und das ganze Jahr über wird sie sehr verehrt- besonders von Menschen, die Trost suchen.
Zuletzt bewundern wir noch „eines der schönsten Gebäude der Stadt“, den Palacio de San Telmo. Besonders das Haupttor zeigt heftigstes Barock, ziemlich sehr. Wir befürchten ja, dass ihnen das nicht passiert ist, sondern, dass sie das absichtlich gemacht haben. Ursprünglich war er eine Schule. Heute ist er der Sitz der Regionalregierung Andalusiens.
Wir sind froh, dass die Besichtigungsrunde endlich zu Ende ist, denn wir haben auf der offenen Plattform oben im Bus zuletzt schon sehr gefroren. Das Wetter war ja heute mehr als durchwachsen. Wie gut, dass wir jetzt in unseren Linienbus nach Hause umsteigen können.
165 km
Mi, 24. April
Es hat natürlich in der Nacht schon wieder geregnet, und es ist ziemlich kalt und stürmisch.
Gestern haben wir die Plaza de España ausgelassen, die ja die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Sevillas ist. Der Sightseeing-Bus kann dort nicht hinfahren, weil es ein Fußgängerbereich ist. Klaus erklärt sich - ungern - bereit, noch einmal mit dem Auto in die Stadt hineinzufahren, zumal für den ganzen Tag Regenwetter angesagt ist. Wir markieren einige Parkplätze, die für uns in Frage kommen.
Zunächst kommen wir gut voran, aber die Parklätze erweisen sich leider allesamt als Flop- voll, abgesperrt, Baustelle. Wir geben aber nicht auf und entdecken überrascht eine ganz normale Parklücke. Die Parkuhr gibt uns nur eine Stunde Zeit. Wir eilen also raschen Schrittes zur Plaza España und sind mehr beeindruckt, als wir gedacht haben. Auch Klaus freut sich jetzt, hier zu sein, und macht tolle Fotos.
Der Platz samt Gebäude wurde 1929 für die Iberoamerikanische Ausstellung 1929 errichtet. Die Anlage ist halbkreisförmig. Es sollte eine Umarmung der südamerikanischen Kolonien durch Spanien angedeutet werden- solange, bis sie keine Luft mehr gekriegt haben... Der Halbkreis hat einen Durchmesser von 200 Metern. Ringsum fließt ein Kanal, auf dem man Boot fahren kann. Vier Brücken überqueren ihn. Sie symbolisieren die vier alten Königreiche Spaniens: Kastilien, León, Aragón und Navarra. In der Mitte plätschert ein großer Springbrunnen.
Das Besondere an der ganzen Anlage ist, dass alles mit Klinkern, Marmor und Keramiken versehen ist, was ihr das Aussehen einer verspielten Mischung aus Renaissance und Barock verleiht. Man hat buchstäblich den Eindruck als wären alle Brücken, Balkone, Geländer, Wasserspeier, usw. aus buntem Porzellan.
An den Wänden des Backsteinbaus sind Bilder aus Kacheln, sogenannte Azulejos, angebracht. Sie stellen die 48 spanischen Provinzen dar.
Heute befindet sich im Gebäude ein Militärmuseum.
Jetzt wird es aber Zeit, zurück zum Auto zu eilen. Wir kommen ganz knapp vor dem Ablaufen des Parktickets an.
Kaum sitzen wir im Auto, fängt es zu regnen an. Das Regenfenster haben wir wirklich wunderbar genutzt.
Zusammenfassend lässt sich sagen: „Sevilla is nix für Autofahrer“.
Jetzt gleiten wir wieder auf der Autobahn dahin - zwischen Olivenhainen - und den Großstadt-Stress haben wir hinter uns gelassen.
Wir fahren nach Westen, zur Küste zurück, Richtung Portugal.
Der Oleander und der wunderschöne gelbe Ginster blühen.
In einem sumpfigen Gebiet fühlen sich die Störche wohl. Auf jeden einzelnen Telegrafenmast haben sie ein Nest gebaut. Wir haben noch auf keiner unserer Reisen so viele Storchennester gesehen, wie auf dieser.
Die Landschaft ändert sich und ist nicht minder reizvoll. Viele Pinien wachsen in roter Erde- ein schöner Rot-Grün-Kontrast. Vielleicht können wir ja „Das Geheimnis der Pineta“ (Fruttero, Lucentini) lösen.
Nach einer gemütlichen Mittagspause überqueren wir den Fluss Guadiana, und PORTUGAL begrüßt uns mit „Bem-Vindo“. Unsere Uhren müssen wir um eine Stunde zurückstellen. Und ein neues Vokabelprogramm kommt zur Anwendung. Portugiesisch können wir ja überhaupt nicht, aber man kann mit den Aufschriften durchaus etwas anfangen. Eines der wichtigsten Vokabel haben wir bereits gelernt: „Obrigado“ = Danke.
Wir landen auf einem sehr schönen Campingplatz an der Algarve. Er ist bestens ausgestattet. Also nützen wir den Regentag zum Wäsche waschen. Ab morgen soll das Wetter ja besser werden.
Außerdem hören wir ein wenig in die Musikrichtung „Fado“ = Schicksal hinein. Im Internet findet man ja alles. Dieses spezielle, melancholische Vortragsgenre gefällt uns recht gut, besonders die moderneren Varianten. Im Film „. Story“ von Wim Wenders, den wir uns als „wissenschaftliche Vorbereitung“ auf diese Reises abgeschaut haben, haben wir ja schon die portugiesische Band „Madredeus“ kennen gelernt.
Auch der Fado ist immaterielles UNESCO-Kulturerbe.
191 km
Do, 25. April
Heute ist in Portugal ein Feiertag. Es ist der Jahrestag der Nelkenrevolution, die 1974 der Diktatur des „Estato Novo“ unter Salazar in diesem Land ein Ende bereitet hat. Ob wir etwas von den Feierlichkeiten mitkriegen werden?
Am Vormittag nehmen wir uns Zeit für „Camping-Wellness“ und Haushaltsarbeiten.
Wir haben frische Wäsche, europäisches Wasser im Tank und ein leeres Klo- also alles, was der campende Mensch so braucht.
Die Sonne zeigt sich auch. Da sieht gleich alles freundlicher aus, und in den nächstes Tagen soll es ja noch schöner werden.
Gegen Mittag brechen wir wieder auf- nach Westen, Richtung Faro.
Bald sehen wir zum ersten Mal in Portugal das Meer. Wir erkennen auch die vorgelagerten Inseln und Sandbänke, die die Lagune Ria Formosa bilden, Europas größte Lagunenlandschaft.
Ein sehr netter Zwischenstopp ist der Palácio de Estói. Das verspielte Rokoko-Schlösschen mit seinem hübschen kleinen Park - für den es sich etwas großspurig Versailles als Vorbild genommen hatte - war zwischenzeitlich arg verfallen. Seit es zu einem edlen Gästehaus, einer Pousada, umgebaut worden ist, erstrahlt es wieder im alten Glanz.
Das ganze Dorf Estói gefällt uns besonders gut. Hier sehen wir auch blühende Olivenbäume. Die vielen kleinen, zarten, cremefarbenen Blütenrispen haben wir noch nie gesehen. Wahrscheinlich waren wir immer in der falschen Jahreszeit dafür im Süden.
Wir fahren weiter nach Faro, der wichtigsten Stadt an der Algarve. Wir spazieren durch die sehr nette Altstadt, die ganz von Mauern umgeben ist. Teilweise ist sie verkehrsberuhigt und teilweise ganz Fußgängerzone. Besonders hübsch finden wir die mehrfärbigen Pflastersteine, die in Mustern angeordnet sind. Einem der Stadttore kann man die maurische Vergangenheit noch ansehen- wenn man genau hinschaut.
Der Name Algarve kommt ja auch aus dem Arabischen. Al Gharb = der Westen. Natürlich, alles was mit „Al“ anfängt, muss arabisch sein.
Die Kathedrale mit dem klotzigen Wehrturm finden wir nicht so gelungen. In dieser Stadt gibt es auch einige der typischen portugiesischen Wohnhäuser, deren Fassaden ganz gekachelt sind. Bei manchen sieht das sehr hübsch aus, andere scheinen eher in der Badezimmerabteilung von Baumarkt zugegriffen zu haben.
Uns zieht es weiter nach Westen, nach Lagos, wo die Römer ihren Hafen und die Mauren eine Islamschule hatten. In der Nähe dieses Städtchens ist die Felsen-Algarve besonders spektakulär. Die Ponta da Piedade ist die Spitze einer steilen Landzunge, die in den Atlantik ragt. Es bietet sich eine 20 Meter hohe Felsklippenlandschaft mit Grotten und wilden Felsformationen. Wir sind von den tollen Ausblicken begeistert.
Hier würden wir gerne die Nacht verbringen, aber leider ist es verboten.
Wir fahren also schweren Herzens noch ein Stückchen weiter nach Westen auf einen Campingplatz.
Für Feuerwerke sind wir hier offenbar zu weit weg vom Schuss.
Übrigens, Portugal ist ein bisschen kleiner als Österreich. Laut Reiseführer sind die Portugiesen die Preußen der Iberischen Halbinsel. Sie stellen sich immer brav an, warten an der Ampel bei Rot, usw.
Im Zweiten Weltkrieg war das Land neutral, siehe „Casablanca“- auch ein Lehrfilm für diese Reise.
Übrigens war Portugal auch bei der EFTA, wie Österreich. Jetzt gehört es natürlich zur EU.
180 km
Fr, 26. April
Strahlender Sonnenschein.
Wir fahren nach Ponta de Sagres, dem südlichsten Spitzel der Algarve.
