
Auf den Spuren zweier Krimihelden
Bruno - chef de police im PÉRIGORD und
Kommissar Dupin in der BRETAGNE
So, 25. Mai
Am Vormittag bereiten wir unser Wohnzimmer und das Vorzimmer zum Ausmalen vor.
Klaus’ Enkel Benjamin, ein frischgebackener Malergeselle, wird sich, während wir weg sind, darum kümmern.
Um 15h fahren wir los. Unsere heutige Ertappe führt uns nur bis HAID bei ANSFELDEN, wo Klaus’ Schwester mit einem köstlichen Abendessen auf uns wartet.
Gleich bei der Abfahrt entdecken wir, dass unser Bord-Kühlschrank offenbar keinen Strom bekommt. Die Überprüfung der einschlägigen Sicherungen führt nicht zum Erfolg.
Wir wollen uns den netten Abend en famille nicht verderben lassen. Morgen ist auch noch ein Tag.
174 km
Mo, 26. Mai
Nach unserer ersten WoMo-Nacht auf dieser Reise kommt uns eine Idee:
Ob uns vielleicht der ÖAMTC mit unsrem Kühlschrank helfen kann? Wenig zuversichtlich fahren wir zum Stützpunkt WELS. Ob die sich mit Wohnmobilen auskennen? Erfreulicherweise findet ein sehr netter und kompetenter Mechaniker noch eine verborgene Sicherung, die tatsächlich kaputt ist.
Wir sind sehr froh und dankbar. Und jetzt geht unsere Reise erst wirklich los.
In strömenden Regen gleiten wir dahin.
Unsere Mittagspause verbringen wir bereits an der Grenze zu DEUTSCHLAND.
Den Schlafplatz, den wir heute anpeilen, kennen wir schon. Er liegt in UNTERFÖHRING, in der Nähe von MÜNCHEN.
245 km
Di, 27. Mai
Heute geht’s nach ULM.
Bis dahin müssen wir wieder recht viele Kilometer fressen.
Die Kunsthalle Weishaupt wartet dort auf uns.
Wir radeln vom Parkplatz aus hin.
Weil das Museum Ulm temporär geschlossen ist, wird zur Zeit in dieser Expositur der berühmte Ulmer Löwenmensch gezeigt.
Er ist ca. 40.000 Jahre alt. Viele Bruchstücken, die man 1939 in einer Karsthöhle des Hohlensteins gefunden hat, wurden zusammengefügt- ein Archäologen-Puzzle sozusagen. Bis ins Jahr 2013 fand man immer noch weitere Teile. Und die Figur wurde mehrmals auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt.
Bei der ca. 30cm hohen Skulptur aus Mammut-Elfenbein handelt es sich um die älteste Mensch-Tier-Plastik der Welt.
Die übrige Ausstellung der Kunsthalle ist in wilder Mischung nach dem Alphabet geordnet.
Da steht z.B. eine Vitrine mit einem uralten Schwert neben einem Schaukelpferd aus 1947. Das Motto lautet: „Ein Museum wird neu buchstabiert.“
In einer großen Glasfläche des modernen Gebäudes spiegelt sich dekorativ der hohe Turm des gotischen Münsters. Das gibt wieder einmal ein tolles Foto.
Gleich daneben steht das gotische Rathaus, das mit Seccomalerei reich verziert ist,.
Nach so viel Kultur widmen wir uns unseren leiblichen Bedürfnissen und machen einen Großeinkauf bei REWE. Solange wir noch in Deutschland sind, wollen wir die Gelegenheit nützen, uns mit veganen Köstlichkeiten einzudecken.
Unseren heutigen Schlafplatz kennen wir auch bereits. In der „Jakobsruhe“, einer Sackgasse am Waldrand sind wir nun schon zum dritten Mal. Da gibt es sogar eine nette Pizzeria ganz in der Nähe.
170 km
Mi, 28. Mai
Unsere Fahrt geht weiter nach Westen. Gerade haben wir die europäische Wasserscheide überschritten und damit den Einzugsbereich der Donau verlassen. Ab hier entwässern die Flüsse zum Rhein.
Wir verbringen einen regnerischen Tag auf der Autobahn- mit Blick auf den Schwarzwald.
Am Nachmittag landen wir in der kleinen Stadt KENZINGEN, auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums.
Hier werden wir uns heute Nacht niederlassen.
