
Korsika & Sardinien 2015
Die Inseln der Mohrenköpfe.
Korsika: Wilder Westen - sanfter Osten. Eng und kurvig, hart und widerständig
trotz der Schmetterlingswolken und überwältigender Blütenpracht im Juni.
Sardinien: Fruchtbarer, sogar der Granit ganz zart geformt wie Blütenblätter.
4Mohrenköpfe blicken auf Nuraghen und Monolithmonumente.
Hier wagen wir wild zu campen - ist ja viel schöner.
![]() | ![]() | ![]() |
---|---|---|
![]() | ![]() | ![]() |
![]() | ![]() | ![]() |
![]() |
Reisebericht von Gerlinde:
Mi, 3. 6.
Abreise ca. 14h30. Wir waren vorher noch mit Wilhelmine zum Mittagessen beim Griechen verabredet.
Wir sind sehr aufgeregt, unsere erste richtige Reise mit dem neuen Wohnmobil steht bevor.
Ganz leicht bringen wir alle unsere Siebensachen unter.
Heute geht es nur noch bis Kärnten.
Ich raffe mich auf und setze mich mit etwas Bammel zum ersten Mal hinter das Steuer. Es gibt 6 Gänge und einen Tempomaten. Alle Hebel sind irgendwo anders, als ich es von meinem Bus gewohnt bin. Gas und Bremse muss man nur ganz sanft antippen. Alles geht ganz leicht und easy. Sehr bald fühle ich mich wohl und vertraut.
Damit ich noch ein bisschen üben kann, schickt uns das GPS zwecks Stau-Umgehung von der Autobahn runter, und wir kurven am Stadtrand von Klagenfurt durch enge Gasseln.
Unser heutiges Tagesziel ist die sehr schöne Autobahnraststätte "Arnoldstein-Dreiländerecke" kurz vor der Grenze.
Hier essen wir köstlich zu Abend, mit Blick auf die Berge. Und hier richten wir uns auch zum Übernachten ein.
Ich bin ganz begeistert, wie viel Platz wir in unserem Häuschen haben. Die Strom- und Gasversorgung funktioniert.
Klaus probiert die Dusche aus- sehr angenehm.
Wieder einmal können wir es kaum fassen, wie gut es uns geht.
Ich setze mich noch kurz an den Laptop. Heute gehen wir früh schlafen.
Die größte Erfolgsmeldung des Tages: Bei der Heilung von Klaus' Wirbelbrüchen scheint es endlich voranzugehen. Er hat heute den ganzen Tag kein Korsett getragen.
Do, 4. 6. Fronleichnam
Wir sind angenehm und gemütlich gelegen. Geschlafen haben wir allerdings nicht sehr gut. Es war die ganze Nacht über Hochbetrieb auf dem Parkplatz und daher ziemlich laut. Für heute Abend wünschen wir uns ein ruhigeres Plätzchen.
Auch ich probiere die Dusche aus und genieße sie sehr. Allerdings muss man vorher Handtücher, Klopapier und Boden-Holzpanel entfernen und nachher alles trocken wischen. Es ist ein bisschen aufwendig. Das muss es einem wert sein.
Kurz nach 9h fahren wir los- ohne Frühstück. Mir ist das egal. Ich habe heute ohnehin einen Fasttag.
Wir stauen über die Grenze nach ITALIEN.
Wir vermuten bzw. hoffen, dass es der übliche Vignetten-Kontrollstau ist und kein böser Unfall. Nichts von alledem, die erste Mautstelle ist die Ursache.
Das Wetter ist angenehm kühl. In der Nähe von Udine regnet es sogar ein bisschen. Das ist ja unsere "Hausstrecke". Erst vor ca. drei Wochen sind wir hier nach Venedig gefahren.
Ungefähr um 12h fahren wir an der Ausfahrt vorbei, die wir damals genommen haben und begeben uns auf Neuland, begleitet von den Dire Straits. Dadurch, dass man über Bluetooth direkt vom Handy weg Musik hören kann, haben wir eine große Auswahl und sind gestern bereits in "Broadlahn", Hubert von Goisern und Beatles geschwelgt. Wir sind in beschwingter Stimmung.
Eine Raststation in der Nähe von Padua erfreut mich mit "Spremuta" = frisch gepresstem Orangensaft. Klaus mag lieber Espresso und Croissant.
Mittlerweile ist es wieder sehr heiß geworden.
Wir überqueren den Po, verlassen VENETIEN und reisen in die EMILIA ROMANGNA ein.
Klaus' Stützmieder, er nennt es liebevoll "Klettergerüst", liegt ständig im Weg herum- welche Freude. Er legt es kaum noch an und muss auch keine schmerzstillenden Mittel mehr nehmen.
Ich intoniere den alten Schlager: "Jetzt kommt Kurt, ohne Helm und ohne Gurt…"
Unser GPS führt uns nach Ferrara. Klaus hat gleich das Einkaufszentrum eingegeben, in dem wir hoffen, eine Internet-Karte zu bekommen.
Da wir schon hier sind, kaufen wir gleich "Wasser und Brot" ein- wir leben halt so kärglich ;-).
Wir erstehen auch 2 kleine Trinkwasserkanister, weil wir festgestellt haben, dass das Wasser aus unserem Tank scheußlich nach Chlor schmeckt.
Ein junger Mann mit heftiger Sturmfrisur - sehr süß - im Vodafone-Laden verkauft uns eine SIM-Card für Italien für das iPad, die allerdings erst in einigen Stunden aktiviert sein wird- hoffen wir es.
Wie gut, dass Klaus zu Hause so gut recherchiert hat. Auch den Campingplatz, den er ausgewählt hat, finden wir klaglos. Wir stehen unter schattigen Maulbeerbäumen, die uns ihre köstlich süßen, aber blau färbenden Früchte in den Schoß werfen. Idyllisch und ruhig ist es hier.
Wir probieren unser neu erworbenes Wasserkännchen aus und machen uns einen Kaffee.
Dann setze ich mich ins Freie an den Laptop.
Kurz vor 19h, nachdem die große Hitze vorbei ist, holen wir unsere neuen Klappfahrräder aus der Garage und radeln in die Altstadt, die völlig mit einer Stadtmauer und einem Grünstreifen, einer wilden, bunten Wiese, umgeben ist. Der Campingplatzbetreiber hat uns einen sehr hübschen Schleichweg empfohlen.
Wir haben schon beim Ortsschild eine große Tafel mit der Aufschrift "Ferrara, Città di Bicicletta" gesehen. Uns fallen viele Radwege und Abstellanlagen auf, und die Einbahnen dürfen offenbar generell von Radfahrern in die Gegenrichtung befahren werden. All das wird eifrig von zahlreichen Pedalrittern genützt. Wir kommen uns fast wie in Skandinavien vor und fühlen uns sehr wohl hier.
Wir mögen diese Stadt. Sie hat uns schon vor 10 Jahren, als wir auf unserer Toskana-Reise hier waren, gefallen.
Der wuchtige Backsteinbau des Castello Estense, vollständig mit Wassergräben umgeben, steht mitten in der Stadt. Davor gestikuliert Girolamo Savonarola hohläugig in heftigem Glaubenseifer.
Il Duomo steht in wunderschönem Abendlicht da. Der gedrungene, kompakte Bau gefällt uns gut.
Die vielen Säulen an der Seitenfront sind alle ganz unterschiedlich. Klaus meint, dass der Baumeister sehr eing'raucht war, und dass sie es ihn trotzdem machen haben lassen. Zumindest war er sehr verspielt.
In der Fußgängerzone sind unzählige bunte Schirme aufgehängt, die in der Luft zu schweben scheinen. Das sieht sehr hübsch und fröhlich aus. Wir dürfen durchradeln.
Wir genießen die angenehme Atmosphäre in der Stadt.
Wieder "zu Hause" gehen wir "öffentlich" duschen. Wir meinen natürlich die sanitären Anlagen des Campingplatzes. Es ist herrlich, nicht mehr so schweißverklebt zu sein.
Dann sitzen wir wieder gemütlich im Freien. Ich genieße zu meinem Laptop ein Gläschen "homöopathischen Hochsommerg'spritzten Marke Spezialmischung". Klaus saugt sich in seinem Krimi fest.
Heute gehen wir noch früher schlafen als gestern. Wir müssen morgen zeitig aufstehen, damit wir die Fähre nach Korsika erreichen.
Fr, 5. 6.
Wir haben wesentlich besser geschlafen als gestern.
Eine wichtige Erfolgsmeldung: Heute Morgen funktioniert endlich das Internet. Wir haben schon befürchtet, dass wir in der Früh nochmals ins Vodafone-Geschäft müssen.
Zum Frühstück gibt es das gestern neu erworbene Pumpernickel-Brot mit deutscher Aufschrift und von zu Hause mitgebrachte Marmelade. Wir verwenden zum ersten Mal unser schönes neues Campinggeschirr. Als I-Tüpfelchen genießen wir die Maulbeeren, die wir von unseren Lukendeckeln sammeln.
Pünktlich um 8h, gerade als die Rezeption aufsperrt, stehen wir vor dem Schranken bereit.
Wir wollen ohne Stress nach Livorno zur Fähre fahren und genug Zeitreserven haben.
Mozart ist unser Reisbegleiter. Wie schön, dass wir einen ähnlichen Musikgeschmack haben.
Wir gleiten durch eine wunderschöne grüne Hügellandschaft. Ist das schon die TOSKANA?
Die Antwort auf diese Frage erfolgt prompt in Form eines Hinweisschilds.
Um uns herum blühen wunderschön der gelbe Ginster und die roten Mohnblumen. "…und im Sommer, da blüht der rote, rote Mohn, und ein munteres Herz kommt überall davon…", singe ich.
Gerade haben wir den Arno überquert, kurz vor der Mündung. Klaus meint: "Er ist schon bald fertig mit seiner Arbeit."
Wir sehen die Hinweisschilder auf vertraute Städte, in denen wir schon gemeinsam waren. Z.B. erinnern wir uns besonders gerne an Pisa, Volterra und Florenz.
Wir liegen gut in der Zeit. "Das ist ja wunderbar gegangen", meint Klaus. "Wir sind ja noch nicht da", sage ich. In diesem Moment überfährt Klaus eine rote Ampel. Zugegeben, sie war wirklich nicht gut zu sehen. Mit dem wütenden Hupen eines Lastwagens, der grün hatte und mit unserer Erleichterung, dass nichts passiert ist, ist es nicht getan. Die Polizei winkt uns an den Straßenrand.
Weder das IPA-Fähnchen noch unser gestammeltes "Mi dispiace" und "involuntario" retten uns. Wir brandeln € 114, 10. Die gestrenge Beamtin lässt sich Zeit mit dem Ausfüllen eines umfangreichen Formulars. Wie gut, dass wir so viel Reservezeit eingeplant haben.
Im Hafen von Livorno kurven wir herum und wissen nicht, wo wir hin müssen. Von "Traghetto" oder "Ferry" ist nichts angeschrieben. Also folgen wir hoffnungsfroh dem Pfeil "Embarco Passageri". Hurra, es stimmt. Bald ist "Bastia" angeschrieben.
Es ist ca. 12h. Jetzt haben wir noch genug Zeit für ein kleines Mittagessen mit Käsebrot, Cocktailtomaten und Co- wie wir es lieben. Ich freue mich, dass ich zu Hause im Bio-Supermarkt ein glutenfreies Knäckebrot für mich gefunden habe, das mir richtig gut schmeckt.
Das Boarding beginnt um 13h30. Wie immer fahren zuerst die großen Fahrzeuge aufs Schiff und dann erst die normalen Autos. Sorgfältiges Schlichten ist heute gar nicht so nötig, denn das Car-Deck bleibt halb leer.
Im Schiff finden wir einen angenehmen Platz am Fenster mit Tisch und sogar einer Steckdose. Ich habe nämlich meinen Laptop dabei. Schließlich wird die Überfahrt ca. vier Stunden dauern.
Klaus liest gerade einen Krimi, der bezeichnenderweise auf einem Kreuzfahrtschiff spielt, auf dem eine gefährliche und ansteckende Krankheit ausgebrochen ist. Die Passagiere müssen in Quarantäne bleiben.
Wir hingegen werden heil und gut in Korsika ankommen.
Erstaunlicherweise legen wir bereits um 14h ab, obwohl auf unserem Ticket 14h30 steht. Vielleicht sind einfach bereits alle, die gebucht haben, an Bord. Angenehm ist eine so locker besetzte Fähre. In der Hauptsaison findet man oft kaum einen Sitzplatz.
Wir fahren über das Tyrrhenische Meer, das ja ein bisschen wilder ist als das Adriatische.
Um 18h30 legen wir in Bastia auf KORSIKA an.
Sofort haben wir den Eindruck in eine ganz andere Welt einzutauchen. Mich erinnert sie ein wenig an Spanien. Ich erlebe sie als abweisend und spüre eine gewisse Strenge. Zugleich aber werden wir mit einer herrlichen Blütenpracht in den Gärten und neben der Straße erfreut. "Das kann man alles bei Asterix auf Korsika nachlesen", meint Klaus.
Jetzt müssen wir auf die französische Sprache umschalten, nachdem wir ja - spätestens seit Venedig - ganz auf Italienisch eingestellt waren. Die Leute verstehen wir hier ohnehin nicht, weil sie Korsisch sprechen. Auch die Ortstafeln sind zweisprachig. Auf vielen Schildern ist die französische Variante übersprüht, und viele Verkehrsschilder und sonstige Tafeln sind zerschossen.
In Ajaccio gibt es einen Lehrstuhl für Korsisch, dessen Hauptaufgabe es ist, die zahllosen Dialekte der Insel zu einer Art "Hochkorsisch" zusammenzuführen und die Sprache lebendig zu erhalten. Grundsätzlich ist das Korsische aus der Sprache hervorgegangen, die damals die Genueser gesprochen haben, als sie hier für fünf Jahrhunderte an der Macht waren.
Den Campingplatz, den Klaus schon zu Hause ausgesucht hat, findet das GPS nicht. Also verwenden wir nach guter alter Manier eine Landkarte. Die Straße führt am Meer entlang, zwischen Palmen und blühendem Oleander. Der Campingplatz, den wir schließlich finden, ist allerdings lange nicht so schön, wie wir uns das gewünscht hätten. Es gibt überhaupt keinen Schatten, und Stromanschluss ist auch keiner frei. Wir sind uns einig, dass wir hier nicht bleiben wollen.
Wir suchen also weiter. Bei der Gelegenheit fahren wir durch das wenig interessante Bastia durch und machen eine Sitzbesichtigung. "Hier wird nicht flaniert, sondern gearbeitet", steht über diese Stadt in unserem Reiseführer.
Der nächste Campingplatz nimmt keine Wohnmobile. Die wollen uns hier offenbar nicht.
Wir studieren die Landkarte und beschließen, unser morgiges Programm teilweise vorwegzunehmen und bereits heute nach Westen, quer durch die große, zeigefingerförmige Halbinsel "Cap Corse", über eine Passstraße nach St.-Florent (= San Fiurenzu auf Korsisch) zu fahren. Dort sind vier Campingplätze eingezeichnet. Wir schrauben uns die Serpentinenstraße hinauf. Von oben gesehen, in schönes Abendlicht getaucht, sieht Bastia "eh ganz nett" aus.
Wir haben die Passhöhe erreicht und haben beim Runterfahren einen atemberaubend schönen Blick auf das gold schimmernde Meer kurz vor Sonnenuntergang. 'Und was tut Klaus? Er måcht a Foto.'
Kurz nach 20h landen wir schließlich auf einem sehr netten Campingplatz, mit alten, Schatten spendenden Bäumen.
Wild campen ist ja in Korsika ausdrücklich verboten. Angeblich werden Strafen von bis zu € 400,00 eingehoben. Wir haben heute jedenfalls eindeutig schon genug Strafe bezahlt.
Wir setzen uns gemütlich ins Freie und genießen den lauen Sommerabend und ein kaltes Abendessen, mit allem, was unser Kühlschrank hergibt.
Noch ein bisschen Lapisieren und Lesen, dann geht es in die Heia.
Morgen können wir ausschlafen.
Sa, 6. 6.
Wir stehen erst recht spät auf. Von unserem heutigen Tagesprogramm haben wir ja gestern schon ein wenig erledigt.
Klaus frühstückt ein bisschen, während ich mich in unserem Badezimmer meiner Morgentoilette widme. Zu essen kriege ich heute nichts.
Erst um 10h30 brechen wir auf. Für den Campingplatz haben wir nur € 16,50 gezahlt. Das ist sehr günstig.
In der Früh zeigt sich die Insel von einer sehr freundlichen Seite. Die Strenge kommt aber immer wieder durch, in der Kargheit der Landschaft und im Stil der Häuser. In dieser Jahreszeit wird sie aber durch die bunte Blütenpracht abgemildert.
Der Ort St.-Florent ist sehr hübsch. Das ehemalige Fischerdorf ist heute ein bekannter Touristenort.
Wir fahren durch eine grüne Landschaft. Raubvögel kreisen über uns. "Schau dich um", sagt Klaus,
"Korsika!" Das Grün, das uns so üppig erscheint, ist dornige Macchia. Von der Ferne sieht es aber
sehr schön aus. Wieder dieser Gegensatz, den Klaus auf den Punkt bringt: "Ein karges Land in all seiner Üppigkeit".
Es geht ins Gebirge. Klaus meistert souverän die schmalen, kurvigen Straßen, die äußerst frech durchgängig einen Mittelstreifen haben und uns damit vorgaukeln, zweispurig zu sein. Wenn jemand entgegenkommt, wird es äußerst eng. Es ist sehr ratsam vor den Kurven zu hupen, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich bin froh, dass ich nicht am Steuer sitze.
Vielen Bikern gefällt das hier offensichtlich. Wir zählen in einer einzigen Gruppe mehr als 20 Fahrzeuge, fast alle mit BeifahrerIn. Kein Wunder, dass wir erstaunlich lange für die wenigen Kilometer brauchen.
Diese landschaftlich sehr schöne Gegend heißt Nebbio, benannt nach den hier typischen Morgennebeln.
Wir peilen das Bergkirchlein San Michele de Murato an. Prosper Mérimée, der um die Mitte des 19. Jhd. Korsika bereiste und das wildromantische-verklärte Bild der Insel prägte, nannte sie entzückt "die eleganteste Kirche der Insel".
Sie wurde im 13. Jhd. im Stil der "pisanischen Romanik" erbaut. Sehr speziell ist das unregelmäßige Wechselspiel von dunkelgrünem Serpentin, der in dieser Gegend abgebaut wird, und weißem Sandstein. Der Campanile wurde erst im 19. Jhd. ergänzt und passt irgendwie nicht dazu. Mérimée hat ihn noch nicht gekannt. Wir entdecken naive Skulpturen, die uns entfernt an Schöngrabern erinnern, aber auch Symbole wie Drudenfuß und Sonnenräder, sowie geometrische Ornamente, in denen die bösen Geister hängen bleiben sollen.
Auf einer Informationstafel lesen wir, dass das Kirchlein der Legende nach in nur einer Nacht von Engeln erbaut wurde. "Eines Morgens stand sie einfach da." Eine Illustration zeigt sehr herzig, wie Engel im Flug schwere Steinblöcke schleppen.
Was hat denn Pisa mit diesem Baustil zu tun? Meine Recherchen ergeben, dass Papst Gregor VII. im 11. Jhd. die Insel dem Bischof von Pisa übertrug. Binnen kürzester Zeit entstanden über 300 Kirchen in diesem pisanischen Stil.
Pisas Erzrivale Genua war neidisch. Es kam zu ständigen Kämpfen, aus denen schließlich Genua siegreich hervorging. 500 Jahre lang blieb die Insel dann unter dieser Herrschaft.
Erst 1768, ein Jahr vor Napoleons Geburt, trat Genua seine Rechte an Frankreich ab. Das ist sich ja gerade ausgegangen.
Nach diesem Ausflug in die Geschichte geht es weiter nach Nordwesten. Wir verirren uns ein wenig, was uns Gelegenheit gibt, mit der ortsansässigen Bevölkerung Kontakt aufzunehmen. Sie helfen uns weiter, und wir wenden unser erstes korsisches Vokabel an: "Grazie" (wie auf Italienisch).
Rechts von uns liegt jetzt die Désert des Agriates, ein karges, heißes und felsiges Gebiet, das den Namen "Wüste" zu Recht trägt.
Klaus ist von der anstrengenden Kurverei ziemlich erschöpft. Wir machen eine sehr gemütliche Siesta im Schatten neben einem halbverfallenen Haus. Klaus gönnt sich ein kleines Mittagessen mit frischem Baguette. Damit meine Zähne nicht allzu lang werden, hole ich mir mein Buch und füttere mich mit geistiger Nahrung. Wir knotzen und lesen und fühlen uns wieder einmal "wie im Urlaub".