Heinrich der Seefahrer, in Portugal als Infante Henrique verehrt - er wurde nämlich 1394 als vierter Sohn des Königs Johann I. geboren - unterstützte von hier aus portugiesische Entdeckungsfahrten mit dem Ziel, Afrika zu umsegeln, um dadurch einen neuen Handelsweg nach Indien zu finden. Sein immenses Vermögen steckte er in diesen Plan, dessen Erfolg er aber leider nicht mehr erlebte. Heinrichs Interesse diente ausschließlich der Seefahrt, obwohl er selbst nur ein einziges Mal ein Schiff bestiegen hatte. Er gründete hier in Sagres eine berühmte Seefahrerschule. Die gibt es nicht mehr. Auch sein Palast ist nicht mehr vorhanden. Der englische Freibeuter Francis Drake hat hier im 16. Jhd. gewütet. Den Rest besorgte das Erdbeben von 1755. Der Platz bietet also gar nichts, außer links Meer und rechts auch Meer. Falls ein Genius Loci spürbar ist, scheinen den jede Menge Touristen wahrzunehmen. Na ja, wir sind ja schließlich auch da.
Am Forte de Beliche ist die Aussicht spektakulärer. Hier ragen die Felsen des 60m hoch senkrecht aus dem Meer. Die Wellen sind so hoch, dass sie bis zu uns heraufspritzen.
Der ursprüngliche Leuchtturm fiel auch Francis Drake zum Opfer. Heute steht ein moderner hier.
Das Cabo de São Vincente ist der südwestlichste Punkt des europäischen Festlands.
Der Würstelstand mit der Aufschrift „Letzte Bratwurst vor Amerika“ ist sogar im Reiseführer erwähnt. Da können wir nur flüchten.
Nun verlassen wir die Algarve und fahren auf einer landschaftlich besonders schönen Strecke nach Norden. Wir haben hier die ideale Jahreszeit erwischt, volle Blütenpracht, angenehm warmes Wetter aber nicht brutal heiß.
Es geht ein bisschen bergauf. Wir fahren durch die Serra de Monchique. Die Landschaft bleibt aber lieblich.
Für die Mittagspause finden wir einen wunderschönen Platz im Wald, den wir auch zum Sporteln benutzen. Von den vielen Blumen, die hier blühen, schicken wir Fotos in die Welt hinaus.
Als das Land sich wieder öffnet, sehen wir ziemlich viele moderne Windräder. Kein Wunder, dass auch alte Windmühlen hier rumstehen, allerdings die meisten ohne Flügel. Oft steht in den blendend weißen Dörfern mit hellroten Dächern die Windmühle an der höchsten Stelle.
Unseren Übernachtungsplatz finden wir in einer wilden Camper-Kolonie in dem sehr hübschen Feriendorf Vila Nova de Milfontes. Es liegt in einem Naturschutzgebiet direkt am Meer.
Uns gefällt es sehr in Portugal. Wir spüren Charme und Wärme. Das Land hat sich total gemausert. Ich war vor ca. 25 Jahren mit Christian und Thomas hier. Da hat es einen eher ärmlichen Eindruck gemacht. Es hat viel von der EU profitiert und ist heute sogar Nettozahler.
188 km
27. April
Blick aus dem Fenster, heute wird wieder ein wunderbarer Tag.
Jetzt freuen wir uns schon auf Lissabon.
Für die knapp 200 km bis dorthin entscheiden wir uns für die Autobahn und fahren durch eine Dünenlandschaft. Auf dem Sand können offenbar Büsche, Pinien und besonders Korkeichen gut gedeihen. Wir sehen abgeschälte Stämme und gelagerte Korkrinde. Die Rinde ist ja recht knorrig und silbergrau. Die abgeschälten Teile der Stämme sind glatt und dunkelbraun. Mich erinnert das ein wenig an geschorene Pudel. Die Bäume können alle 8-12 Jahre aufs Neue beerntet werden. Mein Kork-Rucksack stammt ja auch aus Portugal.
Die vielen Storchennester beachten wir auf dieser Reise ja kaum noch, aber jetzt sind wir gerade an einer 9-stöckigen Kolonie auf einem Hochspannungsmasten vorbeigefahren. 3 bis 4 Stockwerke gibt es ja recht oft.
Kurz bevor wir nach Lissabon kommen, begrüßt uns die Statue „Christus der Stelzengänger“ mit seinen 75m langen Beinen. Offiziell heißt sie Christus Rei = Christkönig. Mit seinen ausgebreiteten Armen wendet er sich der Stadt zu. Das Monument wurde aus Dank dafür errichtet, dass Portugal vom Zweiten Weltkrieg verschont geblieben ist.
Kurz darauf erreichen wir unseren Campingplatz. Er ist sehr schön und auch sehr teuer. Lustig finden wir, dass auf dem Platz neben uns der Zwillingsbruder unseres Wohnmobils steht. Bis jetzt haben wir noch nie das genau gleiche Modell auf freier Wildbahn gesehen.
Wir verbringen den restlichen Tag gemütlich in der Sonne. Morgen werden wir das Besichtigungsprogramm der Stadt in Angriff nehmen.
198 km
So, 28. April
Lissabon, wir kommen. Die Hauptstadt von Portugal hat ca. 500.000 Einwohner. In den letzten Jahren ist die Stadt enorm geschrumpft. Vor 30 Jahren wohnten hier noch 800.000 Leute. Lissabon hat mit großen strukturellen Problemen, der maroden Bausubstanz und dem enormen Straßenverkehr zu kämpfen. Mit dem kämpfen wir heute nicht. Wir nehmen den Bus und dann die U-Bahn.
Da wir in Calatravas Ostbahnhof ankommen, ist der auch der erste Punkt auf unserer Besichtigungstour. Er entstand für die Expo 1998. Er lehnt sich an gotisch wirkende Stilelemente an. Man erkennt schon die Handschrift des genialen Architekten, aber an seine späteren Meisterwerke kommt dieser Bau nicht heran.
Was uns beim Herumspazieren in der Stadt sofort auffällt sind die enormen Höhenunterschiede, die wir auf steilen Straßen, Stiegen und einer Rolltreppe überwinden.
Das Castelo de São Jorge wurde jahrhundertelang als Königsburg benutzt. Durch das große Erdbeben von 1755 wurde sie stark zerstört. Nun ist sie wieder in einem guten Zustand.
Das erwähnte Erdbeben besiegelte damals den Niedergang der Stadt, von dem sie sich nur langsam erholt hat. In einem Durchgang ist die Geschichte der Stadt als Comics an die Wand gemalt. Das erinnert mich ein wenig an eine Biblia Pauperum- eine „Historia Pauperum“ sozusagen. Das verheerende Erdbeben wird mit „Brrrrrrrrr“ beschrieben.
Die Burg selbst interessiert uns gar nicht so sehr, sondern mehr der Stadtteil Alfama, in dem sie liegt. Es ist der älteste Teil der Stadt. Viele Häuser sind auch hier außen gekachelt, und einige haben besonders schöne Fenster- und Balkongitter. Auch die hübschen blauen Kachelbilder, die Azulejos, sieht man recht oft. In den Straßen ertönt Musik.
Wir spazieren bei sommerlichem Wetter auf buckeligem Kopfsteinpflaster durch stimmungsvolle Gassen mit blühenden Bäumen und netten Lokalen, wo wohl einst auch Portugals berühmtester Lyriker Fernando Pessoa flanierte.
Die Aussicht von hier oben auf die Stadt ist besonders schön. Und die Gebäude, die wir von hier oben sehen, schauen wir uns jetzt genauer an.
Viele Touristen lassen sich von den bunten dreirädrigen Autorikschas, genannt „Tuc Tuc“ durch die Straßen chauffieren. Wir sind sportlich und benutzen lieber unsere eigenen Beine.
Auch die berühmten Straßenbahnen der Linie 28 mit ihrer reizvollen Streckenführung, den steilen Abschnitten und engen Kurven bleiben für uns nur Fotomotive.
Die Catedral Sé de Patriarcal, die Kathedrale des Patriarchats von Lissabon ist eine schöne, große romanische Kirche, die das Erdbeben überstanden hat.
Der Arco da Rua Augusta ist ein Triumphbogen in der Baixa, der Unterstadt, dem Zentrum Lissabons. Der Arco wurde durch das Erdbeben zerstört, aber es ist ihnen nichts besseres eingefallen, als ihn wieder aufzubauen.
„Na servas“, während ich noch überlege, wie ich das klotzige Machwerk beschreiben soll, findet Klaus wieder einmal die richtigen Worte. „Das ist der meist-Habidere-Bogen, den ich je gesehen habe.“ Wir drehen also auf dem Absatz um und gehen weiter zum Elevador de Santa Justa, ein 45m hoher reich verzierter Personenaufzug aus Metall. Er wurde 1902 gebaut und verbindet die Baixa mit der Oberstadt Chiado. Auch hier stellen wir fest, dass er von außen attraktiver ist als von innen und schnaufen über eine steile Straße daneben hinauf zur oberen Plattform.
Nicht weit davon entfernt liegt das Convento do Carmo, vom gotischen Kloster des Karmeliter-Ordens sind nach dem Erdbeben nur Ruinen übrig geblieben, in denen heute das archäologische Museum untergebracht ist. Im dachlosen Kirchenschiff finden wegen der guten Akustik im Sommer Konzerte statt.
Überall, wo viele Touristen sind, fallen uns Standln auf, die hübsche Taschen und Rucksäcke aus Kork verkaufen. Hier sitzt man offenbar an der Kork-Quelle. Bei uns habe ich das nur ein einziges Mal auf der „Veganmania“ gesehen, wo ich meinen netten Rucksack gekauft habe.