279 km
Do, 29. Mai, Christi Himmelfahrt
Ich habe heute Geburtstag. Klaus präsentiert mir gleich beim Aufwachen als Liebesgabe den Rosenbusch, der neben dem Auto wächst. Natürlich darf der dort bleiben.
Unser erster Weg führt uns heute zur Entsorgungsstation, wo wir unser Klo und das Abwasser ausleeren und Frischwasser nachfüllen können.
Der Automat, der für diese Zwecke aufgestellt wurde, ist so kompliziert zu bedienen, dass eine Person dabeistehen muss, die alles erklärt.
Auf dem Parkplatz mit dem wenig einladenden Namen „Streitkopf“ hält Klaus seine wöchentliche Malstunde.
Aber jetzt geht es wirklich nach FRANKREICH. Der Rhein bildet die Grenze.
Natürlich brauchen wir nun eine hiesige Gasflasche.
Wieder sehen wir uns einem Automaten gegenüber, aber mit dem kommen wir gut zurecht. Nach dem Bezahlen öffnet sich automatisch ein Türchen und gibt die Flasche frei.
Wir haben vorsorglich einen Adapter für unsere Gasanlage dabei, aber Klaus’ Einfallsreichtum ist wieder einmal gefragt. Er muss eine Dichtung basteln.
In MULHOUSE spazieren wir bei sommerlichen Temperaturen durch die reizende Altstadt. Besonders gut gefallen uns das bemalte Rathaus aus dem 16. Jhd. und die vielen schmalen Häuser mit ihren Türmchen.
Heute am Feiertag findet auf der Place de la Réunion ein fröhliches Markttreiben statt.
Die neugotische Kathedrale ignorieren wir eher. Sie wird „Temple“ genannt, weil sie eine evangelische Kirche ist.
Man merkt deutlich, dass man im ELSASS ist. Die Straßennamen und andere Aufschriften sind auch auf Elsässerdeutsch, einem rheinfränkischen Dialekt.
Unser heutiges Tagesziel ist BESANÇON.
Wir schlafen neben dem halbverfallenen Fort de Bregille. Von hier oben haben wir - und die Drohne - einen tollen Blick auf die Stadt.
Viele Ausflügler sind an diesem schönen Feiertag hierher gewandert.
Am Abend machen wir einen Spaziergang um die Festung herum, und dann gibt es zur Feier des Tages noch Sekt mit Erdbeeren.
Der Tag klingt mit einem sensationellen Sonnenuntergang aus.
224 km
Fr, 30. Mai
Das scheint hier ein sehr beliebter Ort zu sein.
Die ganze Nacht hindurch herrschte High Life.
Wir konnten trotzdem ganz gut schlafen- immer wieder.
Für uns geht es weiter nach Südwesten.
Wie schon gestern fahren wir den Fluss Le Doubs [du] flussabwärts entlang.
Er ist streckenweise sehr naturbelassen. Sein Name kommt aus dem Keltischen und bedeutet „schwarz“. Schließlich mündet er in die Saône.
Gegen Mittag halten wir an einer Patisserie, und Klaus spendiert mir ein Erdbeer-Tartelette als Geburtstagstorte.
Nach einer köstlichen Kaffee-Jause peilen wir unser heutiges Tagesziel an.
Der Stellplatz in CHALON SUR SAÔNE bietet alles, was das Camperherz begehrt, und die Übernachtung ist gratis.
Am Abend satteln wir unsere Drahtesel und radeln in die Stadt.
Die „HappyCow“-App macht uns einige Vorschläge für Restaurants, in denen vegane Speisen angeboten werden. Klaus möchte mich anlässlich meines gestrigen Geburtstags ausführen.
Wir landen schließlich in einer Trattoria.
Die Altstadt mit den kleinen, windschiefen Fachwerkhäusern ist sehr hübsch. Auf dem Hauptplatz sitzen viele Leute mit ihren Apéritifs im Freien.
An die Kathedrale, die ursprünglich aus dem 12. Jhd. stammt, wurde im 19. Jhd. eine klassizistische Doppelturm-Fassade angefügt. Das hätte man lieber bleiben lassen.
121 km
Sa, 31. Mai
Wir nützen die Segnungen des Stellplatzes, leeren alles aus und füllen unseren Frischwassertank.
Ein Stückchen weiter südlich liegt das Highlight des heutigen Tages, das Klosters CLUNY in BURGUND.
