
Reisebericht von Gerlinde:
Ireland, the Emerald Isle, die Grüne Insel 2016
Mi, 8. Juni
Abreise ca. 17h. Wir kaufen im Supermarkt noch Wasser und Säfte und vergessen nicht die Autobahnvignette.
Unser heutiges Ziel und anvisierter Schlafplatz ist Thalheim, der bewährte Parkplatz vor dem Haus von Klaus' Mutti.
Um 19h30 treffen wir dort ein und machen einen kurzen Mutti-Besuch.
Zum Abendessen sind wir bei Stefan und Ursula eingeladen und verbringen – wie immer – einen sehr netten Abend bei ihnen.
Ca. um Mitternacht legen wir uns ins Wohnmobil schlafen - der Urlaub beginnt nun erst richtig.
Der Kühlschrank funktioniert mit Gasbetrieb nicht, und das Fliegengitter der Luke über dem Bett kommt uns entgegen und lässt sich nicht mehr einhängen. Das fängt ja gut an. Heute Nacht wollen wir uns mit diesen Problemen aber nicht mehr beschäftigen.
Do, 9. Juni
Wir haben gut geschlafen. Um 8h stehen wir auf und fahren nach der Morgentoilette ohne Frühstück los. Ich habe Fasttag und Klaus möchte auf dieser Reise auch abnehmen.
Wir müssen die Geheimnisse des Wohnmobils wieder neu lernen - wie am Anfang jeder Reise. Die Handgriffe sind noch nicht automatisiert.
Um 9h fahren wir los. Es regnet. So können wir uns wenigstens ein bisschen auf Irland einstellen.
Eine Stunde später passieren wir die Grenze nach DEUTSCHLAND. Wir sind gespannt, ob wir genau kontrolliert werden. Unser Wohnmobil könnte ja theoretisch zum getarnten "Schlepperauto" umgebaut worden sein. Erfreulicherweise ist aber gar nichts los. Vor uns fährt zwar ein Zollauto und ein Beamter schaut streng. Wir werden aber ohne Passkontrolle durchgewunken. Der erste große Parkplatz nach der Grenze wurde zu einer Anhaltestation umfunktioniert. Polizei ist auch anwesend.
In der Mittagspause löst Klaus das Gas-Kühlschrank-Problem durch einen Geistesblitz. Er drückt auf das blinkende Warndreieck und startet das Gerät neu. Das ist sehr erfreulich. Jetzt können wir auch wieder kühlen, wenn das Auto steht.
Vom kaputten Fliegengitter müssen wir uns allerdings verabschieden. Wir öffnen nachts halt eine andere Luke, und unsere Liste für das nächste Service im Autohaus Sulzbacher wird wieder ein wenig länger.
Wir fahren weiter und hören Musik. Da es ja meine Spezialität ist, die Dinge sorgfältig abzuarbeiten, spielen wir die Titel auf Klaus' Handy alphabetisch ab. Das ergibt eine wilde Mischung aus Metallica, Mozart, Hubert von Goisern, Indianergesängen, Beethoven, Mark Knopfler, J.S. Bach, Leonard Cohen, Beatles, usw. Wir finden das ziemlich lustig.
Unser heutiger Schlafplatz ist der REWE-Parkplatz in Mutterstadt, irgendwo in Baden-Württemberg. An unserem geplanten Tagesziel, Stuttgart, sind wir schon längst vorbeigerauscht. Es ist ca. 17h30. Wenn wir schon mal hier sind, gehen wir zunächst einmal einkaufen. Die Eierschwammerln lachen uns an. Die werden wir morgen Abend genießen.
Dann holen wir unsere Klappfahrräder aus der Garage und nützen die Regenpause für eine kleine Erkundungsfahrt durch das nette Städtchen. Ich genieße das ganz besonders, weil ich ja nach meinem Ellbogenbruch und der Hand-Verstauchung in Costa Rica fast vier Monate lang nicht Rad gefahren bin. Sehr viele Häuser sind mit der deutschen Fahne beflaggt. Morgen fängt nämlich die Fußball-Europameisterschaft an.
Wieder zu Hause werfe ich zum ersten Mal auf dieser Reise den Computer an. Heuer habe ich mein altes riesiges Ungetüm mit, weil mein netter, kleiner Reise-Laptop nach langjährigen treuen Diensten leider seinen Geist aufgegeben hat. Ich schreibe, bis mir die Augen zufallen.
Fr, 10. Juni
Eine neue Panne ist aufgetreten. Plötzlich beginnt es im Auto zu heizen, obwohl wir die Heizung gar nicht aufgedreht haben. Während ich mir mit Warmwasser die Haare gewaschen habe, hat Klaus versucht, herauszufinden, warum es unten aus dem Auto heraustropft – habe ich diese Panne überhaupt schon erwähnt? Dabei hat er irrtümlich den Boiler geleert. Das hat das System offenbar verwirrt. Wir drehen also das Warmwasser wieder ab. Irgendwann werden wir einen neuen Versuch machen. Jetzt wollen wir gemütlich frühstücken. Nach einem Fasttag ist ja der Genuss besonders groß.
Um 10h fahren wir los. Wir wollen heute ca. 500 km Richtung Paris fahren. Übermorgen müssen wir auf der Fähre nach Irland sein.
Auf einer Autobahnstation tanken wir voll, füllen unseren Wassertank und leeren das Klo aus. Also sind wir für die Weiterfahrt bestens gerüstet. Das Abwasser scheinen wir ja zizerlweise zu verlieren. Die genaue Ursache unseres Wasserverlusts konnten wir noch nicht ergründen.
Ca. um 12h reisen wir in FRANKREICH ein, auf der autoroute de l'est. Sehr bald folgt natürlich die erste von vielen Mautstationen.
Unsere Mittagspause verbringen wir in Metz. Wir parken direkt vor der wunderschönen Kathedrale, die sich uns heuer ganz ohne Gerüst präsentiert. Auch innen gefällt sie uns sehr gut. Vor zwei Jahren waren wir auf unserer Reise in die Bretagne hier. In der Markthalle, gleich daneben, erstehen wir Quiche Lorraine. Die ist nicht nur köstlich, sondern passt hier auch besonders gut, weil wir ja wirklich in Lothringen sind.
Und schon geht es wieder zurück auf die Autobahn. Wieder sind wir betroffen, dass die Gegend um Verdun so schön und friedlich aussieht, wo doch hier im 1. Weltkrieg blutig gekämpft wurde. Wir haben auch bereits die Maginot-Linie überquert, die im 2. Weltkrieg eine Rolle gespielt hat.
In Reims geben wir uns nochmals der Kultur hin und besuchen den lächelnden Engel am linken Seitenportal der Kathedrale, der uns schon vor zwei Jahren gut gefallen hat. Er hat ja seit 2009 seinen Kopf wieder. Hier ist immer noch viel eingerüstet. Es gibt noch jede Menge zu renovieren. Die Hugenotten haben ja sehr sorgfältig jeder einzelnen Figur den Kopf abgeschlagen. Der Innenraum gefällt uns nicht so gut wie der in Metz.
Wir suchen uns jetzt einen Platz für die Nacht. Also fahren wir nochmals auf die Autobahn auf, bei der nächsten Abfahrt gleich wieder runter und peilen das Château de Nesles an. Dabei kommen wir an mehreren amerikanischen Soldatenfriedhöfen vorbei, die auch an den 1. Weltkrieg erinnern. Der Parkplatz des Châteaus ist sehr idyllisch und eignet sich hervorragend zum Übernachten. Sogar ein Brunnen mit Trinkwasser ist hier. Wir füllen unseren Wassertank. Natürlich besichtigen wir auch die romantische Ruine des ehemaligen Wasserschlosses.
Es ist ungefähr 19h. Heute Abend kochen wir. Es gibt Eierschwammerln mit Ei und Petersilkartoffeln - sehr fein.
Dann setzen wir uns an unsere Laptops und erfreuen uns nebenbei an einem Froschkonzert.
Um 23h gehen wir schlafen.
Sa, 11. Juni
Wir stehen um 8h30 auf. Herrlich ist das Ausschlafen. Ein kühler, schöner Morgen erwartet uns.
Leider ist es trotzdem ein böses Erwachen. Wir haben einen Patschen.
Bei unserer Kasko-Versicherung ist ein 24-Stunden-Service dabei. Dort rufen wir nach einer raschen Katzenwäsche an. Wie gut, dass wir auf einem legalen Parkplatz stehen und unser Standort durch die Burg genau bestimmbar ist. Während wir warten, machen wir uns einen Kaffee. Kaum haben wir die Tassen an den Mund gesetzt, kommt der Pannendienst bereits . Das ist aber überraschend schnell gegangen. Wir haben unsere Wörterbücher zu Hause vergessen, aber unser Problem ist ohnehin selbsterklärend. Der Mechaniker zieht einen ca. 15 cm langen, verbogenen Nagel aus unserem Reifen. Er klebt das Loch fachmännisch und pumpt dann mit unserem Reparatur-Kit den Reifen wieder auf. Er versichert uns, dass er für unsere geplanten 5000 km problemlos halten wird. Vor unserer Amerikareise wollen wir ohnehin neue Reifen kaufen.
Wir sind sehr erleichtert und dankbar, auch weil wir nicht allzu viel Zeit verloren haben. Wir haben ja für Sonntagnachmittag die Fähre nach Irland gebucht, und wir haben noch ca. 600km vor uns.
Um 12h30 sind wir wieder auf der Autobahn unterwegs. Der freundliche Mensch von der Versicherung ruft nochmals an und erkundigt sich, ob alles geklappt hat. Wir finden das sehr nett.
Bei der nächsten Tankstelle müssen wir den reparierten Reifen noch etwas mehr aufpumpen. Unser Aufblasegerät schafft nur 4 bar, und wir brauchen 4,5.
Bei der Gelegenheit dürfen wir wieder etwas lernen. In Frankreich gibt es Druckluft nur gegen Bezahlung. Man muss Münzen einwerfen. "Für nichts als heiße Luft", wie ich finde.
Und schon wartet das nächste Problem auf uns. Der Bildschirm vom Radio reagiert nicht mehr, egal auf welche Knöpfe man drückt. Das ist deshalb schlimm, weil dadurch auch das Bild der Rückfahrkamera nicht gezeigt wird. Das brauchen wir aber dringend, denn wir haben ja hinten kein Fenster. Dieses Problem hatte ich auch letztes Jahr auf der Spanienreise mit Gabi. Es genügt, einfach die Sicherung herausziehen und wieder einzusetzen. Ich weiß sogar, wo diese Sicherung ist.
"Jetzt genügt es aber bald mit den Pannen", meint Klaus.
Paris! Wir werfen von der Autobahn aus einen Blick hinüber und erkennen doch tatsächlich den Eiffelturm.
Um 14h halten wir zur Mittagspause auf einem Parkplatz. Ich nippe an meinem Tee und schaue Klaus beim Essen zu - Fasttag.
Nun halten wir Ausschau nach der typischen Silhouette der Kathedrale von Chartres, mit den zwei unterschiedlichen Türmen. Leider können wir von ihr keinen Blick erhaschen. Das Wetter ist zu diesig, und es regnet. Vor uns hängen tiefschwarze Wolken. Wegen des wunderschön gelb blühenden Ginsters entlang der Autobahn schauen wir trotzdem gerne aus dem Fenster.
Um 17h30 fahren wir von der Autobahn ab und beginnen mit der "Plätzchensuche". Sehr bald finden wir eine geeignete Stelle zum Übernachten, im Industriegebiet von Laval.
Während ich am Laptop sitze und schreibe, schaut sich Klaus einen Film an und weiht dabei seine neuen Bose-Kopfhörer ein.
Danach wendet er sich unserem Wasserproblem erneut zu. Erstaunlicherweise rinnt Wasser auch dann unter dem Auto heraus, wenn wir unter dem Wasserhahn nur eine Tasse füllen und gar nichts in den Abfluss rinnt.
Nach langem Herumprobieren kommt Klaus drauf, dass, als er den Boiler irrtümlich geleert hat, beim Ventil ein Knopf herausgesprungen ist, der beim Zudrehen des Ventils nicht wieder automatisch hineingeht. Er drückt diesen Knopf, und wieder ist ein Problem gelöst. Unter dem Auto bleibt es trocken. Es kommt ein ordentlicher Wasserstrahl aus den Hähnen, und wir haben Warmwasser.
Wir sind begeistert und können beruhigt schlafen gehen.
Warum allerdings ganz am Anfang unserer Reise Wasser ausgelaufen ist, scheint ein anderes Paar Schuhe zu sein. Möglicherweise ist das der Überlauf vom Wassertank gewesen.
So, 12. Juni
Heute steht der Endspurt zur Fähre auf dem Programm. Es regnet immer noch und ist ziemlich kühl. Wir holen Unterleiberl und Socken hervor. Na ja, wir wissen ja, wo wir hinfahren.
Wir sind relativ früh aufgestanden. Um 8h30 sind wir bereits unterwegs, nach einem köstlichen Frühstück.
Die 300 km, die wir vor uns haben, werden wir locker schaffen. Gut, dass wir genug Zeitpolster eingeplant hatten.
Kurz vor 9h reisen wir in unsere geliebte Bretagne ein, ins Département Finisterre, dem "Ende der Welt". Vor zwei Jahren waren wir hier und spüren eine gewisse Vertrautheit. Die bleichen Rinder sind braungefleckten Kühen und Schafen gewichen. Die gefallen uns viel besser.
Zu Mittag kommen wir bei äußerst diesigem Wetter und Regen im Hafen von Roscoff an. Wir haben Frankreich an seiner breitesten Stelle von Osten nach Westen durchquert, bis zur hinausstehenden Nase. Wir freuen uns, das Meer zu sehen.
Offenbar hat gerade eine Fähre angelegt, denn es kommen uns viele irische Autos entgegen. Fast alle sind beflaggt. Einige sind sogar in den irischen Farben lackiert. Auch Fan-Busse mit großen Fahnen auf den Kühlerhauben sehen wir. Die fahren sicher nach Paris zur EM. Gut, dass wir in die andere Richtung unterwegs sind.
Die Irische Fahne ist übrigens Grün-Weiß-Orange (von links nach rechts): Grün für die katholischen Iren, Orange für die protestantischen Oranier und Weiß für den Frieden zwischen den beiden.
Unser Schiff, die "Oscar Wilde", steht schon da, aber wir haben bis zum Einchecken noch viel Zeit. Also widmen wir uns einem kalten Mittagessen und packen einen Rucksack für die Nacht an Bord.
Dann machen wir uns einen Kaffee und lösen ein Um-die Ecke-gedacht-Kreuzworträtsel.
Wir werden sogar noch Zeugen von ein wenig Action. Die Polizei taucht auf. Spürhunde schnüffeln an den Autos der Wartenden, wahrscheinlich auf der Suche nach Drogen. Wie gut, dass wir Omas Mohnstrudel und die Waldviertler Mohnzelten nicht mitgenommen haben ;-).
Bei zwei Autos werden die Tiere ganz nervös. Die werden auf die Seite gewunken, und vor den Augen eines begeisterten Publikums müssen die Insassen – junge Burschen, die eigentlich ganz nett ausschauen – ein Gepäckstück nach dem anderen ausladen. Aufgeregt, mit wedelnden Schwänzen sind die Hunde bei der Sache. In dem einen Auto wird tatsächlich ein verdächtiges Päckchen gefunden.
Leider erleben wir nicht mehr mit, wie die Sache ausgeht, denn es ist 16h30, und das Boarding beginnt.
Wir haben eine luxuriöse Kabine, ziemlich groß, mit Badezimmer und sogar Fenstern. Ein Bett ist schon vorbereitet. Das andere ist in der Tagesstellung eine Sitzbank. In der Nacht klappt man die einfach nach vorne hinunter. Ein fertig gemachtes Bett kommt zum Vorschein. Wir haben auch einen Schreibtisch mit Sessel, den ich sofort mit meinem Laptop mit Beschlag belege, und einen Fernseher, für den sich Klaus interessiert, zumal er ja bis jetzt noch kein Fußballspiel der Europameisterschaft gesehen hat.
Besonders aufmerksam finden wir es, dass eine Schale mit Obst und ein kleines Fläschchen Wein für uns bereitstehen.
Das Abendessen nehmen wir im Selbstbedienungsrestaurant ein. Wir mischen zwei Beilagen – Kartoffeln und Gemüse – zu einem Mahl nach unserem Geschmack.
Anschließend gehen wir an Deck und schauen zu, wie unsere Fähre ablegt. Es hat zu regnen aufgehört und ist gar nicht kalt. Natürlich erforschen wir auch das Schiff und begeben uns – sehr kurz – in den "Shopping Heaven".
Der Seegang wird höher. Mein Magen beginnt zu rebellieren. Wie gut, dass ich meine Tabletten gegen Seekrankheit noch im letzten Augenblick eingesteckt habe. Ich nehme eine und harre in der Hoffnung auf Besserung tapfer noch eine Weile am Schreibtisch aus. Dieses Mittel hilft tatsächlich etwas, macht aber sehr müde. Also lege ich mich einfach früh schlafen, während Klaus über meinen Kopf hinweg lautlos fernsieht, Deutschland gegen Ukraine. Ihm geht es offenbar gut. Kurz vor dem Einschlafen fällt mir noch ein, dass in Irland Westeuropäische Zeit herrscht. Wir drehen also unsere Uhren und den Wecker um eine Stunde zurück.
Mo, 13. Juni
Ich habe sehr gut geschlafen, und es geht mir wesentlich besser.
Wir nützen unser Badezimmer für eine ausführliche Morgentoilette.
Dann setzen wir uns in eines der Cafés ans Fenster und freuen uns am Anblick vieler springender Delphine. Ich bin ganz begeistert, weil ich das noch nie gesehen habe.
Klaus gönnt sich ein kleines Frühstück, ich faste heute wieder.
Um 11h Ortszeit kommen wir in IRLAND an, und zwar in Rosslare. Es regnet wieder einmal.