Wir genießen eine kulinarisch äußerst zufriedenstellende Mittagspause, und nachdem wir uns noch einige sehr interessante Werke der berühmten Lissaboner Street Art, die teilweise ganze Hausfassaden einnehmen, angeschaut haben, fahren wir mit der U-Bahn zum Museu Calouste Gulbenkian. Der reiche Armenier dieses Namens lebte 1869-1955 und sammelte sein Leben lang Kunstwerke. Das Museum stellt eine bedeutende Privatsammlung dar.
Zu unserer Überraschung und Freude ist der Eintritt heute am Sonntag gratis.
Für mich erwähnenswert sind ein schöner Ghirlandaio, zwei Rembrandts, ein Gainsborough und ein Seestück von Turner. Auch die Degas und Monets gefallen mir. Sehr nett finde ich „Die Seifenblasen“ von Manet.
Eigentlich handelt es sich bei den Exponaten um eine wilde Mischung. Mitten unter den Bildern sind auch Skulpturen, Möbel, Geschirr und Teppiche ausgestellt.
Besonders schön finde ich den schattigen Park, in dem das Gebäude steht. Viele Leute sitzen und liegen im Gras, picknicken oder nehmen ein Sonnenbad.
Museumsbesuche machen immer müde. Und die Füße tun uns auch schon weh. Also machen wir uns auf den Heimweg. Nach der langen Busfahrt sind wir sehr froh, wieder zu Hause im Wohnmobil anzukommen. Die eigentliche Arbeit, das Aufarbeiten des heutigen Tages liegt ja noch vor uns.
Mo, 29. April
Heute fahren wir mit dem Autobus in die andere Richtung, weil wir ins Belém-Viertel wollen.
Dort, wo der Fluss Tejo mündet - wir haben ihn in Toledo als Tajo kennengelernt - steht das Padrãos dos Descobrimentos = Denkmal der Entdeckungen. Es wurde 1960 zum 500. Todestag Heinrichs des Seefahrers errichtet. 33 wichtige portugiesische Persönlichkeiten des Spätmittelalters sind darauf dargestellt, die aber gar nicht gleichzeitig gelebt haben, Seefahrer und Entdecker, Kartographen, Forscher, Wissenschaftler, Schriftsteller, Maler, Missionare aber auch Soldaten in „heiliger“ Mission. Sie alle strebten nach neuen Ufern. An der Spitze steht Heinrich der Seefahrer selbst. Als einzige Frau kniet auch die Königin Philippa, Heinrichs Mutter dabei.
Besonders gut gefällt uns die Windrose aus Mosaiksteinen auf dem Pflaster davor. Eine Weltkarte im Zentrum zeigt die Routen der portugiesischen Entdecker im 15. Und 16. Jhd.
Das Bild hat einen Durchmesser von 50m. Von oben kann man es besonders gut überblicken, deshalb fahren wir auch mit dem Aufzug aufs Dach des Denkmals hinauf.
Von hier haben wir auch einen guten Blick auf das Hieronymus-Kloster, das wir morgen besuchen werden, den Yachthafen, die rote „Brücke des 25. April“ über die Tejo-Mündung und auf den „Stelzenjesus“, den ich ja schon vorgestern erwähnt habe.
Wir schauen in die andere Richtung und werfen einen ersten Blick auf den hübschen Torre de Belém. Da gehen wir jetzt hin. Der Turm steht im Wasser, aber jetzt, bei Ebbe, könnte man hinübergehen. Er wurde in Manuelinischem Stil gebaut, der portugiesischen Sonderform der Spätgotik, mit Elementen aus der Renaissance. Benannt ist dieser Stil nach König Manuel I.
Der Wachturm wurde von napoleonischen Truppen teilweise eingerissen und im 19. Jhd. rekonstruiert. Er ist seither das Wahrzeichen der Stadt.
Es gab ursprünglich auf der anderen Seite des Flusses ein Gegenstück. Dieser zweite Turm wurde durch das Erdbeben von 1755 zerstört.
Da fährt doch glatt ein Autobus im Wasser an uns vorbei. Bei den sogenannten Hippo-Trips werden Fahrzeuge verwendet, mit denen man sowohl auf dem Land, als auch im Wasser fahren kann.
Auf der Suche nach weiterer Street Art finden wir den „Big Raccoon“ von Bordalo II. Der Waschbär ist aus Autoteilen zusammengesetzt. Der junge Künstler macht der auf der ganzen Welt ähnliche Installationen. Sein Schimpanse hat uns bereits in Madrid begeistert.
Gleich daneben steht das Museu Coleção Berardo, das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Es beherbergt die Privatsammlung von José Berardo. Der reiche Geschäftsmann und Investmentbanker lebt noch und sammelt weiter. Im Garten - gleichsam als Begrüßung - stehen Skulpturen von Niki de Saint-Phalle und Henry Moore.
Wie immer in der modernen Kunst gibt es Objekte, die mir sehr gut gefallen und die mich berühren, und andere, zu denen ich keinen Zugang finde. Aber das ist ja eigentlich in allen Kunstrichtungen so. Wir sehen Werke von Picasso, Miró, Salvador Dali, Alexander Calder, Georg Baselitz, Modigliani, Mondrian und vielen anderen Künstlern, die mir unbekannt sind. Auch viel Pop Art ist dabei.
Museumsbesuche machen immer müde. Wir wanken weiter durch die Hitze. Auch in Portugal erkennt man die Einheimischen daran, dass sie Jacken und Pullover anhaben.
In einem Fotogeschäft kaufen wir einen Reserveakku für den Fotoapparat. Auf mysteriöse Weise ist uns einer abhanden gekommen.
Aber jetzt wollen wir nur noch nach Hause. Wir kennen uns in Lissabon nun schon recht gut aus. Gestern mussten wir ja lange herumsuchen, aber heute wissen wir schon, von wo unser Bus zum Campingplatz wegfährt.
Di, 30. April
Heute fahren wir zum letzten Mal in die Stadt. Klaus möchte noch gerne ins Museu Nacional de Arte Antiga = Nationalmuseum für Alte Kunst, das gestern geschlossen hatte.
Es ist das bedeutendste Museum Portugals.
Wir durcheilen raschen Schrittes die Räume und halten nur kurz bei Lukas Cranach, Hans Holbein und einem Tizian, der von der Eremitage ausgeborgt ist. Haben wir den damals in Leningrad gesehen? Auch den Skulpturen aus glasierter Keramik von Luca della Robbia schenken wir einen kurzen Blick.
Besonders stolz ist das Museum auf ein Werk des portugiesischen Malers Nuno Gonçalves „Die Anbetung des Heiligen Vinzenz“. Das Polyptychon stammt aus dem 15. Jhd. Es besteht aus sechs Bildtafeln mit 60 Portraits. St. Vinzenz, ein Märtyrer aus dem 4. Jhd, ist ja der Schutzpatron von Portugal.
Klaus möchte aber vor allem ein bestimmtes Werk von Hieronymus Bosch sehen. „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ ist ein anspielungsreiches Altarbild mit vielen skurrilen Details, wie man das ja von diesem Maler kennt. Das Bild ist zweifelsfrei sehr interessant, aber gefällig ist es nicht. Da gefällt mir der andere Hieronymus im Raum besser. Das Bild des Heiligen von Dürer.
Nach so viel Hieronymus liegt es nahe, nun auch noch das Mosteiro dos Jerónimos = Hieronymus-Kloster näher in Augenschein zu nehmen. Es ist wie der Torre de Belém in Manuelinischem Stil erbaut. Beide sind UNESCO-Kulturerbe.
Das weiße Gebäude gefällt uns überraschend gut- weiß wie die Votivkirche, aber wirklich alt und daher viel schöner. Außerdem ist es viiiel größer. Das Kloster hat das Erdbeben von 1755 überstanden. In der Kirche liegen u. a. einige Könige, der Seefahrer Vasco da Gama und der Dichter Fernando Pessoa begraben.
Am Nachmittag verlassen wir unseren schönen Campingplatz und die Stadt und ziehen weiter.
Wir fahren nach Westen, zum Cabo da Roca, dem westlichsten Punkt von Kontinentaleuropa. Wieder einmal ragen die Felsen senkrecht aus dem Meer. Wir werden ordentlich durchgeblasen, wie wir die 140m in die Tiefe schauen.
Nun besuchen wir Sintra. Die Stadt gehört zusammen mit der umliegenden Kulturlandschaft samt den exzentrischen Villen und Herrensitzen zum UNESCO-Kulturerbe. Hier war ein Zentrum der Romantischen Architektur und Landschaftsgestaltung. Die portugiesischen Könige hatten im 15. Jhd. in Sintra ihre Sommerresidenz. Interessant am Königspalast sind die ungewöhnlichen, spitzen Küchenrauchfänge. Wir gehen ein bisschen spazieren. Das Städtchen ist ja ganz nett, aber dass es sooo romantisch sein soll, können wir nicht wirklich nachvollziehen. Lord Byron hat es offenbar besser gefallen. Er nannte es „glorioses Eden“. Und wer als Lissaboner Bürger etwas auf sich hielt, kam im 19. Jhd. zur Sommerfrische hierher. Das Sommerschlösschen im Stadtzentrum stammt auch aus dieser Zeit. Genauso sieht es aus. Und oben auf dem Berg steht die maurische Burg.
Heute übernachten wir auf dem Parkplatz eines Buddhistischen Zentrums- mit seeehr viel Gold verziert. Gutes Chi ist uns da wohl sicher. Da trifft sich’s ja gut, dass wir vegan kochen.
63 km
Mi, 1. Mai
Wir fahren weiter nach Norden und rollen durch kleine Dörfer. Manche von ihnen nennen wir „Fliesen City“, in denen fast alle Häuser außen verkachelt sind.
Auf unserer Strecke sehen wir heute sehr viele Windmühlen, mit und ohne Segel-Bespannung. Die Gestänge sind mit kleinen Tonkrügen bestückt. Was das zu bedeuten hat, lehrt uns erst das Internet. Es handelt sich um die „Singenden Windmühlen“ von Portugal. Der Müller konnte am Ton die Windstärke erkennen.