Wir leisten uns Audioguides und nehmen uns viel Zeit für die Besichtigung. Das wird eine Reise durch die Jahrhunderte.
Die ehemalige Benediktinerabtei war Ausgangspunkt bedeutender Klosterreformen und eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters.
Von den cluniazensischen Reform haben wir in der Schule gelernt.
910 wurde die Abtei von Herzog Wilhelm von Aquitanien gegründet.
Nachdem sich die Mönche die Gebeine von Petrus und Paulus aus Rom geholt hatten, wurde der Zulauf so groß, dass man vergrößern musste.
Im 15. Jhd. beginnt der Niedergang des Klosters der durch die Religionskriege im 16. Jhd. beschleunigt wird.
Mitte des 18. Jhd. wurde die Abtei großzügig wieder aufgebaut. Die mittelalterlichen Gebäude wurden abgerissen und durch Bauten in klassizistischem Stil ersetzt.
Zu dieser Zeit steckten die Äbte oft die Einkünfte des Klosters in die eigenen Taschen und lebten gar nicht ständig dort.
Kein Wunder, dass die Abtei während der Französischen Revolution geschlossen und die Archive verbrannt wurden.
Die Gebäude wurden verkauft und als Steinbruch für Straßenbau und Häuser in der Stadt verwendet.
Unter Napoleon entstand auf dem Gelände ein staatliches Gestüt. Offenbar besteht das immer noch. Gleich neben unseren Parkplatz findet gerade ein Wettbewerb im Sprungreiten statt.
Erst 1862 wurde das, was von Kloster und Kirche noch übrig war unter Denkmalschutz gestellt.
Cluny hatte im Lauf seiner Geschichte vier Abteikirchen, wobei jeweils die Nachfolgerin neben ihrer Vorgängerin errichtet wurde.
Die letzte dieser Kirchen war die weltgrößte romanische Basilika und bis zum Bau des heutigen Petersdom in Rom die größte Kirche der Christenheit. Sie hatte sieben Türme.
Einer davon ist heute noch zu sehen.
Von all der Pracht sind nur noch Ruinen übrig.
Im Museum werden viele Bruchstücke ausgestellt.
Nicht weit von hier liegt TAIZÉ, das für uns als Jugendliche große spirituelle Bedeutung hatte. Die schönen Lieder haben wir gerne gesungen.
Noch heute kommen 100.000 junge Menschen aus aller Welt zu den ökumenischen Treffen.
Bei der Weiterfahrt fallen uns immer wieder Ortstafeln auf, die auf den Kopf gestellt wurden. Wir haben das auch schon in Deutschland gesehen. Sie dienen dort als Protest der Bauern gegen Kürzungen der Subventionen in der Landwirtschaft.
Wir sind nun weiter auf dem Weg nach Westen, ins Zentrum Frankreichs.
Gerade haben wir die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik überschritten.
Für die Mittagspause finden wir einen schönen Platz unter Bäumen an einem Kanal.
Hier ruhen wir uns etwas aus und genießen den Schatten. Heute ist ja der heißeste Tag unserer bisherigen Reise. Es hat über 30°.
Bei der Weiterfahrt überqueren wir die Loire, die von mehreren schiffbaren Kanälen begleitet wird.
Schwarze Wolken bauen sich vor uns auf und schenken uns eine willkommene Abkühlung durch einen Regenguss.
Im kleinen Ort MONTAIGUËT-EN-FOREZ finden wir unseren heutigen Schlafplatz.
Wir stehen neben einem großen Kirschenbaum, der uns reich beschenkt.
155 km
So, 1. Juni
Wir fahren nach Südwesten, direkt ins Zentrum von Frankreich.
Wir erfreuen uns am Anblick von leuchtend gelbem Ginster und ganzen Feldern voller roter Mohnblumen.
Das Zentralmassiv taucht vor uns auf.
CLERMONT-FERRAND ist die Hauptstadt der AUVERGNE. Wir kennen ja die Averner von Asterix.
Über die Stadt lässt sich sagen, dass hier die Reifenfirma Michelin ihren Sitz hat, und dass sie uns ansonsten gar nicht in ihren Bann gezogen hat.
Die gotische Kathedrale sticht schwarz aus dem üblichen Stadtbild hervor und wirkt eher düster. Mehrere Jahrhunderte lang hat man mit dem sehr schwer zu verarbeitenden dunklen Stein an ihr gebaut, um zuletzt doch eine neugotische Fassade bekommen.