Erholt geht es weiter, und erfreulicherweise treffen wir bald auf die Hauptstraße, die uns zum Meer - dem Ligurischen - und dann der Küste entlang nach Westen führt. Schöne Strände gibt es hier, alle halb leer. Die Saison hat eindeutig noch nicht begonnen.
Auf dem Campingplatz in Lozari richten wir uns ein. Bis zur nächsten größeren Stadt, L'Île Rousse (Isola Rossa), sind es noch ca. 10 km. Das ist uns in dieser Hitze mit dem Fahrrad zu weit. Also verteilen wir unsere Campingmöbel weitläufig, besetzen einen Strom-Steckplatz mit unserem Kabel und fahren mit dem Auto in die Stadt.
Die Hafenstadt hat ihren Namen von einer vorgelagerten Granitinsel, die bei Sonnenuntergang rot leuchtet.
Uns interessieren im Augenblick profanere Dinge. Wir suchen einen großen Supermarkt. Unsere Einkaufsliste ist nämlich schon wieder ziemlich lang. E.Leclerc macht's möglich.
Um ca. 17h sind wir wieder zu Hause. Klaus verspeist unsere letzten Käse- und Baguettereste und macht dann eine Fotografier-Runde.
Ich sitze bis fast 22h im Freien am Laptop. Die Hitze des Tages ist einer angenehmen Kühle gewichen.
Klaus hat begonnen, sich mit der Bearbeitung seiner Fotos zu beschäftigen, was ganz eindeutig in Arbeit ausartet.
Ich weiche noch Müsli und Trockenfrüchte ein. Morgen gibt es einen TCM-Brei zum Frühstück.
So, 7. 6.
Wir haben uns den Wecker auf 7h30 gestellt, damit wir nicht zu spät aufstehen. Jetzt haben wir genug Zeit für Morgentoilette und Brei kochen. Die Rezeption sperrt erst um 9h auf. Da stehen wir schon vor dem Schranken, bereit zur Abfahrt.
Auf geht es in die Balagne. Wir machen eine "Rundreise", wieder in die Berge- zuerst nach Süden, dann nach Westen, dann wieder nach Norden, zurück zur Küste.
Die Balagne ist ein fruchtbares Gebiet. Zahlreiche Dörfer mit mittelalterlichem Charme thronen auf den Hügelkuppen. "Eine Stadt, die auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben…" Nachdem nach den Sarazenen die Pisaner die Herrschaft übernommen hatten, wurde die Balagne wegen der vielen Kirchenbauten zur "Heiligen Region". Die Genueser wiederum förderten die Landwirtschaft und schufen hier den "Garten Korsikas".
Klaus darf wieder sein fahrerisches Können auf den hiesigen engen Bergstraßen zeigen. Was für ein Glück, dass er dieses Wohnmobil so liebt.
Mark Knopfler singt bezeichnenderweise "A Long Road". Ein neuer wunderschöner Tag beginnt.
Die schmucklosen, ockerfarbenen Häuser der Dörfer Belgodère, Speloncato und Cateri scheinen den Berg hinaufzukriechen. Die typischen schmalen, hohen Kirchtürme sind in deutlich voneinander abgesetzte Stockwerke gegliedert. Die marmornen Kirchenfassaden sind vorne auf Ziegelbauten "aufgeklebt".
Als nächstes peilen wir die Église de la Trinitée an. Sie ist auch in pisanischer Romanik gebaut.
Wieder wurden scheinbar wahllos helle und dunkle Blöcke verwendet, diesmal aus Granit.
Diese Kirche ist viel größer als San Michele und steht mitten in einem Friedhof. "Sie strahlt eine große Würde aus", meint Klaus. Ich empfinde sie als klarer, strenger und korsischer als San Michele. Wir entdecken wieder archaische Skulpturen.
Alte Männer sitzen davor, wie in "Asterix in Korsika". Wir lernen ein korsisches Vokabel: "Avvèdeci!" (= Auf Wiedersehen).
Bald danach erreichen wir die Hauptstraße und fahren an der Küste entlang nach Südwesten.
Das mittelalterliche Städtchen Algajola - Klaus nennt es hartnäckig "Ayurveda" - wurde von den Phöniziern gegründet. In der Zeit als Genuesische Garnison, im 17. Jhd., erlebte sie ihre größte Blüte. Damals hatte sie durch den Austern- und Olivenhandel einen der wichtigsten Häfen der Insel.
Es gibt auch eine Zitadelle, die gegen die Sarazenen erbaut wurde.
Wir parken außerhalb und gehen in den engen Gasseln und am hübschen Yachthafen spazieren. Es tut gut, sich wieder einmal ein bisschen zu bewegen.
In einem netten kleinen Geschäft erstehen wir Ziegenkäse. Wir fragen den Geschäftsinhaber, ob er mild ist, nicht so "dangereux" wie bei Asterix in Korsika. Der versteht sofort. "Boff", sagt er und macht Handbewegungen des Explodierens. Dann versichert er uns, dass uns der Käse schmecken wird. Er behält recht.
Gleich nebenan hat heute am Sonntag auch die Boulangerie geöffnet und wir gönnen uns ein Baguette. Das Mittagessen ist gesichert.
Ich bin mit meinen Französischkenntnissen recht zufrieden. Wenn allerdings schnell Zahlen genannt werden - z.B. beim Bezahlen - besonders im 70er- oder 90er-Bereich, brauche ich immer einige Schrecksekunden, bis ich kapiere. Klaus meint treuherzig: "'Quatre-vent 'heißt doch 'ein Viertel Wein', oder?"
Bei der Weiterfahrt kommen wir an einem Brunnen am Wegrand vorbei, an dem Einheimische ihre Wasserflaschen füllen. Wir tun es ihnen gleich. Wie köstlich und erfrischend doch klares Quellwasser ist.
Jetzt brauchen wir nur noch einen schattigen Siestaplatz, den wir auch bald finden.
Wir tischen unsere gerade erworbenen Köstlichkeiten auf und machen uns einen Salat dazu.
Danach tauchen wir noch ein wenig in die Welt unserer Bücher ein.
Ca. um 14h brechen wir wieder auf. Calvi ist unser nächstes Ziel. Angeblich ist Columbus hier geboren. Trotzdem ist uns diese Touristenstadt nur eine Sitzbesichtigung wert, schon allein deshalb, weil wir keinen Parkplatz finden. Wir fahren durch eine Oleanderallee - die Bäume blühen wunderschön in allen Farben - und werfen je einen Blick auf die Fortezza und aufs Meer.
Für heute steht nur noch ein Campingplatz in Galéria auf dem Programm. Ca. um 16h finden wir ihn. Er heißt bezeichnenderweise "Idéal".
Auch hier stehen vor allem für den Winter "eingemottete" Wohnwägen herum, aber kaum aktuelle Camper. Wir sind wieder fast allein.
Der letzte Zipfel unseres Baguettes lacht uns an. Morgen ist es alt. Also teilen wir es geschwisterlich und bestreichen es mit Marmelade. Dazu machen wir uns einen Kaffee- welch köstliche Jause. So ein Esstag hat schon auch etwas für sich.
Danach verschwindet Klaus für einige Zeit hinter seinem spannenden Buch und ich hinter meinem Laptop.
Das Wetter trübt sich ein, und es sieht nach Gewitter aus. Allerdings bekommen wir nur einige wenige Tropfen ab, und das Unwetter zieht weiter.
Heute Abend kochen wir zum ersten Mal im neuen Wohnmobil. "Jetzt ist wirklich richtig Urlaub", meint Klaus, "gemeinsames Kochen gehört einfach dazu". Es gibt Schwammerln und Zwiebel-Kartoffel-Tortilla.
Unser Wassertank zeigt an, dass er schon auf "Reserve" ist. Wir sind ohne besonders zu sparen mit den 100 Litern aus Wien fünf Tage lang ausgekommen. Ganz eindeutig ist unser Wasserverbrauch viel höher als im alten Wohnmobil. Morgen füllen wir wieder auf.
Um 23h kuscheln wir uns ins Bett.
Mo, 8. 6.
Ich habe wieder nicht sehr gut geschlafen, von Durchschlafen kann leider keine Rede sein. Muss ich mich erst an das neue Wohnmobil-Bett gewöhnen? Ich liege doch eigentlich sehr bequem. Klaus geht es in dieser Hinsicht besser.
Um 8h30 stehe ich jedenfalls auf und mache mich auf den Weg zu den Campingplatz-Duschen.
Frühstück gibt es heute keines. Ich habe Fasttag, und Klaus will auch ein wenig abspecken.
Wir machen General-Klarschiff: füllen den Wassertank an und entleeren Klo (= Vidage Kassette) und Abwasser. Das frisch eingefüllte Wasser schmeckt aus unserer Leitung weiterhin grauslich. Dieses Rätsel haben wir noch nicht gelöst.
Ca. um 10h brechen wir auf. Wir fahren nach Süden - natürlich wieder auf schmalen Bergstraßen - Richtung Golfe de Girolata. Man kann dort allerdings nicht direkt mit dem Auto hinfahren. Der Golf und besonders die Halbinsel Scandola sind ein strenges Naturschutzgebiet. Man erreicht dieses UNESCO-Weltnaturerbe nur zu Fuß oder per Boot.
Von der Bocca a Palmarella haben wir einen wunderbaren Blick auf den Golf und die Halbinsel mit ihren auffällig roten Felsen aus Porphyr und Granit, "knallrot" nennt sie Klaus. Auch das denkmalgeschützte Fischerdörfchen Girolata (= Ghjirulatu) erkennen wir. Es kann nur zu Fuß oder vom Wasser aus versorgt werden. Mehrere Wanderwege führen hinunter. Wir entscheiden uns für den kürzesten bis zur Plage de Tuara.
Wir marschieren in der ärgsten Mittagshitze weg, mit Wanderausrüstung, Sonnencreme, Sonnenkapperl und viel Wasser. Wie freuen wir uns, dass sich Klaus seine Socken allein anziehen und seine Schuhe allein zubinden kann. Die Heilungsfortschritte sind ganz deutlich.
Der Weg ist sehr nett und schattig mit wunderschönen Ausblicken aufs dunkelblaue Meer. Wir genießen die erste gemeinsame Wanderung seit langem. Es geht allerdings ständig bergab. Das müssen wir am Rückweg wieder alles hinaufgehen. "What goes down must come up again", wie im Grand Canyon.
Auf einer Tafel lesen wir, dass es sich um den "Sentier du Facteur", den Briefträgerweg, handelt. Er führt bis nach Girolata. Es ist noch gar nicht so lange her, dass hier wirklich der Briefträger bei jedem Wetter bis ins Dorf gegangen ist. Er war bis in die 80er Jahre des 20. Jhd. die einzige Verbindung zur Außenwelt, als es im Dorf noch keinen Strom und kein Telefon gab.
Klaus intoniert das "Lustige Brieaftrågerliad" von Broadlahn.
Am Strand angekommen erfrischen wir uns ausgiebig. Wir haben kein Badezeug dabei, also baden wir in Unterwäsche bzw. ganz nackt- das erste Mal im Ligurischen Meer. Das Wasser ist herrlich warm. "A bissl sålzig halt," meint Klaus, "aber sonst OK". Es sind nur ganz wenige Leute hier, lauter Wanderer, und ein paar Kühe.
Der Weg zurück ist ungleich anstrengender- ständig bergauf und das in dieser Hitze.
Als wir um ca.14h ziemlich erschöpft wieder zum Auto kommen, sind wir waschelnass, aber nicht vom Baden, sondern vom Schwitzen. Klaus' Rücken und Knie haben gut durchgehalten.
Weiter geht es auf unserer kurvigen Küstenstraße nach Süden.
Uns gefällt es sehr in Korsika- diese wilde Landschaft. Klaus meint, dass es in Sardinien sanfter sein wird. Das wird uns auch gefallen. Da bin ich mir sicher. Schließlich sind wir gemeinsam unterwegs.
Endlich haben wir auch Ziegen auf der Straße. Schafe und Rinder hatten wir schon, gestern sogar einen ausgewachsenen Stier. Die Rinder sind hier allerdings auffallend klein.
Heute peilen wir nur noch unser Tagesziel Porto an, ein künstlich angelegter Ferienort- "ohne Bausünden", steht im Reiseführer. Da sind wir aber anderer Meinung. Jede Menge Campingplätze sind hier eingezeichnet. Da wird hoffentlich ein schöner für uns dabei sein. Wir wünschen uns eine Waschmaschine. Das Touristen-Highlife interessiert uns gar nicht.
Um 15h30 haben wir uns für "Sole e Vista" entschieden. Der Platz ist sehr groß und "dünn besiedelt".
Er ist sehr steil und terrassenförmig angelegt, sodass ebene Flächen entstehen, auf denen man sich einrichten kann.
Wir waschen unsere Schmutzwäsche, fahren die Markise aus und genießen das Campingleben. Hier wollen wir zwei Nächte bleiben.
Klaus kauft sich im Supermarkt Baguette und Camembert. Schließlich bin ja nur ich heute die Fasterin. Dann versucht er der Tatsache auf den Grund zu gehen, warum wir im Wohnmobil kein Warmwasser haben, leider erfolglos. Wir brauchen es im sonnigen Süden ohnehin nicht, aber natürlich wollen wir, dass es funktioniert.
Ich mache mir einen Kaffee und setze mich an den Laptop. Am Abend wird es wieder angenehm kühl.
Ganz zutraulich kommen einige sehr hübsche Vögelchen zu Besuch: Blaumeise, Rotkehlchen und Gimpel. Wir haben außerdem einen schönen Blick auf einen hohen Berg, der jetzt in der Abendsonne wunderschön dasteht. Cap D'Ortu heißt er. Klaus zückt den Fotoapparat.
Di, 9. 6.
Heute habe ich wesentlich besser geschlafen als die Nächte davor. Da bin ich froh. Auch unsere Wiegeergebnisse sind erfreulich. Wir haben extra unsere Personenwaage von zu Hause mitgenommen.
Zum Frühstück gibt es Brei.
Nach einer ausgiebigen Putz- und Wegräumaktion im Wohnmobil fahren wir mit unseren Fahrrädern nach Porto. Es geht steil bergab, zuerst innerhalb des Campingplatzes und dann hinunter zum Hafen.
Wir flanieren ein bisschen herum und entdecken ein Standel neben dem anderen, die alle "Promenades en Mer" anbieten- Ausflugsfahrten in die Grotta Rossa, zur Halbinsel Scandola und nach Girolata. Wir wollen so eine Tour machen, schließlich sind wir gestern dort gewandert und würden die rote, naturgeschützte Halbinsel gerne vom Wasser aus sehen.
Wir eilen also - so gut das steil bergauf eben möglich ist - nach Hause und essen zu Mittag. Beim "Spar" haben wir eine Quiche gekauft. Dazu machen wir uns einen Salat.
Dann packen wir unsere Siebensachen für unsere kleine Schifffahrt und rollen wieder bergab in den Hafen.
Um 14h30 geht es los. Wir schippern an wilden, steilen, zerklüfteten Felswänden vorbei. Ganz oben entdecken wir den Horst eines Seeadlers, mit zwei Erwachsenen und zwei Jungvögeln.
Auch Mantelmöwen und Kormorane gibt es hier.
Heute können wir vom Wasser aus sehen, wo wir gestern gefahren und gewandert sind. Auch an dem Strand, wo wir gebadet haben, fahren wir vorbei.
Aus dem Lautsprecher ertönen für uns völlig unverständliche Erklärungen.
In eine Höhle, die Grotta Rossa, fahren wir ganz hinein. Das kleine Schiff hat gerade Platz darin.
Immer wieder ragen Felsen mitten aus dem Wasser. Ein "spitzer Finger" zeigt nach oben, der auf allen Ansichtskarten abgebildet ist.
Um die rote Halbinsel Scandola fahren wir ganz herum.
Wir sehen auch charakteristische Basaltformationen, diesmal waagrecht. Das sieht teilweise wie Treppen aus.
Im Dorf Girolata legen wir für eine halbe Stunde an. Eine kleine Zitadelle bewacht die kleine Bucht, die von Eukalyptusbäumen eingerahmt ist. Die Bewohner der wenigen Häuser erhielten erst nach 1980 Strom. Wie nicht anders zu erwarten, finden wir am Strand Fress- und Souvenirstandeln vor. Sehr köstlich ist ein Küchlein aus Kastanienmehl.
Die Edelkastanie ist nämlich der Brotbaum der Korsen. Jahrhundertelang waren die Maroni das Grundnahrungsmittel der armen Leute. Die getrockneten Früchte wurden zu Mehl gemahlen und zum Brot- und Kuchenbacken verwendet. Die Früchte wurden aber auch gekocht und geröstet. Auch heute noch wird Kastanien-Backwerk angeboten. Wir waren ohnehin schon auf der Suche danach.
Die letzte Etappe unseres Ausflugs führt uns zurück in unseren Heimathafen.
Ca. um 18h30 sind wir wieder bei unseren Fahrrädern. Unsere Seereise hat länger gedauert als erwartet. Nach der anstrengenden und schweißtreibenden Bergfahrt zu unserem Campingplatz und den steilen Serpentinen hinauf zu unserem Stellplatz sind wir ziemlich erschöpft. Wir retten uns unter die Dusche, und dann kochen wir uns was Gutes. Es gibt Getreidelaibchen mit Salzkartoffeln. Klaus zaubert eine Käse-Pfeffer-Sauce dazu.
Natürlich wartet auch heute Abend noch Bildschirmarbeit auf uns, und unsere neue Lektüre: "Asterix in Korsika" auf Französisch. Laut der im Heft angegebenen Karte befinden wir uns gerade in "Linoleum".
Mi, 10. 6.
Wir haben bis 8h30 geschlafen und machen uns gut ausgeruht zur Abreise fertig.
Zu unserem Befremden gibt es auf diesem recht teuren Campingplatz kein Wasser für unseren Tank, und das Klo können wir auch nicht ausleeren.
Die Rezeption sperrt erst um 10h auf. Während wir warten, entdeckt Klaus, gut versteckt hinter den Mistkübeln, einen verdächtigen Schlauch, und wir können unseren Wassertank doch noch auffüllen. Ein Probeschluck aus unserem Wasserhahn zeigt erfreulicherweise, dass der Chlorgeschmack schwächer wird.
Klaus nützt die Wartezeit noch für ein kleines Frühstück, und wir kochen uns einen Kaffee.
Unsere Reise geht weiter in den Süden, nach Ajaccio (= Aiaccu). Die Aussprache dieser Stadt empfinden wir als Zungenbrecher.
Das erste Stück der schmalen, kurvigen Straße bietet viel Übungsmöglichkeit für den Autofahrer, Klaus. Die Ausblicke aufs smaragdgrüne Meer und die steilen, schroffen Felsen sind besonders spektakulär. Das finden viele andere Urlauber auch. Daher sind alle Buchten, die eigentlich als Ausweichen gedacht sind, verparkt. Wenn in so einer Situation ein Reisebus entgegenkommt - was recht häufig vorkommt - wird es besonders schwierig. Ich bewundere Klaus' Zentimeterarbeit. Es sind auch gar nicht so wenige Lastwägen unterwegs. Das ist einfach die einzige und daher beste Straße in die Hauptstadt. Die Fußgänger, die mit ihren Fotoapparaten herumwuseln, erschweren die Situation zusätzlich. Für diese 85 km, die vor uns liegen, werden wir wohl eine ganze Weile brauchen. Wie schlimm muss das erst in der Hauptsaison sein.
Die Calange ist das hier. Sie gehört zum bereits erwähnten Weltnaturerbe dazu. In den wilden Gesteinsformationen glaubt man immer wieder Tiere oder Fabelwesen zu erkennen. Guy de Maupassant hat sie eine "Menagerie von Alpträumen" genannt. Der Tête de Chien (= Hundekopf) ist sogar als solcher beschriftet.
Ah, es wird ruhiger. Die besonderen landschaftlichen Highlights sind vorbei. Die Straße ist nicht mehr
ganz so kurvenreich, und es ist weniger Verkehr. So können wir jetzt langsam, aber angenehm dahingleiten.
Immer wieder kommen wir durch kleinere Ortschaften durch. In allen gibt es mehrere Schwellen, damit man nicht durchrasen kann. "Ralentisseurs" (= Verlangsamer), heißen sie, ein neues Vokabel, das wir in jedem Dorf neu üben können.
Landschaftlich gefällt uns Korsika sehr gut und es ist auch überall sehr sauber. Was uns immer wieder aufs Neue begeistert, ist die üppige Blütenpracht allerorten. Bunte Oleander, Bougainvillea in verschiedenen Lila-Tönen und gelb oder rot blühende Opuntien = Ohrwaschelkakteen herrschen vor.