Achtung! Ab nun herrscht Linksverkehr. Das bedeutet auch, dass der Linkskommende Vorrang hat, und dass man in Kreisverkehre linksherum hineinfahren muss. Überholt wird rechts. Auch als Fußgänger ist man gefordert. Zuerst nach rechts schauen, dann nach links. Immer wieder sind wir kurz verwirrt.
Die Insel Irland samt Nordirland ist übrigens ungefähr so groß wie Ungarn, ungefähr so lang wie Österreich, aber gleichmäßig breit. Sie hat 6,4 Millionen Einwohner, ist also dünner besiedelt.
Hier sieht es ganz anders aus als in Frankreich, viel mehr wie in England und noch mehr wie in Schottland. Uns gefallen die bunten Geschäfte und Pubs und die vielen Blumen. Die Aufschriften und Ortsnamen sind zweisprachig, Englisch und Gälisch.
Unser erstes Ziel auf der Insel ist Wexford. Hier kaufen wir eine SIM-Card. Wir sind fast überrascht, dass sie sofort funktioniert. Fein, dass wir wieder Internet haben.
In der Fußgängerzone sind jetzt um die Mittagszeit besonders viele junge Leute in verschiedenen Schuluniformen unterwegs. Mich erinnert das ein wenig an Harry Potter. "Sehr englisch", meint Klaus. "Sehr irisch", sage ich. Viele Geschäfte sind mehr oder weniger geschmackvoll fußballmäßig dekoriert.
Das Wetter hat sich merklich gebessert. Also peilen wir ein Freilichtmuseum an, den Irish National Heritage Park. Wir finden hin, obwohl uns das GPS ganz woanders hinschicken wollte.
Wir wandern bei Sonnenschein durch das weitläufige Gelände, voller Begeisterung, weil alles so liebevoll aufbereitet ist. Hilfreich sind auch die Erklärungen in deutscher Sprache.
Wir sehen maßstabgetreue Nachbildungen prähistorischer Häuser, Forts und Gräber, ein vollständig rekonstruiertes frühchristliches Kloster, eine Mühle und eine Wikinger-Werft. Eine weiße Normannische Burg aus dem 12. Jhd. wurde nachgebaut und ein für Irland typischer hoher Rundturm. Solche Türme werden wir auf unserer Reise noch viele sehen. Sie gehörten zu Klöstern und dienten als Glockentürme, Zufluchtsorte und Schatzkammern.
Bei allen Hütten glosen Feuer, sodass sie heimelig und fast bewohnt wirken. Es gibt auch Mitmach-Stationen. Man kann z.B. versuchen, einen tonnenschweren Felsblock mit den damaligen Mitteln zu bewegen, Steinritzungen zu zeichnen und eine Wand zu winden - aha, daher kommt das Wort.
Zum Schluss gibt es noch einen Abenteuerspielplatz. Ich kann es mir nicht verkneifen, etwas rumzuturnen, obwohl ich das Höchstalter von 14 Jahren bereits etwas überschritten habe.
Im Shop kaufe ich mir ein nettes T-Shirt - mit Schafen.
Um 16h fahren wir weiter. In einem kleinen, idyllischen Dorf – Instioge – machen wir kurz Halt. Klaus muss unbedingt ein paar Fotos machen.
Dann geht es weiter zur Jerpoint Abbey, der Ruine von Irlands schönster Zisterzienser-Abtei. Der Bau im romanisch-gotischen Mischstil stammt aus dem 12. Jhd. Im Kreuzgang kann man noch Skulpturen von Rittern, Äbten und Fabeltieren erkennen.
"Schau, hier ist Irland", sagt Klaus bei der Weiterfahrt. Er meint die wunderschöne, wellige Landschaft, samt Schafen mit schwarzen Köpfen.
Für heute Nacht sind wir beim Campingplatz "Tree Groval" in Kilkenny angemeldet.
Um 17h30 kommen wir an. Nach einem kalten Abendessen – ich faste brav – geht Klaus in den Aufenthaltsraum und gesellt sich dort zu anderen Fußball-Interessierten vor den Fernseher. Irland spielt gegen Schweden und verliert durch ein Eigentor. Der Kommentar ist "Swede and Sour"- ein nettes Wortspiel, wie ich finde.
Ich sitze unterdessen im Wohnmobil am Laptop und schreibe eifrig am Reisetagebuch.
Kurz vor Mitternacht gehen wir schlafen.
Di, 14. Juni
Wir stehen um 8h auf. Leider haben wir nicht besonders gut geschlafen. Dafür gibt es heute Frühstück.
Wir fahren ins Zentrum der hübschen Stadt Kilkenny. Laut Reiseführer ist das einer der schönsten Orte Irlands, der – bevor die Normannen in Irland einfielen – Königssitz des frühmittelalterlichen Königreichs Ossory war. Wir schlendern durch den malerischen mittelalterlichen Ortskern und füllen im "SuperValu" – das ist eine Supermarktkette, die es im ganzen Land überall gibt – unsere Lebensmittelvorräte auf.
Jetzt können wir uns einem weiteren Stück Kultur widmen, nämlich Kilkenny Castle.
Wir erwerben eine "Heritage Card", durch deren Kauf wir bei fast allen Sehenswürdigkeiten keinen Eintritt mehr zahlen müssen.
Das Schloss gehörte jahrhundertelang der mächtigen anglo-normannischen Familie Butler. Es wurde vielfach umgebaut und modifiziert. Bis 1935 lebte die Familie hier. Das Gebäude wurde aber nach und nach immer unbewohnbarer. In den 1960er-Jahren wurde es an die Menschen von Kilkenny zu einem Symbolpreis verkauft. Es wurde aufwändig renoviert. Uns gefällt es sehr. Im Speisesaal mit den handbedruckten Tapeten ist eine prachtvolle Tafel gedeckt. Es gibt auch eine schöne Bibliothek. Am bemerkenswertesten finden wir aber den bemalten Dachstuhl in der Galerie. Die Parkanlagen sind riesig.
Unsere Reise – im Wesentlichen im Uhrzeigersinn um Irland herum – führt uns weiter zum Rock of Cashel. Der Felskegel mit seinen Gebäuderesten ist wirklich bemerkenswert. Vom 4. bis zum 11. Jhd. diente er als Sitz der Könige von Munster – so heißt der Südwesten Irlands.
Im 5. Jhd. kam der hl. Patrick – der irische Nationalheilige – hierher und bekehrte den König zum christlichen Glauben. Bei der Taufzeremonie setzte er seinen schweren Bischofsstab mit Macht auf den Boden und spießte dabei, ohne es zu bemerken, den Fuß des Königs auf. Der nahm an, das gehöre zum heiligen Akt dazu, und verzog keine Miene. So erzählt es ein Manuskript aus dem 10. Jhd.
Wir wandern in der Ruine der gotischen Kathedrale umher. Sie hat kein Dach mehr, aber man erkennt die Querschiffe und den mächtigen Vierungsturm. Um einiges älter ist die irisch-romanische Cormac's Chapel aus dem 12. Jhd. Der Rundturm daneben ist ebenso alt.
Wir sind jetzt rechtschaffen müde. Unser Parkplatz eignet sich gut für eine Mittagspause. Wir tischen alles auf, was unser Kühlschrank hergibt. Außerdem haben wir ja heute im Supermarkt einen sehr guten Salat gekauft.
Nun sind wir gestärkt für die nächste Burg, eine der mächtigsten Burgen Irlands sogar, Cahir Castle [Kähr]. Hier residierten die Butlers, die wir schon in Kilkenny kennengelernt haben. Sie kamen im 12. Jhd. ins Land. Die Burg galt als uneinnehmbar. Im 16. Jhd. wurde sie allerdings vom Earl of Essex im Auftrag der Königin Elisabeth I belagert und konnte unter heftigem Artillerieeinsatz nach nur 10 Tagen erobert werden.
Wir bewundern die massiven Festungsmauern mit den runden und quadratischen Türmen und den mächtigen Bergfried.
Die Weiterreise ist ein ganz besonderes Highlight. Sie führt über die Bergstraße The Vee.
In Serpentinen windet sie sich die Hügelkette hoch. Begleitet wird sie von ganzen Wäldern blühender Rhododendren. Alles ist violett, soweit das Auge reicht. Wir sind begeistert. So etwas haben wir noch nie gesehen. Offenbar haben wir dafür die richtige Jahreszeit erwischt.
Nachdem wir uns endlich satt gesehen haben, geht es nun wieder bergab.
Unseren heutigen Schlafplatz finden wir in Ardmore. Wir stehen auf einem Parkplatz direkt am Atlantik. Das Hotel nebenan schickt uns sein WLAN herüber. In Sichtweite steht der am besten erhaltene Rundturm der frühchristlichen Ära. Er ist 30m hoch und hat sechs fensterlose Stockwerke.
Wir kochen und essen Gemüse mit Kartoffelkruspel. Das schmeckt sehr fein.
Das Fußballspiel Österreich gegen Ungarn konnte Klaus heute leider nicht anschauen. Im Internet kann man die Übertragungen nämlich nur in Österreich sehen. Sein EM-App verrät ihm allerdings das schmähliche Abschneiden unserer Landsleute. Sie wurden 2:0 besiegt.
Das Abendprogramm besteht wie immer aus Lappisieren.
Mi, 15. Juni
Heute Nacht haben wir viel besser geschlafen. Wir stehen schon um 8h auf. Weil wir ohne Frühstück aufbrechen, sind wir bereits um 8h30 auf Achse.
Der erste Punkt auf unserer heutigen Tagesordnung ist Cobh [Kouv].
Die St. Coloman's Cathedral ragt hoch über der Stadt sehr eindrucksvoll in den Himmel. Bei näherer Betrachtung stellt sie sich leider als neugotisch heraus.
Ein riesiges Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen. Es handelt sich um den zweitgrößten Naturhafen der Welt, was das einstige verschlafene Fischernest während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und der napoleonischen Kriege zu einem wichtigen Umschlagplatz für Güter, Waffen und Soldaten machte. Im 18. Jhd. wurde hier der erste Yachtclub Irlands gegründet, und in der Mitte des 19. Jhd. avancierte Cobh zu einem beliebten Badeort der High Society. Nach einem Besuch der Königin Victoria wurde die Stadt in Queenstown umbenannt. Nach der Gründung des Irish Free State bekam sie 1922 ihren ursprünglichen Namen wieder zurück.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jhds. wanderten Hunderttausende arme, hungernde Iren von hier aus nach Amerika aus. Es gab nämlich ab der Mitte der 1850er Jahre eine große Hungersnot in Irland. Die Kartoffelfäule hatte in vielen Ländern Europas zu mehreren Missernten geführt. Da die Erdäpfel das Hauptnahrungsmittel der Iren waren, waren die besonders hart betroffen. Mindestens eine Million Iren verhungerten und ca. 1,5 Millionen wanderten aus. Ganze Landstriche voller Bauernhaus-Ruinen blieben zurück.
Alle großen Transatlantik Liner, sie wurden damals "Kartoffelsärge" genannt, legten auf ihrer Fahrt von Southhampton nach New York und zurück in Queenstown an - auch die Titanic auf ihrer Jungfernfahrt im April 1912. Sie nahm hier über hundert Auswanderer auf, von denen die meisten einige Tage später ertrunken waren. Das Schiff kam von Belfast, wo es gebaut worden war. Ihre ersten Stationen waren Southhampton und Cherbourg gewesen.
Drei Jahre später, mitten im 1. Weltkrieg, schockte eine weitere Schiffskatastrophe die Welt. Die Lusitania, auch ein Transatlantik-Liner, wurde vor der irischen Südküste von einem deutschen U-Boot torpediert. Über 1000 Menschen kamen ums Leben. Die hiesigen Fischer beteiligten sich an der Rettung der Überlebenden und der Bergung der Toten. Viele Unbekannte wurden hier und im benachbarten Kinsale begraben. Ein Denkmal an der Uferpromenade erinnert daran.
Heute weiß man, dass die Lusitania entgegen dem Völkerrecht Munition und Kriegsmaterial geladen hatte. Nichtsdestotrotz kamen die ahnungslosen Passagiere völlig unschuldig zum Handkuss.
Das Wrack gilt als Kriegsgräberstätte. Man darf es nur mit besonderer Genehmigung betauchen.
Heute hat das Städtchen Cobh seine wirtschaftliche Bedeutung verloren, aber viele Touristen kommen jedes Jahr.
Im Originalgebäude der White Star Line geben wir uns die "Titanic Experience". Die Tickets kaufen wir am Original-Fahrkartenschalter. Wir bekommen Schiffskarten für die 3. Klasse, die genauso aussehen wie die der damaligen Auswanderer. Es ist berührend, dass die Leute, deren Namen draufstehen, damals wirklich bei der Katastrophe dabei waren und entweder überlebt haben oder umgekommen sind, wie man auf einer Passagierliste überprüfen kann.
Die Titanic war damals das größte von Menschen gemachte bewegte Objekt auf der Welt. Sie war länger, als der Eiffelturm hoch ist, und hatte 4 Rauchfänge. Sie war 9 Stockwerke hoch.
Wir gehen "an Bord", und ein virtueller Offizier zeigt uns die Unterkünfte. In der 3. Klasse gab es Stockbetten, elektrisches Licht und fließendes Wasser. Das Waschbecken konnte man wegklappen, wie in unserem Wohnmobil. Die Auswanderer fanden hier meist mehr Komfort vor, als sie es von zu Hause gewohnt waren.
Wir dürfen auch einen Blick in die Luxusunterkünfte der 1. Klasse werfen. Die waren mit eleganten Möbeln, Tapeten, usw. ausgestattet, wie Suiten in Luxushotels.
Der Preisunterschied zwischen einer Passage 1. Klasse und einer 3. Klasse war enorm. In heutiger Relation kostete ein Ticket für die 3. Klasse 640$, damals waren das 40$, ein halber Monatslohn. In der Luxus Parlour Suite zahlte man 64.000$, damals waren das 4000$.
Plötzlich hören wir, dass wir mit einem Eisberg kollidiert sind, und steigen in ein Rettungsboot. Wir sehen auf einer Leinwand einige andere Rettungsboote und schauen zu, wie die Titanic sinkt, während die Bordkapelle spielt. 1540 der 2200 an Bord befindlichen Personen starben. Es gab zu wenig Rettungsboote und die Besatzung war nicht gut genug für so einen Fall ausgebildet.
Wir erfahren auch die Geschichten von einigen Überlebenden, die das Schiff beim Zwischenstopp in Queenstown verlassen hatten. Z.B. folgte ein Jesuitenpater seiner inneren Stimme und ging hier von Bord. Die Fotos, die er gemacht hatte, sind die einzigen, die es von der Ausstattung der Räume der ersten Klasse, insbesondere vom prächtigen Speisesaal, gibt. Sie dienten später als Vorlage für den Film von James Cameron.
Das Wrack der Titanic wurde übrigens 1985 mit Spezialgeräten gesucht und gefunden. Es liegt fast 4000m tief. Über 5000 Artefakte wurden geborgen.
Wir verlassen den Ort und fahren weiter nach Kinsale. Direkt neben unserem Parkplatz sticht uns ein Gewandgeschäft ins Auge. Klaus kauft sich ein schönes Leiberl und eine wunderschöne flauschige Jacke. "Centennial 1916-2016" steht drauf. Damals wurde der Freistaat Irland ausgerufen. Die Briten schlugen diesen "Osteraufstand" allerdings blutig nieder. Der Irische Unabhängigkeitskrieg begann. 1922 teilte sich Irland. Der nördliche Teil blieb bei Großbritannien, und der südliche Teil wurde unabhängig.
Auch diese Stadt ist pittoresk und hat viel Atmosphäre, ein buntes Pub neben dem anderen. Wir gehen über einen tollen Farmer's Market, auf dem viel gesundes Essen und frisch gepresste Säfte angeboten werden. Klaus kauft sich einen Salat. Ich habe ja leider Fasttag.
Unsere Mittagspause machen wir auf der Halbinsel Old Head of Kinsale. Man hat von hier aus eine Aussicht auf die Stelle, wo die Lusitania gesunken ist. Hier stehen auch ein Memorial und ein Lusitania-Museum. Wir haben allerdings für heute genug von Schiffskatastrophen.
Es ist ca. 14h30. Wir wechseln das Thema und suchen nun einen Steinkreis, den Drombeg Stone Circle. Wir fahren eine malerische Küstenstraße entlang. Das ist der Wild Atlantic Way. Die breiteren Straßen auf der Insel, wie auch diese, sind an sich zweispurig. Aber links und rechts ist noch eine schmälere Spur, auf die man ausweichen kann, wenn man überholt wird.
Die Außentemperatur war bis jetzt meist knapp unter 20°. Es ist allerdings recht windig und regnet immer wieder. Man braucht also immer eine Windjacke, oder besser eine Regenjacke und Socken. Die Landschaft ist allerdings wunderschön. Überall grünt und blüht es üppig. Vor den bunten Häusern blühen bunte Gärten. Bewässerungsprobleme haben die Iren ja keine, und die Winter sind wegen des Golfstroms sehr mild.
Um 16h30 haben wir den netten kleinen Steinkreis und Reste von Hütten aus der späten Bronzezeit gefunden. Man sieht sogar noch das Loch, wo der Brunnen war. "Ein Dorf und eine Kirche also", meint Klaus.
Die Einfahrt zum Parkplatz ist für unser Wohnmobil zu niedrig, aber wir stellen uns in eine Ausbuchtung daneben. Hier wollen wir auch über Nacht bleiben.
Nach einem Spaziergang, entlang von Hecken voller knallroter Fuchsien, setzen wir uns an unsere Computer. Klaus lernt Englisch, wie er sagt. Er sieht sich "Game of Thrones" an. Davon hat er einige DVDs mit.
Die erste Woche unseres Urlaubs ist abgelaufen. Sie ist sehr schnell vergangen.
Do, 16. Juni
Wir haben gut und lange geschlafen.
Unsere Gasflasche ist leer. Wir haben ja zum Glück Ersatz dabei.