Die Glasfenster hingegen sind wirklich schön.
Südlich der Stadt zieht sich eine ca. 30 km lange Kette von über 100 Vulkanen entlang, die bis zu 1900m hoch sind. Erfreulicherweise sind sie bereits erloschen.
Ihren Blickfang, den Puy de Dôme, betrachteten sowohl die Gallier als auch die Römer als heilig.
Diese Gegend ist also ideal für den Erlebnispark „Vulcania“.
Der Parkplatz zwischen Gras und Bäumen ist so schön angelegt, dass wir uns vornehmen, über Nacht hier zu bleiben.
Den „Europäische Park für Vulkanismus“ gibt es seit 2002. Der österreichische Architekt Hans Hollein hat ihn entworfen. Wir erleben ziemlich spektakuläre multimediale Präsentationen auf drei Ebenen unter der Erde.
Wir lernen, wie das Sonnensystem entstanden ist, blicken in einen Vulkankrater und erleben den Ausbruch des Mount St. Helens 2008 im Staate Washington mit.
Der ganze Gipfel wurde damals weggesprengt. Wir waren 2017 tatsächlich dort, und alles wirkte wieder ganz friedlich.
Mit einer Erkundungskapsel „tauchen“ wir zum Mittelatlantischen Rücken in eine Tiefe von 2215 m hinunter zu den „schwarzen Rauchern“. Wie Industrieschlote sehen sie aus, aus denen bis zu 400°C heiße, schwefelwasserstoff-haltige Lösungen austreten. Selbst unter diesen giftigen Lebensbedingungen gibt es Lebewesen wie Krabben, Würmer, Muscheln, Schnecken, Anemonen und Seesterne, die teilweise in enger Symbiose mit Bakterien und Archäen leben.
Die meisten Vulkanausbrüche finden ja unter Wasser statt.
In einigen Räumen geht es um Erdbeben und zum Schluss sehen wir noch einen Film über Wirbelstürme.
Wir sind direkt froh, all diesen Katastrophen heil entkommen zu sein und nach ca. drei Stunden wieder in unser „sicheres“ Häuschen zurückzukehren können.
Nach dem köstlichen Abendessen, und nachdem wir es uns so richtig gemütlich gemacht haben, erscheint ein sympathischer Typ in Uniform auf seinem Fahrrad.
Ich habe es schon leise befürchtet. Wir dürfen hier nicht über Nacht bleiben.
Also ziehen wir halt noch einmal los.
Fünf Minuten später haben wir einen Wanderparkplatz gefunden, der uns genauso recht ist. Hier gibt es sogar ein ganz neues, modernes Ökoklo.
Auch heute Abend schenkt uns ein Regenschauer eine angenehme Abkühlung.
121 km
Mo, 2. Juni
Es hat die die ganze Nacht geregnet und in der Früh ist es immer noch sehr verhangen.
Da drehen wir uns noch einmal um und schlafen richtig aus.
Jetzt fahren wir durch eine dicke Nebelsuppe aus der ganz unpassend das Ortsschild „Bellevue“ auftaucht.
Von einer schönen Aussicht kann heute leider keine Rede sein. Wir wollten mit einer Standseilbahn auf einen Berg hinauffahren. Daraus wird leider nichts.
Na, dann haben wir eben einen entspannten Tag.
Auf der Suche nach einem Supermarkt entdecken wir im Städtchen ISSOIRE ganz unvermutet eine sehr hübsche romanische Kirche, die Abbatiale Saint-Austremoine.
Früher war eine Benediktinerabtei angeschlossen. Der Hl. Stremonius war der erste Bischof der Auvergne und ist der Schutzpatron der Stadt.
Die Kirche stammt aus dem 12. Jhd. Uns gefallen besonders die Kapitelle im Altarraum, die das Ostergeschehen darstellen.
Die bunte Bemalung der Säulen finden wir auch sehr hübsch. Sie stammt allerdings erst aus dem 19. Jhd., wie wir erstaunt feststellen.
Den Supermarkt finden wir auch. Nach dem Einkaufen stellen wir fest, dass ein Teil des Parkplatzes ein WoMo-Stellplatz ist. Zu unserer freudigen Überraschung entdecken wir eine Camper-Ent- und Versorgungsstation und eine Waschstation, wie wir sie aus England kennen.
Hier bleiben wir einfach, beschließen wir. Bei diesem Wetter haben wir ohnehin nichts anderes vor.