Immer wieder stehen Brunnen am Straßenrand, aus runden Steinen aufgemauert. Endlich kommen wir an einem vorbei, wo man stehen bleiben kann, um ihn zu fotografieren. Bei der Gelegenheit füllen wir auch gleich unsere Wasserflaschen.
Um 12h30 kommen wir in Ajaccio an. Als erstes stürmen wir einen Hypermarché. Klaus kauft sich eine Taucherbrille und Flossen. Er träumt vom Schnorcheln. Wir erstehen auch eine Multifunktionsplane, um sie vor unsere Eingangstüre zu legen, damit wir nicht so viel Dreck in unser "Wohnzimmer" tragen. Wie gut, dass wir in unserer Garage - von uns auch "Abstellraum" genannt - so viel Platz haben, dass wir das alles locker unterbringen können.
Jetzt lassen wir uns von unserem GPS zum Campingplatz "Mimosa" bringen.
Wir haben jetzt um 14h30 genau eine Woche Urlaub hinter uns.
Klaus isst Baguette, Camembert und Co zu Mittag, und wir trinken Kaffee.
Ich faste und widme mich den Kulturtechniken des Lesens und Schreibens.
Um 16h30 sind wir hinlänglich erholt für die Eroberung der Stadt. In Anbetracht der Steilheit der Straße, die zu unserem Campingplatz führt, fahren wir mit dem Auto hinunter, suchen uns dort einen Parkplatz und fahren erst ab dort mit unseren Fahrrädern. Wir erwarten keine Highlights und finden auch keine. Das Napoleondenkmal ist "ziemlich sehr"- ein Reiterstandbild des großen Sohnes der Stadt mit Lorbeerkranz, umgeben von seinen Brüdern. Der Anblick gewinnt deutlich dadurch, dass eine Möwe auf seinen Kopf scheißt. Klaus meint, ich hätte einfach keine Ehrfurcht.
Napoleons Geburtshaus - 1769 erblickte er hier das Licht der Welt - ist unscheinbar und sieht aus wie alle anderen Häuser auch, und die vielgepriesene Flaniermeile ist eine schmale Fußgängerzone mit Souvenirstandeln. Wir fahren beinhart mit den Radeln durch, und ich erstehe meinen langgesuchten Sonnenhut, einen roten natürlich. Also war der Ausflug hierher doch ein voller Erfolg, obwohl Ajaccio eindeutig keine Radfahrerstadt ist, und wir auch sonst keinerlei Flair entdecken konnten. Sehr groß ist die Stadt gar nicht. Ca. 65.000 Einwohner hat sie. Übrigens, unzählige Restaurants, Hotels, Straßen und Plätze sind nach Napoleon benannt, und natürlich auch der Flughafen.
Um ca. 18h sind wir wieder beim Auto und fahren zum Campingplatz zurück, wo ich Klaus beim Nachtmahlen zuschaue und meinen Computer anwerfe. Um diese Tageszeit ist es im Freien am angenehmsten. Klaus bearbeitet seine Fotos und liest dann in einem seiner spannenden Wissenschafts-Krimis.
"Falls uns jemand beneiden sollte", meint Klaus, "dann können wir sagen, 'Ja, hast recht.'"
Do, 11. 6.
Nach einem Marmeladefrühstück - zur Abwechslung - fahren wir weiter nach Süden und erobern nun La Corse du Sud.
Zunächst fahren wir auf der einzigen Autobahn der Insel- Autobahn mit Kreisverkehren, aber immerhin mit zwei Fahrspuren in jede Richtung. Wir sind eben im Einzugsbereich der Hauptstadt. Auf der ganzen Insel ist generell nur 90 km/h Höchstgeschwindigkeit erlaubt. Hier haben wir nun die einzige Gelegenheit in Korsika, in diesem rasanten Tempo wirklich zu fahren- ein ganz ungewohntes Gefühl.
Für die Weiterfahrt haben wir uns für die 'rote Straße' entschieden. Die führt zwar vom Meer weg in die Berge, aber wir hoffen, dass sie besser ausgebaut ist als die 'gelben'. Das war eine gute Entscheidung. Wir kommen gut voran, ca. 70 km/h. Die Straße ist wirklich zweispurig und breit genug. Wenn es bergauf geht, gibt es sogar eine Kriechspur.
Auch landschaftlich ist die Strecke schön- keine schroffen Felsen und keine Tiefblicke aufs Meer, aber dafür dichte Eichenwälder. Die sind auch im Asterix erwähnt.
Für einen ganz besonders hübschen Blick auf das Flüsschen Taravo (= U Taravu) mit uralter grasbewachsener Brücke drehen wir sogar um und fahren nochmals zurück, weil uns das ein Foto wert ist.
Wenn wir jetzt so entspannt im 6. Gang dahinrollen, wird unser Sprit im Tank immer mehr. Die Anzeige, wie viele Kilometer wir mit diesem Tank noch fahren können, zeigt immer mehr an. Wenn wir so weitermachen, können wir vielleicht noch was verkaufen ;-).
Die Fahrweise auf dieser guten Straße ist natürlich viel spritsparender als die Kurverei der letzten Tage, und die Hochrechnung passt sich an.
Bei einer kleinen "Coopérative Fromagère" kaufen wir einen köstlichen Ziegen-/Schafkäse. Wir dürfen ihn vorher kosten und sind sehr angetan. Eine hübsche, offene und herzliche Korsin hat uns bedient, kein schwarzes Gewand, kein herber Zug um den Mund.
Nun verlassen wir die Hauptstraße und biegen nach Filitosa ab. Hier erwartet uns ein besonderer Höhepunkt. Auf unserer Landkarte ist der Ort mit einem riesigen gelben Stern gekennzeichnet.
Die prähistorische Hauptstadt Korsikas blickt auf 8000 Jahre Mysterien und Geschichte zurück.
In der fruchtbaren Tiefebene von Taravo und in den Hügeln, deren Felsen guten Schutz boten, siedelten sich die Urkorsen an. Sie errichteten im Frühen Neolithikum, ca. 4. Jtd. v.Chr., die berühmten Menhir-Statuen mit Gesichtern und Waffen. Diese Art der Darstellung ist einzigartig auf der Welt. Etwa zur selben Zeit entstanden in der Bretagne die einfachen Menhire (= 'Hinkelsteine') und die Dolmen.
Um 1600 v.Chr. drangen die Torreaner mit ihren Bronzewaffen ein und verdrängten die Ureinwohner. Sie errichteten turmartige Festungsbauten (= Torre), von denen man noch Reste erkennen kann. Die Archäologen benannten das Volk danach, weil man sonst nichts von ihm weiß.
Ca. um 250 v.Chr. kamen dann die Römer. Sie besetzten nur die Küsten Korsikas und errichteten befestigte Lager, wie z.B. Aquarium, Linoleum, Harmonium, Opossum, Sternum, Memorandum…;-). Die stolzen Bergbewohner ließen sich dadurch in ihrer Siesta nicht stören (s. Asterix).
Wir hingegen haben unsere Siesta noch vor uns. Nach einem netten Spaziergang über das Ausgrabungsgelände knurrt uns der Magen. Leider verkauft uns niemand ein Baguette. Die kleineren Geschäfte haben alle geschlossen- Siesta, natürlich.
Um ca. 15h finden wir endlich einen größeren Supermarkt, der durchgehend geöffnet hat.
In der Zwischenzeit haben wir mehrere Campingplätze besichtigt. Klaus möchte nämlich einen mit Zugang zum Meer, weil er seine neue Schnorchelausrüstung ausprobieren will.
Schließlich finden wir einen, der uns gefällt. Viele alte knorrige Bäume sorgen für Schatten. Um in die "Koje", die wir uns ausgesucht haben, ohne Kratzer reinzukommen, sägt Klaus vorher einige Äste ab. Mein Schweizermesser leistet wieder einmal hervorragende Dienste.
Um 15h30 setzen wir uns endlich zum Mittagessen, Uff.
Danach: Lesen, Schreiben, Schwimmen, Schnorcheln - Urlaub halt.
Hinlänglich erholt widmen wir uns noch einem technischen Problem, das uns schon längere Zeit beschäftigt. Wir haben nämlich auf dieser Reise schon öfter bemerkt, dass unser GPS die Tendenz hat, uns auf winzige Nebenstraßen schicken zu wollen. Dem wollen wir auf den Grund gehen und stellen schließlich die Grundeinstellungen auf "schnellste Route" um. Abschneider à la Kreta wollen wir nicht wieder erleben.
Für das Abendessen haben wir eine revolutionäre Reis-Garmethode entwickelt. Wir haben die gewünschte Menge für einige Stunden in Wasser und Gewürzen eingeweicht. In diesem Wasser kochen wir den Reis jetzt. Er wird wirklich viel schneller weich als sonst. Dazu gibt es Nudeln aus Gemüse. Welch ein Genuss!
Ich sitze noch bis ca. 23h im Freien an meinem Laptop, während sich Klaus bereits "auf sein Altenteil zurückgezogen" hat.
Fr, 12. 6.
Ich habe recht gut geschlafen, obwohl wir am Abend eine Invasion von Kleinst-Viecherln in unserem Alkoven hatten, die es trotz sorgfältigen Schließens aller unserer Fliegengitter herein geschafft hatten. Nach anstrengender Jagd war dann doch bald Ruhe.
Klaus hat Kreuzweh. Diesmal sind es nicht seine Lendenwirbel, sondern einfach ein normales Kreuzweh. Schließlich kann man ja die üblichen Wehwehchen auch nicht ganz vernachlässigen.
Wir haben heute Ruhetag, bleiben also noch eine weitere Nacht auf diesem netten Platz. Erst übermorgen geht unsere Fähe nach Sardinien.
Klaus hat sich schon aufs Schnorcheln bei strahlendem Sonnenschein gefreut- aber es ist trüb, tröpfelt immer wieder und donnert. Mal sehen, was daraus wird.
Ein Bäcker kommt mit seinem Lieferwagen auf den Campingplatz. Klaus trifft eine schwere und heroische Entscheidung: An meinen Fasttagen will er kein Baguette mehr kaufen.
Wir sitzen also in unserer gemütlichen "Wohnküche" und studieren Landkarten und Reiseführer. Wo sind wir hier überhaupt genau? Die Ortschaft heißt Propriano.
Gott sei Dank haben wir ja auch genug spannende Bücher mit.
Mir fällt noch ein Nachtrag zu gestern ein: Es ist uns aufgefallen, dass es in Ortschaften und bei Gehöften am Straßenrand immer wieder kleine Kapellchen gibt, manchmal mehrere nebeneinander. Mittlerweile ist uns klar geworden, dass das Familiengrüfte sind. Gestern sind wir bei einem Friedhof vorbeigekommen, der wie eine veritable Nekropole ausgesehen hat, eine Gruft neben der anderen, gar keine normalen Gräber. Wie kleine Häuschen mit Kreuz auf dem Dach haben die ausgesehen, viele neu errichtet.
Die unverputzten Steinhäuser in dieser Gegend - die für die Lebenden meine ich - erinnern uns an die Bretagne. In den Städten allerdings sind die Häuser verputzt und mehrstöckig. Sandfaben und völlig schmucklos.
Aus dem Unwetter scheint nichts zu werden. Die drohen offenbar nur, die Korsen.
Wir wollen einkaufen gehen. Davor gibt es allerdings eine unserer intensiven Suchaktionen. Auf all unseren Reisen verschwinden gewisse Dinge "unweigerlich und für alle Zeiten". Diesmal sind es Klaus' Geldtascherl und sein Pass. Schließlich findet er beides- in seiner Fahrradtasche. Erfreulicherweise fällt mir beim sorgfältigen Durchstöbern aller Kasteln Klaus' Lieblingslesebrille in die Hände. Er war bis jetzt sicher, sie zu Hause vergessen zu haben, und musste mit der Ersatzbrille vorlieb nehmen.
Mit dem wiedergefundenen Geld machen wir nun beruhigt einen Spaziergang zum Spar - häufig vertreten auf der Insel - bevor er für seine lange Siesta schließt- leidvolle Erfahrung von gestern. Unser Orangensaft und unser Mineralwasser sind alle. Sicherheitshalber nehmen wir einen Schirm mit. Wir brauchen ihn nicht, aber es tröpfelt und nieselt immer wieder. Gartenmöbel rein, Gartenmöbel raus- auch eine nette Beschäftigung an einem Ruhetag.
Klaus macht sich einen Brunch. Dem Anblick der säuberlich aufgereihten und duftenden Baguettes konnte er beim Spar doch nicht widerstehen. Irgendwas muss sich die "gequälte Kreatur" doch gönnen. Ich bleibe standhaft.
Dieses Wetter ist mir gar nicht so unsympathisch. Es ist wenigstens nicht so heiß.
Ich genieße es, mehrere Stunden am Stück lesen zu können und bringe so endlich mein dickes Buch zu Ende. Auch mit dem Reisetagebuch bin ich à jour.
Klaus versucht nochmals dem Geheimnis der Heizung und des Warmwassers näherzukommen.
Diesmal hat er die zündende - im wahrsten Sinn des Wortes - Idee. Auf die Reihenfolge kommt es an: Zuerst Gas, erst dann Strom vom "Festnetz". Jetzt ist unser Luxus kaum noch überbietbar. Warmes Wasser kommt aus den Leitungen.
Unsere Nachbarn erscheinen auf der Bildfläche, ein sehr rundliches älteres Ehepaar, das eine sehr italienisch klingende, aber unverständliche Sprache spricht. Sie wecken ihre kleine Hütte, die ganz in Plastik eingehüllt war, aus dem Winterschlaf. Stundenlang werkeln sie herum und holen Unmengen von Zeug aus ihrem Auto. Alles wirkt irgendwie abgewrackt und nicht wirklich sauber. Wir nennen sie die Messies. Für mich wirkt das irgendwie wie eine Reality-Show im Fernsehen.
Am Ende dieses gemütlichen Urlaubstages erwartet mich noch eine zärtliche Überraschung. "Ich dachte, du hast Kreuzweh." "Hab ich eh". Seit Klaus' Sturz vom Kamel sind ca. 4 Monate vergangen. Wie machen's die Igel? Sehr vorsichtig!
Sa, 13. 6.
Zum Frühstück kochen wir uns einen Brei. Dazu passt der Glückstee heute Morgen sehr gut. Ich habe einen neuen Spitznamen für Klaus: "Mein zärtliches Igelchen".
Dem Bäcker, der auf den Campingplatz kommt, kaufen wir diesmal ein Baguette ab- fürs Mittagessen.
Unsere Messie-Nachbarn haben schon um 6h zu scheppern und klappern begonnen, umgeben von all ihrem Zeug.
Nach ausführlichen Körperpflegeaktionen füllen wir unseren Wassertank und entleeren Abwasser und Klo. Einem Aufbruch zu neuen Abenteuern steht nun nichts mehr im Wege. Wir haben es überhaupt nicht eilig. Es sind nur mehr ca. 70 km bis Bonifacio, und unsere Fähre nach Sardinien geht erst morgen Abend.
Wir hören Leonard Cohen und gleiten auf einer 'roten Straße' dahin. Auch heute begegnen wir bewundernswert sportlichen Radfahrern - oft in Gruppen - vollbepackt mit Zelten, usw.
Nach der gestrigen Eintrübung wird es heute wieder richtig heiß.
Bald sehen wir vor uns, angeschmiegt an den Monte Rosso, die - laut Reiseführer - korsischste aller Städte, Sartène (= Sartè). Einst war es eine Hochburg des Banditentums- trefflich beschrieben von Prosper Mérimée. Die fünf- bis sechsstöckigen festungsartigen, schmucklosen, grauen Granithäuser mit ihren geschlossenen Fensterläden wirken abweisend gegenüber uns "Eindringlingen". Die Kirche schaut genauso aus. Sie hat allerdings vorne wieder eine Schmuckfassade aufgepickt.
Hübsch und malerisch ist es hier eindeutig nicht, aber wir entdecken dann doch auch ein paar nette Ecken, wo die Blütenpracht - wieder einmal - den strengen Eindruck abmildert. Hier gibt es auch viele Feigenbäume, die betörend duften. Dafür haben wir nicht die richtige Jahreszeit gewählt. Die Früchte sind noch lange nicht reif.
Der Markt bietet ein buntes Bild. Wir kaufen uns Pasteten mit Gemüse und Brocciu, einem milden korsischen Frischkäse. Das sind die Freuden eines Esstages.
Bei der Weiterfahrt blicken wir uns wieder um und schauen, ob wir Edelkastanienbäume sehen, aber vergeblich. Wo sind diese Wälder bloß?
Dabei entdecken wir den Elefantenkopf - ganz deutlich zu erkennen - einen skurril erodierten Granitfelsen. Zugleich haben wir von hier aus einen sehr schönen Blick aufs Meer.
Nun liegt nur noch unsere letzte Station in Korsika vor uns: Bonifacio (= Bunifaziu). Bald sehen wir die Zitadelle vor uns.
Ca. um 13h finden wir einen Campingplatz. Wir stehen wieder unter Maulbeerbäumen, die unseren Nachtisch sichern werden. Jetzt freuen wir uns schon sehr auf unser Mittagessen. Wir haben ja diese köstlichen Pasteten auf dem Markt gekauft. Baguette haben wir auch schon eines.
Klaus findet, dass es Zeit wird, einmal unsere Garage zu säubern. Dabei stellen wir fest, dass in der Kunststoffwanne, im sogenannten Geheimfach im doppelten Boden, Wasser steht. Es ist uns unerklärlich, wo das hergekommen ist. Von einem Leck im Tank kann es nicht sein, denn der ist unterhalb. Wir wischen alles trocken und werden in ein paar Tagen wieder nachschauen.
Ca. um 16h schwingen wir uns auf unsere Fahrräder - eigentlich sind wir müde, aber wir können ja nicht vollkommen versumpern - und fahren in die Stadt. Sehr steil geht es hinauf in die Altstadt. Wir heischen bewundernde Blicke. Eine wohlmeinende Dame fragt uns, ob das E-Bikes sind. Wir doch nicht!
Wir können jetzt von oben auf den Hafen hinunterschauen. Eine ziemlich kleine Fähre steht dort. "Santa Teresa – Bonifacio" steht drauf. Mit so einem Schiff werden wir morgen Abend nach Sardinien fahren. Die Insel ist nur 8 Seemeilen entfernt. Wir können sie schemenhaft erkennen. Vor uns liegt die südlichste Spitze Korsikas.
Wir schauen auch auf die sehr weißen Kalkwände hinab. Ein Stück davon ist vor ca. 800 Jahren von der Klippe abgebrochen und ragt seither aus dem Wasser. "Grain de Sable" (= Sandkorn) wird es spöttisch genannt.
Dieses eigenwilligste Städtchen Korsikas ist wirklich malerisch. Die Lage ist traumhaft, hoch oben auf einer schmalen Halbinsel, deren Kalksteinwände 60m zum Meer hin abfallen. Die fjordartige Bucht bildet seit jeher einen natürlichen Hafen, in dem jetzt gerade einige riesige und sehr noble Yachten liegen. Die hohen überhängenden Klippen machen Bonifacio zu einer uneinnehmbaren natürlichen Festung. Die Oberstadt hat die Atmosphäre des genuesischen Mittelalters bewahrt.
Während wir bergauf schwitzen, kommen uns plötzlich viele sehr elegant gekleidete Leute entgegen. Das sieht ganz eigenartig aus, inmitten von Touristen in Shorts und T-Shirts. Sie kommen von einer Hochzeit, wie wir feststellen, als wir am Rathaus und später an der Kirche vorbeikommen.
Im Cimetère Marin durch die Gassen mit den dichtgedrängten Friedhofshäuschen zu gehen, hat etwas Unwirkliches. In den antiken Nekropolen hat es wohl so ähnlich ausgesehen. Sorgfältig, entlang von Straßen, die auch Namen haben, sind diese Familiengrüfte aufgereiht. Einige sind ganz modern. Sie haben Einschublöcher für die Särge. Davor ist dann jeweils eine Grabplatte. Vor den "Tempeln", wie die Häuschen genannt werden, sind kleine Vorgärten mit hübschen Pflanzen angelegt.
In Propriano haben wir ja auch so einen ähnlichen Friedhof gesehen- ist wohl typisch für diese Gegend hier.
Auf dem Rückweg halten wir Ausschau nach einem hübschen Lokal fürs Abendessen. Alle sind sie hübsch, eines neben dem anderen, aber Vegetarisches gibt es gar nichts. Wir werden einfach versuchen, mit dem Kellner zu verhandeln.