Das heutige Frühstück ist opulent. Wir kochen uns sogar sogenannte "weiche Eier". Die präzise Zeitnehmung lässt allerdings zu wünschen übrig. Wir löffeln harte Eier aus den Eierbechern, und Klaus' Apple-Watch gibt exakt drei Stunden später Alarm.
Um 10h30 brechen wir auf.
Die Halbinsel Mizen ist unser nächstes Ziel.
Das Wetter ist angenehm, kein Regen, viele Wolken, recht warm aber nicht.
Wieder begeistern uns die Landschaft und die Farbenpracht der Blumen und Häuser. Sogar die Kühe sind bunt, braune, schwarze, weiße und gefleckte in einer Herde, oft sind süße Kälbchen dabei. Und immer wieder erfreuen uns schöne Ausblicke aufs Meer. "Schau, da unten ist Irland", bemerkt Klaus wieder einmal.
Die meisten Straßen sind schmal. Da bin ich froh, dass Klaus so gut Auto fahren kann. Wir sind weiter auf dem Wild Atlantic Way (WAW) unterwegs, der auf Wegweisern mit blauen Zacken angegeben ist, die wie Wellen aussehen: WΛW
Die Vegetation wird karger. Heidekraut herrscht nun vor, in der von Gletscherschliff geformten Landschaft. Natürlich ist auch die Heidelandschaft bunt.
Die Straße wird immer enger, und schließlich zeigt uns das GPS ungerührt den weiteren Weg gepunktet an. Ein freundlicher Ire deutet unsere ratlosen Blicke. "Did you get lost?", fragt er. "My GPS played a joke on me", antwortet Klaus. Wir drehen also um und versuchen eine andere Abzweigung. Bei einem kleinen Dolmen finden wir einen schönen Rastplatz und spazieren ein bisschen herum.
Bis Crookhaven fahren wir weiter. Dann drehen wir um. Auf "Mizen Head", die südwestlichste Spitze der Irischen Insel, verzichten wir. Für das Wohnmobil würde das einfach zu eng werden.
Nun fahren wir den Sheephead's Drive - sehr passender Name angesichts der vielen schwarzköpfigen Schafe entlang der Straße - ein kleines Stück nach Norden zu unserem nächsten Ziel, dem Städtchen Bantry.
Ein sehr netter Bioladen sticht uns ins Auge. Wir suchen uns einen Parkplatz und fahren mit unseren Klapprädern hin. Er verwöhnt uns mit Schafjoghurt, Schafkäse und Vollkornbrot, und als Krönung köstlichen Scones.
Den Campingplatz "Eagle Point", auf dem wir für heute reserviert haben, kennt das GPS nicht, aber das iPad. Wir finden den schönen, gut ausgestatteten Platz im nächsten Dorf, in Ballylickey.
Es ist bereits 15h. Wir sind hungrig und freuen uns aufs Mittagessen. Schließlich haben wir gerade viele gute Sachen gekauft. Zum ersten Mal auf dieser Reise können wir im Freien sitzen und haben kurze Hosen an. Das ist ja fast wie Urlaub.
Ein freches Rotkehlchen mit etwas struppiger Rückenfrisur wagt sich bis auf unsere Trittstufe und wird mit den Brosamen unserer Scones belohnt.
Nun steht Haushaltsarbeit an, Wäsche waschen. Die hiesige Waschmaschine wollen wir natürlich ausnützen.
Bald lande ich allerdings wieder hinter meinem "Schreibtisch". Klaus radelt mit dem Fotoapparat los, um ein wenig die Gegend zu erkunden.
Um 19h30 gehen wir Abendessen. Es ist immer noch ganz hell und sonnig, und der kleine Spaziergang zum Pub tut uns gut. Wir freuen uns, dass Gemüsesuppe und vegetarische Quiche angeboten werden. Ganz ohne Riesen-Pommes geht es allerdings nicht ab. Das kennen wir schon von England. Alles schmeckt sehr gut, und als Draufgabe kann Klaus einen Teil des Fußballspiels Deutschland gegen Polen sehen. Zum Nachtisch gönne ich mir noch eine Strawberry-Cheesecake. Wie gut, dass morgen wieder ein Fasttag ist.
Klaus ist nett und geht nach dem Essen mit mir nach Hause und schaut sich nicht das Match fertig an.
Während ich wieder am Laptop sitze, holt er unsere gewaschene Wäsche von der Leine. Ich sagte ja schon: Er ist nett.
Fr, 17. Juni
Wir haben sehr gut ausgeschlafen. Nach ausgiebigen Waschungen leeren wir Klo und Abwasser aus und füllen den Wassertank. Auch die letzten Wäschestücke vergessen wir nicht auf der Leine.
Der Campingplatz hat also seine Aufgabe voll erfüllt. Sogar unseren sorgfältig getrennten Müll konnten wir hier geordnet loswerden.
Gestern hat Klaus entdeckt, dass unsere Reifen ziemlich schlecht beisammen sind. Wir wollten ohnehin vor unserer Amerikareise neue kaufen. Aber es scheint zweifelhaft, dass diese hier noch die jetzige Reise durchhalten.
Also fahren wir zurück nach Bantry - ins Reifencenter. Die Sorte, die wir brauchen, haben sie nicht lagernd. Sean bestellt sie für uns. Wir setzen unsere Reise also fort und werden am Dienstag wiederkommen. Wir hatten ohnehin geplant, in den nächsten Tagen in der Gegend zu bleiben und die Halbinseln abzuarbeiten. Wir fangen mit der Beara-Halbinsel an und machen den Ring of Beara. Das heißt, wir fahren rundherum.
Das Wetter ist weiterhin herrlich. Wir genießen den Sonnenschein. Die Straße ist beidseitig von unzähligen Margeriten gesäumt.
In Glengarriff gibt es eine kleine Fähre zur Blumeninsel, Garinish Island. 1910 brachte man Abertausende Tonnen von Humuserde auf die karstige Insel und legte einen prachtvollen Garten an.
Auf der Fahrt zur Insel kommen wir an zwei Seehund-Kolonien vorbei. So nahe haben wir die Tiere noch nie in freier Wildbahn gesehen. Auch in Island waren sie viel weiter weg.
Der große Park, der die ganze Insel einnimmt, ist in einige Abteilungen gegliedert. Zuerst spazieren wir durch den Italian Garden. Eine antike römische Villa mit Garten wurde hier nachempfunden.
Es gibt auch noch den Happy Garten mit vielen Rhododendren in allen Farben, den besonders schönen und vielfältigen Walled Garden, der mit einer Mauer umgeben ist, und den Jungle, in dem es Bäume aus allen Kontinenten gibt, sogar Palmen. Die Winter sind ja sehr mild, also halten die das aus. Von einem Griechischen Pavillon aus blickt man aufs Meer hinaus. Der Martello Tower dient heute als Aussichtsturm, wurde aber ursprünglich zu Verteidigungszwecken gegen Napoleon gebaut.
Eine enge Wendeltreppe führt hinauf.
Nach ca. einer Stunde fahren wir wieder zurück. Der Ausflug hat uns sehr gut gefallen. Das schöne Wetter hat natürlich ein Übriges dazu getan.
Um 11h30 sind wir wieder beim Auto. Wir setzen unseren Ring of Beara fort und fahren nach Südwesten. Die Landschaft wird recht rau. Mächtige Felsbuckel ragen auf, die wie abgehobelt wirken. Auch die Vegetation ist recht karg und eher dornig. Das Meer glitzert dunkelblau.
Eine ausgedehnte Mittagspause machen wir im Schatten eines Buddhistischen Meditationszentrums, von dem – wie Klaus meint – ein wunderbarer Frieden ausgeht.
An der Spitze der Halbinsel gibt es Irlands einzige und zugleich sehr originelle Kabelbahn. Sie führt zur Insel Dursey hinüber. Eigentlich wurde sie für den Viehtransport gebaut. Die 50 Einwohner der Insel waren nämlich zumeist Viehzüchter.
Wir fahren zur Station und müssen leider ein Schild vorfinden, das besagt, dass just in dieser Woche die Seilbahn wegen Wartungsarbeiten nicht fährt. Wir sind enttäuscht. Der Dursey Sound, über den die Seilbahn führt, ist nur ca. 300m breit. Man kann hinüberschauen. Wir sehen drüben Autos, die angeblich mit Fischkuttern hinübergebracht wurden. Eine Straße sehen wir auch. Die Insel erscheint uns ziemlich klein und fast vollständig bewaldet. Warum braucht man dort überhaupt Autos? Das alles interessiert uns aber eigentlich nicht. Uns hätte ausschließlich die Cable Car interessiert, deren Kabine nur etwa 30m über dem Wasser schaukelt, was ein wenig abenteuerlich anmutet.
Wir haken die Enttäuschung ab und suchen uns einen Platz zum Übernachten.
Ganz in der Nähe bietet sich ein Rastplatz an. Es ist einer der schönsten Schlafplätze, die wir je hatten. Wir blicken nicht nur aufs Meer, sondern auch auf viele der typischen Viehweiden. Sie sind mit Mäuerchen aus Feldsteinen eingefriedet. Wahrscheinlich sollen die Tiere immer wieder woanders weiden, und mit den Besitzverhältnissen wird es wohl auch zu tun haben. Es entstehen dadurch unregelmäßige Muster aus Rechtecken, Quadraten und Rauten in der Landschaft.
Klaus jausnet ein wenig, und dann verschwinden wir beide wie jeden Abend hinter unseren Bildschirmen.
Ein Schweizer Wohnmobil stellt sich neben uns. "Wie fein", meint die Dame, "dass die Kabelbahn gerade morgen ihren Dienst wieder aufnimmt.“ Die Schilder sind schon alle weggeräumt.
Da freuen wir uns aber!
Wir werden also für morgen früh den Wecker stellen, damit wir gleich um 9h hinüberfahren können.
Sa, 18. Juni
Heute bin ich um 9h früh immer noch total müde. Ich rapple mich auf und schleppe mich zu den Duschen. Dann widme ich mich Haushalts- und Putzarbeiten. Wir haben ja den ganzen Vormittag Zeit. Frühestens zu Mittag macht es Sinn, im Tyre-Centre aufzutauchen.
Es nieselt etwas, und es ist recht windig und kühl.
Übrigens haben wir gestern Abend auch mit der Kellnerin geplaudert. Sie hat uns erzählt, dass sie in ihrer Freizeit Gälisch, "the Irish language" lernt. Das sind ihre Wurzeln, und daher ist ihr das wichtig. Viele junge Leute tun das. Es ist nämlich gar nicht so, dass – wie ich angenommen habe – die Leute im Alltag untereinander Gälisch sprechen. Nur in einigen abgelegenen Gegenden ist das noch so. Viele Iren können die Sprache kaum oder gar nicht, obwohl sie an allen Schulen ein Pflichtgegenstand ist und die erste Amtssprache in Irland. Es ist auch eine der offiziellen Sprachen der EU.
Nach einem Supermarkt-Einkauf stehen wir um 11h45 im Reifencenter auf der Matte. Sean zuckt bedauernd die Schultern Die Lieferung ist noch nicht da. Wir wissen es aber besser, denn gleichzeitig mit uns ist ein großer verdächtiger Lastwagen vorgefahren. Das haben wir ja wieder einmal gut getimt. Nach einer Stunde sind wir fertig. Die Mechaniker zeigen uns Aufwölbungen in den alten Reifen, die uns noch gar nicht aufgefallen sind, die aber durchaus bald zu einem Reifenplatzer hätten führen können. Es war also höchste Zeit für den Wechsel.
Frohen Mutes, mit frisch beschlagenen Hufen, geht es weiter - nach Norden, wieder über den Caha-Pass, über den wir vorgestern hergekommen sind.
Wir sind so dankbar, dass wir auch jemandem anderen eine Freude machen wollen. Also nehmen wir ein junges Autostopper-Paar mit. Die beiden Kanadier sind schwer begeistert von der komfortablen Mitfahrgelegenheit. Sie wollen nach Dingle, eine Halbinsel nördlicher als Kerry. Wir für unseren Teil haben genug von den Halbinsel-Ringen. Wir nehmen die jungen Leute bis nach Tralee [Træ'li:]
mit, von wo sie hoffentlich gut weiterkommen werden.
Hier machen wir Mittagsrast, um 15h, und radeln dann – Regenpausen muss man nützen – ins Stadtzentrum. Beim Rückweg kommen wir durch einen großen Rosengarten, einen hübsch angelegten Park mit einer Unzahl verschiedener Rosen, die in allen Farben prächtig blühen.
Wunderbar ausgelüftet fahren wir um 16h30 weiter nach Norden. Wir sind immer noch am Wild Atlantic Way unterwegs. Ab nun befinden wir uns an der Westküste der Insel. Heute machen wir aber nur mehr ganz wenige Kilometer. In Ardfert interessiert uns die Ruine einer großen, eindrucksvollen Kathedrale (11.-17. Jhd.). Die Kirche wurde Mitte des 16. Jhd. im Rahmen der Reformation Heinrichs VIII anglikanisch. Im 17. Jhd. fiel die Kathedrale während der "Rebellion" in der Elisabethanischen Zeit, dem blutigen Kampf der katholischen Iren gegen die protestantischen, englischen und schottischen Siedler, einem Brand zum Opfer. Ein Wiederaufbau fand nicht statt, da Ardfert als Bischofssitz ausgedient hatte. Aber das südliche Querschiff, indem sich jetzt die Rezeption befindet, wurde soweit hergerichtet, dass es bis ins 19. Jhd. hinein als anglikanische Gemeindekirche dienen konnte.
Der freundliche Herr an der Kassa ist sehr kenntnisreich und außerdem ein "Redhaus". Ihn befragen wir über die vielen Ruinen in Irland. Die katholischen Kirchen wurden während der Reformation von Protestanten übernommen. Die Klöster wurden aufgelöst und verfielen. Solange die reichen protestantischen Landlords da waren, kümmerten sie sich um die Kirchen.
Am Anfang des 19. Jhd. gab es wieder eine gesellschaftliche Veränderung. Die Landlords verkauften ihre Ländereien und gingen nach England, das Land ihrer Vorfahren, zurück. Die protestantischen Gemeinden waren in der Folge zu arm, um die Kirchen erhalten zu können. Es war billiger, eine neue einfache Kirche für den Gottesdienst zu bauen, als eine alte zu restaurieren bzw. wieder aufzubauen. Manche alte Kirchen wurden auch verkauft und dienen nun als Restaurants, Theater, Kulturzentren, usw. In Schottland lief das ähnlich ab. In England hingegen gab es immer eine starke protestantische Mehrheit mit genug Geld. Dort gibt es keine Kirchenruinen.
Eine der interessantesten Informationen, die wir hier bekommen haben, ist, dass es in Sichtweite die Ruine eines gotischen Franziskanerklosters gibt - mit Parkplatz. Das könnte unser heutiger Schlafplatz werden.
Tatsächlich eignet sich dieser Parkplatz, neben einem Friedhof, bestens für unsere Zwecke.
Auf diesem Friedhof stehen auf der Rückseite der Grabsteine – auf der zum Eingang gewandten Seite – in großen Buchstaben nur die Familiennamen. Vielleicht, damit man die Gräber besser finden kann. Auf der anderen Seite, wenn man vor dem Grab steht, kann man dann nähere Angaben lesen.
Auf den irischen Friedhöfen gibt es – anders als auf den englischen, wo die Grabsteine einfach auf einer Wiese stehen – richtige, eingefasste Gräber. Viele haben irische Hochkreuze. Manche sind geschmückt. Auf den Kreuzen ist immer wieder "Thy will be done" = "Dein Wille geschehe" zu lesen.
Klaus isst zu Abend, und ich beruhige meinen leeren Magen wieder mit Tee.
Nachdem wir eine Weile am Schreibtisch verbracht haben, bekommen wir doch noch Lust, den Fußweg zur Klosterruine zu nehmen, Friary wird sie genannt. Wunderschön liegt sie im Abendlicht da. Es gefällt uns sehr, ein wenig auf den Ruinen herumzuklettern. An diesem Ort ist auch ein Genius Loci spürbar, der uns berührt. Der Kreuzgang mit den für Irland ungewöhnlichen Tudor-Bögen - das sind sehr flache Spitzbögen - ist noch recht gut erhalten. Der Chorbereich ist dem der Kathedrale auffallend ähnlich. In beiden Fällen kamen Lanzettfenster - das sind schmale, überhöhte Spitzbögen - zum Einsatz.
Wir sind sehr froh, dass wir uns noch aufgerafft haben, den kleinen Spaziergang zu machen, obwohl uns ziemlich kalt war.
Nun wird es Zeit, schlafen zu gehen, schließlich haben wir heute die kürzeste Nacht des Jahres vor uns.
Mi, 22. Juni
Wir stehen wieder nach 8h auf. Wir schlafen viel auf dieser Reise.
Das Müslifrühstück ist heute besonders gut. Wir haben uns nämlich gestern eine exotische Fruchtmischung gekauft. Dazu genießen wir unser "Velvet Cloud sheep's milk yoghurt" aus dem Bioladen.
Um 9h30 brechen wir auf, bei strahlendem Sonnenschein. Der Wetterbericht sagt auch für die nächsten Tage schönes Wetter voraus. Wir fahren weiter Richtung Norden.
Eine große Kuhherde marschiert gemächlich vor uns auf der Straße. Wir haben übrigens in Irland bis jetzt mehr Kühe als die vielzitierten Schafe gesehen.
In der Nähe von Ballyduff - "Bally" heißt übrigens Stadt, wie wir inzwischen gelernt haben, die Vorsilbe kommt in Ortsnamen häufig vor – steht der Rattoo-Tower, einer der größten der vielen Rundtürme Irlands. Er ist 28 m hoch und stammt aus dem 10. od. frühen 11. Jhd.