In dieser windigen Gegend stehen auch moderne Windräder, und in fast jedem Garten dreht sich eine kleine Deko-Mühle.
Unsere erste Station ist Óbidos, die Stadt der Königinnen, Vila das Rainhas. König Alfons II hatte die Stadt im Ende des 12. Jhd. seiner Frau als Morgengabe übergeben. Diese Tradition wurde bis ins 19. Jhd. fortgesetzt- daher der Name. Das hübsche Städtchen ist vollständig von begehbaren Stadtmauern umgeben- das portugiesische Rothenburg sozusagen. Die steilen Gassen sind blumengeschmückt. Die Häuser haben blaue Umrandungen an Mauern und Fenstern. Oben thront die Burg. Alles ist sehr malerisch. Allerdings schieben sich täglich mehrere Busladungen voller Touristen durch die Hauptstraße mit den vielen Souvenirläden und Restaurants. Wir weichen in die Nebengassen aus. Dorthin, wo die ganz normalen Einwohner leben. Da ist es dann auf einmal sehr ruhig.
Eigentlich stehen heute noch zwei Zisterzienserkloster auf dem Programm, aber leider ist heute, am 1. Mai, alles geschlossen. „La Festa Comunista“, wie man uns erklärt.
Also suchen wir uns einen Übernachtungsplatz in der Nähe und nehmen uns die Besichtigungen für morgen vor. Wir stellen uns einfach auf einen Parkplatz im Zentrum von Alcobaça. Von hier aus kann man ganz gemütlich zu Fuß zum Kloster hinübergehen, wie wir bei einem netten Spaziergang durch die kleine, hübsche Stadt feststellen
181 km
Do, 2. Mai
Heute ist also der Tag der Zisterzienserklöster. Als erstes ist Alcobaça dran.
Zisterzienserklöster wurden immer in einer Senke gegründet, niemals auf einem Berg. Und Wasser war auch sehr wichtig. Dieses hier liegt am Zusammenfluss der Flüsse Alcoa und Baça. Es geht auf das 12. Jhd. zurück und entstand am Beginn der zweiten Klosterwelle von Bernhard von Clairvaux.
Über mehrere Jahrhunderte war hier das kulturelle Zentrum Portugals.
Ursprünglich durften die Zisterzienserklöster ja gar keine Türme haben und sollten sehr schlicht sein. Die Anlage hier wurde ständig erweitert, und leider wurden im 17. Jhd. eine barocke Fassade und barocke Türme hinzugefügt.
Von außen gefällt mir der Bau schon einmal nicht. Mal sehen, was es innen zu bieten hat.
Oh, das ist ja atemberaubend. Schlichtheit und Strenge, wie sie das Konzept der Zisterzienser verlangte. 24 schlanke, hohe Säulen führen auf das Querschiff vor dem Chor zu. Durch einen Kranz farbloser Fenster flutet das Licht herein. Es gibt keine Seitenkapellen. Das Auge hat nur ein Ziel, den Gekreuzigten am Hochaltar. Das Licht war das einzige dekorative Element, das die Zisterzienser sich erlaubten. So toll habe ich mir das Innere der Kirche wirklich nicht vorgestellt.
Im Querhaus der Abteikirche stehen die fein gearbeiteten, hochgotischen Sarkophage König Pedros I und seiner geliebten heimlichen Ehefrau Inês de Castro aus dem 14. Jhd. Die junge - nicht standesgemäße - Frau wurde nach einigen wenigen glücklichen Jahren auf Geheiß von Pedros Vater - der zu der Zeit noch der König war - wegen Hochverrats angeklagt und enthauptet, als der Kronprinz gerade auf der Jagd war. Pedro soll sich später an den Mördern grausam gerächt haben. Jedenfalls ließ er Inês mit Krone - als Königin, die sie nie war - darstellen.
Die herzzerreißende Liebesgeschichte berührt noch heute die Herzen der Portugiesen und besonders der Portugiesinnen. Sie wurde in zahllosen Romanen, Opern, Theaterstücken und Filmen verarbeitet.
Auch andere Könige sind in der Kirche bestattet. Berührend ist die ganz einfache, romanische Darstellung der Königin Beatrix mit ihren 5 Kindern.
Das Kloster selbst können wir auch besichtigen. Der schöne und schlichte Kreuzgang führt um einen hübschen Orangengarten herum. Ganz besonders beeindruckend ist die Küche, mit riesigem Rauchabzug, großen Wasserbecken und Steintischen. Es gab hier offensichtlich ein Kanalsystem, wie Löcher im Stein-Boden zeigen. Alles ist verfliest. Und die Wände sind mit Azulejos geschmückt. Hier wurde für höchstens 999 Mönche gekocht. Mehr durften es laut Zisterzienserregel nicht werden. Nebenan liegt das Refektorium, ein wunderschöner Raum mit Kreuzrippengewölbe. Wir sehen auch noch den Kapitelsaal und das Dormitorium. Klaus ist von diesem Raum ganz besonders begeistert. Er meint, er entwickelt eine wunderbare Energie durch die Architektur.
Bei der Weiterfahrt tanken wir noch rasch, weil hier der Treibstoff so besonders günstig ist.
Ca. 20 km entfernt liegt Batalha. Es ist sehr groß und bereits deutlich von der späteren Manuelinischen Epoche geprägt. Die Westfassade ist sehr schön. Im Eingangstor sind die zwölf Apostel dargestellt. Einige der Wasserspeicher finden wir besonders lustig. Grisu, der kleine Drache, der ein Feuerwehrmann werden möchte, ist auch dabei.
Der Grundriss der Kirche hat die Form eines Schlüssels. Seitlich rechts, neben dem Eingang liegt die Gründerkapelle- der Schlüsselbart. Und hinter dem Altar befindet sich der unvollendete Kapellenkranz mit Turmstümpfen, dafür ohne Dach- der Griff des Schlüssels. Diese Kapellen waren ursprünglich für die Grabmäler der Königsfamilie vorgesehen.
Das Innere der Kirche ist auch gotisch, lange nicht so schlicht wie die in Alcobaça, aber doch recht schön. In der Gründerkapelle liegen unter anderem König Juan I und Königin Philippa begraben, die Eltern von Heinrich dem Seefahrer. Die Darstellung des Königspaars ist besonders nett. Sie halten einander an den Händen.
Dieser König hatte in aussichtsloser Schlacht gelobt, ein Kloster zu gründen, falls er doch gewinnen sollte. Wie man sieht, hat er es geschafft.
Im reich verzierten Kreuzgang werden wir Zeugen der Wachablöse vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten. Lautes Stiefelknallen hallt durch die ganze Anlage- eine Mischung aus Kasperltheater und Ballett.
Auf zum nächsten Kloster. Tomar ist ca. 45 km entfernt. Unser Wohnmobil ruckelt merkwürdig beim Losfahren. Nach einigen Kilometern zeigt die elektronische Anzeige merkwürdige Dinge an. Wir rätseln, was die Ursache sein könnte. Auf dem Klosterparkplatz meint Klaus, Benzingeruch wahrzunehmen. Er öffnet den Tank, es spritzt ihm entgegen und riecht eindeutig. O Gott, offenbar haben wir wirklich Gasóleo mit Gasolina verwechselt und irrtümlich Benzin statt Diesel getankt.
Zahlen mit vielen Nullen tanzen durch unsere Gehirne. Das wird wohl eine teure Reparatur werden.
Wir beschließen, uns nicht zu ärgern oder gar Schuldzuweisungen vorzunehmen. Das würde ohnehin gar nichts bringen. Jetzt schauen wir uns einmal dieses Zeug hier an, weshalb wir gekommen sind. Das Besondere ist hier die wuchtige Templerrotunde. Der romanische Zentralbau wurde - inspiriert durch den Jerusalemer Tempel - im 12. Jhd errichtet. Der von Säulen getragene Mittelteil wirkt wie ein überdimensionierter Tabernakel. Wir sind beeindruckt, weil wir so etwas noch nie gesehen haben. Mich erinnert das Ganze ja in seiner Buntheit - respektlos, wie ich zugebe - an ein altmodisches Ringelspiel. Diese sogenannte Charola wurde als Chor in die neuere Manuelinische Kirche der Christusritter einbezogen.
Der hiesige Kreuzgang ist blau gekachelt. Wahrzeichen der gesamten Anlage ist das berühmte Fenster von Tomar- Manuelinik pur. Es ist über und über dekoriert.
In all den Klöstern, die wir heute besucht haben, leben heute keine Mönche mehr.
So, fast hätten wir über die interessante Besichtigung unsere Problematik vergessen. Wir rufen die Servicestelle unserer Versicherung an, die uns einen Abschleppwagen organisieren. Die Wartezeit nützen wir fürs Mittagessen. Wir sind erstaunlich guter Dinge. Die „beste aller Lösungen“ ist bestellt. Wir werden’s uns irgendwie leisten können. Vielleicht kommen wir ein paar Tage später nach Hause. Es ist fast wie ein lustiges Abenteuer.
Nach ca. 45 Min. kommt der Abschleppdienst und bringt uns in eine kleine Werkstatt ganz in der Nähe. Dort kümmern sich drei echte Kerle freundlich um uns- in portugiesischer Originalfassung. Schließlich kommt noch ein älterer Mann dazu, der französisch spricht, was die Kommunikation deutlich erleichtert. Alle wiegen besorgt die Köpfe. Schließlich sind wir ja noch fast 50 km mit dem falschen Treibstoff gefahren. Das Benzin-Diesel-Gemisch wird abgeschlaucht. Die Leitungen werden gesäubert. Wir bekommen einen neuen Kraftstofffilter. Schließlich wird Diesel eingefüllt, und - o Wunder - der Motor schnurrt. Wir können es kaum glauben, dass der Motor keine Schäden davongetragen hat. Die Episode hat uns etwas über € 100,00 gekostet, plus Trinkgeld für die rettenden Engel. Das Abschleppen bezahlt ja unsere Versicherung.