Außerdem gehen wir in den vielen kleinen Läden shoppen. Wir brauchen Geschenke für Klaus' Enkelkinder. Wir kaufen T-Shirts und Kleidchen.
Die riesige Festung nimmt auf der begrenzten Fläche, die für die Stadt zur Verfügung steht, viel Platz ein, daher sind die Häuser eher schmal und hoch. Schmale halsbrecherische Treppen führen hinauf. In früheren Zeiten waren sie aus Holz, oder es wurden sogar oft Strickleitern verwendet, die man im Ernstfall leicht einziehen konnte. Der Blendbogenfries, der die Fassadern vieler Häuser abschließt, ist typisch für die vornehmen genuesischen Wohnhäuser. Strebebögen verbinden die gegenüberliegenden Häuser. Sie gehörten einst zu einem ausgeklügelten Leitungssystem, durch das Regenwasser durch die Dachrinnen in die hauseigenen Zisternen geleitet wurde.
Fast alle Häuser besitzen Brunnen, Zisternen und Lagerräume für Lebensmittel. Die wurden inzwischen in kleine Geschäfte und Restaurants umgewidmet, eines neben dem anderen.
Die Stadt wurde im 9. Jhd. vom Grafen Bonifacio II. gegründet, der ihr auch den Namen gab. Er stammte übrigens aus Lucca- da waren wir auch schon. Nachdem er gegen die Sarazenen gesiegt hatte, baute er die bereits erwähnte Festung. Im 12. Jhd., als die Pisaner von den Genuesern abgelöst wurden, wurden die Bewohner verjagt und Ligurier angesiedelt. Deren Sprache hat sich bis heute erhalten. Viele heutige Bewohner sprechen immer noch einen alten ligurischen Dialekt, den es nur mehr hier gibt, obwohl die Stadt und die ganze Insel ja schon seit 1768 zu Frankreich gehören.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir gemütlich zu Hause, und ca. um 20h reißen wir uns von unseren Laptops los und gehen Abendessen, diesmal zu Fuß.
So können wir andere Wege nehmen. Wir finden einen hübschen Fußgängeraufgang in die "Haute Ville", den wir mit den Radeln natürlich nicht nehmen konnten. So bekommen wir wieder andere Gässchen zu sehen. Steil bergauf geht es auf jeden Fall. Wir hätten es uns noch leichter machen können, und den "Petit Train Touristique" nehmen können- aber wir doch nicht!
Wir finden einen Tisch im Freien in einem der netten kleinen Restaurants. Die Wirtin verteilt keine Speisekarten, sondern stellt sich immer mit den großen hölzernen Menütafeln zu den Gästen und erklärt. Sie ist sehr willig und hilfreich und stellt mir ein vegetarisches Menü aus regionalen Köstlichkeiten zusammen: "Salade Bonifacienne", Gefüllte Auberginen "à la bonifaciennen" und eine ganz besonders feine Tarte mit Brocciu und Orangensauce. Klaus bestellt Fisch und "Tarte aux Pommes". Wir sind beide sehr zufrieden. Als Digestif bekommen wir einen würzigen Myrtenlikör, der uns sehr schmeckt. Wir haben diese Spezialität schon in vielen Läden angeboten gesehen. Den haben wir jetzt also auch noch abgearbeitet. Das war jetzt ein teurer Spaß, aber ein deliziöser.
Direkt gegenüber von unserem Lokal wird in einem winzigen Geschäft Korallenschmuck verkauft. Wir dachten, das wäre mittlerweile verboten. Die Korallenfischerei hat in dieser Gegend eine jahrhundertelange Tradition. Heutzutage ist sie sehr wohl verboten, wie wir erfahren, da in den letzten Jahrzehnten aus Profitgier so viel Raubbau betrieben wurde, dass die Bestände stark zurückgegangen sind. War das alter Schmuck, war er unecht oder geduldet illegal?
Der Heimweg ist sehr romantisch. Alles ist beleuchtet. Viele fröhliche Menschen sind unterwegs. Die Stadt wirkt gleich noch einmal so malerisch wie bei Tag.
Der nächtliche Blick in den Hafen hinunter ist besonders hübsch. Auch die Lichter von Santa Teresa auf Sardinien sehen wir. Morgen sind wir dort.
Es hat schon etwas, einmal um diese späte Stunde unterwegs zu sein.
Nach 23h kommen wir nach Hause und fallen müde ins Bett.
So, 14. 6. Vatertag
Klaus' reizende Töchter vergessen natürlich nicht zu gratulieren.
In der Nacht gab es ein heftiges Unwetter. Wir haben unsere Luken und Fenster geschlossen und friedlich weitergeschlafen. Das Trommeln der Regentropfen aufs Dach hat ja etwas sehr Gemütliches.
Jetzt am Morgen sieht alles wieder so sonnig aus, als wäre nichts gewesen.
Wir widmen uns wieder einmal häuslichen Putzarbeiten und packen dann langsam zusammen. Um 12h müssen wir weg sein, damit wir keine weitere Nacht bezahlen müssen. Die sind hier sehr streng. Ein Schild verkündet, dass ab 12h01 der volle Preis für den nächsten Tag zu zahlen ist.
Das Frühstück lassen wir am heutigen Fasttag aus.
Der schönste war dieser Campingplatz nicht, aber bis jetzt der weitaus teuerste. Den Platz zu Füßen der malerischen Stadt lassen sie sich verständlicherweise bezahlen.
Wir haben ja bereits unsere unnötigen Plastik-Sektgläser dezent auf dem Campingplatz in Porto zurückgelassen. Hier legen wir unseren alten Korkenzieher aus. Wir haben noch einen besseren. Vielleicht freut sich ja jemand darüber.
Wir fahren zum Fährhafen und hoffen, dass wir auf ein früheres Schiff umbuchen können. Fein, wir können statt um 20h - wie ursprünglich geplant - bereits um 17h fahren. Die kleine Bearbeitungsgebühr, die dafür anfällt, ist uns das wert. Die Mittagsfähre ist uns leider vor der Nase davongefahren.
Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen im Hafen. Ich habe noch an meinem Reisebericht zu arbeiten, und Klaus meint nach seinem Brunch, dass er jetzt "endlich einmal etwas arbeiten" muss, und widmet sich dem Sardinien-Reisefüher. Er fühlt sich halt am wohlsten, wenn alles sauber geplant ist. Und ich profitiere davon.
Um 16h kommt unsere Fähre an. Nach dem Aussteigen und Rausfahren der Passagiere beginnt das Boarding. Wir dürfen als erste hineinfahren und werden auch als erste wieder das Schiff verlassen.
Die Fährlinie heißt Moby, nach dem Moby Dick. Ein aufblasbares Exemplar hängt im Büro.
Es ist ziemlich stürmisch und der Wellengang dementsprechend hoch. Ich nehme zur Sicherheit eine Tablette gegen Reisekrankheit ein.
Diese Fähre hat etwas von einem Ausflugsschiff, weil sie so klein ist. Wir blicken vom Wasser aus auf Bonifacio zurück. Diese Stadt ist zweifellos etwas Besonderes.
Kaum haben wir uns von diesem Anblick verabschiedet, kommt bereits die Küste SARDINIENS auf uns zu. Wir freuen uns, zu neuen Ufern aufzubrechen- im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir sehen sehr nett auf Santa Teresa di Gallura hinüber. Wie wir näher kommen, begrüßen uns ganz moderne, sehr schiefe Häuser. Hat das etwas mit dem Wind zu tun? Uns gefallen sie jedenfalls nicht. Wir sehen auch noch andere Häuser mit ungewöhnlichen Formen.
Nach fast einer Stunde Fahrt legen wir an.
Bevor wir uns einen Campingplatz suchen, machen wir noch einen kleinen Umweg über einen künstlichen Damm nach Capo Testa. Wir fahren durch eine Art Blockheide mit ein paar hineingeduckten Häusern. Viele Wanderwege führen durch die blühende Macchia.
In einer kleinen Bucht formten Wind und Wellen aus Granit natürliche Skulpturen. Die großen, harten Blöcke wirken ganz weich und rund. Uns gefällt ein "liebendes Paar mit Kleinkind" am besten. Es macht Spaß, auf den Steinen herumzuklettern. Wie gut, dass unsere Sandalen gute Profile haben. Die anderen Touristen schauen uns zu. Sie wagen sich gar nicht so weit vor wie wir.
Wir erinnern uns an "Granite Rose" in der Bretagne. Und Klaus erinnert sich an die Seychellen. Wanderwege führen durch. Er freut sich über das tolle Fotolicht, jetzt am Abend.
Später fahren wir weiter nach Süden, die Küste entlang, und suchen einen Campingplatz mit Waschmaschine. Unser Schmutzwäschesack quillt bereits über. Ca. um 20h haben wir ihn gefunden.
Das Camping-Village - wie es sich nennt - ist sehr schön, sauber und gut ausgestattet. Es hat auch einen eigenen Zugang zum Strand. Zum Baden ist uns allerdings zu kühl.
Weil es bei uns so patriarchalisch zugeht - oder doch eher, weil ich heute Fasttag habe - lässt sich Klaus sein Nachtmahl schmecken, während die emsige Hausfrau sich der Wäsche widmet. Hoffentlich wird alles bis in der Früh trocken. Wir wollen nämlich morgen weiterfahren.
Zwei kleine Mädchen, die neben uns wohnen, sprechen ausgezeichnet, mit großer Lautstärke und genau der richtigen Intonation und dem richtigen Singsang, Italienisch. "Temperament nennt man das", meint Klaus. Wir atmen jedenfalls auf, als es für die beiden endlich Schlafenszeit ist.
Wir sind ziemlich müde und gehen auch bald ins Bett.
Mo, 15. 6.
Wir haben gut und lange geschlafen.
Unter der Dusche wird mir klar, dass dieser Campingplatz doch seine Mängel hat. Es kommt kein warmes Wasser. Dieses Problem haben wir ja im Wohnmobil gelöst. Also wasche ich mir "zu Hause" die Haare.
Nach einem wohltuenden Breifrühstück füllen wir den Wassertank auf und entleeren Abwasser und Klo. Mittlerweile haben wir Routine.
Der hiesige "Camperservice" erstreckt sich nicht nur auf Wasser und Klo, sondern es gibt auch ein Hunde-Waschbecken.
Kurz nach 10h brechen wir auf.
Übrigens, unsere Mitgliedschaft im Camping-Club hat sich bis jetzt sehr bewährt. Alle Campingplätze haben uns bis jetzt 15% bis 20% Preisnachlass gewährt.
Heute ist es recht kühl. Das Meer ist ziemlich aufgewühlt.
Wir fahren parallel zur Küste nach Süden und biegen dann ein wenig ins Landesinnere ab.
Wir genießen jetzt das italienische Flair. Straßenschilder und Wegweiser sehen anders aus als in Korsika, sind uns aber von vielen Italien-Reisen sehr vertraut. Auch hier blüht übrigens der Oleander.
Die Straßen erscheinen uns generell breiter als in Korsika. In Sardinien gibt es ja sogar Autobahnen. Die Insel ist um einiges größer als ihr Nachbar und viel weniger gebirgig. Da kann man leichter Straßen bauen. Man könnte die erlaubten 90 km/h locker fahren, aber wir "gleiten statt hetzen". Klaus ist sehr stolz auf seine spritsparende Fahrweise.
Ab jetzt sind wieder unsere Italienischkenntnisse gefragt. Damit ist es allerdings nicht so weit her. Aber wir üben.
Bei einem kleinen Geschäft am Wegrand kaufen wir Obst und Käse. Wir dürfen wieder kosten- Hmm.
Hier gibt es auch eine Art rechteckiges Fladenbrot, das angeblich die 'Nonna' in einem traditionellen Backofen gebacken hat. Es duftet und schmeckt herrlich. Und wir haben gedacht, dass wir dem Baguette hinterherweinen werden, sobald wir nicht mehr in Frankreich sind.
Wir entdecken auch Ciliegie = Kirschen. Wir konnten uns dieses Wort beim Vokabel lernen einfach nicht merken. Da es mir jetzt spontan eingefallen ist, habe ich dadurch die Berechtigung erworben, welche zu kaufen. Wir sind sehr zufrieden. So ein Laden ist uns viel lieber als ein Supermarkt.
Heute an meinem Esstag kann ich mich ja wieder den kulinarischen Genüssen hingeben. Und die morgendliche Wiegung war ja auch erfreulich.
Wir fahren durch eine grüne Landschaft, die uns an die Toskana erinnert. Der Kontrast zwischen den gelben Feldern und den dunkelgrünen Bäumen und Büschen gefällt uns sehr gut. Sardinien scheint sehr fruchtbar zu sein. Es war einmal die Kornkammer Roms. Was uns noch auffällt, sind die vielen Tafelberge, oben ganz flach und an den Seiten sanft ins Tal abfallend.
Immer wieder sehen wir Steinmäuerchen. Im 19. Jhd. gab es einmal ein Gesetz, dass derjenige, der ein Stück Land bewirtschaftete, auch dessen Besitzer wurde. Daher wurden die Felder eingefriedet, wahrscheinlich mit den Steinen, die sie aus den Feldern geklaubt hatten.
Wir gleiten weiter durch die Landschaft nach Süden und hören Calexico.
Unser erster kultureller Programmpunkt ist San Pietro di Simbrános- pisanische Romanik.
Die Kirchenfassade ist zweifarbig, diesmal eher gestreift- rötlich-brauner Trachyt und weißer Kalkstein. Sie ist mit Halbsäulen und Blendbögen dekoriert. In der Portallunette entdecken wir die naiven Darstellungen von Schutzheiligen. Hinein können wir leider nicht. Angeblich ist sie innen ohnehin schmucklos.
Das Kirchlein steht heute allein auf weiter Flur. Früher gehörte ein Kloster dazu, von dem aber nur wenige Grundmauern zu sehen sind.
Klaus findet ein paar Holzbretter, die wir unter unsere Keile legen können, wenn das Gelände so schief ist, dass sie zum Ausgleich nicht ausreichen.
Auf dem Parkplatz tischen wir unsere neu erworbenen Köstlichkeiten zum Mittagessen auf.
Uns geht es richtig gut.
Bei der Weiterfahrt fällt uns auf, dass es auf Sardinien viele bunte Häuser gibt, sogar violett und orange. Das gab es in Korsika überhaupt nicht.
Die Basilica Santissima Trinitá di Saccargia ist Sardiniens berühmteste Kirche. Schlicht und doch beindruckend ist ihr hell-dunkel gestreiftes Mauerwerk, das toskanische Einflüsse verrät.
An der Stelle, wo heute die Kirche steht, kniete sich - der Legende nach - einst eine Kuh zum Gebet nieder -"sa acca argia" = die gefleckte Kuh, daher der Name der Kirche. In den Kapitellen der Vorhalle finden wir die Kühe wieder. Dieser Portikus ist einzigartig in Sardinien. In den Arkadenbögen sitzen Ungeheuer mit ungeheuren Penissen. Der obere Teil der Fassade ist mit Rosetten und bunten Diamanten geschmückt.
Vom ehemaligen Kloster stehen noch einige Mauerreste und ein Brunnen.
In diese Kirche dürfen wir sogar hineingehen. Dafür bezahlen wir gerne Eintritt. Die Fresken im Altarraum zeigen byzantinischen Einfluss. Sie gehören zu den wenigen erhaltenen Werken romanischer Freskenmalerei in Italien.
Eine alte Marienstatue mit schiefer Krone auf dem Kopf wird hier offenbar verehrt. Viele Frauen berühren sie ehrfürchtig.
Beim Ausgang werden Postkarten, usw. verkauft. Wir entdecken zu unserer Freude ein Sardinien-Pickerl für unser Auto. Ein korsisches haben wir ja auch schon. Die Sardische Flagge ist ein rotes Kreuz mit vier schwarzen Maurenköpfen samt Stirnband. Korsika hat nur einen solchen Kopf. Es gibt auch die Variante mit verbundenen Augen, das scheint die ältere zu sein. Nach dem Sieg der Pisaner und Genueser über die Mauren wurde ein maurischer Gefangener hingerichtet. Die Augen wurden ihm mit einem weißen Tuch verbunden. Er wollte aber sehenden Auges in den Tod gehen und schob das Tuch daher hoch zur Stirn. Wir kennen uns nicht genau aus, was jetzt gerade die offizielle Version ist, mit offenen oder mit verbundenen Augen. Wir sehen immer wieder beide.
Jetzt werfen wir uns auf die Autobahn. In vielen Pannenbuchten stehen Lieferwagen, die Obst und Gemüse verkaufen- sehr originell.
Unser letztes Kirchlein für heute ist San Pietro di Sorres. Es liegt ein wenig abgelegener. Vielleicht können wir dort übernachten. In dieser Gegend hier gibt es nämlich keine Campingplätze, und das wild Campen hat uns ja immer schon Spaß gemacht.
Die romanische Kirche ist hübsch. Auch hier ist der pisanische Einfluss unverkennbar. Diese Kirchen schauen einander alle ähnlich. Diese hier hat allerdings keinen Turm und keine Vorbauten. Eine klassische Basilika, wie mir Klaus erklärt, ein Hauptschiff und abgesetzte Seitenschiffe. Das angeschlossene Benediktinerkloster ist noch in Betrieb. Die Mönche halten gerade ihre Abendandacht ab. Der schlichte Kirchenraum ist teilweise gestreift. Klaus fällt die pisanische Kanzel auf. Der Platz hier gefällt uns sehr. Das passt gut, dass wir hier die Nacht verbringen werden.
Das wunderbare Brot, das wir heute gekauft haben, und das morgen alt ist, schreit nach einer Marmeladejause.
Wir haben hier mit unserer italienischen SIM-Card eine sehr gute Internet-Verbindung.
Anfragen an 'Radio Eriwan' sind nun endlich wieder möglich.
Meine Recherchen ergeben z.B., dass Österreich ca. 3x so groß ist wie Sardinien. Und Sardinien ist ca. 2,5x so groß wie Korsika. Korsika ist viel dünner besiedelt als Sardinien.
Leider spinnt Klaus' MacBook. Das Touchpad reagiert nicht, und Maus erkennt er auch keine.
Nach vielen Versuchen gibt Klaus auf. Er kann jetzt seine Fotos nicht übertragen. Hoffentlich kann ihm noch hier oder zu Hause ein Fachmann Zutritt zu seinen Daten verschaffen. Hoffentlich sind die schönen Fotos von dieser Reise nicht verloren.
Klaus bleibt erstaunlich gelassen. Er hat ja genug Bücher mit. Also wird ihm nicht fad.
Unser Abendessen ist wieder einmal besonders gut. Wir machen uns Gefüllte Zucchini. Als Basis nehmen wir eine "Jentschura"-Fertigmischung, die wir mit Schwammerln, usw. aufbessern. Zum Nachtisch verspeisen wir das letzte Stückchen meiner Geburtstags-Kartoffelschokolade.
Bei einem kleinen nächtlichen Spaziergang zeigt mir Klaus wie so oft den Sternenhimmel. Jupiter und Venus stehen heute so nah beisammen, und die Venus leuchtet heute ganz besonders hell.
In diesem Sinne, Gute Nacht.
Di, 16. 6.
Heute Nacht war es so kühl, dass ich mir eine Zusatzdecke geholt habe.
Jetzt am Morgen hat es 17°.
Während der Fahrt laden wir meinen Laptop am Spannungsumwandler auf. Er jammert, als würde er sich furchtbar plagen, aber er lädt.
Wir fahren zum Nuraghe Santu Antíne, der hier ganz in der Nähe ist, benannt nach dem Hl. Konstantin.
Die Zeit der Nuraghi-Bauten dauerte von 1800 bis 238 v.Chr., bis die Römer gekommen sind.
7000 Stück davon gibt es auf der Insel, die als Wahrzeichen einer Kultur gelten, die Sardinien nachhaltig geprägt hat. Uns erinnern die in Form von Kegelstümpfen gebauten Türme ein wenig an die Brochs in Schottland und auf den Orkney-Inseln. Auch sie wurden aus ringförmigen Reihen von Steinblöcken, ohne Mörtel, aufgeschichtet.
Der Nuraghe, den wir jetzt besichtigen wollen, gehört zu den größten und sehenswertesten. Die Sarden nennen ihn "Sa Domo de su Réi" (= Haus des Königs). Er liegt weithin sichtbar in einer fruchtbaren Ebene.
Die Festung wurde aus Basaltblöcken erbaut. Die ganze Anlage ist dreieckig. Vom dreistöckigen Mittelturm fehlt die Kuppel. Ursprünglich war er wahrscheinlich ca. 22m hoch. Die drei Ecktürme haben nur zwei Stockwerke. Die Treppen sind im Mauerwerk der Wehrmauern angelegt.