Gerade wird er restauriert. Erfreulicherweise hat er nur auf einer Seite ein ganz kleines Gerüst, das auf dem Foto kaum stört. Ein Arbeiter sitzt in der Bauhütte und jausnet. Klaus fragt ihn frech, ob wir auf die Leiter des Baugerüsts bis zur Eingangstür hinaufklettern dürfen. "Nein, das ist streng verboten und auch sehr gefährlich", antwortet der, "außer wir sagen es seinem Chef nicht". Und schon sind wir oben.
Wir fahren weiter nach Norden.
Die Ortsnamen sind ja alle zweisprachig angeschrieben, Gälisch und Englisch. Man merkt meist, dass die gälischen Namen 'eingeenglischt' wurden. Mittlerweile sind wir auch draufgekommen, dass man, wenn man den gälischen Namen laut liest, ziemlich gut auf die englische Aussprache schließen kann.
Ein recht einträglicher Beruf in Irland – in England ist das genauso – ist Straßenmaler. Vor jeder Kreuzung steht, in großen Buchstaben, vierzeilig auf der Fahrbahn:
Caution
Junction
Ahead
Slow
Genauso wird auch jede Kurve angekündigt, jede Schule und vieles mehr. Ich glaube ja, für das Wort "Slow" haben sie einen Stempel ;-).
Wir haben auch vor einer roten Ampel ein Schild gesehen, auf dem auf Gälisch und auf Englisch stand, dass man anhalten soll, wenn das Licht rot leuchtet.
Weil wir gerade bei allgemeinen Feststellungen sind: Viele Häuser, Vorgärten und Autos sind beflaggt. Ist das allgemeiner Patriotismus, oder ist das nur während der Fußball-Europameisterschaft so?
Als nächstes steht das Castle von Listowel ['Listoul] auf unserem Programm. Um 11h kommen wir dort an. Die Burg wurde im 15. Jhd. gebaut. Es stehen noch zwei quadratische Ecktürme mit Verbindungswand. Ursprünglich war die Burg rechteckig und hatte noch zwei solche Ecktürme. Es handelte sich um Wohntürme mit vier Stockwerken. In jedem Stockwerk war eine Toilette, meist mit mehreren Sitzen nebeneinander. Dort wurde auch die Kleidung aufgehängt. Durch den Ammoniak im Urin sollte das Ungeziefer in den Gewändern abgetötet werden. Und ein spezielles Parfum verlieh er ihnen wohl obendrein ;-).
Die Besitzerfamilie Fitzmaurice war, wie die Vorsilbe "Fitz" im Namen schon sagt, ursprünglich normannisch - "Fitz" heißt Sohn und erinnert frappant an das französische "fils". Sie war hier gut integriert und hatte sich bereits mit der gälischen Bevölkerung vermischt. Ihren Wohnsitz hatte sie in einer anderen Burg, die es heute nicht mehr gibt. Hier waren hauptsächlich Soldaten stationiert, bis zu 150 Mann. Sie hatten keine Betten. Es wurde auf den Fußböden Stroh aufgeschüttet, die höheren Chargen hatten Lammfelle. Die Männer schliefen sitzend, an die Wand und aneinander gelehnt. In dieser Zeit war es üblich, so zu schlafen, denn viele Leute litten unter Atemwegserkrankungen wegen des Rauchs von offenen Feuern, der ständigen Kälte und der Zugluft. In aufrechter Position konnten sie besser atmen. Die Lebenserwartung in dieser Zeit war sehr kurz: 26-28 Jahre für Männer, ca. 32-34 Jahre für Frauen.
Die Mauern waren über einen Meter dick. Die Räume waren mit Leimfarbe weiß ausgemalt. Dadurch wirkten die Räume heller und die Farbe hatte auch eine desinfizierende Wirkung. Es gab unterschiedlich hohe Stufen und eingebaute Stolpersteine, um Angreifer aufzuhalten. Aus diesem Grund waren auch die Türen sehr niedrig. Bei einem Angriff wurden sofort alle Fensterläden geschlossen, sodass es in der Burg finster wurde. Für die Angreifer, die sich nicht auskannten, war das auch eine große Behinderung. Fensterglas gab es damals natürlich noch nicht. Es wurden durchscheinende Tierhäute verwendet.
Im 16. Jhd. wurde die Burg während der "Rebellion" belagert. Die Angreifer gruben einen Tunnel, um die Fundamente zum Einsturz zu bringen. Das gelang ihnen zum Teil, und sie konnten die Burg erobern. Danach stand sie lange Zeit leer und verfiel.
Noch in den späten 1990er Jahren war die Burg völlig verfallen. Sie war der Abenteuerspielplatz von Generationen von Jugendlichen und war über und über mit Graffiti verziert. Seither wurde sie restauriert und konserviert.
Wir hatten in der Burg eine sehr interessante Privatführung, und nun sehen wir uns noch ein wenig in der Stadt um. Besonders fällt uns an der Fassade eines Pubs die sehr farbenprächtige Darstellung der Maid of Erin, der Personifikation Irlands, auf. Sie trägt die Harfe, das Wappen der Insel, bei sich. Man kennt es vor allem als Logo vom Guinness Bier.
Ca. um 12h fahren wir weiter nach Norden. In Tarbert gibt es eine Autofähre über den breiten Shannon River. Wir haben Glück und können sofort an Bord der "Shannon Breeze" fahren. Fünf Minuten später legen wir ab. Wären wir nur ein paar Minuten später gekommen, hätten wir eine Stunde warten müssen.
Die meisten Leute bleiben im Auto sitzen. Die Überfahrt dauert ja nur eine Viertelstunde. Eine Art Schaffner geht von Wagen zu Wagen und kassiert ab. Wir kommen in Kilrush an und fahren weiter nach Nordwesten an die Küste. Zu meinem Befremden lese ich auf Schildern und Fahnen "Trump International". Klaus klärt mich auf, dass Donald Trump in Irland und Schottland einige Golfplätze besitzt. Wie gut, dass wir keine Golfer sind. Kilkee hat einen schönen, langen Sandstrand. Er ist menschenleer, kein Wunder bei diesen Temperaturen. Wir sehen nur einige wenige Spaziergänger, eingehüllt in warme Gewänder. Wir parken mit Blick aufs Meer. Das Städtchen bietet uns in einer Bäckerei eine tolle Salatbar und Scones - die haben uns beim letzten Mal so gut geschmeckt. Einem opulenten Mittagessen steht also nichts mehr im Wege.
Es geht weiter der Küste entlang nach Norden, zu den Cliffs of Moher. Ca. um 16h kommen wir bei diesem größten Touristenmagnet Irlands an. Hier tummeln sich die Massen. Der riesige kostenpflichtige Parkplatz ist voll.
Die Steilklippen sind wirklich spektakulär. Sie ragen geradezu senkrecht aus dem Atlantik und sind bis zu 200m hoch. Man spaziert auf breit ausgebauten, gesicherten Wegen dahin.
Das Wetter ist schön und die Ausblicke toll. Erstaunlicherweise haben wir in diesem ausgewiesenen Vogelparadies keinen einzigen Vogel gesehen. Wir haben uns schon so auf die "Puffins" = Papageientaucher gefreut, die wir in Island kennengelernt haben.
Jetzt ist es 17h30. Die erste Halbzeit des alles entscheidenden Fußballspiels Österreich gegen Island ist bereits gelaufen. Klaus würde gerne die zweite Halbzeit sehen, die in einer halben Stunde beginnt. Wir suchen uns also schnellstens ein Pub. Leichter gesagt als getan. Gibt es hier überhaupt keine Ortschaften? Wir fahren immer nur an einzelnen Häusern vorbei. Schließlich sind wir doch erfolgreich und kommen gerade zurecht. Während Klaus das Spiel genießt, nütze ich das WLAN und schaue mir am Computer Youtubes an, die mich mehr interessieren. Nebenbei essen wir zu Abend. Klaus bestellt sich Irish Stew. "Das sollte man kosten, wenn man schon da ist", meint er. Ich finde, es ist eine Art Gulasch, allerdings mit fremden Gewürzen, die ich nicht mag. Da halte ich mich lieber an Fish and Chips.
Die Österreicher spielen heute endlich wieder einmal gut. Aber leider verlieren sie trotzdem und fliegen aus der Europameisterschaft raus.
Die zweite Woche unseres Urlaubs ist vorbei.
Unser heutiges Tagesziel ist der Hafen von Doolin. Von dort aus wollen wir morgen früh zu den Aran Inseln starten. Das Ticket-Office hat noch geöffnet. Morgen um 10h früh geht es los. Wir werden die Klappräder mitnehmen.
Do, 23. Juni
Um 7h30 stehen wir auf. Es regnet und stürmt, und das Meer schlägt mit meterhohen Wellen ans Ufer. Sollen wir unseren geplanten Ausflug wirklich machen?
Wir fragen beim Schalter nach, ob das Boot überhaupt fährt und bekommen zur Antwort: "The waves are no problem, of course we go." Die Entscheidung liegt jetzt bei uns. Schließlich haben wir ja bereits bezahlt. Wir beschließen, es zu riskieren. Man hat uns ja gestern auch schon erzählt, dass die Inseln oft ein ganz anderes Wetter haben als das Festland.
Wir ziehen uns also warm und wetterfest an, ich nehme zur Sicherheit eine Tablette gegen Seekrankheit ein, und wir stellen uns beim Fährboot an. Erstaunlicherweise gibt es auch noch ca. 100 andere Touristen, die sich bei diesem Wetter aufs Meer hinauswagen, manche sogar mit Fahrrädern, wie wir ja auch. Allerdings, so coole Bromptons wie wir hat niemand. Sie werden heftig bestaunt. Autos nehmen die Touristenfähren nicht mit. Es gibt Autos auf den Inseln. Die wurden aber irgendwie anders hingebracht. Ca. 2000 Personen leben auf den drei Inseln, deren Alltagssprache immer noch das Gälische ist. Wir fahren auf die dritte und größte des Archipels, Ínís Mór = Inishmore.
Sie ist ca. 35 km vom Irischen Festland entfernt. Die Überfahrt dauert ca. 1 ½ Stunden.
Das kleine Schiff, die Rose of Aran, pflügt durch die hohen Wellen und schaukelt bedenklich. Es ist ziemlich kalt und regnet. Immer wieder wird Wasser aufs Deck gespült. Kein Wunder, dass ich unsere Regenhosen heute Morgen als Badehosen bezeichnet habe. "Freud schau åba".
Mir ist ziemlich mulmig im Magen, trotz Tablette. Wie gut, dass heute ein Fasttag ist und ich kein Frühstück im Magen habe. Der Fisch von gestern Abend wird doch hoffentlich nicht wieder ins Meer zurück wollen.
Auf den Klippen der ersten Insel steht imposant ein Schiffswrack, total verrostet. Der Frachter wurde in einer Sturmnacht von einer Springflut auf die Felsen hinaufgehoben.
Auf allen drei Inseln gibt es Kirchenruinen und Festungen. Unsere Fähre legt an allen drei Inseln an.
Wir sind froh, wie wir wieder festen Boden unter den Füßen haben
Üblicherweise macht man eine Fahrt über die Inseln, per Pferdewagen, per Bus oder per Fahrrad. Einen großen Fahrradverleih gibt es direkt bei der Anlegestelle. Sein Slogan lautet "Burn fat not oil". Das machen wir jetzt auch und schwingen uns auf unsere Klappräder. Wie freuen uns über das trockene, ja sogar sonnige Wetter. Davon konnten wir heute Morgen nur träumen.
Am anderen Ende von Inishmore, ca. 9 km vom Hafen entfernt, liegt wahrhaft spektakulär an den 100m hohen Klippen der Südküste das Steinfort Dún Aonghasa. Drei konzentrische halbkreisförmige Steinwälle enden jeweils an der Bruchkante der steil abstürzenden Felsküste. Die Aussicht ist atemberaubend. Vermutlich stammt das Fort aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert. Man weiß bis heute nicht, wer das Fort gebaut hat und gegen wen man sich verteidigen musste.
Überall auf der Insel laden viele Lokale und Craft Shops zum Geldausgeben ein. Man kann hier vor allem die sogenannten Aran-Pullover mit ihren speziellen Zopfmustern kaufen. Wir erstehen einen wunderschönen silbernen Armreifen als Geburtstagsgeschenk für Teri.
Um 16h fährt unser Boot zurück. Wir sind aber bereits eine Stunde vorher wieder im Hafen. Also kehren wir im Pier House ein und wärmen uns von innen mit Suppe bzw. Tee. Lesestoff haben wir ja vorsorglich auch mitgebracht.
Wir fahren wieder mit demselben Schiff zurück. Die See ist jetzt viel ruhiger als bei der Herfahrt. Aber je näher wir dem Festland kommen, umso höher werden die Wellen und es fängt wieder zu regnen an.
Kurz nach 18h sind wir wieder beim Auto. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Wir heizen sogar ein. In unserem Häuschen ist es warm und gemütlich. Klaus isst zu Abend, und wir holen die Computer hervor.
Heute übernachten wir noch einmal im Hafen. Unser Klo ist allerdings schon recht voll. Klaus entschwindet damit in der Kälte und Dunkelheit. Er sucht eine öffentliche Toilette. Die ist allerdings zugesperrt. Aber ein Campingplatz ist ganz in der Nähe. Also entleert er das Portapotti dort. Niemand beanstandet ihn. Ich weiß seinen Einsatz um die Allgemeinheit sehr zu schätzen.
Fr, 24. Juni
An diesem strahlenden Morgen erwartet uns eine Hiobsbotschaft. Die Briten haben es tatsächlich getan. Die Mehrheit hat für den "Brexit", für den Austritt aus der EU, gestimmt. Wir sind ziemlich geknickt, vor allem, weil der Trend nach rechts ja momentan überall auf der Welt zu spüren ist. So kurzsichtig, was sie mit ihrem Protest anrichten. Die Folgen sind gar nicht abzusehen.
Nichtsdestotrotz versuchen wir jetzt, unser Frühstück und unseren weiteren Urlaub zu genießen.
Das Wohnmobil ist eine Nacht, einen ganzen Tag und wieder eine Nacht nur rumgestanden und scharrt schon mit den neuen Michelin-Reifen ['Mitschlins] - so werden sie hier ausgesprochen.
Kurz nach 10h sind wir wieder auf Achse. Es geht nach Nordosten.
In den nächsten Tagen werden wir eher im Landesinneren unterwegs sein.
Das Meer verabschiedet sich mit azurblauer Farbe und weißen Schaumkrönchen.
Wir nehmen wieder einen Autostopper mit, einen sehr sympathischen, klugen jungen Mann aus dem Staate New York. Er erzählt uns, dass er immer versucht, das Positive zu sehen, weil man sich ja seine Zukunft und seine Wirklichkeit selber schafft. Eigentlich hat er genau das gesagt, was wir auch glauben, aber nach der heutigen Nachricht am frühen Morgen tun seine Worte richtig gut.
Er ist ein typischer Amerikaner, eine wilde Mischung: Sein Großvater mütterlicherseits ist ein Indianer. Seine Großmutter mütterlicherseits ist eine Irin, die damals in der großen Hungersnot nach Amerika ausgewandert ist. Sie ist der Grund für seine Reise hierher. Sein Vater ist in Hawaii aufgewachsen. Dessen Vater war ein Japaner. Im 19. Jhd. und am Anfang des 20. Jhds. sind ja viele Japaner nach Hawaii ausgewandert.
Wir erzählen ihm von unseren Amerikaplänen. Er lobt Klaus´ kluge Planung und meint, dass er jealous ist, weil wir an all die tollen Orte kommen werden.
Wir fahren am Dunguaire Castle vorbei, das auf der Titelseite unseres Reiseführers abgebildet ist. Es gibt so viele Burgen in Irland. Wir können und wollen nicht alle besichtigen.
Uns fällt auf, dass mehr Autobusse unterwegs sind. Entweder wir sind hier in einer touristischeren Gegend, oder die Hauptsaison beginnt langsam.
Nachdem uns unser Gast wieder verlassen hat, zweigen wir nach Athenry ab. Das dortige Castle wollen wir uns nämlich ansehen. Es handelt sich um einen imposanten rechteckigen Wohnturm. Er wirkt sehr streng. Rundherum war einmal eine Mauer. Uns gefallen die kunstvollen Steinmetzarbeiten bei den Türen und Fenstern besonders gut. Auch hier gab es Toiletten, aber nur für die Privilegierten. Wir lernen, dass die Männer üblicherweise ihre Notdurft im Pferdestall verrichteten und die Frauen im Kuhstall.
Was wir hier besonders interessant finden, sind Zeichnungen in allen Stockwerken, die veranschaulichen, wie sich das Alltagsleben in dieser Burg wohl abgespielt hat.
Im 16. Jhd. wurde sie zerstört, auch während der schon öfter erwähnten "Rebellion". Sie verfiel 400 Jahre lang, und in den späten 1990er Jahren begann man, sie liebevoll wieder herzurichten.
Nach der kurzen Besichtigung fahren wir wieder weiter, ein Stückchen nach Osten. Klaus gefällt die Landschaft, durch die wir jetzt fahren, besonders gut. Es gibt keine großen Wiesen und Felder, sondern eine durchmischte Landschaft, Büsche, Bäume, halbwilde Wiesen- manchmal von Steinmäuerchen umgeben. Mittendrin weiden die Kühe und Schafe. Alles wirkt so natürlich, als hätten die Menschen gar nicht so sehr eingegriffen.
Gerade fahren wir an einer Torfstecherei vorbei. Soviel zum Thema 'Eingreifen von Menschen'. Da werden gerade die letzten Moore ruiniert.
Wir landen auf einer Autobahn. Daran sind wir ja überhaupt nicht mehr gewöhnt. Sogar Maut müssen wir zahlen. Die Kassa ist auf der rechten Seite. Da sitzt ja hierzulande üblicherweise der Fahrer. Bei uns muss jetzt die Beifahrerin das Bezahlen übernehmen.
Vor uns türmen sich bedrohlich schwarze Wolken auf, aber das ist ja nichts Ungewöhnliches. Es hat ja heute bereits zweimal geregnet und wieder aufgehört. Bald waschelt es wieder ordentlich.