Nach Wäsche waschen und Bildschirmarbeit machen wir einen Spaziergang in die hübsche Stadt.
Klaus möchte die Kirche nochmals mit seiner besseren Kamera fotografieren.
Und weil das zu einem Ruhetag passt, schauen wir uns am Abend einen Film an.
59 km
Di, 3.Juni
Immer noch im Bann des gestrigen Films laden wir und das Life Aid Konzert aus dem Wembley-Stadion von 1985 herunter. Queen hatte da ja einen legendären Auftritt.
Jetzt haben wir wieder eine neue Reise-Playlist.
Das Wetter ist regnerisch bei ca. 17°. Wir haben daher wieder ausgeschlafen.
Est nach 10h fahren wir los, Richtung Süden.
Wir schätzen die Routes Nationales sehr. So kommt man ohne Mautgebühren flott voran. Teilweise sind sie wie Autobahnen ausgebaut. Zwischen grünen Hügeln und gelben Ginsterhängen gleiten wir dahin.
In MURAT machen wir Zwischenstation.
Wir bummeln durch die hübsche Kleinstadt, die uns mit ihren grauen Steinhäusern und Straßencafés typisch französisch vorkommt. Steil bergauf und bergab führt unser Weg.
Wir blicken auf das Dächermeer hinunter. Viele Gebäude sind mit groben Steinplatten bedeckt.
Hoch oberhalb der Stadt thront eine riesige Madonnenstatue in blendendem Weiß. Unser Geschmack ist das nicht.
Unser Tagesziel ist AURILLAC. Wir schlafen zu Füßen der Burg St-Étienne, die wir uns beim Spazierengehen in einer Regenpause näher anschauen. Wir entdecken einen hübschen Garten mit Blumenrabatten und ungewöhnlichen Bäumen.
127 km
Mi, 4. Juni
Der nächtliche Regen hat unsere Nachtruhe gerettet. Die laut grölenden Jugendlichen sind samt ihrer Musik abgezogen, weil sie nicht nass werden wollten.
Und es regnet immer noch ein bisschen- wie eigentlich jeden Tag. Klaus meint, dass ganz Frankreich an eine Tröpfchenbewässerungsanlage angeschlossen ist.
Uns macht das nichts aus. Eine Hitzewelle würde uns mehr zu schaffen machen.
Im Supermarkt entdecken wir heute Morgen zum ersten Mal Pflanzenmilch und Sojajoghurt. Die ist allerdings gut getarnt als winziges „yaourt“, wie man es aus Frankreich kennt.
Wir fahren durch eine grüne, hügelige Landschaft durchs ländliche Frankreich, wie es ganz typisch ist. Uns gefallen die unverputzten Steinhäuser.
Am frühen Nachmittag erreichen wir das Tal der Dordogne. Der Fluss wird uns die nächsten Tag begleiten.
Unser Tagesziel ist BEAULIEU-SUR-DORDOGNE. Die Stadt trägt ihren Namen „schöner Ort“ zu Recht. Sie ist ganz besonders malerisch mit ihren windschiefen Fachwerkhäusern. Besonders pittoresk ist die Rue Sainte-Catherine.
Das Highlight ist das fast sechs Meter breite romanische Tympanon der Kirche St-Pierre. Die Toten steigen aus ihren Gräbern. Aber sie werden nicht in Seligkeit oder Verdammnis eingeteilt, sondern Jesus breitet seine Arme für alle aus.
Im unteren Bildstreifen sieht man grausigen Fabelwesen. Zwei Figuren werden hier sozusagen von ihrer eigenen Sündhaftigkeit verschlungen.
Etwas abseits steht die Büßerkapelle aus dem 12. Jhd, La Chapelle des Pénitents. Auffällig an ihr ist die Glockenwand, die sich malerisch in der Dordogne spiegelt.
Wir schlüpfen durch die offene Tür ins Innere. Sofort fällt uns das Deckengewölbe in Form eines Schiffes auf.
Ein freundlicher älterer Herr wollte das Kirchlein gerade zusperren, aber wenn wir schon einmal hereingeschlüpft sind, gibt er uns ein kleine Kirchenführung.
Wir erfahren, dass die Kapelle ursprünglich die Pfarrkirche dieses Vorortes war. Im 100-jährigen Krieg wurde sie arg zerstört und wieder aufgebaut. 1820 kaufte sie die Bruderschaft der Blauen Büßer, wodurch sie ihren heutigen Namen bekam.