Wir sind heute so früh dran, dass die Biglietteria noch gar nicht geöffnet hat. Wir haben noch eine Viertelstunde bis 9h Zeit. Also machen wir uns einen Kaffee. Wir sind ohnehin ohne Frühstück weggefahren. Das hat sich an meinen Fasttagen so eingespielt.
Wir sind die ersten Besucher des Tages.
Vom großen Innenhof aus - ca. 100m² - führen alle Gänge und Treppen des Nuraghe weg. Auch in den oberen Stockwerken gibt es je so einen Mittelraum. Man kann sich also in den vielen mystisch beleuchteten Gängen nie verirren, weil man immer wieder zur Mitte zurückkommt. Diese Besichtigung hat etwas Abenteuerliches. Das Herumklettern macht uns großen Spaß. Die Mittelräume und der Hof waren als Koordinationsstellen mit den kürzesten Wegen zu allen Teilen der Nuraghenburg wichtig für die Verteidigung und ermöglichten eine rasche Bewegung von Soldaten innerhalb der Bastion. Durch Schlitze fällt Licht in die Wehrgänge. Vielleicht wurden sie auch als Schießscharten genutzt. Durch Fenster in den oberen Stockwerken hatte man Sichtkontakt zum benachbarten Nuraghe Oes. Wir hingegen blicken auf unzählige Schafe hinunter. Von denen gibt es in Sardinien mehr als Menschen. Sie machen unseren guten Pecorino.
Im Hof steht auch ein großer Brunnen für die Trinkwasserversorgung.
Um die Festung herum gab es 20 steinerne Rundhütten, ein Nuraghendorf, dessen Bewohner bei Gefahr in die Burg flüchten konnten.
Das war jetzt sehr interessant. So toll habe ich es mir gar nicht vorgestellt. Ich muss auch gestehen, dass ich noch nie vorher etwas von Nuraghen gehört habe.
Sie zu errichten war eine gewaltige Leistung, schon allein das Herbeischaffen der riesigen Steine.
Dazu waren sie imstande. Der Transport von Müllbergen hingegen scheint ungleich schwieriger zu sein. Die heutigen Sarden schaffen es jedenfalls nicht. In Sardinien liegt überall deutlich mehr Abfall rum als in Korsika.
Auf geht's zum nächsten Highlight unseres Lebens.
Wir werfen uns wieder auf die Autobahn und fahren weiter nach Süden zum kleinen Nuraghe Santa Sabina. Er ist nach dem frühchristlichen Kirchlein benannt, das direkt daneben steht. "Auf eigene Gefahr" darf man über die dunkle, verfallene, enge Treppe hinaufsteigen. Es sieht von unten lustig aus, wenn plötzlich oben einige Köpfe herauskommen. Natürlich nehmen wir die "Gefahr" auf uns.
Die kleine Kirche hat einen ungewöhnlichen Grundriss. Es sieht so aus, als wären drei kleine Gebäude zusammengewachsen. Sie ist ganz einfach, auch innen- richtig herzig.
Wir werden noch auf Hünengräber hingewiesen, die es hier geben soll. Klaus zeigt auf einen kleinen Steintisch neben dem Kircheneingang, der wirklich entfernt wie ein Dolmen aussieht, und meint: "Da ist schon das erste Hünengrab." Also für mich ist das bestenfalls ein 'Hühnchengrab'.
Wir machen also auf der Gräbersuche einen sehr netten Spaziergang durch ganz naturbelassene blühende Wiesen. Ein Steinkistengrab finden wir tatsächlich. Das andere könnte einer der vielen Steinhaufen gewesen sein, die hier herumliegen.
Nicht weit entfernt, aber gar nicht so leicht zu finden, liegt die archäologische Zone von Tamuli.
Besonders interessant sind hier die Perdas Marmuradas de Tamuli, sechs etwa eineinhalb Meter hohe Menhire, von denen drei eindeutig kleine Busen haben. Ich nenne sie "Girls-hire", in Gegensatz zu den "Men-hiren". Wir finden sie auf dem weitläufigen Ausgrabungsgelände nicht gleich. "Wo sind die Mädels?", fragen wir uns. Diese Art der Darstellung ist übrigens wieder einmal einzigartig auf der Welt. Ziemlich bemoost sind sie. Klaus meint: "Sie sind nicht mehr die Jüngsten."
Sie stehen neben einem der drei Gigantengräber, die es hier gibt. Ein kleiner ziemlich verfallener Nuraghe steht auch hier.
Wir haben uns übrigens mittlerweile lange Hosen und Jacken angezogen, so kühl ist es.
Nun machen wir einen Plan für die Weiterfahrt. Eigentlich haben wir unser Tagesziel bereits erreicht.
Es ist aber erst Mittag, also fahren wir weiter nach Südwesten, wieder auf der Autobahn.
Wie wir festgestellt haben, gibt es auch hier Zweisprachigkeit. Das erkennen wir wieder an den Ortstafeln. Die Sardische Sprache, die im Faschismus verboten war, wird nun wieder gefördert, aber die Sprachkompetenz von Kindern und Jugendlichen nimmt leider ab.
Klaus meint lakonisch, dass ihm zweispurig wichtiger ist als zweisprachig. Ich kann ihn gut verstehen. Auch ich genieße die guten, breiten Straßen in Sardinien sehr.
Ein Stau entsteht. Vor uns scheint es einen gröberen Unfall gegeben zu haben. Zwei Ambulanzen und die Polizei eilen mit Folgetonhorn herbei. Wir wünschen den Beteiligten das Beste und sind dankbar und froh, dass es uns gut geht.
Als es wieder flott dahingeht, kommt nach langer Zeit wieder einmal unser Tempomat zum Einsatz.
Wir sehen viele weitere Nuraghi auf unserer Fahrt. Einer ist besonders nett. Er liegt mitten im Wald und auch aus ihm wächst ein Baum heraus.
Bei Cábras kommen wir wieder ans Meer. Ganz unvermutet machen wir eine echte Sitzbesichtigung der Stadt. Wir kommen an einem Triumphbogen vorbei und an einer Kirche, deren Zwiebelturm ein ganz buntes Mosaik hat.
Den Stagno die Cabras, eines der größten Feuchtgebiete Sardiniens, halten wir fälschlicherweise für Reisfelder. Erst der Reiseführer belehrt uns später eines Besseren.
Der kleine Badeort Marina di Torre Grande verheißt uns einen Campingplatz, den wir nach langem Suchen endlich finden. Der Platz ist einfach, aber sehr nett und wieder fast leer. Wir fühlen uns wie im Wald. Franco, der uns auch seine private Telefonnummer gibt, falls wir etwas brauchen, hilft uns beim Aussuchen eines Stellplatzes zwischen hohen Bäumen und erklärt uns eifrig alles. Als sich die Waschmaschine nicht einschalten lässt, putzt er mit seinem Leiberl die Pole des Steckers, und schon geht sie. Wir machen es nämlich wieder patriarchalisch. Klaus bruncht, und sein liebend Weib wäscht die Schmutzwäsche.
Wir machen uns einen Kaffee. Ich setze mich an den Laptop und Klaus holt sein Buch. Heute suchen wir nicht den Schatten, sondern die Sonne. Mit langer Hose, Jacke und Socken kann man es im Freien gut aushalten. Ich zitiere Klaus: "So ein Glück, dass wir hier sind."
Nach einiger Zeit hat Klaus eine gute Idee: Wir erkunden den Ort mit den Fahrrädern.
Es ist ein künstlich angelegter Ferienort und wirkt unecht auf uns. Der schöne, langgezogene Sandstrand ist nur wenig bevölkert - Vorsaison und kühles Wetter. Auf der breiten Standpromenade, die mit Palmen und Pinien bepflanzt ist, radelt es sich fein. Eine Snackbar liegt neben der anderen.
Wir fahren auch ein wenig durch den Wald. Das macht uns besonders Spaß.
Am Ortseingang ragt die namengebende Torre Grande auf. Einer der größten Sarazenentürme in Sardinien. Er stammt aus dem 16. Jhd. Viele solche Signaltürme wurden an den Küsten errichtet. Dieser stammt aus der Zeit, als die Spanier hier das Sagen hatten.
Sardinien war nämlich nie selbständig. Phönizier, Karthager, Römer, Vandalen, Byzantiner und Araber, Pisaner und Genueser und schließlich Spanier wechselten einander ab. Dann gehörte es zum Königreich der Savoyer, Piemont-Sardinien. 1861 wurde es ein Teil des Königreichs Italien.
Heute ist die Insel eine autonome Region innerhalb Italiens.
Nach diesem netten Ausflug widmet sich Klaus seinem Abendessen. Gestern haben wir für unsere Zucchini zu viel Fülle gemacht. Diese Reste macht er sich jetzt warm und röstet das restliche Brot dazu. Es riecht herrlich. Ich freue mich schon aufs Frühstück und weiche den Brei für morgen ein.
Klaus möchte das mit dem Patriarchat nicht auf sich sitzen lassen. Ich sitze am PC und er wäscht das Geschirr ab und putzt die Küche.
Auf mein Anraten gibt Klaus dem MacBook noch eine Chance. Und siehe da, alles funktioniert wieder. Kaum hat er allerdings alle seine Fotos auf eine externe Festplatte gespeichert, ist es mit der Freude wieder vorbei. Immerhin, die Fotos dieser Reise sind gerettet.
Für Abwechslung in unserem weiteren Abendprogramm sorgt eine Zumba-Klasse, die ziemlich lautstark, aber sehr rhythmisch und beschwingt direkt neben uns abgehalten wird. Eine Zeitlang gefällt es mir, aber dann bin ich doch froh, dass die TänzerInnen müde werden, und wieder Ruhe einkehrt.
Wir werden auch bald müde.
Mi, 17. 6.
In der Nacht beginnt es zu regnen. Ich schließe rasch die Luken. Wie gut, dass wir am Abend noch die Wäsche von der Leine genommen haben. Aber die Campingmöbel sind ja noch draußen. Klaus stürzt in der Unterhose hinaus und verstaut sie in der Garage. Kaum ist er triefend nass wieder herinnen, hört der Regen auf. "Gott sei Dank", sage ich, als es einige Zeit später wieder heftig zu wascheln beginnt. So war Klaus' Opfer doch nicht umsonst.
Diese Aktion hat unsere Nachtruhe natürlich ziemlich beeinträchtigt. Wir sind um 8h nicht wirklich ausgeschlafen.
Das Wetter ist heute wieder freundlich und sonnig, wenn auch kühl und windig. Laut Wetterbericht wird es ab morgen wieder besser.
Wir nützen die Campingplatzdusche und essen dann unseren Brei.
Um 10h fahren wir los. Beim Zahlen kann ich meinen Vokabelschatz aufbessern: "Il tempo e brutto". Das klingt so brutal, so schlimm ist das Wetter aber nicht.
Wir fahren zurück auf die Autobahn und dann noch weiter nach Süden. Joe Cocker singt für uns.
Ich wiederhole mich, aber wir sind schon wieder von den vielen bunten Oleanderbüschen begeistert. Hier wechseln sie sich mit gelbem Ginster und prächtigen, sattgrünen Pinien ab. Wir kommen uns vor wie in einer Gärtnerei. Dabei wächst das hier einfach so. Neben der Straße breitet sich ein fruchtbares Land mit vielen Feldern und Schafweiden aus.
Klaus meint, diese Landschaft kommt ihm vor wie aus dem Hintergrund eines Renaissancegemäldes.
Es regnet allerdings immer wieder ein bisschen.
Gegen Mittag kommen wir in Cágliari an, der Hauptstadt Sardiniens.
Die Stadt ist eine Phönizische Gründung. Unter den Puniern entwickelte sie sich zu einem bedeutenden Handelszentrum. Unter den Römern hatte sie erst in der Kaiserzeit größere Bedeutung. Nach dem Untergang des Römischen Reichs verließ die Bevölkerung aus Angst vor den Seeräubern die unsichere Küste. Unter den Pisanern wurde die Stadt gleichsam neu gegründet. Unter den Spaniern wurde sie wieder Hauptstadt. Im Königreich Piemont-Sardinien war Cágliari die Residenz des Savoyischen Königs. Ab der Mitte des 19. Jhd. entwickelte es sich zur modernen Stadt.
Wir parken im Hafenviertel und holen unsere Klappfahrräder raus. Ein neuerlicher Regenguss währt nur sehr kurz. Wir lassen uns davon von unserer Fahrt in die Stadt nicht abhalten.
Zuerst geht es die palmenbestandene Via Roma entlang, vorbei an einem Park. Unter den riesigen Wurzeln von Gummibäumen haben offenbar Obdachlose ihre Schlafplätze.
Der neugotische Palazzo Comunale mit seinen weißen Türmen lenkt unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Wir fahren einfach rum in dieser lebendigen Großstadt mit dichtem Verkehr- keine Radfahrerstadt.
Zum Dom und zum Castello hinauf ist es uns zu steil. Wir begnügen uns mit dem Anblick von unten.
Ein kleines Lebensmittelgeschäft verkauft uns Obst und Brot, und ein Bankomat verschafft uns wieder Liquidität.
Um 13h sind wir wieder zurück beim Wohnmobil und widmen uns dem Mittagessen. Klaus kostet ein Sardisches Bier.
Dann geht unsere Reise nach Süden weiter, mitten durch große Feuchtgebiete mit Stagnos (= Binnenteiche), wo wir doch tatsächlich wunderschön rosafarbene Flamingos entdecken.
Auch einen großen Windpark gibt es hier.
Es folgt als Kontrast eine hässliche Industriezone. Es scheint, als würde hier nach Öl gebohrt. Gleich daneben am Strand liegen Badegäste- sehr erstaunlich, dass sie keinen schöneren Platz finden konnten.
Es ist 14h30, die 2. Urlaubswoche ist um.
In Pula fahren wir schon wieder durch eine Oleanderallee. Das kommt mir vor wie die Auffahrt zu einem Märchenschloss. Überhaupt macht die Stadt einen sehr netten Eindruck.
Plötzlich pfeift unser Kühlschrank. Das macht er nur, wenn er keinen Strom bekommt. Aber er hängt doch an der Autobatterie?
Wir suchen einen Campingplatz und finden ihn in Santa Margherita, direkt am Meer.
Wir stecken den Strom an. Nichts tut sich. Wir versuchen mehrere Steckplätze am Campingplatz, kein Erfolg. In der Zwischenzeit versuche ich, den Kühlschrank mit Gas zu betreiben. Das funktioniert auch nicht. Wir kontrollieren alle in Frage kommenden Sicherungen. Alle sind in Ordnung.
Plötzlich haben wir Strom. Der Campingplatz hatte einen Stromausfall. OK, das eine Problem wäre gelöst. Unser Wohnmobil ist nicht ganz kaputt. Aber der Kühlschrank macht immer noch Mucken. Da entdeckt Klaus, dass die Türe nicht ganz eingerastet ist. Uff, die Erleichterung ist groß. Alles funktioniert wieder.
Unser Campingplatz ist sehr schön und gepflegt. Auch er hat, wie alle bisher - auch in Korsika - verschiedene Mistkübel für Mülltrennung. Auf all unseren Italien-Reisen haben wir das noch nie erlebt. Ist da Sardinien eine Ausnahme, oder denkt Italien langsam um?
Wir machen einen Spaziergang an den Strand. Sandstrand mögen wir ja nicht so sehr. Es ist uns ohnehin zu kalt und windig zum Baden. Ich steck' den Zeh in die See, und zwar ins Mittelmeer, nicht mehr ins Tyrrhenische.
Beim Heimweg entdecken wir, dass die eine Seite des Campingplatzes durch eine Kakteenhecke "eingezäunt" ist- kräftige, fleischige Pflanzen, die hübsch rot blühen.
Nach einer Tasse Kaffee setze ich mich an meinen Laptop, und Klaus widmet sich seinem Rätselheft. Er liebt es ja, um die Ecke zu denken. Dann öffnet er seinen Mac, und siehe da, er geht wieder- schnell ein paar Fotos bearbeiten und auf die externe Festplatte speichern, ehe er sich wieder verabschiedet.
Das scheint unser Urlaub der Technischen Probleme zu sein.
Für musikalische Auflockerung sorgen heute einige Babys in unserer Nachbarschaft, die einander in ihrer Lautstärke und Stimmgewalt zu übertreffen suchen.
Unser Abendessen besteht aus Resteverwertung. Es schmeckt uns aber sehr gut.
Wir haben unser Auto trotz Keilen und Zusatzbrettern nicht ganz in die Waage gebracht. Also schlafen wir heute "in die andere Richtung", mit dem Kopf auf der anderen Seite, damit er nicht runterhängt.
Do, 18. 6.
Wir haben lange und gut geschlafen. In 10 Tagen sind wir zu Hause, Inshallah.
Gestern Abend haben wir noch lange an einem neuen Car-Sharing-Modell getüftelt. Wir wollen unser schönes Wohnmobil ja durchaus auch herborgen.
Unser Campingplatz hat die schönsten Nassräume von allen bisher. Außerdem hat er Zugang zum Strand, daher haben wir € 29,00 für die Nacht bezahlt. Dieser Preis hat den bisherigen Rekordhalter Bonifacio geschlagen.
Um 10h reisen wir ab. Wir haben heute meinen Fasttag, wie Klaus treffend feststellt. Er bekommt keinen Frühstücksbrei, und am Abend kochen wir nicht.
Zum Glück vermisst Klaus seine Plastikschlapfen noch rechtzeitig. Er läuft zurück zu unserem Stellplatz von heute Nacht. Da stehen sie friedlich.
Wir verlassen den südlichsten Punkt unserer Reise - den 'Point of no Return' sozusagen - und fahren zum Capo die Pula. Dort gibt es neben einem sehr schönen Badestrand und einem Sarazenenturm, den die Savoyer zu einem Leuchtturm umfunktioniert haben, die antike Stadt Nora. Wir finden die Ausgrabungsstätte nicht gleich. Der Eintritt ist ziemlich teuer. Man darf nur mit Führung hinein, auf die wir warten müssen. All das trübt Klaus' Stimmung. "Das alles wegen der einen Säule, die du unbedingt sehen willst…" Seine Laune hebt sich sofort, als er hilfsbereit sein kann. Aufmerksam, wie er ist, hat er bemerkt, dass ein älteres Ehepaar - übrigens aus Lübeck, da waren wir auch schon - ein Problem hat. Sie sind ohne Auto hier und überlegen, wie sie nach Pula zurückkommen sollen, weil der angekündigte Shuttlebus nicht fährt. Klaus bietet ihnen an, sie nach der Führung mit nach Pula zu nehmen. Sie sind sehr dankbar. Sonst hätten sie über 5 km zu Fuß gehen müssen.
Die Besichtigung samt hübscher und kompetenter Führerin entpuppt sich als sehr interessant. Wir verstehen ihre Ausführungen auf Englisch sehr gut.
Nora ist wahrscheinlich die älteste Stadtgründung Sardiniens, vermutlich im 9./8. Jhd. v.Chr. durch die Phönizier. Dann kamen die Punier und die Römer. Das meiste, das man heute noch sieht, stammt aus der Römerzeit. Aus der älteren archaischen Phase ist nur sehr wenig vorhanden, z.B. die Norastele, auf deren Inschrift zum ersten Mal der Name "Sardinien" zu lesen ist. Am Anfang der Römerzeit, ab 238 v.Chr., gab es noch die alte und die neue Kultur nebeneinander. Doch mit der Zeit passten sich die Bewohner an die für sie sehr attraktive römische Lebensart an. Die reichen Römer brachten z.B. ihre Handwerker mit, die schöne Fußbodenmosaike schufen. Wir sehen die Reste des Theaters und mehrerer Thermen, mit Fußbodenheizung.
Ich habe bisher noch nicht gewusst, dass man anhand der Sitzplätze, die ein Theater hatte, die Einwohnerzahl einer antiken Stadt schätzen kann: Anzahl der Sitzplätze x 5. Hier lebten also ca. 3000 Menschen. "Wirst du alt wie eine Kuh, lernst du immer noch dazu", zitiert Klaus seinen ehemaligen Nachbarn, Herrn Zwinz, der hiermit Unsterblichkeit erlangt.
Die reichen Bewohner der Stadt hatten Wasser in den Häusern, die Ärmeren benutzten öffentliche Brunnen. Natürlich gab es auch ein Aquädukt.
An der äußersten Südspitze der Halbinsel stand der Äskulap-Tempel. Wir schreiten jetzt auf dem originalen gepflasterten Prozessionsweg dorthin.
In Nora wird weiterhin eifrig ausgegraben. Vier Universitäten sind damit beschäftigt.
Im 5. Jhd. drangen die Vandalen ein, und es kam immer wieder zu Piratenüberfällen. So begann der Niedergang der Stadt. Die drei Häfen rund um die Siedlung versanken mit der Zeit im Meer. Dort liegen sie heute noch.