Wir sind jetzt im Herzen Irlands, nachdem wir so lange an der Küste waren. Hier prägt der breite Shannon die Landschaft. Wir überqueren ihn gerade auf einer alten Steinbrücke, nachdem wir die Autobahn wieder verlassen haben. Am Ufer steht eine Festung, die zu einem Restaurant umgebaut wurde. Die Weiterfahrt führt am sanften schilfbewachsenen Ufer entlang. Man kann hier auch Hausboote mieten. Wir sehen auch Ausflugsschiffe.
Clonmacnoise, eine bedeutende frühchristliche Klosteranlage, ist unsere nächste Station. Sie ist wunderschön am Fluss gelegen. Der Platz strahlt ein sehr gutes Chi aus, wie wir beide finden. Das Kloster überstand sogar die Wikinger, aber unter Heinrich VIII wurde es seiner Schätze beraubt und aufgelöst. Seither verfiel es. Erhalten sind nur spärliche Mauern, ein Rundturm und ein Friedhof mit einigen sehr schönen Hochkreuzen. Eine kleine Regenpause wird uns zum richtigen Zeitpunkt geschenkt, gerade so lange, bis alle Fotos gemacht sind.
Jetzt sind wir richtig hungrig und lassen uns die Köstlichkeiten schmecken, die wir unterwegs an einer Tankstelle gekauft haben. Dabei genießen wir, dass es 'bei uns zu Hause' warm und trocken ist, während es draußen wettert.
Gestärkt fahren wir weiter nach Norden. Ich döse immer wieder ein. Als ich aufwache, scheint die Sonne. Wir suchen nach dem Begräbnishügel Cruachain. Nach der Mythologie soll hier der Herrschersitz der sagenhaften Königin Medb gewesen sein und auch ein Eingang in die Anderswelt. Wir sehen nur einen grasbewachsenen Hügel, auf dem friedlich ein paar Schafe weiden.
Wir haben ja gehofft, hier übernachten zu können, aber leider hat der Parkplatz eine Höhenbegrenzung. Wir müssen also auf Plätzchensuche gehen.
Vor der Abbey von Boyle gibt es überhaupt keinen Parkplatz. Wir versuchen es in einer abgelegenen Sackgasse, in der einige hübsche Reihenhäuser an einem kleinen Fluss stehen.
Klaus fragt eine Frau, die gerade aus einem Haus kommt, ob wir hier stehen dürfen. "It is no problem", sagt sie freundlich. "You are welcome." Wir richten uns also ein. Es ist kurz nach 18h.
Zum Abendessen gibt es Nudeln mit roter Sauce. Das mag ich besonders gern, Klaus hingegen leider nicht so sehr. Heute haben wir Kilometer gefressen. Klaus ist rechtschaffen müde.
Wir sitzen an unseren Bildschirmen, als energisch an unser Fenster geklopft wird. Eine Hausbesitzerin ist gerade nach Hause gekommen. Mit scharfer Stimme und perfektem Oxford-Englisch fragt sie uns, ob wir eine Erlaubnis haben, hier zu stehen. Die Lady muss eine pensionierte Lehrerin oder Gouvernante sein. Wir haben doch die Dame vom Haus mit der blauen Tür gefragt. "Are you outside the blue door?", fragt die Lady streng. "Of course we are outside", antwortet Klaus - wo sollten wir denn auch sonst sein? Ich kann mir das Lachen kaum verkneifen. Wir stehen allerdings nicht unmittelbar vor der blauen Türe, sondern offenbar vor dem Haus dieser Dame. Also fahren wir einige Meter nach vor, und sie gibt sich zufrieden. Wir sind ein wenig befremdet. Es versteht sich natürlich von selbst, dass wir nichts blockiert haben.
Sa, 25. Juni
Nach Ausschlafen und Morgentoilette, Klaus frühstückt gerade, erscheint nochmals unsere strenge Lady. Ich glaube zunächst ernsthaft, dass sie sich für ihren gestrigen Auftritt entschuldigen will. Weit gefehlt. Sie meint, Klaus wäre so besonders rude gewesen, und sie hätte das Haus mit riverview gekauft, und die hätten wir ihr gestern Abend genommen, und ob wir uns überall so schlecht benehmen, wo wir hinkommen. Es wird immer skurriler. Es handelt sich nämlich hier um eine öffentliche Straße ohne Parkverbot. Und wir haben sogar gefragt. Klaus macht ihr schließlich die Tür vor der Nase zu. Die merkwürdige Begegnung beschäftigt mich noch eine Weile. Mir tut die einsame alte Dame leid.
Wir hauen ab. Wir haben genug von diesem Ort und wollen jetzt nicht noch eine halbe Stunde warten, bis die Abbey aufsperrt. Wir besichtigen sie kurz von außen. Das geht ziemlich gut, denn sie ist natürlich auch eine Ruine. Das fehlende Seitenschiff wurde aus Glas nachgebaut. Man kann gut durchsehen. Es handelt sich um eine Zisterzienserabtei aus dem 13. Jhd., die während der "Rebellion" schwer gelitten hat.
Nach dieser erfolgreichen Sitzbesichtigung fahren wir weiter nach Norden. Unser nächstes Ziel ist Sligo. In der Nähe der Stadt, in Carrowmore, gibt es eines der vier großen Megalithischen Gräberfelder in Irland. Es besteht vor allem aus Ganggräbern und Dolmen. Einige sind noch von einem Ring aus Randsteinen umgeben, da sie wohl ursprünglich unter einem Cairn, einem Steinhügel, lagen. Es gibt über 50 solche Gräber, wahrscheinlich noch mehr. Die größte Anlage, Listoghil, ist ein solcher Steinhügel, in den man hineingehen kann. Man fand hier viele eingeäscherte Knochen und Grabbeigaben wie Speerspitzen und Steinschaber. Durch die Radiokarbondatierung weiß man, dass die Anlage zwischen 3500 v. Chr. und 3000 v. Chr. für Bestattungen genutzt wurde.
In den 1990er Jahren wurde das alles hier ausgegraben.
Was mir besonders gut gefällt, ist der Spaziergang durch hohe, zarte, wogende Gräser, durchsetzt mit Margeriten. Die Wege sind ausgemäht. Die Bezeichnung "Friedhof" finde ich hier sehr angebracht.
Im Augenblick nieselt es nur leicht - tolles Wetter also. Die Frage nach einem Unterleiberl, Socken oder gar einer Jacke stellt sich schon lange nicht mehr. Keine Frage, dass man das alles anzieht.
Wir gehen im Supermarkt einkaufen und fahren dann ein Stückchen nach Osten zum Parke's Castle, das sehr hübsch am Lough Gill gelegen ist. Dieser See gehörte zu den Lieblingsplätzen des Irischen Dichters William Butler Yeats, der 1923 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Allenthalben werden Verse von ihm zitiert. Das Castle ist eigentlich keine Burg, sondern eher ein Herrenhaus. Es wurde Anfang des 17. Jhd. von einem Engländer, Captain Robert Parke – daher der Name – erbaut. Das war die Zeit der "Plantation". Damit ist die Ansiedlung protestantischer Einwanderer in Irland gemeint. In einem Nebengebäude gefällt uns eine voll eingerichtete Schmiede.
Alle Räume sind liebevoll mit Blumen geschmückt. Ein Modell zeigt, ganz reizend, die Phase der Renovierung – natürlich wieder in den 1990er Jahren. Viele Handwerker waren dabei beschäftigt und konnten ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einbringen.
Die Gegend hier am See ist wirklich sehr reizvoll. Allerdings wünschen wir uns von Herzen wieder einmal Sonnenschein und ein bisschen mehr Wärme. Es wäre doch wirklich fein, wieder einmal im Freien sitzen zu können.
Wir sind jetzt schon recht nahe an der Grenze zu NORDIRLAND. Wir halten ständig Ausschau, können aber nichts erkennen, was auf Staatsgrenze hindeutet. Da wird ja jetzt bald eine EU-Außengrenze sein, seufze ich. Verdachtsmomente häufen sich. SMS mit Tarifinformationen für UK auf unseren Handys, ein Schild mit der Aufschrift "Blind Summit", einsprachige Ortschilder, Vorrangschilder mit der Aufschrift "Give Way" statt "Yield". Die Geschwindigkeitsbeschränkung von 40mph – Meilen, nicht km - und zuletzt die Tatsache, dass ein Bankomat Pfunde ausspuckt – nettes, buntes Geld – lässt keinen Zweifel mehr. Übrigens rechnet unser GPS die Meilenbeschränkungen in km/h um. Das ist sehr praktisch. Auch in Amerika werden wir das zu schätzen wissen. 40mph sind ungefähr 65 km/h. Wir sehen auch bald die erste rote Telefonzelle und den ersten roten Postkasten.
In Enniskillen erreichen wir den dreieckigen See, Lower Lough Erne. In der Nähe von Killadeas finden wir den Campingplatz "Castle Archdale", der alle Stückeln spielt: Waschmaschine und Trockner, WLAN am ganzen Platz, Fernseher in der Bar. Heute spielt Nordirland gegen Wales. Wales gewinnt.
Während Klaus sich in der Bar vergnügt, vergnüge ich mich am Laptop.
Morgen ist ein Ruhetag angesagt, endlich, der erste auf der Reise. Wir werden also zwei Nächte hier bleiben.
So, 26. Juni
Es regnet. Überrascht uns das?
Wir machen uns zum Frühstück ein Müsli.
Den Ruhetag verbringen wir mit Putzarbeiten, Wäsche waschen und Computerarbeit.
Wir machen auch einen Skype-Versuch mit Thomas - zur Übung für unsere lange Amerikareise.
Am Abend gehen wir wieder einmal essen. Klaus möchte Fußballspiel schauen. Die Bar auf dem Campingplatz hat nicht offen also radeln wir – ganz schön bergauf – nach Lisnarick. Das Lokal, in dem wir landen, hat zwar keinen Fernseher und kein Internet, aber das Essen ist ausgezeichnet. Wir haben bis jetzt noch nie süße Chilisauce und Zwiebelmarmelade gegessen. Die Preise in Nordirland sind allerdings geschmalzen - teure Europreise, aber in Pfund, also alles mal 1,23.
Weil wir gerade so nett beim Radeln sind und weil es gerade nicht regnet, erkunden wir nach der Heimfahrt noch unseren großen Campingplatz. Dabei geraten wir in ganz entlegene Ecken. Auf einem Messie-Boot wohnt ein alter Mann mit einem langen weißen Bart. Und ein ganz verrostetes Boot - vielleicht noch aus dem 2. Weltkrieg – völlig mit Efeu umwachsen, dass man es kaum noch sieht, ergibt ein originelles Fotomotiv.
Klaus hat nicht aufgepasst und sich kulinarischen Genüssen hingegeben, während die Iren aus der EM geflogen sind. Den Sieg Deutschlands über die Slowakei verfolgt er wenigstens per App. Zu seiner Freude haben auch die Belgier gegen die Ungarn gewonnen, sogar ziemlich hoch.
Mo, 27. Juni
Ausschlafen, duschen und Haare waschen, Abwasser ablassen, Klo ausleeren, Trinkwassertank füllen - alles, was vor der Abreise von einem Campingplatz eben zu tun ist. Sehr praktisch, dass wir eine "Hook-up"-Station direkt an unserem Stellplatz haben.
Das Wetter ist erfreulich schön - kein Regen, Sonnenschein, einige Fleckchen blauer Himmel.
Das sind Momente, die man in Irland ganz besonders erwähnen muss. Es hat 13°+, immerhin.
Um 10h brechen wir auf.
Wir fahren nach Londonderry, die zweitgrößte Stadt Nordirlands. Sie wird von den Iren seit jeher nur Derry genannt - aus verständlichen Gründen. Wenn es ganz offiziell sein soll, L/Derry. Wegen dieses Schrägstrichs wird die Stadt scherzhaft auch "Stroke City" genannt.
Gerade haben wir die 50.000 km-Marke vom Wohnmobil überschritten.
In der Stadt findet Klaus überraschend schnell einen Parkplatz, der sogar gratis ist.
Derry wird auch "The walled City" genannt, weil sie eine intakte Stadtmauer hat, auf der man rundherum spazieren kann. Natürlich gehen auch wir hinauf.
Was uns gleich auffällt, sind die vielen Kirchen für die verschiedensten Religionsgemeinschaften. In eine Presbyterianische gehen wir aus Neugier sogar hinein, wenn wir schon von zwei älteren Herren so freundlich aufgefordert werden. Sie wird beherrscht von der Kanzel, und natürlich gibt es keine Heiligenfiguren, was ich als wohltuend empfinde.
Malerische Innenstadt finden wir keine. Trotzdem wirkt die Stadt durchaus sympathisch. Sie hat einen ganz eigenen Charakter, viel Sichtmauerwerk, kaum Farben.
An der Columbs Cathedral kommen wir natürlich auch vorbei.
Was noch auffällig ist, sind die vielen Graffitti, die sich mit dem Irischen Freiheitskampf befassen. Wir lesen auch immer wieder Sprüche, wie z.B.: "You are entering now free Derry. Let the fight go on." Auch Wahlplakate, übrig geblieben von der Brexit-Abstimmung, sehen wir: "Vote Remain" und "Vote Leave".
Es ist jetzt ca. 12h, wir fahren ein kleines Stück nach Westen und reisen wieder – unbemerkt – in IRLAND ein. Die Stadt liegt ja direkt an der Grenze.
Grianán Ailigh – wir haben mindestens 5 Schreibweisen gesehen, kein Wunder, dass unser GPS verweigert hat – ist eine Königsburg auf dem Berg, die ca. um Christi Geburt gebaut wurde. Sie diente vom 5. bis ins 12. Jhd. als Sitz der lokalen Könige. Schon vorher war auf diesem Hügel ein Heiligtum.
Wir sind beeindruckt von der ungewöhnlichen Rundburg, die uns an das Halbrund auf der Aran-Insel Ínís Mór erinnert.
Der Name des Forts heißt übersetzt "Palast der Sonne". Es war in drei Terrassen mit einer 4m dicken und 5m hohen Mauer umgeben. Auf der jetzt freien Innenfläche standen Hütten, in denen die Leute gewohnt haben. In den Mauern gab es Gänge.
Der Platz ist wunderschön, eines Königs würdig. Man hat eine herrliche Aussicht nach allen Seiten auf die leicht gewellte Hügellandschaft bis zur die Mündung des River Swilly in den Lough Swilly, der eigentlich kein See, sondern ein Meeresarm ist.
Das wäre eigentlich ein ideales Schlafplätzchen für uns, aber leider verhindert das das Schild "No Overnight Parking". Wir verbringen wenigstens unsere Mittagspause hier. Draußen stürmt es und ist ziemlich kalt. Fein, dass wir unser warmes Wohnzimmer dabeihaben.
Auf der Suche hierher sind wir übrigens auf eine originelle moderne Kirche gestoßen, die Burt Church. Klaus meint, man hätte sich hier von der Form der Rundfestung inspirieren lassen. Ich finde, sie sieht ein wenig wie ein Zirkuszelt aus.
Um 15h geht es weiter Richtung Belfast. Aber heute suchen wir nur noch einen Schlafplatz.
Wir probieren mehrere alte Kirchen und eine Burg aus. Nirgends ist der Parkplatz zum Übernachten geeignet. Und schon sind wir wieder in NORDIRLAND. Kurz nach Dungiven, einem kleinen Städtchen, das uns gut gefällt, finden wir einen etwas abgelegenen Rastplatz neben der Hauptstraße. Das ist genau das, was wir suchen. Wir richten uns ein, und ich schaue Klaus, wie immer an meinen Fasttagen, beim Abendessen zu. Die Bildschirmarbeit wartet bereits auf uns. Wir haben keine SIM-Karte für GB. Das heißt, dass wir nun eine Weile ohne Internet auskommen müssen, es sei denn, wir können irgendwo WLAN nutzen. Da fühlt man sich so von der Welt abgeschlossen.
Vor dem Schlafengehen machen wir noch einen kleinen Spaziergang. Es regnet nämlich gerade nicht. Heute war ein trockener Tag. Es hat nur dreimal kurz geregnet.
Ab nun sind wir auf der Rückreise. Hoffentlich haben wir noch eine schöne Zeit und kommen gut nach Hause.
Di, 28. Juni
Um 6h30 weckt uns das vertraute Trommeln von Regentropfen aufs Dach. Es ist noch viel zu früh. Wir drehen uns nochmal um. Fünf Minuten später ist es halb 10h.
Beim Waschen fällt mir auf, dass sich der Abfluss etwas merkwürdig anhört. Klaus entdeckt, dass der Schlauch unter dem Waschbecken rausgegangen ist. Er schafft es, ihn wieder anzuschließen. Bei der Gelegenheit entdecken wir, dass man das Waschbecken ganz abnehmen kann. Es gehört ohnehin einmal gründlich geputzt, und vor allem die Wand dahinter.
Nach den Reparatur- und Putzarbeiten genießen wir unser Frühstück.
Bei unserer Abreise ist es 11h und hat 11°, immerhin zweistellig. Der arme Klaus hat heute Nacht ziemlich gefroren.
Ein Schild weist uns darauf hin, dass wir uns hier in einer "area of outstanding natural beauty" befinden. Das nehmen wir zur Kenntnis. Da hatten wir auf dieser Reise schon Schöneres. Die hiesigen Hochmoore sind allerdings interessant. Natürlich wird auch hier Torf gestochen.
Belfast steht heute auf unserem Programm. Keine Ahnung, was uns dort erwartet. Der Besuch dieser Stadt war nicht geplant, daher haben wir keinen Reiseführer und, wie ja schon erwähnt, auch kein Internet.
Auf der Suche nach einem Campingplatz sehen wir einen Pfeil "Titanic Quarter" und sehen auch bald das ultramoderne Gebäude, das dem Bug eines Schiffes nachempfunden ist. Das wollen wir uns anschauen. Schließlich waren wir ja auch in Cobh [Kouv]/Queenstown.