Nach deren Auflösung fiel das Gebäude an die Gemeinde zurück und wird seither als Museum und Ausstellungsraum genutzt.
Zurzeit werden die Bilder der heimischen Malerin Paule Marie gezeigt. Ihre Portraits stammen aus dem frühen 20. Jhd. und stellen ihre Nachbarn da.
Da es gerade nicht regnet, machen wir einen Spaziergang an der Dordogne entlang.
Idyllischer könnte es hier hier kaum sein. Wasserpest mit unzähligen kleinen weißen Blüten treibt auf dem Fluss dahin. Die blauschwarzen Prachtlibellen sind wunderschön.
Ein Fliegenfischer, der mitten im Wasser steht, trägt zum Postkartenmotiv bei.
Unser WoMo steht auf einem hübschen Stellplatz, der nur tagsüber gratis ist. Weil wir für die Übernachtung nichts zahlen wollen, fahren wir am Abend den Berg hinauf und stehen nun zum Schlafen neben einer alten Kirche. Von hier oben genießen wir die Aussicht auf die Stadt und auf bewaldete Berghänge.
72 km
Do, 5. Juni
Um 7h weckt uns heftiges Glockengeläute. Klaus steht sofort auf und hält Malstunde.
Ich drehe mich noch einmal um.
Führ heute ist trockenes Wetter angesagt. Die Temperaturen werden wieder sehr angenehm sein.
Kurz nach der Abfahrt reisen wir in die Region OKZITANIEN (OCCITANIE) ein.
Die okzitanische Sprache ist in manchen Gegenden immer noch lebendig, und einiges ist zweisprachig angeschrieben.
Wir fahren jetzt durch das Département LOT.
Jedenfalls sind wir im Land der Hortensien gelandet. Sie wachsen in großen Büschen an den Hausmauern und blühen prachtvoll in vielen Farben. Das erinnert uns an unsere letzte Bretagne-Reise 2014.
Unsere erste Station ist ein Campingplatz, bei dem wir Wasser fassen können.
Nun können wir uns beruhigt wieder der Kultur widmen.
CARENNAC ist ein reizendes Dorf mit nur 400 Einwohnern. Es hat sein mittelalterliches Aussehen bewahrt.Wir schlendern durch verwinkelte Gassen mit uralten Häusern und vielen Blumen. Autoverkehr ist hier verboten. Es ist als eines der „schönsten Dörfer Frankreichs“ ausgewiesen.
Die alte Kirche St-Pierre hat schon wieder ein romanisches Tympanon. Jesus wird hier als Weltenrichter mit Buch und erhobenen Fingern dargestellt. Er ist umringt von seinen Aposteln und den vier Evangelisten-Symbolen. Am kleine Kreuzgang des angeschlossenen Klosters erkennen wir den romanischen Flügel. Die anderen Galerien wurden im 16. Jhd. im spätgotischen Flamboyant-Stil erneuert.
Im ehemaligen Kapitelsaal befindet sich eine interessante Grablegung Christi aus dem 15. Jhd. Joseph von Arimathäa und Nikodemus stehen zu beiden Seiten und halten das Grabtuch. Maria, Johannes und andere trauernde Frauen stehen dabei. Maria Magdalena mit ihren langen Zöpfen wischt sich eine Träne ab.
An der Seitenwand ist ein Flachrelief ausgestellt, das die Lebens- und Leidensgeschichte Jesu darstellt. Es stammt ebenfalls aus dem 15. Jhd.
Nun steht für uns der Gouffre de PADIRAC auf dem Programm. Durch einen unterirdischen Fluss ist ein weitläufiges Höhlensystem entstanden. Eine hohe domartige Aushöhlung brach ein, und der 75 m tiefe Schlund mit einem kreisrunden Loch von ca. 35 m Durchmesser entstand. Die Einheimischen nannten ihn „gouffre“, was Abgrund bedeutet.
Ende des 19. Jhd. wagte sich der Höhlenforscher Édouard Martel mit einigen Gefährten als erster mit Strickleitern hinab und entdeckte den Fluss, den er mit einem Faltboot erforschte.
Für uns ist es bequemer und vor allem sicherer, in die Tiefe zu gelangen. Wir können zwischen Aufzug und vielen, vielen Treppenstufen wählen. Natürlich gehören wir zur Minderheit der Sportlichen.