Sehr erleichtert und dankbar machen wir uns wieder auf den Weg. Beim voll Tanken checken wir alles seeehr sorgfältig und gönnen unserem Gefährt diesmal die teuerste Dieselvariante. Es hat uns ja bis jetzt immer so treu gedient. Allerdings muss man es eben auch ordentlich füttern.
Was uns beim Umgang mit den Mechanikern aufgefallen ist. Wir haben kein einziges Wort verstanden, wenn sie gesprochen haben, während man mit den portugiesischen Aufschriften sehr wohl etwas anfangen kann. Die Aussprache ist offenbar sehr speziell.
Wir werfen uns auf die Autobahn und rauschen bei wunderschönem Abendrot nach Norden, bis nach Porto. Wir freuen uns, dass wir das doch heute noch geschafft haben. Die Einfahrt in die hell erleuchtete Stadt ist wunderschön. Wir finden den ausgewiesenen Stellplatz am Rio Douro, der hier in den Atlantik mündet. Der Blick auf den Fluss und die Lichter der Stadt ist direkt romantisch.
277 km + 3 km mit dem Abschleppwagen
Fr, 3. Mai
Da wir unmittelbar an der Mündung des Douro stehen, kann man hier am Fluss die Gezeiten wahrnehmen. Bei Ebbe und Tageslicht wirkt alles nur mehr halb so schön.
Wir freuen uns jetzt auf eine wunderschöne Fahrt nach Norden, entlang der Atlantikküste.
Gegen Mittag kommen wir an die spanische Grenze und überschreiten den Rio Miño. Wir werden das Land, das uns schon ans Herz gewachsen ist, heute verlassen.
Portugal ist ja eines von den wenigen Ländern, die seit über hundert Jahren keinen Krieg mehr erlebt haben. Ich finde, das merkt man irgendwie.
Auch SPANIEN ist wunderschön. Was die Uhrzeit betrifft, gleichen wir uns jetzt wieder an unsere Lieben zu Hause an und stellen unsere Uhren um eine Stunde nach vor. Wir sind jetzt in GALICIEN, dem nordwestlichsten Tel des Landes. In dieser autonomen Provinz ist das Galicische die Amtssprache neben dem Spanischen. Es ist nahe mit dem Portugiesischen verwandt.
In dieser Gegend sieht man oft sogenannte Hórreos, Speicherbauten aus Stein für Maiskolben und andere Feldfrüchte. Sie stehen auf Stelzen, auf denen Steinscheiben aufliegen, damit die Mäuse nicht hinaufklettern können. Und sie haben ganz schmale Schlitze, damit keine Vögel eindringen können. Durchlüftung ist aber notwendig, weil es in Galizien viel regnet, und daher sehr feucht ist. Ihre Größe ist für eine oder zwei Familien ausgelegt. Einige sind reich verziert. Oft sind Kreuze darauf angebracht, oder kleine Obelisken, die die bösen Geister abhalten sollen, oder - zur Sicherheit - beides. Die ältesten von ihnen stammen aus dem 15. Jhd. Viele dieser Speicher sind völlig verfallen, andere stehen z.B. in Gärten und werden aus Tradition oder Touristenattraktion gepflegt. Nur mehr ganz wenige von ihnen werden immer noch benützt.
Auf unserem Weg am Wasser entlang kommen wir nicht nur durch felsige Küstenlandschaft, sondern auch durch nette Feriendörfer mit Yachthafen und bunten Fähnchen. Auf weißen Stränden rekeln sich weiße Körper. Da kommt ja regelrechtes Sommerurlaub-Feeling auf.
Was sind das für eigenartige Boote im Meer? Es sind Muschelzuchtstationen.
An den Straßenrändern blüht der Ginster in seinem kräftigen Gelb, eine wahre Pracht.
Und natürlich sind hier die Jakobsweg-Pilger unterwegs. Sie haben es bald geschafft.
Unseren Schlafplatz finden wir heute in einer hübschen Bucht, direkt am Meer, ca. 50 km südwestlich von Santiago de Compostela.
366 km
4. Mai
Der Platz von heute Nacht war sehr schön. Und zu allem Überfluss haben wir auch noch einen Trinkwasserhahn gefunden. Schlauch kann man zwar keinen richtig anschließen, aber mit vereinten Kräften schaffen wir es doch irgendwie - mit viel Gespritze - unseren Wassertank zu füllen. Geduscht haben wir bei der Gelegenheit auch gleich ;-).
Wir fahren weiter nach Norden. Je näher wir Santiago de Compostela kommen, desto mehr steigt die Pilgerdichte. Wir allerdings weichen großräumig aus. Ich kenne die riesige Kathedrale mitsamt den frommen Pilgermassen schon, und Klaus hat die haarsträubende Geschichte über die Auffindung der Gebeine des Heiligen Jakob genügt. Er möchte seine diesbezügliche Bildungslücke nicht schließen.
Unser GPS führt uns heute immer wieder auf kleine, einspurige Straßen „durchs Unterholz“, wie Klaus das nennt. Das ist ja ganz lustig, aber auch anstrengend. Man hofft immer, dass kein Verrückter entgegenkommt. Ich bin immer wieder dankbar darüber, dass Klaus mit diesem großen Auto so gut zurechtkommt, und auch mit unerwarteten und gefährlichen Situationen souverän umgehen kann. Es ist immer auch ein bisschen Abenteuer dabei.
Manchmal haben wir den Eindruck im Gebirge zu sein, auf einer Alm, obwohl wir nur 300m hoch sind, und uns das Meer zu Füßen liegt. Immer wieder eröffnen sich uns schöne Aussichtspunkte. Das Wetter ist für galicische Verhältnisse wunderbar warm, etwas bewölkt und ziemlich windig. Es erinnert mich ein wenig an die Bretagne.
Schließlich landen wir an der nördlichsten Spitze der Iberischen Halbinsel - Punta de la Estaca de Bares - und schauen in den Golf von Biskaya. Unseren Schlafplatz finden wir im kleinen Hafen von Vicedo.
285 km
So, 5. Mai
Da wir ja an der nordwestlichsten Ecke von Spanien angekommen sind, geht es heute weiter nach Osten. Wir wollen die wildromantische Praia das Catedrais in der Nähe von Ribadeo sehen. Die Gesteinsformationen vermitteln den Eindruck in riesigen Kathedralen zu stehen- allerdings nur bei Ebbe. Wir kommen gerade richtig hin. Es hat fast einen mystischen Charme, durch die Felstore zu gehen.
Nun schauen wir uns noch drei echte Kirchen an, nicht ganz so alt, aber immerhin präromanisch, aus dem 9.Jhd. Sie stehen in der Nähe von Oviedo, der Hauptstadt von ASTURIEN.
Wir hoffen sehr, dass sie offen sind. Der Reiseführer verheißt kryptisch: „Wechselnde Öffnungszeiten“.
Als erstes treffen wir auf die älteste, San Julián de los Prados aus dem Beginn des 9. Jhd, eine dreischiffige Pfeilerbasilika mit interessanten Fresken. Es wird gerade Messe gefeiert. Daher ist die Kirche offen. Ein großes Schild zeigt an, dass während der Messe keine Touristen erwünscht sind. Wir gehen aber trotzdem rein- ein bisschen schuldbewusst.
Die beiden anderen Kirchen liegen ganz nahe beisammen. Vom Parkplatz aus nähert man sich ihnen auf einem netten Spaziergang.
Wir haben unverschämtes Glück. Bei San Miguel de Lillo startet gerade eine Führung, die sich dann auch auf Santa Mariá de Naranco erstreckt. Die spanische Originalfassung hat zwar keinerlei Untertitel, aber auf diese Weise haben wir überhaupt die Chance etwas vom Inneren zu sehen. San Miguel wird allerdings gerade vollständig restauriert, und wir können nur in den Vorraum vordringen. Aber schon allein für die beiden 1,80m hohen Reliefplatten neben dem hölzernen Portal hat sich der Eintritt gelohnt. Sie zeigen deutlich byzantinischen Einfluss. Der Löwe in der Zirkusszene ist ganz besonders süß.
Santa Mariá de Naranco steht auf der grünen Wiese am Fuße des Monte Naranco, nach dem sie benannt ist. Der Bau stammt aus der Mitte des 9. Jhd. und gehörte ursprünglich zur Sommerresidenz des Königs von Asturien, Ramiro I. San Miguel, das wir gerade gesehen haben, war die Palastkapelle. Ein Erdrutsch im 12. oder 13. Jhd. zerstörte einen großen Teil davon. Daher wurde das sogenannte Belvedere zur Kirche Santa Mariá umgebaut und geweiht. Die beiden charakteristischen Aussichtsarkaden blieben erhalten. Außer diesem Gebäude und den Resten von San Miguel ist von der Palastanlage nichts mehr erhalten.
Seit dem 20. Jhd. gehören alle drei Kirchen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die große, weiße Christusstatue auf dem Naranco-Berg gehört eindeutig nicht dazu.
Wir fahren weiter nach Osten, und machen wieder einmal einen Abstecher ins Hinterland, diesmal allerdings auf guten Straßen. Fast haben wir das Gefühl im niederösterreichischen Alpenvorland zu sein. Schneebedeckte Berge begleiten uns, das Kantabrische Gebirge.
Spontan entscheiden wir uns, wieder einmal auf einem echten Campingplatz zu übernachten. Wir sind recht früh dran und haben auch noch genug Zeit zum Wäsche Waschen.