Nachdem wir unsere ersten Reisegäste in diesem Wohnmobil in Pula abgesetzt haben, fahren wir in bewährter Weise wieder auf die Autobahn, diesmal nach Norden. Ab heute sind wir auf dem Heimweg. Wir kommen wieder an den Teichen mit den Flamingos vorbei, und diesmal schafft Klaus ein Foto. Eine Pannenbucht macht's möglich.
Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel besuchen wir einen Baumarkt und ergänzen unsere Ausstattung. Wir erstehen einen idealen Teppich für den Bereich vor unserem Eingang, eine Leiter und einen Besen, damit wir z.B. unsere Markise abkehren können.
Das Nuraghenheiligtum Santa Vittória verbirgt sich lange Zeit vor uns. Wir geben aber nicht auf und finden es schließlich doch. Die Lage auf einem Hügel ist besonders schön. Der Blick auf fruchtbare Felder und Dörfer gefällt uns sehr gut. Wir sind die einzigen Besucher auf dem weitläufigen Gelände. Der Reiseführer bezeichnet es als eines der faszinierendsten Zeugnisse der nuraghischen Kultur. Die verschiedenen Gebäude, von denen nur mehr die Grundmauern stehen, sind ohne erkennbare Ordnung verteilt. Das Dorf könnte eine Art Wallfahrtsort gewesen sein, der von den Stämmen in der Umgebung regelmäßig besucht wurde. In der Mitte des Komplexes befindet sich ein Bezirk, der von Säulengängen umgeben war. Das war wohl Teil einer Kultstätte. Der Brunnentempel war das religiöse Zentrum. Man kann über eine steile verfallene Treppe in den 3m tiefen Brunnenschacht hinuntersteigen. Er hat 2,1m Durchmesser. Ursprünglich war eine Kuppel darüber. Sein Alter schätzt man auf 10.-9. Jhd. v.Chr. Er ist älter als alle anderen Bauten auf diesem Gelände.
Viel später wurde am Rand des Plateaus ein kleines Kirchlein gebaut. Die religiöse Bedeutung des Ortes wurde also auch später noch beibehalten.
Jetzt ist es 16h, und es wird Zeit für Klaus' Brunch. Heute fällt mir das Fasten zum ersten Mal auf dieser Reise recht schwer. Ich habe richtig Hunger und noch mehr Gusto. Aber ich bin fest entschlossen durchzuhalten.
Nun geht es ein bisschen ins Gebirge, über eine kurvenreiche, aber gut ausgebaute Straße nach Nordosten bis zu einem schmalen, langgestreckten Stausee, dem Lago del Flumendosa. Hier finden wir einen besonders hübschen Platz zum wild Übernachten. Ein bisschen Müll müssen wir natürlich wegräumen. Aber dann richten wir uns sehr gemütlich ein, mit Blick auf den See. Wir packen unsere neu erworbenen Schätze aus. Der Teppich passt perfekt. Die Leiter verwendet Klaus, um einen erhöhten Standort für ein Foto zu haben, und was machen wir mit dem Besen? Vielleicht fliege ich einfach eine Runde.
Dann sitzen wir im Freien bei einer Tasse Kaffee und können unser Glück wieder einmal kaum fassen. Klaus hat die Anmutung, als wären wir in Schottland am Loch Ness. Es macht uns immer wieder Spaß, ganz allein irgendwo zu stehen, ohne Campingplatz.
Ich sitze lange im Freien an meinem Laptop, bis meine Finger klamm werden. Dann übersiedle ich ins warme Häuschen. Klaus hat ein Abkommen mit seinem MacBook getroffen. Er wartet sehr geduldig lange Zeit. Dann geht das Ding wieder eine Weile, bis es wieder abstürzt. Dann heißt es wieder geduldig warten und hoffen. Auf diese Weise kann Klaus seine Fotos Zug um Zug doch bearbeiten.
Mein Hunger ist in der Zwischenzeit wieder vergangen, und ich kann Klaus ohne Probleme beim Abendessen zuschauen. Trotzdem freue ich mich schon aufs Frühstück. Wir weichen einen Brei ein.
Nun lassen wir noch unser Abwasser ab. Wir tun das ohne schlechtes Gewissen, weil wir nur selten und wenig Geschirrspülmittel oder Seife verwenden. Den Frischwassertank haben wir ja auf dem letzten Campingplatz gefüllt, und in unserem Klo ist noch genug Platz, zumal es ja hier auch genug freie Natur für diesen Zweck gibt.
Fr, 19. 6.
Heute vor 39 Jahren habe ich den Christian geheiratet. Es erscheint mir einerseits unendlich lang her zu sein, wie in einem anderen Leben. Andererseits wieder kommt es mir so vor, als wäre es gestern gewesen.
Heute früh kommen wir überraschend früh weg. "Wahrscheinlich, weil wir gefrühstückt haben", meint Klaus. Diesmal hat er den Brei gekocht.
Unser heutiger Vorgarten am See war besonders hübsch. Unser Häuschen bleibt ja immer gleich, aber unser Garten sieht jeden Tag anders aus.
Wir fahren jetzt den See entlang, und weiter geht es nach Nordosten durchs Gebirge, wieder einmal eine landschaftlich besonders schöne Strecke, ziemlich einsam- tiefe, dicht bewaldete, steile Täler, an denen wir uns an steilen Hängen in Serpentinen hinauf und hinunter schrauben. Bis auf 1000m kommen wir hinauf.
Wir hören Pink Floyd, nicht zuletzt, weil der Spannungsumwandler so laut jault, beim Laden der Akkus für den Fotoapparat. Nach einer Nacht ohne Feststrom müssen wir unsere Geräte halt auf diese Weise aufladen.
Die Straße ist gut ausgebaut, aber ziemlich kurvig, ein Eldorado für Motorradfahrer, die in Gruppen übermütig im Slalom daherkommen. Seit einer halben Stunde ist ihnen niemand entgegengekommen. Und plötzlich kommen wir in einer Kurve mit unserem riesigen Wohnmobil daher. Ein paar Mal war es schon recht knapp.
Die vielen unbeschrankten Bahnübergänge, nur mit Bodenmarkierungen gekennzeichnet, fallen uns auf- ganz schmale Schienen. Wahrscheinlich verkehren hier Bergbahnen.
Ganz auffällig ist hier der silbrig glänzende Schiefer. Ich habe das zuerst fälschlicherweise für Müll gehalten. Da habe ich den Sarden aber unrecht getan.
Wenn wir durch Bergdörfer fahren, kommen wir uns manchmal vor wie in den 50er-Jahren. Alte dunkel gekleidete Frauen mit schwarzen Kopftüchern kommen uns entgegen. Viele Häuser sind mit einer Art "Lüftelmalerei" geschmückt.
Nun fahren wir durch ein regelrechtes Geisterdorf, ein ganzes Dorf in Ruinen. Offenbar wurde es verlassen. Über 50 Häuserruinen stehen hier. Wir fahren mitten durch. Das wirkt trostlos und zugleich mystisch und unwirklich.
Wir sprechen darüber, dass wir auch in Sardinien gerne einmal essen gehen wollen. Ich wünsche mir ein hübsches Restaurant, in dem es regionale Spezialitäten gibt, vegetarische natürlich. Klaus träumt von einer Pizza. "Es muss ja eigentlich kein Cena (= Abendessen) sein", meine ich. "Es könnte auch ein Pranzo (=Mittagessen) sein." Kaum ist der Satz ausgesprochen, halten wir an einem sehr kleinen, reizenden Lokal und sitzen in der Laube. Der Küchenchef kommt höchstpersönlich, um uns vegetarische Speisen zu empfehlen. Er spricht sogar etwas Deutsch. Zu meiner Freude macht er mir Culurgiones, darüber habe ich gestern im Reiseführer gelesen. Das sind eine Art handgemachte Ravioli, gefüllt mit Kartoffeln, Schafkäse und Kräutern- köstlich. Klaus bekommt seine Pizza Quattro Formaggi, da kann nichts schief gehen. Übrigens, das Dorf hat Ilbono geheißen, wie treffend. Wir übersetzen es mit "der gute Koch".
Jetzt ist es nicht mehr weit zur Stadt Tortolí. Sie bietet uns einen Supermarkt, in dem wir Salat, Käse und Brot fürs Abendessen kaufen.
An der Küste erwartet uns schließlich ein Highlight, die hoch aufragenden roten Felsen von Árbatax. Der Name erinnert mich an Abraxas, den Raben von der "kleinen Hexe" (Ottfried Preußler). Die aus dem Meer ragenden blutroten Porphyrspitzen sind schön, aber die Umgebung ist es nicht. Klaus gelingt es, in seinen Fotos die Industrieruine und den Müll am Strand auszublenden.
Auch einen spanischen Sarazenenturm gibt es hier.
Wir freuen uns, dass wir wieder am Meer sind.
Jetzt brauchen wir nur noch einen Campingplatz, den wir ganz in der Nähe in Lotzorai finden, wieder mit Strandzugang. Klaus kann also auch hier nach Herzenslust schnorcheln.
Wir kontrollieren wieder einmal die Kunststoffwanne im Garagenboden. Sie ist schon wider innen feucht. Ist vielleicht Wasser von den regennassen Campingmöbeln hineingeronnen? Wir müssen das beobachten.
Dann sitze ich an meinem "Schreibtisch" unter Pinien und Klaus trotzt seinem MacBook wieder eine kurze Arbeitszeit ab.
Heute Abend kochen wir nicht. Wir haben ja zu Mittag warm gegessen. Wir machen uns einen Salat und essen Käsebrote. Klaus hat mir gestern ein Stück von seinem dunklen Brot aufgehoben, etwas ganz besonderes in diesen Breiten. Er ist schon sehr lieb.
Danach widmet er sich wieder der Sternguckerei. Es gibt ja ein tolles App. Man hält das iPad einfach in den Himmel und sieht in Echtzeit, welche Sterne gerade über einem stehen. Er versucht auch Nachtfotos mit Stativ.
Sa, 20. 6.
Ich habe sehr gut geschlafen. Heute ist wieder Fasttag.
Um 9h30 reisen wir ab, mit gefülltem Frischwasser- und geleertem Abwassertank. Im letzten Augenblick fällt mir noch ein, dass wir ja auch das Klo ausleeren wollen. Schließlich haben wir eine oder vielleicht auch zwei wilde Nächte vor uns.
Der Campingplatz war sehr schön und gepflegt und bei weitem nicht der teuerste. Allerdings herrscht dort ein strenges Regiment. Es gibt eigene Waschbecken für Wäsche, Geschirr, Obst und Gemüse, Fisch und zum Hände waschen, zusätzlich zu den Duschen und Lavabos natürlich. Der Müllraum war nur für zwei Stunden am Tag geöffnet, eine am Vormittag und eine am Abend. Alles ist genau angeschrieben, in verschiedenen Sprachen. Wird dieser Platz wirklich von Italienern betrieben???
Grundsätzlich geht unsere Fahrt weiter nach Norden. Wir fahren heute aber auch ein Stück ins Landesinnere hinein, wieder einmal in die Berge.
Wir müssen dringend tanken. Wir haben ja gehofft, dass wir es noch bis Korsika schaffen, weil der Sprit dort viel billiger ist. Leider ist es sich nicht ganz ausgegangen.
Unsere Windschutzscheibe scheint einen ganz besonderen Winkel zu haben, sodass die Insekten abgeleitet werden. Es kleben keine Viecher auf ihr. Wir mussten wieder nicht putzen.
Die Berge um uns herum sind richtig hoch. Die Straße ist gut. Das sind wir in Sardinien jetzt schon gewohnt.
Wir fahren durch ein welliges Hochland zwischen den Bergen, inmitten von Hängen voller Ginster. Ich liebe diese strahlend gelbe Farbe Die Landschaft ist wunderschön. Neben uns windet sich ein Fluss - wie im Bilderbuch.
Direkt neben der Straße und auch auf der Fahrbahn laufen glückliche braune Schweine herum. Einige Ferkel, die mit ihrer Mama unterwegs sind, sind besonders süß. Schafe und Ziegen gibt es ja ohnehin unzählige. Auch Kühe - in Muttertierhaltung - sehen wir immer wieder. Ich habe ja im Reiseführer gelesen, dass das Fleisch in Sardinien besonders gut schmeckt, weil die Tiere hier so artgerecht - halb wild - gehalten werden und auch viele gesunde Kräuter fressen. Wir werden das nicht kontrollieren.
Jetzt sind wir gerade an einer großen Schildkröte vorbeigekommen, die eine lange Reise durch die Wüste - über die Straße - angetreten hat. Hoffentlich überlebt sie sie. Leider konnte man an dieser Stelle überhaupt nicht stehen bleiben. Wir hätten sie gerne hinübergetragen.
Die Wikipedia klärt uns auf, dass in Sardinien gleich drei Landschildkrötenarten vorkommen. Welche es war, konnten wir nicht erkennen. "Wir haben das wilde Herz Sardiniens gefunden" (Zit. Klaus).
Das Dorf Orgósolo ist etwas ganz besonderes. Die Murales = Wandmalereien, die wir auch in anderen Dörfern immer wieder gesehen haben, sind hier besonders häufig und zeugen von politischem und sozialem Engagement der Künstler. Schon bei der Herfahrt über die kurvenreiche Straße haben wir immer wieder mit Gesichtern bemalte Steinböcke gesehen. Das Ortsbild des ehemaligen "Banditennests" wird von den zahllosen, farbenprächtigen Murales geprägt. Fast auf jeder Hauswand gibt es welche. Z. B. wird Helmut Schmidt wegen Stammheim als "Experte in Sachen Staatsmord" bezeichnet.
Auch ganz aktuelle Gemälde sind dabei. Unter anderem nehmen sie auf 9/11 Bezug und auf die Bootsflüchtlinge, die überall vor Mauern stehen. Viele orientieren sich am Kubismus in der Art von Picassos Guernica.
Anfang der 70er-Jahren hat ein kommunistischer Zeichenlehrer mit seinen Schülern mit den Bemalungen begonnen. Und seither wird immer weitergemacht- ein wüstes Durcheinander von Botschaften, interessant und pfiffig. Im Souvenirladen kann man Fotos von den meisten Bildern kaufen.
Unter den Bewohnern gibt es viele ältere Männer, die auf der Straße sitzen und das Leben kommentieren, und Frauen in schwarzen Gewändern mit strengen schwarzen Haarknoten. Dieses Dorf ist wirklich sehr speziell.
Ich bin direkt überrascht, dass es hier auch "normale" Zivilisation gibt, z.B. einen Bankomaten. Danach suche ich schon seit zwei Tagen.
Nun sind wir wieder nach Nordosten in Richtung Küste unterwegs und suchen das berühmte Gigantengrab S'ena'e Thomes. Wir können es trotz mehrerer Annäherungsversuche von verschiedenen Seiten nicht finden. Nichts ist angeschrieben. Wir sind schon fast am Aufgeben. Da habe ich die Idee, in der Karte, die unserem Reisführer beiliegt, nachzuschauen. Ihr Maßstab ist zwar kleiner, aber die Sehenswürdigkeiten, auf die im Buch hingewiesen wird, sind besser eingezeichnet als bei Freytag & Berndt. In diesem Fall ist der Unterschied, wo das Grab jeweils eingezeichnet ist, besonders groß. Wir versuchen also unter den neuen Voraussetzungen nochmals unser Glück und sind diesmal erfolgreich. Auf dem Parkplatz davor nimmt Klaus seinen wohlverdienten Brunch ein. Es ist 14h. Das Herumkurven auf den kleinen Nebenstraßen zerrt an seinen Nerven. Auch sitzt uns unser "Kretisches Erlebnis" noch immer in den Knochen. Ich koche mir einen Kaffee, damit ich auch etwas kriege.
Jetzt sind es nur mehr 500m zu Fuß bis zum Grab. Aber auch auf diesem kurzen Weg gibt es noch Verirrungsmöglichkeiten. Wir erwischen zuerst den falschen Weg und erklimmen einen Hügel. Ein netter Verdauungsspaziergang für diejenigen unter uns, die etwas zu verdauen haben.
Endlich stehen wir vor dem Gigantengrab, das sich so heftig vor uns versteckt hat. Wir haben es schon die ganze Zeit "Das Grab des unbekannten Giganten" genannt.
Wir sind beeindruckt. Die Sucherei hat sich eindeutig gelohnt. Es ist eines der bedeutendsten Grabdenkmäler der sardischen Vorgeschichte, obwohl es inmitten einer ganz einsamen Landschaft liegt. Wir mussten nicht einmal Eintritt bezahlen, nur suchen und nicht aufgeben.
Die Gigantengräber zählen zu den ältesten Megalithanlagen. Sie sind Vorläufer der Nuraghenkultur.
Hier ist die langgestreckte Grabkammer durch eine herrliche Portalstele abgeschlossen, die meist aus einer einzigen riesigen, breiten Granitplatte gearbeitet ist. Auch die Abdeckung der Grabkammer ist noch zum Teil erhalten. In solchen Gräbern wurden oft über 100 Tote bestattet.
Schweißgebadet kommen wir zum Auto zurück. Unsere Fahrt führt weiter nach Nordosten und weiter ins Gebirge, durch den Nationalparkt des Monte Albo (= weißer Berg), dessen langen zerklüfteten Kamm wir entlangfahren. Die Farbe verdankt der Berg der weißen Farbe des Kalksteins. Wir können uns an dieser Kulisse kaum sattsehen. Sehr einsam ist es hier, keine Dörfer und kein Verkehr. Die Ausblicke sind atemberaubend. Viele Wanderwege sind angeschrieben.
Wir suchen einen Schlafplatz. Nach einigen Fehlversuchen finden wir schließlich um ca. 17h einen wunderschönen Platz mit herrlicher Aussicht. Ein weiteres Auto steht hier, ein Minibus aus der Steiermark. Das ältere Ehepaar kommt bald von seiner Wanderung zurück. Sie sind Hobby-Botaniker und führen auch eine Pflanzenpresse mit.
Ich setze mich an meinen Schreibtisch, während Klaus sein Nachtmahl einnimmt. Der Mac hat ihn heute gar nicht arbeiten lassen.
Heute Abend halte ich es nicht lange in unserem Vorgarten aus, obwohl es eindeutig der schönste dieser Reise ist. Es wird schnell zu kühl. Man spürt deutlich die Höhe.
Um das Maß voll zu machen, werden wir noch mit einem fast unwirklich schönen Sonnenuntergang beschenkt. Klaus eilt natürlich mit dem Fotoapparat hinaus.
Unsere Privatdusche kommt wieder zum Einsatz, diesmal sogar mit warmem Wasser.
Klaus meint zu meiner Freude, ich hätte optisch abgenommen. Fein, dass es nicht nur akustisch so ist ;-). Das Haptische muss allerdings sofort überprüft werden…
So, 21. 6.
Nach der äußerst erfreulichen Wiegung gibt es heute zur Belohnung ein Sonntagsfrühstück. Wir gönnen uns zur Krönung sogar ein weiches Ei und ein Glas Orangensaft. Zum Sitzen im Freien ist es uns leider etwas zu kühl.
Heute wollen wir wieder Gigantengräber besuchen. Diesmal haben wir gleich in der Karte von unserem Reiseführer nachgeschaut und verglichen. Hoffentlich finden wir auf diese Weise besser hin.
Zunächst fahren wir die Bergstraße weiter über den Monte Albo. Die Ausblicke sind herrlich. Klaus ist ganz enthusiastisch. "Sardinen ist eines der schönsten Länder, die ich je bereist habe", ruft er. Plötzlich hüpfen ganz unvermittelt zwei Ziegen auf die Fahrbahn. Nach einer kurzen Schrecksekunde sind sie bereits sehr elegant über die Leitplanken gesprungen. Auch sehr elegant sind die Radfahrer, die ihre Trainingstouren auf dieser Bergstraße machen. Sie haben unsere vollste Hochachtung.
Wir laden Klaus' iPad mit dem winselnden Spannungsumwandler auf. Als Musik zum Übertönen suchen wir uns diesmal Bob Dylon aus, bezeichnenderweise "Together through life".
Die angenehme kühle Bergluft geht wieder in Hitze über, je weiter wir ins Tal kommen.
Geländer und Leitplanken sind an vielen Stellen ziemlich eingedrückt. Da sind wohl immer wieder Hobby-Rennfahrer unterwegs. Hoffentlich begegnet uns keiner. Vielleicht sind aber auch Steinschläge die Ursache. Aber auch von denen wollen wir keinen begegnen.
In Siniscóla sind wir wieder in der Zivilisation. In einem winzigen, altmodischen Lebensmittelgeschäft, das heute am Sonntag offen hat, kaufen wir Brot. Zu unserer Freude bekommen wir wieder ein dunkles.