Das berühmte Schiff wurde in Belfast gebaut und vom Stapel gelassen. Das waren damals Boom-Zeiten für die Stadt, denn dort stand seit 1910 die weltgrößte Werft, Harland & Wolff. Seit 2003 baut sie keine Schiffe mehr. Die Fabrikgebäude werden gerade revitalisiert. Da wird es bald Begegnungszentren, Geschäfte und Lokale geben.
Wir tauchen also ein in die Exhibition. Auf 11.000 Quadratmeter Fläche wird die Geschichte des legendären Kreuzers erzählt.
Im Käfigaufzug erleben wir ganz konkret, wie hoch das Baugerüst tatsächlich war. Wir besteigen eine Art Grottenbahn durch das Schiffswerft-Modell, und ein 15-jähriger Arbeiter erklärt uns über Lautsprecher seinen Arbeitsplatz. Ohrenbetäubender Lärm und Hitze umgeben uns. Viele Arbeiter waren im Alter von 30 Jahren taub. Oft fehlte ihnen ein Finger oder ein Auge, und jedes Schiff forderte ein Todesopfer, wie man damals sagte. Die Wagen bewegen sich rauf und runter, vorbei an einem riesigen Steuerruder und Projektionen von historischen Schwarz-Weiß-Fotos.
Das Schiff war ein Meisterwerk der Ingenieure und Handwerker. Dass die Titanic auf ihrer Jungfernfahrt unterging, war eine ganz andere Geschichte.
Eine "3-D-Höhle" ermöglicht uns einen virtuellen Spaziergang durch Maschinenraum, Korridore, Kabinen, den Speisesaal und über die Brücke. Man hat den Eindruck, wirklich drinnen zu sein und sich wie in einem Aufzug durch die Stockwerke zu bewegen. Alles wirkt sehr edel und gediegen, und man kann es sich gar nicht vorstellen, dass all das wirklich im Meer versunken ist. Ich habe ein ähnliches Gefühl, jedes Mal, wenn wir uns auf einer der riesigen Autofähren befinden.
Viele junge Leute waren damals sehr dankbar und stolz, einen Job auf diesem tollen Schiff zu bekommen.
Die Abteilung "The Sinking" ist dann sehr beklemmend. Man vernimmt die schnellen Morsezeichen des letzten Hilferufs. Das Licht flackert, und wir hören Augenzeugenberichte von Überlebenden. Einer erzählt zum Beispiel, Eis wäre aufs Deck gefallen und die Burschen hätten fröhlich Schneebälle daraus geformt. Die Einzelschicksale sind berührend.
In den 1970er Jahren hat man versucht, das Wrack zu suchen. 1985 haben es Robert Ballard und sein Team mit speziellen, mit Sonar und Kameras ausgestatteten Geräten gefunden. Hinunter tauchen kann man ja nur mit U-Booten, weil es so tief liegt, an die 4000m. Der Unterwasserarchäologe ist davon überzeugt, dass es auf dem Grund des Meeres mehr Geschichte gibt als in allen Museen der Welt.
In einem Film werden Bilder des Wracks gezeigt, so als würde es gerade entdeckt. Viele Einzelheiten sind erkennbar. Sie sind zwar verrostet, sehen aber sonst intakt aus. Es liegen auch persönliche Dinge herum. Ein Schuh, ein Kamm, ein Nachttopf, die Badewanne des Kapitäns und vieles mehr.
Die nächste Station beschäftigt sich mit der gerichtlichen Untersuchung des Falles. Man hört Zeugenaussagen.
Der Stoff wurde oft verfilmt. "Above all Titanic, there ist Romance" heißt die letzte Abteilung. Es gibt auch Musicals, Bücher und Musikstücke.
Die Ausstellung war selbsterklärend. Man wird durch die Räume geschleust. Viele Crew-Mitglieder sind vorhanden, die erklären, wie es weitergeht. Es hat uns besser gefallen als erwartet.
Nur das Foto mit Matrosenmütze vor der Titanic um £ 10,00 geben wir uns nicht.
Im Shop erstehen wir den Film "Titanic" von James Cameron mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet. Den wollen wir uns nach all dem jetzt einfach nochmals ansehen. Obwohl er – wie auf dem Cover vermerkt – "moderate sex, nudity and horror and one use of strong language" enthält.
Nun machen wir uns aber wirklich auf die Suche nach dem einzigen Campingplatz in Belfast. Er ist in unserer Karte eingezeichnet, aber unser GPS kennt ihn nicht. Wir können auch keine Hinweisschilder entdecken. Dabei fällt uns auf, dass der Flughafen der Stadt nach George Best, einem Fußballer, benannt ist - ziemlich ungewöhnlich.
Wir kommen am "Schönbrunn von Belfast" vorbei - nicht ganz so gelb. Es sieht aus, als hätte man das Schloss oben anstelle der Gloriette gebaut, mit großem Park davor. Später lernen wir, dass es sich um das Parlament von Nordirland handelt.
Ein großer Supermarkt lädt uns ein, unsere Vorräte aufzufüllen. Auf dem Parkplatz schnabulieren wir gleich einige der Köstlichkeiten als Mittagessen. Es ist ohnehin schon fast 16h.
Dann brechen wir wieder auf. Einer der Verkäufer hat uns auf einem Pappendeckelstück den Weg zum Caravanpark aufgezeichnet. Er liegt in einem Vorort von Belfast, in Dundonald. Man muss im gegenüberliegenden "Ice Bowl", einer Halle zum Eislaufen und Bowlingspielen, einchecken. Wir bekommen einen Code für das Einfahrtstor, den man befremdlicherweise auch zum Betreten der Waschräume braucht. Es gibt wieder eine Hook-up-Station an jedem Platz.
WLAN gibt es erfreulicherweise auch, wenn auch ein sehr schwaches. Es reicht aus, um Klaus fußballmäßig auf den neuesten Stand zu bringen. Die Engländer haben gegen Island verloren und sind draußen. "Sie haben ja ohnehin "Leave" gewählt. Das haben sie jetzt davon", ist mein Kommentar dazu.
Zum Abendessen kochen wir uns Schwammerln mit Bratkartoffeln. Im Supermarkt hat es fertig gekochte und gewürzte Kartoffeln gegeben. Zuerst fanden wir das dekadent und dann recht praktisch für unsere Zwecke. Es schmeckt sehr fein.
Nach dem Geschirr abwaschen folgt das allabendliche Klopfen in die Tasten.
Mi, 29. Juni
Die gleiche Geschichte wie gestern, zeitig in der Früh durch Regen geweckt, umgedreht, erst um 9h30 wieder aufgewacht. Wir schlafen recht viel auf dieser Reise. Duschen und Haare waschen - dazu hätte es eigentlich genügt, nur einfach hinaus ins Freie zu gehen. Die armen Zeltbewohner. Die werden ja überhaupt nie trocken. Wir sind wieder einmal dankbar für unser Häuschen, das ja sogar beheizbar ist. Klo ausleeren, Abwasser ablassen, Wassertank füllen - auch diese Arbeiten sind bei strömendem Regen nicht so lustig. Klaus beginnt der ständige Regen langsam zu nerven. Allerdings wird unser Auto ständig gewaschen. Das ist doch auch ganz fein.
Um 11h11 fahren wir los. Das ist ja fast wie im Fasching. Der Wetterbericht verheißt uns ab Mittag trockenes Wetter. Also haben wir uns absichtlich Zeit gelassen.
Die Eskimos haben ja angeblich viele Wörter für Schnee. Klaus meint, dass die Iren wahrscheinlich ebenso viele Wörter für Regen haben. "Aber leider ist es gelogen", schließt er seine Überlegungen ab, um weiter auszuführen: "Wir sind Gott sei Dank gut ausgerüstet, nur haben wir leider die Thermo-Unterwäsche und die Neoprenanzüge zu Hause vergessen. Es ist nicht die Frage, ob es regnet, sondern wie, und wenn es nicht waagrecht und von vorne kommt, dann sind wir schon recht zufrieden."
Belfast ist die Hauptstadt von Nordirland und die zweitgrößte Stadt der Irischen Insel.
Auf der Suche nach einem Parkplatz gewinnen wir einen ersten Eindruck der Stadt. Gleich als erstes fällt uns eine große, weibliche, durchbrochene Metallskulptur auf, die einen Reifen vor sich herträgt. Das ist "The Beacon of Hope" = das Leuchtfeuer der Hoffnung. Sie gefällt uns gut. Die Belfaster haben ihr allerdings den Spitznamen "The Thing with the Ring" gegeben.
Beim Herumspazieren lässt der Regen nach und hört bald ganz auf.
Wir kommen an einer ehemaligen Kirche vorbei, in der sich jetzt ein Tattoo- und Piercing-Center befindet, so auf "Gothic". Das passt ja. Die Kirche ist ja auch gotisch. Sehr schräg kommt uns das vor.
Die Fußgängerzone ist recht originell gestaltet. In einem "Irish Shop" finden wir endlich – inmitten von unsäglichem Kitsch – ein cooles Leiberl für Benni und ein Nordirland-Pickerl fürs Wohnmobil.
Eher zufällig kommen wir an der City Hall und dem Albert Memorial Clock Tower vorbei.
Das ultramoderne Gebäude der Ulster University ist ganz nach unserem Geschmack. Offenbar hat gerade eine Akademische Feier stattgefunden. Viele junge Leute mit Doktorhut und Robe stehen herum, samt ihren elegant gekleideten Angehörigen.
Jetzt suchen wir noch die Peace Line im Westen der Stadt. Die Mauer trennt die Wohngebiete der katholischen Republikaner und der protestantischen Unionisten. Sie entstand ab 1969 nach dem Ausbruch des Nordirlandkonflikts in einem Gebiet, das durch wiederholte Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien gekennzeichnet ist. Manche Abschnitte tragen revolutionäre Wandgemälde, die "murals" genannt werden. Offenbar kommen immer wieder neue dazu, z.B. "Refugees Welcome".
Ganz allgemein finde ich die Stadt recht nett. Es gibt viele Backsteingebäude, einige schöne moderne Bauten und einige in Viktorianischem Stil, alles bunt gemischt. Mir fallen natürlich auch die Radwege auf. An vielen Kreuzungen sind vor den Autos grüne Flächen markiert, auf denen die Radfahrer auf grünes Licht warten können.
Wir fahren weiter nach Süden, und bald sind wir wieder in der Republik IRLAND.
Unabhängig voneinander stellen wir fest, dass es uns hier besser gefällt als in Nordirland. Es ist einfach ein anderes Lebensgefühl. Wir empfinden auch eine gewisse Vertrautheit.
Es fängt wieder zu regnen an. Wir haben die trockene Pause gut genützt.
Ca. um 15h30 machen wir Mittagspause. Ich schaue Klaus beim Essen zu und trinke einen Kaffee.
Weiter geht es nach Brú na Bóinne [bruu ne bwinne], dem Weltkulturerbe, wo uns interessante Megalithische Funde erwarten. Um 17h kommen wir auf dem großen Parkplatz des Besucherzentrums an. Unsere dritte Urlaubswoche ist um. Das Schild "No Overnight Parking" enttäuscht uns. Wir wären gerne hier geblieben. Die letzte Führung für heute ist nämlich schon weg. Wir sollen morgen wiederkommen, erklärt uns eine freundliche Dame. Klaus fragt sie, wo wir übernachten können. Wir haben auf dem ganzen Weg hierher keinen geeigneten Platz gefunden. Sie verweist uns auf eine Lodge ganz in der Nähe, die auch Camping Facilities anbietet. Bevor wir dorthin fahren, begutachten wir den Shop und nehmen ein sehr süßes, wolliges Schaf mit schwarzem Kopf für Sarah mit. Es handelt sich zweifellos um Miss Maple aus dem Schafskrimi "Glenkill". In der Cafeteria lachen uns Pasteten an. Ich lache wehmütig zurück, aber Klaus gönnt sich so eine Delikatesse.
Jetzt suchen wir uns besagte Newgrange Lodge und stellen uns auf den Parkplatz. Hier gibt es tatsächlich Klos, Duschen und Elektroanschlüsse. Ein zweites Wohnmobil steht auch hier. Die Deutschen informieren uns, dass die Übernachtung € 15,00 kostet. Da wir aber gar nichts von den Einrichtungen brauchen, melden wir uns einfach nicht an. Es steht auch nirgends, dass man das tun muss. Wir haben ja jetzt auch wieder eigenes Internet durch unsere SIM-Card.
Wir sitzen an den Lapis und schauen aus dem Fenster. Kein Regen, blauer Himmel - welch Überraschung. Vielleicht schaffen wir die morgige Besichtigung trockenen Fußes. Miss Maple steht lächelnd bei uns auf dem Tisch. Sie ist sooo süß. Wir sind uns einig, dass wir es nicht schaffen werden, uns von ihr zu trennen. Sie wird sich einen geeigneten Platz im Wohnmobil suchen und bei uns bleiben. Morgen kaufen wir noch ein Schaf für Sarah.
Do, 30. Juni
Wir haben den Wecker auf 8h gestellt. Mit dieser Langschläferei kann das nicht so weitergehen. In der Nacht habe ich ziemlich gefroren und mir Schicht um Schicht Gewand angezogen, und Socken. Ich bin leider gar nicht ausgeschlafen. Aber das Müslifrühstück versöhnt mich wieder. Das Wetter ist trocken, aber bewölkt und kühl. Das mit dem blauen Himmel gestern war offenbar nur ein kurzes Zwischenspiel.
Um Punkt 9h, gerade als der Schranken aufgeht, sind wir auf dem Parkplatz vom Besucherzentrum. Wir wollen gleich mit der ersten Führung mitkommen. Wir bekommen Pickerln aufs Gewand geklebt. Sie zeigen die Uhrzeit, zu der unser Shuttlebus zu den beiden Ausgrabungsstätten fährt. Während wir warten, können wir uns in einer kleinen Ausstellung eine Übersicht verschaffen.
Warum sich die Menschen damals gerade diese Gegend ausgesucht haben, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass der Fluss Boyne hier eine Biegung macht und eine Art Insel bildet, die auf drei Seiten von Wasser umgeben ist. Auf der vierten Seite waren die Hügel, auf denen die Gräber erbaut wurden. Auch die Bodenqualität war hier gut. Die frühen Siedler waren ja die ersten Bauern. Die Gräber waren nicht nur Begräbnisstätten, sondern waren auch als Monumente in der Landschaft ungeheuer wichtig und zeigen eindrucksvoll, wie hoch entwickelt die neolithische Gesellschaft war. Die Menschen damals besaßen sehr wohl bereits intellektuelles Leistungsvermögen und hatten die Fähigkeit, Informationen und Vorstellungen in komplexer Weise miteinander zu verbinden. Die Gräber waren als ständige Wohnstätte für die Knochen und Geister der Ahnen gedacht. Sie waren natürlich nicht für die allgemeine Bevölkerung bestimmt, sondern für eine kleine, aber mächtige Führungsschicht. Die Behausungen der lebenden Menschen waren einfache Hütten aus Holz, mit Strohdach. Von denen ist natürlich nichts mehr übrig.
Zuerst sehen wir die Anlage in Knowth. Das ist die größere und weitläufigere Anlage. Meine erste Assoziation ist die Nekropole von Cerveteri. Es handelt sich hier um einen Gräberkomplex – grasbewachsene Hügel – am westlichen Rand von Brú na Bóinne. Das größte und wichtigste Ganggrab ist mit 127 Randsteinen umgeben, die durch Hämmern und Ritzen verziert wurden – meist mit Spiralen oder verschlungenen Linien. Man kann auch eine Sonnenuhr erkennen. Als dieses Grab gebaut wurde, war es das größte Gebäude der Welt. Die Pyramiden gab es damals noch nicht. Die kleineren Gräber rundherum werden Satellitengräber genannt. Ihre Eingänge liegen in Richtung des großen Grabes.
Nachdem diese Gräber verlassen wurden – man weiß nicht, warum – kamen in der Eisenzeit wieder Siedler hierher. Sie bauten Ringfestungen oben auf den Hügeln. Später gab es sogar frühchristliche Siedlungen hier. Man hatte einen guten Blick nach allen Seiten von hier oben. Das war auch wichtig, damit man die herannahenden Wikinger rechtzeitig sehen konnte.
Auch in der Bronzezeit gab es hier Aktivität. Wahrscheinlich war es damals ein Ort der religiösen Anbetung.
Durch den Osteingang gehen wir ein kleines Stück in das Hauptgrab hinein. Zur Tages- und Nachtgleiche scheint die Sonne direkt in den Gang und beleuchtet die zentrale Grabkammer. Das war wohl eine höchst spirituelle Angelegenheit, denn die Leute, die das hier bauten, verehrten wahrscheinlich die Sonne als Gott.
Das Land musste gerodet werden, um diese Monumente bauen zu können, und auch, um Farmen zu errichten. Die Leute begannen gerade sesshaft zu werden.
Zum Schluss dürfen wir den größten Grabhügel noch besteigen. Die Aussicht ist wunderbar. Man kann bis zum Hügel von Tara sehen, dem mythische Sitz der Hochkönige. Scarlet O'Hara's Familie aus dem Film "Vom Winde verweht" stammte offenbar aus Irland und hat ihre Plantage nach diesem Hügel benannt. Auf der anderen Seite sehen wir den Hügel von Slane, auf dem der hl. Patrick um 433 das erste Osterfeuer auf irischem Boden angezündet haben soll.
Unsere Führerin weiß sehr viel und ist recht witzig. Obendrein spricht sie sehr deutlich, sodass wir sie gut verstehen können. Sie trägt einen Regenmantel, eine Regenhose und einen Regenschirm. Offenbar ist sie, was das Wetter betrifft, Kummer gewöhnt.
Unsere zweite Station ist Newgrange, das bekannteste irische Grab. Die Busfahrerin erzählt während der ganzen Fahrt Schwänke aus ihrem Leben.
Die Besuchergruppe ist viel größer als die in Knowth, und die hiesige Führerin verstehen wir nicht ganz so gut.