325 km
Mo, 6. Mai
Wir fahren auf einer richtigen Bergstraße, aus den Felsen herausgesprengt. Immer wieder geht es durch kleine Tunnel. Neben uns geht es steil in eine Schlucht hinunter. Alles um uns herum ist grün. Der Anblick ist uns von zu Hause her sehr vertraut, und wir genießen ihn. Der Blick auf die Picos de Europa, die zum Kantabrischen Gebirge gehören, ist atemberaubend.
Dann nehmen wir die Funicular de Bulnes. Die Standseilbahn aus dem Jahr 2001 fährt durch eine Betonröhre und bringt uns unter lautem Schnarren in 10 Minuten um 400 Höhenmeter weiter hinauf in das Bergdorf Bulnes. Es besteht aus einigen alten Steinhäusern, die früher wohl für die Almwirtschaft genutzt wurden. Heute dienen einige davon als stimmungsvolle Herbergen und Restaurants. Ein Kirchlein mit kleinem Friedhof gibt es auch. Ganze 10 Einwohner leben ständig hier oben, im Sommer sind es um einige mehr. Touristenmassen und Souvenirstandeln gibt es keine, nur ein paar Wanderer. Auch wir haben uns feste Schuhe angezogen und freuen uns an der Bewegung in der frischen Bergluft. Sehr idyllisch ist es hier oben. Hohe Berge umgeben uns.
Ins Tal hinunter nehmen wir dann wieder die Bahn.
Auf unserer Weiterfahrt - kurz nachdem wir in KANTABRIEN eingereist sind - suchen wir uns einen Platz für die Mittagspause und entdecken ein herziges, kleines Kirchlein aus dem 12. Jhd, ein Kleinod, das in keinem Reiseführer erwähnt wird.
Unsere Reise geht weiter nach Bilbao. Mit seinen 300.000 Einwohnern ist es die größte Stadt der autonomen Region BASKENLAND.
Uns interessiert am meisten das Gebäude des Guggenheim-Museums von Frank Gehry.
Das ist wirklich toll, noch toller, als ich es mir vorgestellt habe. Das Museum ist ja heute - Montag - geschlossen. Ganz in der Nähe steht die Fußgängerbrücke von Calatrava. Da haben wir in einem Aufwaschen gleich alles, was wir in dieser Stadt sehen wollten, abgearbeitet.
Und es geht weiter nach Gaztelugatxe. Man merkt schon, romanisch ist die baskische Sprache nicht. Unter den Aufschriften kann man sich überhaupt nichts vorstellen. Zum Glück ist fast alles auch auf Spanisch angeschrieben.
Die Burg Dragonstone aus „Game of Thrones“ ist hier angesiedelt. Vom Parkplatz aus muss man ziemlich weit, steil hinuntergehen und dann den 200m langen, schmalen, steinernen Übergang zur Felseninsel nehmen, die vom Meer umtost wird. Das Kirchlein, das drüben hoch oben auf dem Felsen steht, wurde im Film digital durch die Burg ersetzt. Auch in der Realität sieht das alles recht mystisch aus. Schon im 11. Jhd. stand hier eine Seefahrerkapelle.
Der Rückweg - bergauf - ist natürlich um einiges anstrengender.
Außer Atem kommen wir zum Auto zurück und stellen fest, dass die Seitentüre sperrangelweit offen steht. Es wurde in unser Häuschen eingebrochen. Mein Rucksack mit vielen persönlichen Dingen ist weg. Besonders leid ist mir um mein Taschenmesser, das ich ca. 40 Jahre lang besessen habe. Wertgegenstände, Geld oder Papiere waren keine drin.
Unsere Laptops und das iPad und sonst auch fast alles ist ja noch da. Die wirklich wichtigen Dinge trage ich ja sowieso immer in meiner Bauchtasche mit mir.
Ich empfinde eine Mischung von Erschütterung und Dankbarkeit. Das hätte noch viel schlimmer ausgehen können.
Wir beschließen, uns die wunderschöne Reise nicht kaputt machen zu lassen. Der Touristenparkplatz bietet sich als Übernachtungsplatz an. Wir werden einen Nacht über den Schreck schlafen und morgen eine Anzeige auf der Polizei machen- für die Versicherung.
271 km
Di, 7. Mai
Nach einer ausgiebigen Recherche im Internet über Zusatzsicherungen für die Wohnmobil-Türen und Fenster fahren wir zurück nach Bilbao und holen uns unsere Diebstahlsbescheinigung bei der Polizei.
Als nächstes suchen wir einen Apple-Store auf und kaufen Ladekabel und Ohrhörer nach - die wurden ja gestohlen - damit wir den Rest der Reise weiterhin gut über die Runden bringen können.
Wenn wir nun schon einmal hier sind, würden wir das Guggenheim-Museum nun auch von innen. Das Gebäude selbst ist ja eine riesige Skulptur aus Titan, Stein und Glas und soll mit den Kunstwerken, die ausgestellt werden in einen Dialog treten. 1997 wurde es eröffnet und zeigt Bildende Kunst der Gegenwart.
Wieder einmal sehen wir viele interessante Werke. Besonders berührt uns Jenny Holzer. Sie experimentiert mit Diagrammen und Worten und greift brisante Themen auf.
Heute sind wir immer wieder ein Stück zu Fuß durch die Stadt gegangen und finden sie inzwischen sehr nett. Wenn man endlich einen Parkplatz gefunden hat und ausgestiegen ist, wird jede Stadt gleich viel schöner.
Nun sind wir wieder unterwegs und werden Spanien bald verlassen.
16h30, wir reisen in FRANKREICH ein und schon wieder ins Baskenland, PAYS BASQUE.
Wir übernachten auf einem Stellplatz für Wohnmobile in einem Vorort von Biarritz.
Bei einem Spaziergang am Meer schaufeln wir Sand in unsere Sandalen.
195 km
Mi, 8. Mai
Ein Regentag, den wir vor allem auf der Autobahn verbringen.
Unsere digitale Anzeige vom Auto zeigt immer wieder an „Dieselfilter kontrollieren lassen“.
Sind das noch Nachwehen vom falschen Tanken?
Die nächste Fiat-Werkstatt wird in Pau angezeigt. Wir kommen ganz knapp nach Beginn der Mittagspause an. Wir nützen die Zeit zum Einkaufen und Essen.
Aber auch um 14h bleibt alles verschlossen. Wir probieren noch eine andere Werkstatt aus. Auch alles zu. Da fällt mir ein, dass der 8. Mai in Frankreich ja ein Feiertag ist: Befreiungstag 1945.
Der Umweg war also umsonst, nicht völlig. Klaus hat sich einen praktischen kleinen Rucksack gekauft.
Vielleicht kommen wir doch noch bis nach Hause, mit diesem Filter.
Auf jeden Fall kommen wir am Abend endlich auf dem Campingplatz in Bordeaux-Lac an- eine wunderschöne Anlage.
Do, 9. Mai
Es hat die ganze Nacht geregnet und scheint nie wieder aufzuhören.
Ha, da erscheint ein kleiner Sonnenstrahl. Wir wagen uns mutig hinaus. Mit Bus und Tram fahren wir ins Stadtzentrum. Der Regen hört tatsächlich auf.
Die Stadt macht sofort einen sympathischen Eindruck auf uns. Es gibt viel Grün und viele Radfahrer.
Die Innenstadt ist sehr nett. Es gibt noch zwei mittelalterliche Stadttore, die Porte Cailhau und La Grosse Cloche = die Dicke Glocke. Als die Stadtmauer im 18. Jhd. geschliffen wurde, entstand die kilometerlange Schaufront von Gebäuden, die alle gleich aussehen. Das großartige architektonische Ensemble spiegelt sich an der Place de la Burse wunderbar im Miroir d’eau. Diese spiegelglatte 3.450m2 große Wasserfläche ist nur ca. 2 cm tief. Man kann also hineinsteigen, was besonders Kinder und junge Leute zu Luftsprüngen, Tanzschritten und ähnlichem verführt. Seit 2006 ist er das neue Wahrzeichen von Bordeaux.
Zwischen der Stadtmauer und der Gironde - dem Zusammenfluss aus Garonne und Dordogne - lag eine breite Fläche, eine Art Glacis, das zu einem blühenden Garten verwandelt wurde.
Wir spazieren durch die charmante Stadt mit ihren engen Gassen. Die Kathedrale ist gotisch, mit Bauteilen die noch aus der Romanik stammen. Wir gehen hinein, ich sehe mich sinnend und mit wenig Begeisterung um „Da hätten sie sich schon ein bissel mehr bemühen können“, meint Klaus und trifft wieder einmal den Nagel auf den Kopf. Neben der Kirche steht der Turm Pey-Berland mit einer seehr goldenen Marienstatue auf der Spitze. Die Heiligenfiguren im Eingangsbereich blicken erstaunlich scheinheilig drein und erscheinen fast wie Karikaturen, die mich an den frömmelnden Religionslehrer „Kindlein“ aus den „Lausbubengeschichten“ von Ludwig Thoma erinnern.
Wir steigen wieder in die Straßenbahn und fahren zur Cité du Vin, einem Weinbaumuseum mit Freizeitpark zum Thema Wein. Uns interessiert eigentlich nur das eigenwillige Gebäude aus dem Jahr 2014, das uns sehr gut gefällt. Es soll glanzfeinen Wein in einem Glas nachempfinden lassen. Für mich hat es die Form eines Stiefels.
Jetzt steht noch das Museum für zeitgenössischer Kunst auf unserem Plan. Hier entdecken wir schon wieder eine sehr interessante Künstlerin, die Japanerin Takako Saito, die in Deutschland lebt. Ich finde es sehr lustig, dass die Besucher die Kunstwerke verändern und umgestalten können.