Nun rauschen wir weiter auf der Autobahn ziemlich weit nach Norden- wieder einmal eine einzige bunte Oleanderallee.
Autobahnen haben in Sardinien keine grünen Hinweisschilder, wie im übrigen Italien, vielleicht, weil sie nicht kostenpflichtig sind. Die, auf der wir jetzt fahren, hat nicht einmal das "Autobahn"-Schild, und zu unserer Überraschung sehen wir sogar einige Radfahrer.
Ólbia ist einer der Hauptfährhäfen Sardiniens. Wenn man vom Festland auf die Insel kommt, landet man normalerweise hier. Außer man kommt vom Süden, dann legt man in Cágliari an.
Wir fahren nun auf einer breiten Hauptstraße noch weiter nach Norden, bis Arzachena.
Wir sind sehr flott vorangekommen. Die Strecke ist mir heute früh auf der Karte sehr weit vorgekommen.
Die Gigantengräber stehen nun auf dem Programm. Dank Klaus' gestriger Vorarbeit finden wir die Tomba di Coddu Vecchiu recht leicht. Die zentrale Portalstele ist hier über 4m hoch. Sie besteht aus zwei Granitblöcken. Sie hat eine kleine 60cm hohe Öffnung. Dieses "Katzentürchen" ist mir auch beim gestrigen Grab aufgefallen. Das war der einzige Zugang zur ca. 10m langen rechteckigen Grabkammer, in der die Gebeine der Toten wie in einem Beinhaus bestattet wurden. Die steinerne Abdeckung ist hier noch fast vollständig vorhanden.
Das zweite Grab, das hier ganz in der Nähe liegt, ist leider wegen Restaurierung geschlossen. Ist nicht so schlimm. Es ist ohnehin weniger toll als das hier.
Da nun das heutige kulturelle Programm abgeschlossen ist, fahren wir weiter nach Palau und zum Capo d'Orso (= Bärenkap).
Wir müssen nochmals tanken. Die Bergfahrten haben doch mehr Diesel geschluckt, als wir dachten. Mit dem Selbstbedienungsautomaten plagen wir uns herum. Er spuckt alle unsere Kreditkarten aus. Schließlich frisst er doch einen Geldschein. Zwei sehr hilfsbereite Einheimische unterstützen uns engagiert.
Auf dem Campingplatz "Acapulco" richten wir uns ein. Wir freuen uns, das Meer wiederzusehen.
Auf dem Gelände werden auch hübsche, weiße Steinhäuschen vermietet. Die sehen sehr gemütlich aus. Hier wollen wir zwei Nächte bleiben.
Zum Mittagessen gibt es Salat mit Schafkäse und Käsebrote. Unsere restlichen Kirschen und Marillen verarbeiten wir zu Obstsalat. Mit einer Tasse Kaffee setze ich mich an den Schreibtisch.
Natürlich gehen wir auch schwimmen. Der Strand ist herrlich. Große Steinblöcke bilden kleine natürliche Buchten, in denen man fast alleine ist. Klaus schnorchelt auch wieder. Spektakuläre Dinge gibt es zwar nicht zu sehen, aber er findet es trotzdem lustig.
Das MacBook verweigert auch heute wieder die Mitarbeit. Also setzt sich Klaus gemütlich in die Sonne und widmet sich seinem Rätselheft, während ich in die Tasten klopfe.
Zum Abendessen kochen wir uns heute Nudeln mit Käsesauce. Die Portion fällt sehr klein aus. Also machen wir einen kleinen Spaziergang zur Bar und kaufen uns ein Eis- das erste des heurigen Urlaubs. Während wir es genüsslich schlecken, sitzen wir auf einem Felsen und schauen aufs glitzernde Meer hinaus- in die untergehende Sonne. Wenn das nicht romantisch ist.
Mo, 22. 6.
Während meiner ausgiebigen Morgentoilette gönnt sich Klaus ein Frühstück, an meinem Fasttag.
Für heute ist ein Ausflug zur Roccia dell'Orso, dem Bärenfelsen geplant. Von einem großen Parkplatz aus kann man hinaufwandern. Die massive Granitformation, die durch Wind und Wetter stark verwittert ist, erinnert an einen großen Bären. Er ist bereits in der "Geographia" des Ptolemäus aus dem 1. Jhd. n.Chr. erwähnt. Wir entdecken aber auch viele andere Tiere aus Stein. Die vielen lebendigen Eidechsen gefallen uns aber noch besser. Manche sind braun und haben einen knallgrünen Schwanz. Diese Sorte gibt es nur hier.
Manche Pflanzen sind auf Tafeln erklärt. Ich freue mich, dass die Büsche mit den zarten weißen Blüten Myrten sind. Sie haben gar nicht gemault ;-). Bei meiner Hochzeit habe ich einen Myrtenkranz getragen, und in Korsika haben wir einen köstlichen Myrtenlikör getrunken. Jetzt weiß ich endlich, wie die ganze Pflanze aussieht.
Ich habe mit einer richtigen kleinen Wanderung gerechnet. Der Aufstieg führt aber über Stiegen und gepflasterte Wege mit Geländern. Steil und schweißtreibend ist er aber allemal.
Ein bisschen enttäuscht sind wir, dass wir nicht den ganzen "Bären" sehen können. Vom einen Aussichtsunkt aus sieht man den Körper, vom anderen den Kopf. Man müsste nur ein wenig auf die Felsen hinausklettern, dann würde man ihn vollständig sehen. Das ist aber streng verboten und wird mit Kameras überwacht. Wir verstehen nicht, warum da hinüber nicht auch ein Weg mit Geländer angelegt wird. Das wäre doch nur ein Stückchen mehr gewesen. Es bleibt Klaus also nichts anderes übrig, als das Plakat zu fotografieren, auf dem das Wahrzeichen dieser Gegend vollständig zu bewundern ist. Der Fotograf, der das gemacht hat, war wohl angeseilt.
Der Blick hinunter und auf den Maddalena-Archipel ist atemberaubend. Wir entdecken eine Festung. Die wollen wir uns nach dem Abstieg auch noch ansehen.
Sie ist geschlossen. Man kann sie nicht besichtigen. Das macht nichts, sie stammt ohnehin erst aus dem 19. Jhd.
Dann gehen wir halt in den Supermarkt einkaufen.
In unserem Wohnmobil stinkt es faulig. Woher kommt das bloß? Wir erschnüffeln den Abwassertank als Ursache. Wieder auf den Campingplatz zurückgekehrt spülen wir ihn gründlich mit Frischwasser durch. Das sollte man offensichtlich hin und wieder tun. Ich mache mir wieder einmal Sorgen über unseren hohen Wasserverbrach, aber Klaus meint, dass er viel niedriger ist als zu Hause.
Jetzt ist mir nach Siesta und Klaus ist es nach Mittagessen.
Wenig später sitzen wir bei einer Tasse Kaffee an unseren Bildschirmen, zumal das MacBook sich heute wieder einmal zur Arbeit herbeilässt.
Unser Wohnmobil gibt immer wieder verschiedene Laute von sich. Und langsam lernen wir, sie zu verstehen, wie bei einem Baby. Der Kühlschrank piepst, wenn er weder Strom noch Gas bekommt. Die Trittstufe schreit laut, wenn wir vergessen haben, sie vor dem Wegfahren einzuziehen, ebenso die Handbremse, wenn sie beim Losfahren nicht offen ist. Auch der Sicherheitsgurt auf der Fahrerseite will benutzt werden. Leider protestiert das Seitenfenster nicht, wenn ich vergessen habe, es zuzumachen, und auch der Autoschlüssel schweigt, wenn er wieder einmal "endgültig und für alle Zeiten" verloren ist.
Viel gibt es ja von heute nicht zu berichten, also kann ich bald Knotzen und Lesen genießen- wie im Urlaub. Zum Baden ist mir heute kühl. Es ist ziemlich stürmisch. Die Markise haben wir nur ein kleines Stück rausgedreht, und unsere "Wohnungstüre" müssen wir mit einer Gummispinne befestigen, damit sie nicht immer wieder zuschlägt.
Di, 23. 6.
Gestern bin ich ziemlich früh mit meinem Buch ins Bett gegangen- die Freuden eines Ruhetags.
Ich bin daher heute gut ausgeschlafen.
Wir kochen uns einen Brei, der heute durch die Zuckermelone einen besonders feinen Geschmack hat.
Dann beeilen wir uns mit Morgentoilette und Fertigwerden. Wir lassen das Abwasser ab, füllen den Frischwassertank und leeren das Klo aus.
Um 9h30 fahren wir ab. Um 10h müssen wir nämlich hier draußen sein, wenn wir nicht für einen weiteren Tag bezahlen wollen. Wir kaufen noch ein paar Dinge ein und fahren dann gemütlich in den Fährhafen nach Santa Teresa- pünktlich zu Teresas Geburtstag. Dazu brauchen wir ca. eine halbe Stunde. Wir hoffen, dass wir - wie bei der Herfahrt - eine frühere Fähre nehmen können. Wir haben nämlich erst für 15h gebucht.
Leider ist uns das Schiff um 10h davongefahren. Und zwischendurch geht keines mehr. Also haben wir jetzt lange Zeit.
Klaus hat die Idee, noch einmal nach Capo Testa zu fahren. Bei den großen Granitblöcken am Meer hat unsere Reise durch Sardinien begonnen. Hier können wir uns gut von diesem wunderbaren Land verabschieden. Es macht wieder viel Spaß herumzuklettern, Tiere und Ungeheuer in den Felsformationen zu entdecken und aufs tiefblaue Meer hinauszuschauen. Klaus macht viele Fotos. Viele Autos stehen auf dem Parkplatz, aber fast alle anderen Touristen gehen nur ein paar Schritte auf ausgetretenen Wegen oder setzen sich gleich an den Strand. Wir treffen nur ein junges Paar- aus Österreich. Es ist eine große Freude, zu sehen, wie mühelos Klaus da herumklettert, natürlich ohne sein Stützmieder. Er ist fast beschwerdefrei. Kurz bevor wir wieder beim Auto sind, meint er: "Ein Glück, dass die Giftschlangen so ängstlich sind." Darüber habe ich mir ja gar keine Gedanken gemacht. Gott sei Dank haben wir keine gesehen.
Zu Mittag gibt es die üblichen Käsebrote mit Rohkost. Mir kommt das sehr entgegen, dass der übliche Käse in Sardinien der Schafkäse ist, der Pecorino. In Korsika wird es wieder der Ziegenkäse sein, der Chèvre. Ich vertrage Kuhmilch ja nicht so gut. In anderen Ländern hatten wir oft Probleme, Produkte aus Schaf- oder Ziegenmilch zu bekommen. Ein Eis genehmigen wir uns auch- diesmal als Vorspeise.
Nun wird es Zeit, wieder zum Fährhafen zu fahren. Wir sind richtig froh, dass wir die drei Stunden hier noch hatten. Außerdem haben wir bei einem Standl hübsche Ohrringe gefunden, die wir Teri zur Geburtstagsfeier mitbringen werden. Hoffentlich gefallen sie ihr.
Auf der ca. einstündigen Überfahrt nach KORSIKA weht eine frische Brise. Es wirkt ganz vertraut auf uns, auf die weißen Kalkwände zuzufahren und Bonifacio oben auf dem überhängenden Felsen thronen zu sehen, die Häuser auf engem Raum zusammengedrängt. Die Ankunft hier ist ohne Zweifel weitaus spektakulärer als die in Sardinien.
Vom Wasser aus kann man die sagenhafte "Escalier du Roi d'Aragon" besonders gut sehen. Das ist eine Treppe, die von Menschenhand direkt in den Kalkstein geschnitten wurde. Sie sieht von der Ferne wie eine dunkle schräge Linie über die ganze Höhe des Felsens aus.
Die Wikipedia erzählt uns, dass eine Legende besagt, sie sei in einer einzigen Nacht von Truppen des Königs von Aragon, Alfons V, nach der Belagerung von Bonifacio 1420 in den Felsen gehauen worden. Dadurch sei die Eroberung gelungen.
Wahrscheinlicher ist, dass der Bau länger dauerte und durch Franziskaner erfolgte, die Zugang zu einer Trinkwasserquelle am Fuß der Treppe schaffen wollten.
Arrivederci Sardinien und Bonjour Korsika. Ab nun ist wieder die französische Sprache dran.
Um 16h legen wir an, drängen uns auf engen Straßen durch den Hafen, vorbei an unserem Campinglatz, auf dem wir vor ca. 10 Tagen gewohnt haben.
Die weitere Reise ist Neuland für uns. Wir fahren die Ostküste nach Norden und wollen heute bis Aléria kommen, wo die Römer - wie wir in unserem Asterix-Heft lesen konnten - ihre Standarte in die Insel gestochen haben. Die Ostseite der Insel ist nicht so gebirgig wie die Westseite. Wir fahren jetzt jedenfalls auf einer breiten Straße und kommen gut voran. Es ist allerdings recht viel Verkehr. Porto-Vecchio, Solenzara, Ghisonacchia.
Die Idee keimt in uns auf, dass wir doch wieder einmal wild campen könnten. Also beschließen wir, Aléria auszulassen, und uns nach Westen ins Gebirge zu schlagen, von wo wir dann morgen weiter nach Corte fahren werden.
Kurz vor 18h30 haben wir wieder einmal das ideale Plätzchen im Wald gefunden und kochen uns einen köstlichen "Brutz".
Als ich mich an meinen Laptop setze, müssen wir allerdings leider feststellen, dass der Spannungsumwandler kein Lebenszeichen von sich gibt. Die Sicherung ist in Ordnung. Wir sind ratlos. Wir haben ihn doch erst kurz vor unsrer Abreise einbauen lassen.
Ich tippe also, bis mein Lapi nach Saft schreit und keinen mehr kriegen kann. Wieder einmal bewährt es sich, gute Bücher mitzuhaben.
Und die Bestecklade gehört auch dringend geputzt. Und…
Mi, 24. 6.
Ich habe wunderbar geschlafen, kein Wunder bei diesem Schlafplatz, mitten im Wald.
Während ich mich in unserem Badezimmer wasche, entdecken wir ein neues technisches Problem. Wasser sickert am Boden neben dem Bad unter der Sitzbank heraus. Wir verdächtigen den Boiler.
Wir beenden seufzend unsere Wasserspiele und fahren los. Es ist ca. 9h.
Es wird immer klarer, dass wir heute auf alle Fälle auf einen Campingplatz müssen. Noch gestern beim Abendessen haben wir gemeint, dass es eigentlich keinen Grund gibt, warum wir am nächsten Tag nicht noch einmal wild campen sollten. Jetzt haben wir gleich zwei gute Gründe, Strom und Wasser. Außerdem haben wir einen vollen Schmutzwäschesack.
Ich möchte, dass wir uns die letzten Tage des Urlaubs nicht verderben lassen. Es kostet mich einige Mühe, Klaus' Stimmung wieder ein wenig aufzuhellen und ihn daran zu erinnern, dass das Leben auch schön ist, wenn im Wohnmobil nicht alles funktioniert. Schon bald entdecke ich das kleine Lächeln in seinem Mundwinkel, das ich so an ihm liebe.
Zur Not haben wir ja immer noch ein Lavoir zum Waschen, und Wasser in Kanistern, wie früher.
Wir sind jetzt unterwegs nach Corte. Die Straße führt durch einen wunderschönen Bergwald mit schönen Ausblicken. Es ist ein sonniger Tag. Ein Bussard kreist über uns. Die Fahrt führt uns immer höher hinauf, durch ein paar Bergdörfer durch. Wir erreichen eine Höhe von ca. 1000m.
Jetzt haben wir Korsika, wie wir es gewöhnt sind, mit den engen und schmalen Straßen ohne Seitenbefestigung. "Diese Straße hat schon einiges erlebt, das tiefe Eindrücke hinterlassen hat", sagt Klaus. Das stimmt im wahrsten Sinne des Wortes. Nur gut, dass nur sehr wenige Autos hier unterwegs sind. Diesen Umstand findet ein Autostopper nicht so toll, und er freut sich sehr, dass wir ihn mitnehmen. Der sympathische Deutsche hatte eine Autopanne. Er hat sich in einem kleinen Hotel eingemietet und wartet nun auf die Ersatzteile. In der Zwischenzeit möchte er sich Corte ansehen.
Das trifft sich gut. Das wollen wir auch.
Corte thront auf einem schroffen, mehr als 100m hohen Felssporn, umgeben von den höchsten Bergen der Insel. Die Stadt ist nicht nur geographischer Mittelpunkt Korsikas, sondern auch Symbol seiner bewegten Geschichte. 1755-1769 war sie die offizielle Hauptstadt. Für viele Korsen ist sie heute noch die heimliche Hauptstadt eines unabhängigen Korsikas. Im 18. Jhd. war Corte der Mittelpunkt eines heftigen Freiheitskampfs gegen die Genuesen, der aber letztlich verloren wurde.
Schon die Römer hat dieser Verkehrsknotenpunkt angelockt.
In Corte steht die einzige Universität auf der Insel.
Die Oberstadt hat enge Gassen, Treppen und alte Häuser, aber so richtig malerisch ist sie eigentlich nicht. Viele Gebäude sind dem Verfall preisgegeben, einige wenige wurden schön hergerichtet und wieder andere allzu sehr für den Tourismus aufbereitet.
Um die Mittagszeit sind wir wieder beim Auto, und Klaus nützt den schönen Schattenparkplatz für seinen Brunch. Er hat sich gerade ein frisches Vollkornbaguette gekauft. Ich hole mein Buch und faste eisern.
Nach der netten Mittagspause fährt Klaus rückwärts aus dem Parkplatz, und- es kracht. Ein anderes Auto ist seitlich in uns reingefahren. Der Italiener ist sichtlich schuldbewusst, sonst hätte er sicher lautstark geschimpft. Ich bin ziemlich überrascht, dass überhaupt kein Schaden zu sehen ist. Das ist ja nochmal gut ausgegangen.
Da wir schon in der Nähe sind, wollen wir uns das schönste Tal der Insel, die wildromantischen Gorges de la Restonica, natürlich nicht entgehen lassen. Wir nehmen also wieder einmal eine einspurige Straße, "verziert" mit einem Mittelstreifen. Es ist zweifellos wunderschön hier. Das Bächlein rauscht neben uns. Vielen Touristen gefällt es hier, also ist der Verkehr recht beträchtlich. Wieder einmal bin ich dankbar für Klaus' Fahrkünste.
Es gibt auch einen Campingplatz, allerdings ist er sehr einfach. Wir brauchen ja unbedingt Strom und eine Dusche. Eine Waschmaschine wäre auch fein. Also verlassen wir das Tal wieder und fahren auf die Hauptstraße zurück, recht froh, der Enge entkommen zu sein. Es geht weiter Richtung Bastia. Wir werden aber nicht die Autobahn nehmen- ja, es gibt tatsächlich ein kurzes Stück davon im Einzugsbereich der Stadt. Wir wollen lieber über den schmalen Lido de Marana fahren, der den großen Étang de Biguglia einschließt. Auf dem Campingplatz San Damianu gefällt es uns sehr gut. Besonders schön finde ich den Blick hinauf in die Kronen der Pinien. Wir richten uns ein, füllen die Waschmaschine und machen Wasserversuche im Wohnmobil. Wir lassen sowohl im Badezimmer als auch in der Abwasch das warme Wasser extra lang rinnen. Nichts sickert irgendwo hervor. Was war das bloß heute Morgen? Habe ich wirklich nur zu viel gepritschelt? Wir sind erleichtert und froh. Ein paar Tage haben wir ja noch, um das beobachten zu können.
Angespornt durch diesen Erfolg, widmen wir uns noch einmal dem Spannungsumwandler, rütteln an allen Kabeln und wechseln die Sicherung, aber leider ist er nicht wieder zum Leben erwacht.
Bald flattert unsere Wäsche im Wind, und wir stürzen uns in die Fluten des Tyrrhenischen Meers.
Die Wellen sind ziemlich hoch, und es macht richtig Spaß, sich hineinzuwerfen. Ich habe Klaus noch nie so wasserrattig erlebt.
Die dritte Urlaubswoche ist um. Die Zeit vergeht unglaublich schnell.
Das "Nachmittags-Fernsehprogramm" des Campingplatzes ist heute ein Abenteuerfilm, besonders für die Sicherheitsfachkraft Klaus. Ein Arbeiter steht auf einer Palette, völlig ungesichert, und wird von einem Gabelstapler in eine Höhe von ca. 12m gehoben, um mit einer Kettensäge einen dürren Ast abzuschneiden. Um ihn herum klicken die Fotoapparate. Gott sei Dank ist nichts passiert.