Newgrange ist auch ein Ganggrab. Auch dieses ist ca. 5000 Jahre alt, 1000 Jahre älter als Stonehenge und 500 Jahre älter als die Pyramiden von Gizeh. Der ovale Cairn ist etwa 11-13m hoch und hat einen Durchmesser von 90m.
Jungsteinzeitliche Bauern haben all diese Gräber gebaut. Die verschiedenen Steine brachten sie von weit her, wahrscheinlich über den Wasserweg des Flusses Boyne und dann über Holzschienen den Hügel hinauf. Das Rad war damals noch nicht erfunden und sie hatten keine Zugtiere. Die Randsteine wiegen jeweils bis zu 10 Tonnen. 97 solche Randsteine umgeben den Grabhügel. 450 ähnliche Steine wurden im Inneren verwendet. Für so einen gewaltigen Bau waren gute Architekten und Ingenieure nötig, und eine Arbeitsteilung. Es mussten genügend Überschüsse produziert werden, um einen Teil der Arbeitskräfte für den Bau freistellen zu können.
So ein großer Aufwand wurde nicht für das irdische Leben betrieben, sondern für das ewige Leben nach dem Tod. Die Menschen damals hatten einen starken Glauben an das Leben nach dem Tod. Es gibt allein 40 Ganggräber in diesem Gebiet. Die meisten sind eher klein. Newgrange ist in seiner Größe eine Ausnahme.
Auch in Spanien, Portugal, Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien gibt es Ganggräber. Ab den 1960er Jahren wurde das alles hier ausgegraben, teilweise restauriert und an wenigen Stellen vorsichtig rekonstruiert.
Einige Jahrhunderte nach dem Bau wurde die Gegend verlassen. Man weiß nicht, warum. In der Bronzezeit kamen wieder Siedler hierher. Einige Menhire bezeugen das. Seither gab es hier über eine sehr lange Zeit keine menschliche Aktivität mehr. Hier haben also keine christlichen Siedler gelebt.
Im 17. Jhd. wurde das Grab wieder entdeckt, als ein Landlord in dieser Gegend ein Straßennetz anlegen wollte und zufällig darauf stieß.
Der Eingangsstein ist besonders schön mit Ornamenten verziert. Auf ihm sind auch die drei Spiralritzungen zu erkennen, die "Trinity" genannt werden und die sehr oft als Logo zu sehen sind. Ich habe mir ein T-Shirt mit diesem Muster gekauft, und auf dem Armreifen, den wir Teri schenken werden, ist es auch zu erkennen. Was es wirklich bedeutet, weiß man nicht.
Die anderen Randsteine sind nicht so verziert wie in Knowth. Die weiße glitzernde Umrandung, die man von der Ferne so gut sieht, ist aus Quarz.
Nun dürfen wir noch in das Grab hineingehen. Der Gang ist sehr niedrig und eng. Er endet in einem kreuzförmigen Raum. Auch im Inneren gibt es Ritzzeichen. Eine Person war hier begraben. Die Decke ist besonders bemerkenswert, ein 6m hohes Kraggewölbe. Waagrechte Steine bilden auskragend, also aufeinander zugeschoben, eine Bogenform, die sich nach oben bis zu einem Abschlussstein verjüngt. Es wird auch "Bienenkorbkuppel" genannt.
Bemerkenswert sind auch hier die Lichtspiele. Hier passiert es zur Wintersonnenwende, am 21. Dezember, drei Tage davor und zwei Tage danach, dass das Licht um 8h58 direkt durch die kastenförmige Öffnung im Dach fällt und den Gang entlang wandert, über den Boden der Grabkammer, bis zur vorderen Nische. Die Lichterscheinung dauert 17 Minuten.
Wir bekommen eine Demonstration mit einem Spezialscheinwerfer, wie das aussieht. Wir sind fast ergriffen, obwohl es sich nicht um das echte Sonnenlicht handelt. Wir haben schon mehrere alte Tempel gesehen, bei denen an bestimmten Tagen das Licht auf bestimmte Weise einfällt – Malta, Abu Simbel, usw. – aber eine Demonstration wie hier hatten wir noch nie.
Es gibt eine Lotterie. Die Gewinner werden am 21. Dezember eingeladen, dem Originalschauspiel beizuwohnen. Leider kommt es recht oft vor, dass das Wetter so schlecht ist, dass man überhaupt nichts sieht. Wir haben ohnehin nicht vor, mitzuspielen, um im Winter wiederzukommen - wenn es schon jetzt so kalt ist.
Wir fahren nun mit dem Shuttlebus wieder zurück zum Besucherzentrum. Ein sehr großes Touristenaufkommen wird hier täglich bewältigt. Ein Bus nach dem anderen kommt bzw. fährt ab. Alles ist bemerkenswert gut organisiert.
Mit unserer Heritage-Card haben wir uns auch hier den Eintritt erspart. Wir haben den Anschaffungspreis jetzt schon mehr als zweifach hereingebracht. Wie gut, dass uns der Betreiber unseres ersten Campingplatzes in Irland diesen Tipp gegeben hat.
Es ist jetzt 13h30, und wir sind recht hungrig. Wir vergessen nicht, die Zwillingsschwester unserer Miss Maple für Sarah im Shop abzuholen. Dann essen wir in der Cafeteria zu Mittag. So komme auch ich in den Genuss einer der köstlichen Pasteten, auf die ich gestern verzichten musste.
Wir hatten übrigens Glück. Während der ganzen Besichtigung hatten wir trockenes Wetter, wenn auch recht kühles. Landschaftlich ist es hier traumhaft schön. Die Gras-Grabhügel müssen natürlich auch gemäht werden. Es sieht lustig aus, wenn der Rasenmäher ganz profan über die heiligen Hügel geschoben wird.
Wir gehen jetzt zurück zum Auto. Der Ausflug hierher hat sich sehr gelohnt. Unser nächstes Ziel ist ein Campingplatz in Dublin. Das GPS schlägt uns einen vor, und wir nehmen ihn. Wir richten uns ein und trinken zunächst einmal Kaffee. Zum Abendessen gibt es kalte Reste.
Der hiesige Fernsehraum verspricht Klaus ein Fußballspiel. Portugal gewinnt gegen Polen. Da freut er sich. Auch deshalb, weil er am Rückweg zum ersten Mal auf dieser Reise einen Stern gesehen hat. Der Himmel war einfach bisher immer bedeckt. Morgen wollen wir mit dem öffentlichen Bus in die Stadt fahren.
Fr, 1. Juli
Der Wecker läutet wieder um 8h. Heute bin ich gut ausgeschlafen. Weil Juli ist, ist es auch sonnig, und der Himmel ist blau. Als erfahrene Irland-Urlauber lassen wir uns allerdings nicht blenden und rüsten uns für unseren Stadtbummel wetterfest aus. Wir wollen den öffentlichen Autobus in die Stadt um 10h30 erwischen. Weil wir schon fertig sind, gehen wir ein bisschen früher los und erwischen so – ganz unerwartet – einen Hop-on-Hop-off-Bus direkt vor unserem Campingplatz. Das trifft sich gut. So eine Sightseeing-Tour wollten wir heute ohnehin machen.
Zunächst fahren wir über die Autobahn ins Stadtzentrum. Kaum sind wir ausgestiegen, weil wir ein wenig zu Fuß bummeln wollen, fängt es zu schütten an. Wir flüchten zurück in den Bus, der – nicht überraschend – überfüllt ist. Im oberen Stock finden wir noch Stehplätze und gerade noch zwei freie Steckplätze für unsere Ohrhörer. Jetzt fahren wir einfach so lange im Kreis, bis es zu regnen aufhört. Klaus Laune schwimmt im Regen davon. Er würde niemals irgendjemandem Irland als Urlaubsland empfehlen, brummelt er. Kaum aber kitzeln ihn wieder einige Sonnenstrahlen, zeigt sich wieder sein unwiderstehliches Lächeln.
Der Fluss Liffey fließt quer durch die Stadt und teilt sie in Nord und Süd. Zwei Drittel der Bewohner wohnen auf der südlichen Seite. Es gibt 16 Brücken, viele nur für Fußgänger.
Die erste Station ist beim Denkmal von Daniel O'Connell. Wir haben sein Haus am Ring of Kerry gesehen. Gleich daneben steht seit 2003 das Monument of Light, eine 120m hohe Nadel aus Edelstahl. Es soll eine neuzeitliche Antwort auf die Menhire, die "Standing Stones" sein. Die Dubliner nennen es "The Spire" oder – respektlos – "Stiffy by the Liffey".
Wie passieren das traditionsreiche Trinity College. Elisabeth I gründete es, um Überzeugungsarbeit für den Protestantischen Glauben zu leisten. Nun fahren wir durch ganze Straßenzüge im Georgianischen Stil. Ursprünglich war das die Wohngegend wohlhabender protestantischer Familien. Vier Könige namens George regierten hintereinander von 1740-1830. Es handelt sich um graubraune Backstein-Reihenhäuser. Die einzige Gestaltungsfreiheit, die die Bewohner damals hatten, waren die Eingangstüren. Dementsprechend bunt sind sie. Irland hat ja 700 Jahre lang zu England gehört, und Dublin war die zweitwichtigste Stadt, nach London. Im Leinster House, dem ehemaligen Herzogspalast, ist heute das Irische Parlament untergebracht. Im luxuriösen Shelbourne Hotel sind schon viele Berühmtheiten abgestiegen.
Viele bunte Pubs gibt es in der Stadt. Das berühmteste ist Temple Bar. Das kleinste, Dawson Lounge, "is not bigger than your kitchen". Im bereits erwähnten Osteraufstand "Easter Rising" von 1916 spielte der Kampf um das General Post Office eine zentrale Rolle.
Mittlerweile hat der Regen wieder nachgelassen, und wir trocknen uns Sitze im Bereich ohne Dach mit unseren Stofftaschentüchern ab. Also müssen wir nicht mehr stehen. "Wir hätten ein Handtuch mitnehmen sollen", meint Klaus, "wie wir es im 'Hitchhiker's Guide to the Galaxy' gelernt haben".
Die beiden mittelalterlichen Kathedralen, die St. Patrick's Cathedral, die Nationale Kathedrale von Irland und die Christ Church Cathedral, die Kathedrale der Diözese Dublin, rivalisieren seit über 800 Jahren miteinander. Jonathan Swift, der Verfasser der politischen Satire "Gullivers Reisen", war der Dekan der St. Patrick's Kathedrale und ist auch in ihr begraben. Er litt unter einem schweren Tinnitus, der ihm auch Schwindelanfälle verursachte. Das wurde in der damaligen Zeit als Geisteskrankheit eingestuft. Er hat wohl schlechte Erfahrungen als Patient gemacht. Jedenfalls stiftete er 1745 ein Psychiatrisches Krankenhaus und legte umfassende, sehr menschliche Regeln für den Umgang mit den Kranken fest.
Guinness begegnet man überall in Irland, aber ganz besonders in Dublin. Arthur Guinness pachtete 1759 sehr günstig eine Brauerei für 9000 Jahre. Mit seinen 21 Kindern, von denen 10 das Erwachsenenalter erreichten, begründete er die berühmte Guinness-Dynastie. Zuerst braute er ein helleres Ale. Als er das stark gehopfte Porter kennenlernte, das – wie der Name schon sagt – besonders bei den Lastenträgern Londons beliebt war, schmeckte ihm das so gut, dass er begann, das berühmte tiefschwarze "Extra Stout Porter" zu brauen. Heute wird es nur mehr "Stout" genannt. Er war Dublins größter Arbeitgeber. 5000 Arbeiter beschäftigter er, für die er gut sorgte. Sie hatten für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Unterkünfte. Heute erfolgen viele Arbeitsschritte maschinell. Daher werden nur mehr 800 Leute gebraucht. Das Areal der Fabrik ist riesig. Wir sehen unzählige Braukessel. In einem der ehemaligen Lagerhäuser ist heute ein siebenstöckiges Museum untergebracht. Ich werfe Klaus einen fragenden Blick zu– schließlich leert er jeden Abend eine der schwarzen Dosen, auf denen die goldene irischen Harfe abgebildet ist –, aber er entscheidet sich gegen einen Besuch.
Im Park daneben sitzt eine Skulptur der Anna Livia, der Personifizierung des Flusses Liffey, im Wasser. Scherzhaft wird sie "The Bride in the Tide" genannt. Die reimen offenbar gern, die Iren.
Kilmainham Goal, Dublins berüchtigtes Gefängnis, wollen wir sicher nicht besichtigen. Im Hof wurden unter anderem die Anführer des Osteraufstandes hingerichtet.
Ein kurzer Abstecher führt uns in den riesengroßen Phoenix Park. Der Central Park in New York hätte zweimal darin Platz, der Londoner Hyde Park sogar sechsmal. Der zweithöchste Obelisk der Welt steht hier. Er ist dem Herzog von Wellington, dem Sieger über Napoleon in Waterloo, gewidmet. Auch er wurde in Dublin geboren.
Die Tore des Parks wurden 1932 abgebaut, wegen des Massenansturms zu einem Eucharistischen Weltkongress. Angeblich wurden sie so gut verstaut, dass man sie nachher nicht mehr fand.
Nun kommen wir wieder zum Fluss zurück. Das alte Gerichtsgebäude mit den vielen Säulen und der grünen Kuppel, das Four Courts, fällt uns auf. Am modernen neuen Gebäude sind wir vor ein paar Minuten vorbeigekommen. Bei der Ha'penny-Bridge – man musste einen halben Penny Brückenzoll entrichten – steigen wir aus.
Als erstes besuchen wir das Whiskey-Museum. Die Old Jameson Whiskeybrennerei stellte ursprünglich Parfum her, bis man darauf kam, dass es besser schmeckte, als es roch. Wir schauen uns ein wenig im Shop um. Für eine Besichtigung reicht unser Interesse allerdings nicht aus.
Wir spazieren nun zum originellen, bunten Denkmal von Oskar Wilde. Auf dem Weg dorthin müssen wir zweimal vor heftigen Regengüssen flüchten, einmal zum Burger King – was Klaus für ein Mittagessen nützt – und einmal in ein Nobelwarenhaus. Oskar Wilde wurde 1854 in Dublin geboren. Er hatte das "Pech", homosexuell zu sein, was ihm auf dem Höhepunkt seiner Berühmtheit als gefeierter Dichter eine Gefängnisstrafe mit harter Zwangsarbeit einbrachte, die seine Gesundheit ruinierte. Auch die gesellschaftliche Ächtung setzte ihm schwer zu. Er starb im Alter von nur 46 Jahren verarmt in Paris. Ich habe viele seiner Werke gesehen bzw. gelesen. Am bekanntesten sind seine Gesellschaftskomödien und der Roman "Das Bildnis des Dorian Gray". Sein messerscharfer Verstand zeigt sich vor allem in seinen vielen Aphorismen. Besonders bekannt sind: "Ich kann allem widerstehen, außer der Versuchung." "Wir liegen alle in der Gosse, aber einige betrachten die Sterne." Oder mein Wahlspruch: "Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden."
Ein weiterer berühmter Sohn der Stadt ist übrigens Bram Stoker, der 1897 den Roman "Dracula" geschrieben hat. Wir können die Stadt natürlich nicht verlassen, ohne James Joyce - seinem Denkmal - einen Besuch abzustatten. Wir finden beide, dass Dublin eine gute Ausstrahlung hat und dass unser Ausflug hierher sehr gelungen war.
Eine kleine Kaffeepause im Póg Café trägt noch zu dem Eindruck bei. Póg ist gälisch und heißt Kuss. Es werden vor allem Salate und Smoothies serviert. Das sieht alles köstlich aus. Leider habe ich heute Fasttag, und Klaus hat einen "Grausiburger" vom Burger King intus. Mit dem öffentlichen Bus fahren wir zu unserem Campingplatz zurück.
Das WiFi-Zeichen lädt uns ein, mit bangem Herzen die ORF-Seite zu öffnen, und zu unserem Entsetzen erfahren wir, dass die Bundepräsidentenwahl wiederholt werden muss - der Urlaub der politischen Hiobsbotschaften.
Klaus überlegt, ob man vielleicht auch die Fußballspiele wiederholen könnte, wenn sie nicht gelungen waren. In unserem Wohnmobil ist es warm und gemütlich. Ein kurzer Hagelschauer bei strahlendem Sonnenschein – Warum regt uns das nicht mehr auf? – beschert uns einen wunderbaren Doppel-Regenbogen. So etwas haben wir noch nie gesehen. Wir wissen ja von der Physik her, dass jeder Regenbogen ein doppelter ist. Man sieht es halt leider meistens nicht. Das tolle bei diesem ist noch dazu, dass sich die Farbabfolge im unteren Teil nochmals dreimal verlängert. Unterhalb ist der Himmel strahlend weiß und oberhalb ganz schwarz. Auf jeden Fall eine sehr ungewöhnliche, fast mythische Erscheinung.
Zum Nachtmahl findet Klaus nur mehr recht spärliche Reste im Kühlschrank vor. Morgen müssen wir wieder einkaufen gehen. Dann steht wieder Fußball auf dem Programm: Wales gegen Belgien. Wales gewinnt. Ich beschäftige mich mit der Nachbearbeitung unseres heutigen Ausflugs.
Sa, 2. Juli
In dieser Nacht habe ich wenig geschlafen. Mir war so kalt. Schicht um Schicht habe ich mir immer mehr angezogen. Nun, wie zum Hohn, knallt die Sonne durch unsere Dachluke auf unser Bett und wandert über mein Gesicht - "Solar Realignment in unserem Hünengrab"- in Anlehnung an die in der Grabkammer in Newgrange.
Nach dem Frühstück wird mir endlich auch von innen her warm. Ich mache einen Sonnenspaziergang zum Waschhaus.
Heute geht es in die Wicklow Mountains. Es ist wunderschön hier. Die "Outstanding Natural Beauty" erkennen wir auch ohne Schild. Wir sind begeistert über das wunderbare Licht. Auch einem Filmteam, das gerade hier dreht, geht es offenbar so.