Ganz in der Nähe, an der Allée de Chartres, liegt ein Parkplatz unter Platanen. Da ist es direkt idyllisch - und schattig - wie mitten in einem Stadtwäldchen.
Jetzt müssen wir unbedingt noch den „wilden“ Brunnen am Fuße des Girondistendenkmals auf der Place des Quinconces näher im Augenschein nehmen. Da wimmelt es nur so von allegorischen Darstellungen und wilden Rossen mit Schwimmhäuten. „Ziemlich sehr“, wie wir so etwas zu nennen pflegen. Das Werk stammt aus dem Ende des 19. Jhd, wie unschwer zu erkennen ist.
Wir fahren nach Hause, und kaum sitzen wir im Autobus, fängt es wieder zu regnen an. Das regenfreie Zeitfenster haben wir wieder einmal perfekt genützt.
Heute halten wir wieder einen Filmabend ab. In Memoriam Bruno Ganz schauen wir uns „Der amerikanische Freund“ aus dem Jahre 1977 an, wieder einmal von Wim Wenders.
Fr, 10. Mai
Wir sind weiter nach Osten unterwegs. Kilometerlang fahren wir durch Weingärten.
Die elektronische Anzeige unseres Autos zeigt nach wie vor immer wieder an, dass wir den Dieselfilter kontrollieren sollen.
Wir suchen uns eine Fiat-Werkstatt in Périgueux. Was wir für eine Sitzbesichtigung der Stadt nützen.
Wir kommen schon wieder während der Mittagspause hin. Wir verbringen die Zeit in einer Pizzeria- köstlich.
Diesmal haben wir Glück, und die Werkstatt sperrt um 14h wieder auf. Wir kommen gleich dran, und es wird festgestellt, dass der „bouchon“, der Stöpsel des Filters gebrochen ist. Der wird nun getauscht und der Filter gereinigt. Wir kommen also wieder recht preisgünstig davon und können nun beruhigt weiterfahren.
Unser heutiges Tagesziel ist Brive-la- Gaillarde. Hier nutzen wir wieder einmal einen ausgewiesenen Stellplatz für Camper.
215 km
Sa, 11. Mai
Schon wieder eine Regennacht und ein Regentag.
Klaus fühlt sich nicht wohl. Er hat Halsweh, Kopfweh und Husten.
Darauf nimmt das Universum aber keine Rücksicht. Oder waren es doch wir, die unaufmerksam waren?
Die rechte Garagentür war offenbar nicht ganz zu. Jedenfalls ist sie in einer Linkskurve aufgegangen und kurz darauf an einem Absperrungsgitter hängen geblieben und ausgerissen. Wir hören den Rumpler, aber Klaus ist sich sicher, dass er nirgends angefahren ist. Ein Blick in den rechten Außenspiegel offenbart das Malheur.
Was machen wir jetzt bloß ohne Tür? Klaus meint lapidar: „Ich bau sie wieder ein“. Er schiebt seine Krankheit beiseite und mobilisiert seine sprichwörtliche Problemlösungskapazität. Ein älterer Mann kommt dazu und hilft mit. Offenbar ist er auch ein Bastler, denn er hat in seinem Kofferraum einen gut sortierten Werkzeugkasten. Die beiden Männer kommunizieren mit Händen und Füßen und verstehen einander, obwohl Klaus oberösterreichisch spricht und sein Partner französisch mit starkem italienischen Akzent- er stammt aus Sizilien. Wieder haben wir eine wunderbare Begegnung.
Die Scharniere der Türe sind ganz verbogen, aber irgendwie kriegt Klaus es hin - mit Hilfe der „Mafia“ - dass wir weiterfahren können. Erstaunlicherweise hat der Regen während der Arbeiten im Freien Pause gemacht.
Ich habe in der Zwischenzeit eine Werkstatt für Wohnmobile ausfindig gemacht, die gar nicht so weit weg ist. Internet und GPS machen das möglich.
Kaum sitzen wir im Auto, fängt es wieder zu schütten, ja sogar zu hageln an. So können wir die wirklich schöne Strecke entlang der Dordogne gar nicht richtig genießen.
Auch in Pont Lascols treffen wir auf einen freundlichen und kompetenten Mechaniker, der alles wieder repariert. Zusätzlich finden wir im angeschlossenen Shop ein Zusatzschloss für unsere hintere Eingangstüre, als Diebstahlsicherung.
Und wieder war das alles ein relativ preiswertes Vergnügen.
Wir können beide nicht mehr nachvollziehen, wer die Türe zuletzt benutzt hat, und warum sie nicht richtig verriegelt war. Jedenfalls ist ein weiterer positiver Aspekt der ganzen Geschichte, dass es keine Vorwürfe oder Schuldzuweisungen gibt. Und schon dafür hat sich dieses „Experiment“ direkt gelohnt.
Klaus’ weggeschobene Krankheit schiebt sich wieder zurück ins Zentrum der Aufmerksamkeit, und wir suchen uns relativ bald einen Platz für die Nacht. Ein Rastplatz neben der Straße, sogar mit Klo, lädt uns ein. Wir befinden uns hier übrigens genau auf dem 45. Breitengrad.
Wir können es gar nicht fassen, was da heute passiert ist. Und es ist wieder gut gegangen.
145 km
So, 12. Mai
Es schließt sich der Kreis. Wir haben wieder einmal 4° in der Früh, und unsere Heizung kommt zum Einsatz. Der Wetterbericht für die nächsten Tage ist allerdings vielversprechend.
Jetzt, am frühen Vormittag, ist es wunderschön draußen. Der Regen hat alles frisch gewaschen. Die Farben leuchten, und die Sonne blinzelt vorsichtig hervor.
Klaus scheint es ein bisschen besser zu gehen, und wir sind auf dem Weg nach Lyon.
Die Häuser im Zentralmassiv sind aus grauen bis rötlichen Feldsteinen gebaut und haben dunkelrote, fast bräunliche Dächer mit viel Patina. Von den grünen Fensterläden blättert die Farbe ab. Das alles strahlt eine strenge, etwas abweisende Schönheit aus. Man könnte es für eine Filmkulisse verwenden. Die Dächer sind sehr steil. Fast wirken sie wie dunkle Helme. Offenbar fällt hier im Winter viel Schnee.
Wir sind ineinem der einsamsten Landstriche Frankreichs. Im steilen Terrain zwischen erloschenen Vulkankraternscheinen mehr Kühe als Menschen zu leben.
Die Sitzbesichtigung von Lyon ist ja ganz nett. Uns interessiert aber vor allem das interessante Gebäude des Musée de Confluences, direkt am Zusammenfluss von Saône und Rhône. Es stammt aus dem Jahr 2014, von der Wiener Architektengruppe Coop Himmelb(l)au. Das Museum befasst sich mit den neuesten Entwicklungen im Bereich Wissenschaft.
Und noch ein weiteres Highlight wollen wir uns nicht entgehen lassen, den Bahnhof Saint-Exupéry- am Flughafen. Santiago Calatravahat ihn bereits 1994 gebaut. Und wir dachten, er musste nach dem Bahnhof in Lissabon noch üben. Dabei ist der in Lyon um 4 Jahre älter, aber viel schöner. Er erinnert uns sogar ein wenig an die Station „Oculus“ im World Trade Center in New York. Dabei stammt die erst aus 2016.
Bei der Weiterfahrt schließt sich ein weiterer Kreis- fast. Wir kommen unserer Route in die Gegenrichtung - vom Anfang dieser Reise - ganz nahe. Nach Grenoble und Valence können wir hinüber grüßen.
Nach wenigen Kilometern finden wir wieder einen offiziellen Gratis-Stellplatz. Das App „Womo Stellplatz“ ist wirklich die Entdeckung dieser Reise.
330 km
Mo, 13. Mai
Unsere letzte Woche ist angebrochen.
Das Zentralmassiv mit seinen dekorativ-dunklen Häusern haben wir hinter uns gelassen.
Wir sind auf dem Weg in die SCHWEIZ. Vor uns tauchen schneebedeckte Berge auf, die Alpen.
An der Grenze gibt es keinerlei Kontrollen. Man kommt direkt in die Stadt Genf hinein.
Wir haben einen Park-and-Ride-Ride Platz gefunden, von wo aus wir mit dem Bus ins Stadtzentrum fahren. Weil wir keine Franken haben, und die Ticket-Maschine bzw. der Busfahrer keine Kreditkarten akzeptiert, nimmt er uns einfach gratis mit.
Damit wir uns ein SIM-Karte kaufen können - die Segnungen der EU haben ja an der Grenze geendet - holen wir uns Franken aus einem Bankomaten.
Als nächstes suchen wir uns eine Buchhandlung, um uns einen Reiseführer für die Schweiz zu kaufen. Wir hatten nämlich ursprünglich gar nicht vor, hierher zu fahren. In deutscher Sprache gibt es zu unserer Überraschung nichts. Wir finden ein Guidebook auf Englisch. Das macht auf uns stark den Eindruck, als wäre es ursprünglich deutsch gewesen und dann - etwas unbeholfen - auf Englisch übersetzt worden.
Der Charme der Stadt verbirgt sich vor uns hinter grauen Mauern. Vielleicht können wir ihn aber auch nicht richtig würdigen, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, gegen den heftigen Sturmwind anzukämpfen. Der Wellengang am Genfer See ist gewaltig. Das Wasser schlägt über die Kaimauer bis auf die Promenade. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum der Jet d’eau, die 140m hohe Fontäne, die normalerweise aus dem See aufsteigt und das Wahrzeichen der Stadt ist, heute abgeschaltet ist.
Wir entdecken immerhin eine nette Fußgängerzone und zwei mittelalterliche Uhrtürme, bevor uns der Bus wieder zu unserem Auto bringt.