Klaus' Computer lässt ihn wieder ein bisschen ran, und er bearbeitet seine Fotos. Auch ich sitze an meinem Schreibtisch.
Wir müssen jetzt übrigens wieder ein paar Tage ohne Internet auskommen. In Italien können wir dann wieder nach Herzenslust googeln.
Wir machen noch einen Spaziergang in den kleinen Supermarkt am Platz. Neben korsischem Käse und Kastanienbier finden wir nette T-Shirts und ein kleines Tablett. Danach suchen wir schon lange.
Die neuen Köstlichkeiten stellt Klaus jetzt auf das neue Tablett und isst zu Abend, während ich ihm über meinem Bildschirm hinweg freundlich zunicke.
Auch die Gelsen tun sich gütlich- an uns. Wir fliehen ins Wageninnere. Hier haben wir es auch sehr gemütlich.
Do, 25. 6.
Fein, heute genießen wir ein Marmeladefrühstück. Der Laden auf unserem Campingplatz verkauft uns dazu ein frisches Baguette.
Nach der Morgentoilette in den komfortablen Nassräumen des Campingplatzes kriecht Klaus unter unseren Tisch und zerlegt den Spannungsumwandler. In der Nacht ist ihm die Idee gekommen, das Ding könnte auch eine interne Sicherung haben, die vielleicht durchgebrannt ist- leider wieder Fehlanzeige. Wir geben es auf.
Wir machen uns fertig, füllen, was zu füllen ist, leeren, was zu leeren ist und reisen ca. um 11h ab. Der Campingplatz war sehr schön und auch ziemlich teuer. Die Preise sind mittlerweile allgemein auf Hauptsaison-Niveau angehoben worden.
Gestern sind wir am "Juwel der pisanischen Romanik", la Canonica achtlos vorbeigefahren. Wir machen einen kleinen Umweg, um das Kirchlein doch noch zu besichtigen. Von der Ferne, wie es da mitten im Grünen im Sonnenlicht steht, sieht es reizend aus. Ansonsten wirkt es unscheinbar. An den Fassaden sind quadratische Löcher, so als wären ursprünglich Schmuckfassaden oder Verkleidungen angebracht oder zumindest vorgesehen gewesen. Über dem Eingang entdecken wir die üblichen naiven Darstellungen von Ungeheuern, die einander verfolgen.
Zu unserer Freude können wir auch hinein. Der schöne Innenraum gefällt uns, abgesehen von einigen kitschigen Heiligenfiguren. Eine recht schöne moderne Skulptur springt uns ins Auge. Wir lesen, dass sie 2003 von Fürst Rainier aus Monaco gestiftet wurde.
Eine Fotoausstellung zeigt uns, wie die Kirche noch in den 30er Jahren des 20. Jhd. ausgesehen hat. Es war eine echte Ruine ohne Dach. Trotzdem wurde sie von der Bevölkerung verehrt. Es fanden regelmäßig Wallfahrten statt, zur Santa Maria Assunta, wie sie offiziell heißt. Früher waren Chorherren hier, Kanoniker, die den Gottesdienst begleiteten. Sie standen Pate für den volkstümlichen Namen, la Canonica. Mittlerweile ist das Musterbeispiel der pisanischen Frühromanik behutsam restauriert worden. Das Dach wurde mit Holzriegeln gedeckt. Die dreischiffige Pfeilerbasilika ist das größte romanische Bauwerk Korsikas. Es besteht aus Marmorblöcken in Bernsteintönen. Vom Glockenturm steht nur die Basis.
Beim Rausgehen entdecken wir eine rasche Bewegung an einem der Löcher in der Fassade. Hat da vielleicht ein Vogel sein Nest? Klaus holt sein Stativ und wartet geduldig, bis es ihm endlich gelingt, das Turmfalken-Elternpaar in Action und scharf auf die Linse zu bannen. Die beiden Raubvögel ziehen elegant ihre Kreise und kommen immer wieder, um offenbar ihre Jungen zu füttern, die wir leider nicht sehen können. Einige andere Touristen zeigen sich sehr interessiert an unseren Beobachtungen, aber viele gehen achtlos vorbei.
Nebenan sind Ausgrabungen im Gange. Sie stammen von einem Vorgängerbau und einem Baptisterium aus dem 4./5. Jhd.
Das war ein sehr lohnender Umweg. Jetzt geht es nach Bastia in den Hafen.
Wir finden auf einem Krankenhausparkplatz unter alten Bäumen ein schattiges Plätzchen für unser Mittagessen. Es ist das letzte auf unserer Reise, das wir gemeinsam auf diese Weise einnehmen. Wir finden beide, dass wir gerne noch lange so weiterreisen würden. Es wird uns in keinster Weise zu lang oder zu eng. Das sind auf jeden Fall gute Voraussetzungen für unsere Amerikapläne, wo wir ja ca. ein halbes Jahr unterwegs sein wollen.
Nach einer kurzen Siesta ist es nun 14h. Wir haben eigentlich jede Menge Zeit. Unsere Fähre zurück aufs Festland geht ja erst morgen. Also machen wir einen Ausflug auf das Cap Corse, die fingerförmige Halbinsel, die nach Norden zeigt. Wir fahren die Ostküste bis fast ganz hinauf. Die Ausblicke aufs dunkelblaue Meer und türkisblaue Buchten von steilen Felsküsten aus sind atemberaubend. Ein großer, schwarzer Sarazenenturm, die Tour de l'Osse, beeindruckt uns. In den Dörfern bewundern wir ein letztes Mal die Blütenpracht, wobei wir feststellen, dass die Oleander langsam zu verblühen beginnen, weil wir auf dem Heimweg sind. Eine gelb blühende Agave zieht uns in ihren Bann. Das Besitzerehepaar erzählt uns voller Stolz, dass das eine ganz besondere Art ist. Die normalen Agaven, die man hier überall sieht, haben keine solchen gelben Blüten. Die Pflanze ist 22 Jahre alt. Heuer blüht sie zum ersten und letzten Mal. Über mehrere Monate zeigt sie sich in ihrer vollen Pracht. Danach wird sie sterben.
Nun queren wir den 'Finger' und fahren an der wesentlich gebirgigeren Westküste wieder runter. Jetzt schauen wir aufs Ligurische Meer. Auch von den korsischen Bergstraßen verabschieden wir uns nun. Die Landschaft, durch die wir uns scheinbar ganz alleine bewegen, ist hier ziemlich naturbelassen. Das zeigt sich auch in einer Fülle von wunderschönen, großen Schmetterlingen. Klaus macht "Porträtaufnahmen" und ist sich sicher, dass sie ihm zugelächelt haben, der Weißling, der gelb-orange Aurorafalter, der Admiral, das Tagpfauenauge und der Kaisermantel.
Wir freuen uns sehr, dass wir auch von dieser charakteristischen Halbinsel noch einen guten Eindruck gewonnen haben.
Bei St.-Florent - der Kreis schließt sich - queren wir die Halbinsel abermals. Zu unseren Füßen liegt die Lagune von Marana, wo wir letzte Nacht waren, und Bastia. Das Tyrrhenische Meer begrüßt uns wieder. "Ålle Stund' a åndas Meer", meint Klaus.
Im Hafen finden wir einen bezahlten Parkplatz, wo wir auch über Nacht stehenbleiben können. Auch andere Wohnmobile tun es uns gleich. Unsere Fähre geht ja morgen bereits um 8h30. Um 7h30 sollten wir bereits angestellt sein. Also ist es fein, dass wir bereits an Ort und Stelle sind und nicht gar so früh aufstehen müssen.
Bei unserem Spaziergang durch die Stadt zeigt sich Bastia von einer durchaus netten Seite. Wir finden in einer Fußgängerzone eine altmodische Librairie, in der wir ein Buch über die Pflanzenwelt Korsikas erstehen.
Bald sitzen wir im Alten Hafen direkt am Wasser mit Blick auf die Zitadelle und essen zu Abend. Das vegetarische Angebot ist zwar sehr gering, aber ich finde doch etwas, was mir schmeckt, und Klaus ist heute ohnehin auf Fisch eingestellt. Die Tarte Royal wird vor unseren Augen flambiert, und die Rechnung von € 90,00 hat den Rekord von Bonifacio gebrochen.
Nach einem romantischen Spaziergang durch hell erleuchtete Straßen kommen wir am Napoleondenkmal vorbei. Offenbar war er ein schöner Jüngling mit perfektem Körper…
Zurück in unserem Häuschen setze ich mich noch eine Weile an den Laptop. Wir wollen nicht zu spät schlafen gehen, weil wir morgen früh raus müssen. Sogar den Wecker stellen wir uns.
Fr. 26. 6.
Der Wecker läutet kurz vor 7h. Ich habe recht gut geschlafen. Klaus ist es leider in dieser Hinsicht nicht so gut gegangen.
Um 7h30 stehen wir in der Schlange vor unserer Fähre nach Livorno. Es ist dasselbe Schiff wie auf der Herfahrt. Wir haben also den Vorteil der Ortskenntnis und steuern zielsicher unseren Stammplatz mit Steckdose an. Die Aktion wird auch dadurch erleichtert, dass das Schiff wieder halb leer ist.
Ich kann also sorglos an meinem Reisetagebuch weiterschreiben und mit voll aufgeladenem Laptop ankommen.
Klaus gönnt sich ein Frühstück. Ich hätte heute Fasttag, da ich aber ohnehin für die Geburtstagsfeier am Sonntag einen Jokertag einlegen möchte, mache ich das gleich heute. Florenz wartet nämlich am Abend auf uns, mit unserem Stammlokal von unserer Frühlingsreise 2010. Ob es das noch gibt?
Kurz nach 13h fahren wir in Livorno von Bord. Ich bin immer froh, wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben.
Unser GPS glaubt zunächst, wir sind noch in Korsika, kriegt sich aber bald ein. Wir sind in ITALIEN und schalten wieder - polyglott, wie wir sind - von Französisch auf Italienisch um.
Jetzt fahren wir durch die echte TOSKANA, an die wir in Sardinien immer denken mussten. Wir sind auf dem Weg nach Florenz, über eine ganz echte Autobahn, grün angeschrieben und mautpflichtig. Arien aus Mozartopern passen dazu hervorragend. Vor uns taucht der Apennin auf.
15h, wir sehen die Domkuppel von Florenz das erste Mal, von der Autobahn aus.
Wir lassen uns jetzt vom GPS auf einen Campingplatz bringen, sehr praktisch.
Es lotst uns an der Mauer der Fortezza da Basso entlang. Die war uns bis jetzt ganz unbekannt.
"Villa Camerata" heißt unser Campingplatz. Die Zufahrt ist "korsisch". Es handelt sich tatsächlich um eine ehemals herrschaftliche Villa- ziemlich heruntergekommen allerdings. Sie bietet auch eine Jugendherberge, ein Restaurant und Konferenzräume. Die Ausstattung des Campingplatzes, der offenbar in den ehemaligen Parkanlagen liegt, ist eher bescheiden. Aber wir sind zufrieden, wenn wir Strom bekommen, und die Duschen sind auch in Ordnung. Wir haben allerdings den Eindruck, unter "fahrendes Volk" geraten zu sein. Unsere Nachbarschaft ist auf jeden Fall etwas merkwürdig. Ganz sicher sind es keine Touristen.
Wir richten uns gemütlich ein, kochen uns einen Kaffee und essen unseren letzten Salat.
Von der Rezeption haben wir einen Stadtplan geschenkt bekommen. Klaus meint, dass er von der Kirche Santa Maria Novella aus unser Ex-Stammlokal finden kann.
Unser GPS hat auch Radrouten. Klaus zeichnet den besten Weg ins Stadtzentrum per Fahrrad in den Stadtplan ein, und wir machen uns mit unseren Bromptons auf den Weg. Es ist ca. 17h.
Es macht großen Spaß durch die Stadt zu radeln. Unsere Klappräder werden immer wieder bewundert. Zu meiner Überraschung sind die Autofahrer sehr rücksichtsvoll. Die Italiener sind eben die vielen Vespas gewohnt, die überall herumwuseln.
Und da steht er unvermittelt vor uns, Il Duomo, immer wieder beeindruckend, riesig. "Schön bunt", wie ihn Klaus bezeichnet. Das Baptisterium ist vollständig eingerüstet.
Wir machen es wie die Japaner, die einander vor allen Sehenswürdigkeiten fotografieren, nur dass wir unsere hübschen Räder portraitieren. Irgendwie erinnert es mich auch an "Tom Turbo in Florenz".
Santa Maria Novella hat eine besonders fein gearbeitete Fassade. Klaus steuert zielsicher auf das Lokal seiner Erinnerung zu. Sicher waren wir damals auch einmal da essen, aber unser "Hase und Igel"-Lokal, wie wir es in unserer Erinnerung nennen, ist es nicht. Wir sind ratlos, lassen uns aber nicht die Laune verderben. Es gibt genug, was wir in Florenz wiederfinden können:
Den eigenwilligen Bau des Orsanmichele mit den berühmten Schutzheiligen der Zünfte, die Piazza della Signoria mit dem Palazzo Vecchio und dem David von Michelangelo, dessen Kopf und dessen Hände immer noch zu groß sind. "Der is ihm vergrådn", meint Klaus lachend. Wir wissen aber, dass er als Plastik am Dom geplant war, und dafür, dass man von ziemlich weit unten auf ihn hinaufschaut. Noch besser gefällt uns der Perseus von Cellini. Nicht zu vergessen die Ponte Vecchio, die "Rialtobrücke von Florenz", wie wir sie nennen.
Unsere nächste Station ist der Palazzo Pitti.
Die entzückende kleine Kirche San Miniato al Monte grüßt von der Höhe herab.
Der Dante vor Santa Croce schaut heuer noch zwiederer drein als vor fünf Jahren. Kein Wunder, wo ihn doch noch immer der Adler in den Popo beißt.
Das Ospeale degli Innocenti, Brunelleschis berühmtes Findelhaus, mit den Terracotta-Reliefs von Wickelkindern, wird gerade zu einem Museum über die "Kindheit in 6 Jahrhunderten" umgebaut.
Klaus schwärmt wieder von der Brancacci-Kapelle mit den herrlichen Fresken, als wir vor Santa Maria del Carmine stehen.
Der wuchtige Palazzo Strozzi ist auch unverkennbar.
Wir wuzeln uns also durch die Ströme der Touristen und werfen überallhin nur kurze Blicke des Wiedererkennens. Das haben wir alles 2010 gründlich abgearbeitet.
Zu guter Letzt statten wir noch unserem Hotel von damals einen Anstandsbesuch ab.
Jetzt sind wir rechtschaffen müde und hungrig und haben uns eine Pizza verdient.
Wir kriegen sie auf der Piazza della Republica. Der Campanile des Doms lugt über die Hausdächer herüber und erfreut uns mit seinem schönen Glockenschlag.
Nun steht uns noch der Heimweg per Fahrrad bevor. Wie gut, dass Klaus so einen guten Orientierungssinn hat, und einen Stadtplan. Nach der steilen Straße zu unserem Campingplatz hinauf kommen wir schweißgebadet zu Hause an. Es ist 22h, fünf Stunden waren wir sportlich und kulturell unterwegs. Wir sind ganz begeistert, wie wunderbar ein einziger Abend in einer Stadt sein kann.
Ohne ein wenig Bildschirmarbeit geht es natürlich auch heute nicht, zumal das MacBook für eine kurze Weile seine Mitarbeit zusagt.
Während unsere Nachbarn noch immer feiern, legen wir uns endlich schlafen. Es ist bereits nach Mitternacht.
Kurz vor dem Schlafengehen fällt mir noch ein, ich könnte nachschauen, ob auf meinem USB-Stick der alte Florenz-Reisebericht drauf ist. Ich finde ihn tatsächlich, mit genauer Ortsangabe des Restaurants "Gatto e Volpe" (Katze und Fuchs)- also nicht "Hase und Igel", aber immerhin zwei Viecher aus einem Märchen. Leider ist das eine zu späte Erkenntnis.
Was mir in Florenz noch aufgefallen ist, sind die vielen Mülltrennstationen. Offensichtlich greift das System jetzt endlich auch in Italien.
Sa, 27. 6.
Wir haben beide sehr gut geschlafen. Unsere Nachbarn haben zwar gestern recht lange gefeiert, aber wir sind ja auch echt spät ins Bett gekommen.
Der Platz hinter unserem Wohnmobil hat sich in eine Müllhalde verwandelt. Gut, dass wir wegkommen. Um 10h reisen wir ab. Unser GPS rechnet endlos herum und hängt sich immer wieder auf, bis wir uns daran erinnern, dass wir von gestern noch "Fahrradroute" eingestellt haben. Kein Wunder, dass er sich da für die 800 km bis nach Hause schwer tut.
Wir werfen uns auf die Autostrada del Sole und fahren nach Kärnten. Wir hören unsere Woodstock-CD und singen laut: "Born to be wild"
Um 11h erreichen wir die EMILIA ROMANGNA. Klaus frühstückt in einer Raststation und lädt mich Fasterin auf ein paar Schlucke seiner köstlichen Spremuta ein.
Wir überqueren den Po und sind nun in VENETIEN.
Um 15h überqueren wir den Tagliamento und reisen in FRIAUL ein.
17h, wir sind wieder in ÖSTERREICH und haben kurz darauf unser Tagesziel erreicht, die Autobahnraststätte " Arnoldstein-Dreiländerecke", auf der wir auch bei der Herfahrt genächtigt haben. Es ist erstaunlich kühl, nur 17°. Von der Sommerhitze sind wir 500 km entfernt. Ich ziehe mir eine lange Hose und Socken an.
Wir tanken. Von Korsika bis hierher sind wir mit einer Tankfüllung gekommen, also ca. 1000 km.
In der Raststätte finde ich erfreulicherweise einen Platz mit Steckdose. Klaus isst köstliche Dinge zu Abend und ich sitze unbehelligt stundenlang in der Ecke an meinem Laptop und nuckle an meinem Wasser. Schließlich bringt Klaus eine Flasche Rosé aus dem Wohnmobil, und wir feiern unseren letzten Urlaubsabend.
Um 23h schließt das Lokal, kurz bevor ich die Steckdose gänzlich ausgesaugt habe.
Wir gehen zurück in unser Häuschen, in dem wir nun die letzte Nacht dieser Reise verbringen werden. Übrigens, es wird Zeit, dass wir heimfahren, es regnet.
So, 28. 6.
Wir haben überraschend gut geschlafen. Der Platz weiter hinten war besser zum Schlafen geeignet, als der bei der Herfahrt. Durch das Rauffahren auf die Gehsteigkante hat Klaus das Wohnmobil in die Waage gebracht.
Ein sonniger Morgen begrüßt uns, aber es ist nicht sehr warm. Ein gutes Frühstück in der Raststation stärkt uns für die letzte Etappe unserer Heimreise. Hoffentlich kommen wir gut nach Hause.
Abfahrt ca. 10h, vorbei am Ossiachersee und am Wörthersee.
Dann ist plötzlich die Autobahn gesperrt, und wir müssen durch die nette Stadt Klagenfurt durchfahren, vorbei am Hypo-Gebäude, das wir in der letzten Zeit zur Genüge in den Medien gesehen haben- als Symbol für den Hypo Alpe Adria-Skandal.
Endlich sind wir wieder zurück auf der Autobahn. Die Freude ist aber nur kurz. Es folgt eine sehr lange Baustelle. Die Spur ist sehr schmal, und ich erwische mit dem rechten Spiegel einen Steher. Die Plastikabdeckung ist gebrochen, aber alles funktioniert noch. Nach dem ersten Schreck bin ich froh, dass nicht mehr passiert ist. Wenn ich die linke Seite zum Anstreifen gewählt hätte, wäre da eine Mauer gewesen…
Wir werden das wahrscheinlich gar nicht reparieren lassen, sondern unter dem Titel "Patina" verbuchen.
Am Rastplatz Bad Blumau machen wir Bekanntschaft mit einem technischen Wunderwerk, einer Entsorgungsstation für Wohnmobile. Nach dem Einwurf von € 1,00 öffnet sich für 4 ½ Minuten ein Rollladen und ein Abflussloch wird sichtbar. Wir probieren das Ding aus. Es ist doch fein, ohne Abwasser und mit leerem Klo nach Hause zu kommen. Hier hätten wir auch den Frischwassertank füllen können.
Wir fahren weiter durch ein schönes grünes Land. Das fällt mir jedes Mal beim Heimkommen nach einer Reise auf.
In seiner unnachahmlich charmanten Art meint Klaus: "Unterm Strich bist du ein echter Gewinn." Das Kompliment kann ich ihm nur zurückgeben.
Um 14h30, fast pünktlich, kommen wir zur Geburtstagsfeier von Maria und Teri in Zwölfaxing an. Was für ein netter Abschluss unseres Urlaubs.