Die Hügel sind mit Hochmooren überzogen. Wenn man nicht auf den Wegen bleibt, kann das gefährlich werden. Mir gefallen die unterschiedlichen Grüntöne der Sträucher und Moose besonders gut. Die Gräser werden von der Sonne in pures Silber verwandelt. Unser Gemüt verwandelt sie auch, sie ist ein richtiger Stimmungsaufheller.
Ich höre aus Klaus' Mund: "Es kann sein, dass Irland doch besonders schön ist." Dazu passt die irische Musik von Altan besonders gut.
Ein wildes Bächlein rauscht über moosbewachsene Steine. Ein glitzerndes, schwarzes, mooriges Flüsschen – das habe ich noch nie gesehen – ergießt sich in den See, Lough Teay. Die Straße ist zwar eng, aber Lastwägen und Autobusse dürfen hier nicht fahren - immerhin. Roundwood ist ein netter Ort mit vielen Blumen. Wir kaufen ein und inspizieren das örtliche Pub "The Coach House" auf Fernseher, WLAN und vegetarisches Essen. Heute Abend spielt Deutschland gegen Italien. Da muss Klaus einfach dabei sein. Ich werde mit guter Internetverbindung und gutem Essen auch auf meine Kosten kommen. Jetzt suchen wir uns oben in den Bergen ein nettes Plätzchen für das Mittagessen und den Nachmittag. Wir erleben einige Regenschauer - natürlich, das kennen wir ja schon. Das regt uns nicht auf, wenn dazwischen immer wieder die Sonne kommt.
Viele Wanderer und sportliche Radfahrer sind unterwegs. Wir begnügen uns mit einem kleinen Spaziergang. Dann schauen wir uns einen Teil des Films "Titanic" an - als letztes Kapitel des Titanic-Schwerpunkts dieses Urlaubs. Klaus hat ja vorgeschlagen, dass wir ihn uns auf der Fähre anschauen sollen, womöglich um 23h40 - ziemlich morbid. Das Schiff mitsamt seiner Einrichtung ist uns seltsam vertraut.
Um 20h fahren wir in unser Pub zum Essen und Fernsehen. Das heutige Spiel, Italien gegen Deutschland, finde sogar ich spannend, besonders das Elfmeterschießen. Deutschland gewinnt letztendlich.
Erst kurz vor Mitternacht erreichen wir unser Schlafplätzchen, das wir uns bereits am Nachmittag ausgesucht haben.
So, 3. Juli
Heute Nacht war es nicht so kalt. Klaus schaut beim Fenster hinaus und ruft erfreut: "Der Traum geht weiter." Das Wetter ist nach wie vor trocken und sonnig.
Wir fahren die schöne Panoramastraße mit Blick auf den See zurück nach Sally Gap, mit einer tollen Aussicht. Das dicht bewachsene Moor wirkt üppig und saftig. Da ist nichts Karges.
Dann wartet das letzte Highlight von Irland auf uns, Glendalough = Das Tal der zwei Seen. Der Parkplatz beim Besucherzentrum ist riesengroß. Unsere Heritage-Card erspart uns wieder einmal den Eintrittspreis. Ein kleines Museum versorgt uns mit Hintergrundwissen. Dann geht es hinaus zur Klosterruine aus dem 7. Jhd. Der hl. Kevin hat es gegründet. Die Wikinger überfielen es mehrmals, und schließlich fiel es im 14. Jhd. einem Brand zum Opfer. Der 30m hohe Rundturm aus dem 11. Jhd. steht noch, ebenso wie die kleine St. Kevin's Church aus dem 12. Jhd., die wegen ihres gedrungenen runden Turmes, der wie ein Rauchfang aussieht, im Volksmund "St. Kevin's Kitchen" genannt wird. Von der ehemaligen Kathedrale ist nicht mehr viel übrig. Ein großer Friedhof mit schönen irischen Hochkreuzen – mit dem Ring um den Schnittpunkt der Balken – gehört dazu. Die ganze Anlage ist von einer Mauer umgeben.
Nun wandern wir durch eine romantische, alpin anmutende Landschaft zu den beiden Seen. So bekommen wir kurz vor unserer Abreise noch einen wunderbaren Eindruck von Irland, und das bei strahlendem Sonnenschein.
Wir haben also unser "Tagwerk" vollbracht und suchen uns einen Campingplatz. Gesten haben wir in Roundwood einen gesehen. Wir schauen ihn uns an, und er entspricht unseren Vorstellungen. Wir trinken Kaffee und waschen dann zum letzten Mal auf dieser Reise unsere Schmutzwäsche. Am Abend radelt Klaus in das Pub, in dem wir auch gestern schon waren, und sieht sich das Fußballspiel Island gegen Frankreich an. Ich bleibe zu Hause beim Lapi. Essen darf ich heute nichts, und WLAN habe ich am Campingplatz auch. Übrigens, Frankreich hat überlegen gewonnen.
Mo, 4. Juli
Es regnet. Die Wicklow Mountains zeigen uns heute eine ganz andere Stimmung - nebelverhangen und rauer. Das hat auch was. Wir fahren zunächst nach Hollywood. Das heißt wirklich so - schon immer. Wir haben noch Zeit, ehe wir morgen am frühen Nachmittag bei der Fähre – zurück aufs Festland – sein müssen. Wir recherchieren, was wir uns hier in der Gegend noch anschauen könnten. Dwyer McAllister Cottage ist typisches kleines irisches Landhaus, aus grob behauenen Steinen aus der Gegend, strohgedeckt, innen und außen weiß gekalkt. Innen hat es zwei Räume, eine Küche mit offener Feuerstelle und Kamin und ein Schlafzimmer. Dieses Haus war bis in die 1940er Jahre eine Ruine, so wie die vielen anderen, die wir immer wieder sehen. Dieses Cottage wurde beispielhaft wieder aufgebaut und hergerichtet. Warum gerade dieses? Es hat eine besondere Geschichte. Ein berüchtigter Rebell, Michael Dwyer, versteckte sich hier 1799, bis britische Truppen das Haus umstellten. Er konnte aber über die schneebedeckten Berge entkommen und floh nach Australien. Das Cottage brannte nieder.
Auch heute noch werden viele Häuser auf ähnliche Weise gebaut. Man sieht sogar immer noch welche mit Strohdach.
Der Regen hat übrigens längst aufgehört, und die Sonne scheint wieder. Zum ersten Mal seit langer Zeit können wir Unterleiberl und Socken ausziehen - Sandalenwetter.
Nun haben wir noch einen kulturellen Programmpunkt vor uns, Ferns. Das Castle wurde im 13. Jhd. von einem Normannen gebaut. Ursprünglich war es ein quadratischer Bau mit vier runden Ecktürmen. Erfreulicherweise ist nach Eroberung und Zerstörung im 17. Jhd. gerade der Turm stehen geblieben, in dem sich die runde Kapelle befand.
Heute steht die Burg mitten in der Stadt. Damals war sie ganz von Wald umgeben.
Wir haben Glück und können gerade noch hinein, bevor zugesperrt wird. Ferns war einst ein religiöses Zentrum. Im 6. Jhd. spielte besonders St. Aidan eine große Rolle. Vieles in der Stadt ist nach ihm benannt.
Die Kathedrale aus 1817, die neben der Ruine der alten aus dem 13. Jhd. steht und teilweise mit deren Steinen gebaut wurde, ist die kleinste Kathedrale Europas.
Ganz in der Nähe steht noch die Ruine der Abbey St. Mary. Man erkennt noch den runden Turm, der uns an St. Kevin's Kitchen erinnert - in Glendalough. Da waren wir gestern. Nun besuchen wir noch das kleine idyllische Nonnenkloster. Die kleinen Häuschen werden an Gäste vermietet. Da herrscht nur Ruhe und Frieden. Keine Computer und keine Fernseher sind erlaubt - für uns also nichts ;-).
Auf unserem Weg zur Fähre suchen wir heute nur mehr einen Schlafplatz. Wir finden ihn in einer Seitengasse in Crossabeg, ca. 25km vor Rosslare, von wo unser Schiff morgen ablegen wird. Als "Einstimmung" schauen wir uns den Film "Titanic" fertig an. Hoffentlich geht es bei uns besser aus. Heute Abend kochen wir wieder einmal, Reste mit Bohnen und Ei - schmeckt besser, als es klingt. Dann klopfe ich noch ein wenig in die Tasten. Morgen früh können wir ausschlafen.
Di, 5. Juli
Unser heutiges Tagesprogramm besteht ausschließlich daraus, in den Hafen von Rosslare zur Fähre zu fahren und dann die Überfahrt nach Cherbourg zu genießen. Schön, dass wir das Meer wiedersehen. Den Vormittag verbringen wir gemütlich im Hafen. Während Klaus bruncht, packe ich ein, was wir an Bord in unsere Kabine mitnehmen werden. Unser Schiff ist wieder die "Oskar Wilde", und wir haben wieder so eine Luxuskabine wie bei der Herfahrt. Es ist fast wie Heimkommen. Vorbeugend nehme ich diesmal gleich eine Tablette gegen Seekrankheit ein - mit Erfolg. Um 15h30 legen wir ab.
Es ist ein merkwürdig, nach dem gestrigen Film auf so einem großen Schiff zu sein. Wir kontrollieren die Rettungsboote und zählen die Plätze darin. Den Sicherheitshinweisen lauschen wir sorgfältig und checken, wo die Schwimmwesten sind. Beruhigend empfinde ich die Tatsache, dass das Personal wöchentliche Übungen für den Ernstfall durchführt. Aus dem Untergang der Titanic hat man ja einiges dazugelernt. Irland verabschiedet sich mit herrlichem Wetter. Während Klaus Abendessen geht, nütze ich unser "Private Bath" für "Wellness". Wir drehen die Uhren wieder um eine Stunde vor und stellen den Wecker auf 8h. Ich möchte morgen nämlich gerne genug Zeit für ein Frühstück haben.
Leider gibt es heute Abend kein Fußballspiel für Klaus. Der Fernsehapparat in unserer Kabine bleibt also ungenutzt. Meine Seekrankheitspille hilft zwar, macht aber sehr, sehr müde, und ich gönne mir ein ausgiebiges Nachmittagsschläfchen, das dann gleich in den Nachtschlaf übergeht. Viel aufzuschreiben gibt es ja heute nicht.
Mi, 6. Juli
Dank meines "Schlafmittels" habe ich herrlich geschlafen. Vielleicht hätte ich dieses Mittel gegen Seekrankheit nicht gebraucht, denn die See war während der ganzen Überfahrt spiegelglatt. Was ein Nachteil ist, weil man dann die Eisberge nicht so gut sieht - siehe Titanic ;-). Mein Magen wehrt sich also nicht gegen ein Frühstück. Danach setzen wir uns ans Fenster im Panorama-Café und schauen zu, wie wir uns langsam dem Land annähern, vorbei an der Insel Alderney. Mit Hilfe von Klaus' neuem Landkarten-App wissen wir genau, wo wir sind. Die Sonne scheint auf das glitzernde Meer. Um 11h sind wir wieder auf dem Festland, in FRANKREICH, in Cherbourg, in der Normandie. Es herrscht wieder Rechtsverkehr. Man fährt rechts herum in die Kreisverkehre ein, man wird rechts überholt, und der Rechtskommende hat Vorrang. Auch unsere neuen Reifen freuen sich, nach Hause zu kommen und wieder richtig ausgesprochen zu werden - Michelin [Misch'l˜ε]. Wir werfen uns auf die Autobahn. Heute wollen wir mindestens bis Paris kommen. Hier ist Sommer. Unterleiberl, Socken und lange Hosen werden weggeräumt. Wir kommen an Ste-Mère-Église vorbei. Dort landeten am D-Day, 6. Juni 1944, tausende alliierte Fallschirmjäger. Zwei blieben am Kirchturm hängen und mussten mit ansehen, wie ihre Kameraden umkamen. Die beiden hingegen haben überlebt. Das Ereignis wurde im Film "Der längste Tag" verewigt. Heute erinnert eine Puppe an der Kirchturmspitze daran. Auch auf Utah Beach und Omaha Beach wird hingewiesen. Das waren die Decknamen der Alliierten für die Küstenabschnitte, wo sie landeten. Sehr viele Menschen sind dabei umgekommen.
In Caen kaufen wir ein – ach ja, hier spricht man ja französisch – und machen Mittagspause. Dann geht es zügig weiter bis Paris. Wir freuen uns noch, den Eiffelturm zu sehen. Und dann geht der Stau los. Auf einer fünfspurigen Autobahn brauchen wir zwei Stunden für 24 km - bei einer Mischung aus rush hour und einigen Unfällen. Bei der Gelegenheit haben wir Zeit, viele moderne Hochhäuser zu bewundern, die uns teilweise sehr gut gefallen, richtige Glaspaläste. So geht auch unsere vierte und letzte Urlaubswoche zu Ende.
Im Vorort Marne-la-Vallée können wir endlich die Autobahn verlassen und finden recht rasch einen Schlafplatz in einer Seitengasse. Da parken jede Menge Schulbusse. Wir stellen uns dazu. Klaus ist ziemlich erschöpft von der Stauerei und das Knie tut ihm weh. Es ist 19h30, jetzt kochen wir uns etwas Gutes.
Danach widmet sich Klaus dem "Game of Thrones" und ich mich dem Reisetagebuch. Ich bedaure, dass wir keine französische SIM-Card haben und daher nicht im Internet recherchieren können. Klaus probiert zum Spaß, ins Internet einzusteigen, und – siehe da – unsere irische SIM-Card funktioniert noch. Wir sind erstaunt und erfreut und nützen das natürlich aus.
Wir müssen uns erst daran gewöhnen, dass jetzt Sommer ist - Fenster öffnen, Fliegengitter schließen.
Di, 7. Juli
Um 9h fahren wir los - Autobahn. Eine Zeitlang geht es durch die Champagne. In der Ferne erkennen wir die Kathedrale von Reims mit ihren "abgeschnittenen" Türmen. Auf der Herfahrt haben wir den lächelnden Engel besucht.
Wir haben auf der ganzen Reise sorgfältig die Musik aus Klaus' Handy durchgearbeitet und auf ihre Tauglichkeit beim Autofahren – da geht es vor allem um die Lautstärke – überprüft. Unsere "Playlist Wohnmobil" ist nun fertig und wir ernten die Früchte. Lauter Highlights erfreuen nun unsere Ohren. Um 13h30 überschreiten wir die Grenze nach DEUTSCHLAND.
Ca. um 17h geraten wir wieder in einen Stau - die übliche Zeit. Wir flüchten gerade noch rechtzeitig über die nächste Abfahrt nach Heilbronn. Der Park&Ride-Platz eignet sich hervorragend zum Übernachten. Nach einer kurzen Pause schwingen wir uns auf unsere Klappräder und radeln den Neckar entlang in die Stadt, nicht allein deshalb, weil Kaus das Fußballspiel (Halbfinale) Deutschland gegen Frankreich sehen möchte. Den gestrigen Sieg Portugals über Wales hat er ja versäumt. Heilbronn scheint ein nettes Städtchen zu sein. Wir finden einen Biergarten mit "Public Viewing". WLAN gibt es hier leider nicht. Also überlasse ich Klaus dem Fußballspiel und mache mich auf eigene Faust auf den Weg in die Stadt. Die Altstadt ist reizend.
Die evangelische Kilianskirche – Renaissance – sieht ungewöhnlich aus, mit ihrer Außen-Wendeltreppe am Turm. Das Rathaus aus dem 16. Jhd. hat eine schmucke, goldene Astronomische Uhr. Natürlich gibt es auch das "Käthchenhaus". Ich habe mit dem Namen der Stadt ja auch gleich das "Käthchen von Heilbronn" von Heinrich von Kleist assoziiert.
Übrigens wurde die Altstadt im Krieg schwer beschädigt und zum Teil ganz zerstört. Alle historischen Gebäude wurden nach dem Krieg wieder aufgebaut. In der Fußgängerzone lande ich im Gastgarten von McDonalds und verbinde mich mit dem dortigen WLAN. Ich kann also dort gemütlich im Internet surfen und mir Youtubes anschauen - ohne Konsumation versteht sich. Ich habe ja heute Fasttag.
Den Verlauf des Fußballspiels bekomme ich trotzdem mit, weil die Stimme des Kommentators aus allen Lokalen und Fenstern dringt. Frankreich gewinnt 2:0. Es bleibt mir also nach ca. 90 Minuten nur noch, Klaus inmitten enttäuschter Fans – teilweise in voller Montur, mit Fußballleiberl, Tröte, Riesenhut und Klatschhand – wieder abzuholen.
Das Heimradeln macht großen Spaß. In der Stadt ist enorm viel los. Auch auf unserem Parkplatz wird gefeiert - was feiern die?
Um 23h30 sind wir wieder zu Hause und versuchen – letztlich erfolgreich – trotz des Wummerns von Bässen zu schlafen.
Fr, 8. Juli
Nach einem gemütlichen Müslifrühstück fahren wir um 9h30 los. Während der Fahrt auf der Autobahn genießen wir die Musikauswahl auf unserer neuen Playlist. Um 15h überqueren wir den mächtigen Inn und reisen in ÖSTERREICH ein. Wir haben nicht vergessen, eine Autobahnvignette zu kaufen.
Unser heutiges Tagesziel ist Thalheim. Zuerst besuchen wir Klaus' Mutti, die heute ihren 92. Geburtstag hat. Hannes und Gaby sind auch da.
Den Abend verbringen wir bei Stefan und Ursula. In bewährter Weise schlafen wir im Wohnmobil vor Klaus' Muttis Haus - das letzte Mal übrigens auf dieser Reise. Wir haben uns in unserem Häuschen sehr wohl gefühlt. Wie heißt es so schön: "My home is my Ca(r)stle" ;-).
Sa, 9. Juli
Heute steht nur noch die Heimreise auf dem Programm. Um 9h 30 fahren wir los.
Autobahn, 12h Ankunft in der Penzinger Straße. 6000 km sind wir gefahren.
Auto ausräumen, Wäsche waschen, ankommen.