Bei der Weiterfahrt passieren wir noch das Brunswick Monument. Es ist das Grabmal von Herzog Karl II von Braunschweig, der hier im Zuge des Deutsch-Französischen Kriegs kinderlos verstarb. Er vermachte der Stadt sein Vermögen, wollte dafür aber ein monumentales Grabmal haben. Er tat seine Vorstellungen dafür genau kund. Offenbar hatte er vor seinem Dahinscheiden noch genug Zeit dafür. Ich finde, es sieht aus wie eine Mischung aus Albert-Memorial in London und Scott-Memorial in Edinburgh- mit einem Sarkophag halt. Schaurig schön, aus 1879.
Für die Nacht finden wir einen schönen Platz im Wald, bei Versoixam See.
160 km
Di, 14. Mai
Es hat schon etwas Besonderes, wenn man mitten im Wald aufwacht.
Unser nächstes Ziel ist Basel.
Vor uns taucht der Mont Blancauf, „Wow!“ 2010 haben wir ihn eine Woche lang teilweise umwandert, ein wunderschöner Berg.
Wir meiden heute wieder die Autobahn, schon allein deshalb, weil die Gebühren in der Schweiz sehr hoch sind. Die Entscheidung stellt sich als goldrichtig heraus, denn wir erleben eine landschaftlich wunderschöne Strecke. Wir fahren durch hübsche Schweizer Bilderbuch-Dörfer, mit schindelgedeckten Häusern mit gestreiften Fensterläden. Und dahinter die Berglandschaft und daneben der Genfer See. Wir sind ganz begeistert und beschließen - wenn wir dann alt sind ;-) - eine unserer Reisen speziell diesem Land zu widmen. Wir schrauben uns immer höher hinauf- auf eine Höhe von 1500m. Neben uns liegt Schnee.
Zu unserer Überraschung landen wir an der Grenze nach FRANKREICH, in derFRANCHE-COMTÉ. Kaum haben wir ein Baguette gekauft und günstig getankt sind wir schon wieder zurück in der SCHWEIZ.
Und weil’s so schön war, machen wir das gleich noch einmal, und wieder unerwartet. Die Straße windet sich ganz nahe an der Grenze entlang. Der Unterschied für uns ist marginal. Die Landschaft und der Sonnenschein sind hüben und drüben wunderschön, und die Sprache ist auch die gleiche.
Von EU-Außengrenze ist nichts zu bemerken. Wir werden nicht einmal ignoriert.
Und plötzlich sind alle Aufschriften Deutsch. Das ist ganz ungewohnt.
Am frühen Abend kommen wir in Basel an und suchen uns einen Platz zum Schlafen.
Wir fahren gleich nach Riehen- einem Vorort - weil wir ja morgen die Fondation Beyeler besuchen wollen. Wir finden einen ganz normalen öffentlichen Parkplatz, auf dem wir gratis über Nacht stehen können. Wir ziehen einen Parkschein um CHF 0,00, der bis morgen, 8h30 gilt.
261 km
Mi, 15. Mai
Wir ziehen einen weiteren Parkschein, diesmal bezahlt.
Zum letzten Mal auf dieser Reise holen wir uns unsere Klappräder aus der Garage. Es ist ziemlich kalt. Haube und Handschuhe sind angebracht.
Bis zur Fondation Beyelersind es nur ein paar Minuten.
Das Gebäude hat Renzo Pianoim Jahre 1997 gebaut. Von diesem Architekten kennen wir auch das Centre Pompidou in Paris und The Shard in London.
Das Museum liegt in einem Park voller Blumen und Skulpturen. Ich freue mich, eines der schönen Mobiles von Alexander Calder hier zu sehen.
Das Ehepaar Beyeler hatte ursprünglich ein Antiquariat, das es später in eine Galerie umwandelte. Mit ihrer Sammlung legten sie den Grundstein für eines der wichtigsten und schönsten Kunstmuseen der Welt.
Wir sind extra wegen der aktuellen Ausstellung hierher gefahren: „Der junge Picasso, die blaue und rosa Periode“. Wir finden die meisten Bilder sehr schön und berührend. Und es gibt auch ein Wiedersehen mit so manchem Werk, das wir schon aus anderen Kunstsammlungen der Welt kennen- z.B. aus Paris, Barcelona, London, New York, Washington DC, Chicago, Toronto und zuletzt aus Madrid.
Die blaue Periodewurde 1901 durch den Selbstmord seines Freundes Casagemas eingeleitet. Er malte in dieser Phase vor allem melancholische Bilder.
1904 war er frisch verliebt, in Fernande Olivier, und ging zur rosa Periode über.
Die Welt des Zirkus hat ihn eine Zeitlang sehr fasziniert. Er malte viele Figuren aus diesem Milieu. Picasso zeigte das - meist armselige - Alltagsleben hinter den Kulissen. Die dargestellten Personen wirken in sich gekehrt.
Es sind auch noch einige Werke ausgestellt, nachdem er sich - ab 1906 - dem Kubismus zugewendet hatte und damit eine Revolution in der Kunst des 20. Jhd. eingeleitet hatte. Das sind dann die „komischen Bilder“, wie sie ein Bub bei der Kinderführung nennt.
Mir gefällt an dieser Ausstellung besonders gut, dass zu den jeweiligen Orten und Jahren, in denen gewisse Bilder entstanden sind, zeitgenössische Filmaufnahmen und Fotos gezeigt werden. Wie sah es z.B. in Paris 1901 aus? Eine Filmszene zeigt, wie gerade ein Zirkuszelt um 1905 aufgestellt wird. Und dazu sieht man dann die Werke, die Picasso in diesem Milieu geschaffen hat. Auch Fotos vom jungen Picasso - er ist 1881 geboren - gibt es zu sehen. Ich habe bisher nur welche vom alten, arrivierten Künstler gekannt.
Ein Zitat von ihm steht groß an der Wand: „Ich wollte Maler sein und bin Picasso geworden.“
Er ist ja sehr alt geworden - 92 Jahre - und hat daher ein sehr umfangreiches Werk hinterlassen.
Beim Zurückradeln zum Auto machen wir eine kleine „Strampelbesichtigung“ vom hübschen Riehen, dem „reichsten Vorort von Basel“, wie es im Internet zu lesen steht. Seine Einwohner nennen ihn ein „Dorf“, obwohl er 20.000 Einwohner hat.
Unsere Reise geht weiter, den Rhein entlang.
Unverhofft landen wir zweimal in DEUTSCHLAND. Überall hängen Wahlplakate für die Europawahlen. Z.B. für die Afd: „Blau wählen“. Darunter ein handgeschriebenes Pappschild: „Ne, Nüchtern wählen!“
Zurückgekehrt in die SCHWEIZ machen wir einen Spaziergang durch Winterthur. Der Name ist Programm. Es ist saukalt. Aber unser Besuch hier hat sich doch gelohnt. Klaus schenkt mir ein Schweizermesser, als Ersatz für das gestohlene. Wie schön, jetzt habe ich wieder eines mit einer Geschichte.
Wir haben unser heutiges Tagewerk vollbracht und suchen uns jetzt einen Schlafplatz. Neben einem Wäldchen werden wir fündig, auf einem Parkplatz für Wanderer.
136 km
Do, 16. Mai
Heute Nacht war es wieder sehr kalt. Ich habe mit Pullover geschlafen. Wir heizen ein.
Von unserem Frühstücksplatz aus haben wir einen Blick auf die tiefverschneiten Churfirsten, ein runder Wupf neben dem anderen, ungefähr gleich hoch- fünf überdimensionierte Kugeln Milcheis. Zit. Klaus:“ Ganz schön schön, die Schweiz.“
Allerdings verlassen wir sie bald. Wir überqueren den Rhein und reisen ins schöne FÜRSTENTUM LIECHTENSTEINein. Kurz darauf sind wir schon in ÖSTERREICH, im schönen VORARLBERG. In Bludenzmachen wir einen Spaziergang. Es riecht köstlich nach Schokolade. Schließlich steht ja hier eine Milka-Schokoladenfabrik.
Apropos süß, eine junge Muslima mit Kopftuch kommt uns entgegen. Sie trägt in glitzernder Paillettenschrift die Aufforderung „Hug me“ auf der Brust. Ob ihr klar ist, was auf ihrem Shirt steht? ;-)
Wir fahren weiter, durch den Arlbergtunnel und sind nun in TIROL.
Zum Abendessen und Übernachten suchen wir uns die Autobahnstation Rosenberger in Pettnauaus, in der Nähe von Innsbruck.
Unsere letzte Nacht im Wohnmobil auf dieser Reise bricht an.
222 km
Fr, 17. Mai
Klaus kennt Kufsteinnicht. Also machen wir unseren letzten Stadtspaziergang auf dieser Reise. Die Festung und die Altstadt sind wirklich malerisch.
Auch heute geht es nochmals ins Ausland, übers DEUTSCHEEck, nach SALZBURGund dann nach OBERÖSTERREICH.
Den Nachmittag und Abend verbringen wir bei Stefan und Maria. Irmgard und Ali besuchen wir lieber nicht. Klaus hustet noch ziemlich stark und er möchte die beiden, die sich auf die Nierentransplantation vorbereiten, nicht anstecken.
So, und jetzt sind wir wirklich auf dem Heimweg. NIEDERÖSTERREICHund WIEN. Alles wird immer vertrauter.
Vor unserem Haus ist ein Parkplatz frei- hab’ ich schließlich beim Universum so bestellt.
Mit großer Dankbarkeit stellen wir fest, dass in der Wohnung alles in Ordnung ist.
Und zur Krönung passt unser neuer Berberteppich perfekt ins Wohnzimmer- eine schöne Erinnerung an diese wunderbare Reise.
525 km
Insgesamt: 12814,5 km + 78 km mit der Fähre + 3 km mit dem Abschleppwagen ;-).
Wir haben - incl. Gibraltar - 10 Länder besucht.