Danach wandern wir durch endlose Gänge den Fluss entlang und gelangen dabei bis in eine Tiefe von 103 m.
Der Weg führt uns vorbei an mystisch beleuchteten Felswänden und mächtigen Tropfsteingebilden. Wir wissen ja, dass sie in 100 Jahren um nur 1cm wachsen.
Ein Audioguide begleitet uns in deutscher Sprache.
Es wird ziemlich kühl, und es tropft ständig auf uns herab. Wir haben vorsorglich unsere Regenjacken dabei.
Das gesamte Gängesystem ist 40 km lang. Davon sehen wir natürlich nur einen Bruchteil.
Mit modernstem Equipment haben Forscher im Jahr 2014 alles genau erkundet.
Wir fahren sogar ein Stückchen mit dem Boot. Das Wasser hat 12°.
Fische gibt es hier keine, aber winzige Schnecken und blinde Grottenolme. Außerdem leben hier unten unzählige Fledermäuse.
Der Rückweg führt uns wieder treppauf und treppab. Die letzten 500 Stufen bis hinauf ans Tageslicht schaffen wir auch noch. Wir sind tatsächlich die einzigen, die sich das antun und nicht den Aufzug nehmen. Wir sind froh, dass wir das so gut schaffen.
Wie schön, dass wir wieder heil bei unserem Häuschen ankommen. Ein paar Minuten müssen wir heute noch fahren, bis wir an unserem Stellplatz für die Nacht ankommen.
Er wurde erst im Vorjahr neu angelegt und bietet alle Camping-Fazilitäten an.
Hier richten wir uns ein, und schon bald brutzelt unser Abendessen.
37 km
6. Juni
Wir haben wieder gut geschlafen.
Heute haben wir nicht viel vor.
Zunächst fahren in das mittelalterliche Städtchen MARTEL. Der Name hat weder etwas mit dem gestrigen Höhlenforscher noch mit Karl Martell zu tun. Die drei Hämmer im Wappen lassen aber auf eine Verbindung mit „marteau“ = Hammer schließen.
Wir spazieren wieder durch malerische Gässchen mit hübschen Steinhäusern und kleinen Läden. Auch hier finden wir wieder ein Nussgeschäft = épicerie de noix, in dem nur Dinge verkauft werden, die aus Nüssen hergestellt wurden: Schnaps, Öl und vieles mehr.
Außerdem sind wir offenbar im Land der Foie Gras = Leberpastete von Stopfgänsen angekommen. Überall wird sie angeboten. Auf den Dosen kann man ein idyllisches Bild sehen, auf dem die Gänseliesel ihre Tiere zum Weiher treibt. Mit der Realität hat das natürlich nichts zu tun. Die grausame Tierquälerei wird klarerweise nicht abgebildet.
Auch gefüllte Entenhälse kann man kaufen.
Im Zentrum der Stadt steht die offene Markthalle, die als „monument historique“ eingestuft ist. Sie hat einen gewaltigen Dachstuhl aus Kastanienholz, der auf Steinpfeilern ruht. An einigen davon entdecken wir eingeritzte Maße für Brot und Getreide. Der Fußboden besteht aus etwa faustgroßen Kieselsteinen.
Nun freuen wir uns auf eine gemütliche Mittagspause, bevor wir um 15h in eine kleine historische Eisenbahn einsteigen. Wir rumpeln unter lautem Getute ca. 10 km bis nach SAINT DENIS und sofort geht es wieder zurück. An eine Zwischenstopp können wir Fotos von der netten Landschaft machen. Leider gab es nicht einmal Dampf. Wir müssen uns mit einer Diesellok zufrieden geben. Das ganze entpuppt sich als eine Seniorenveranstaltung. Da fügen wir uns ja nahtlos ein :-(
Nach ca. einer Stunde sind wir wieder beim Auto.
Leider dürfen wir auf diesem netten Parkplatz nicht über Nacht bleiben, als fahren wir noch 15 km weiter nach SOUILLAC. Hier empfiehlt uns „Park4Night“ einen schönen Stellplatz.
37 km
Sa, 7. Juni
Wir haben heute viel vor und stehen daher ziemlich früh auf.
In der Nacht es wieder geregnet. Jetzt ist es draußen wunderbar frisch
Während unseres Spaziergangs ist in die Stadt ist noch kein Mensch zu sehen. Alle Geschäfte sind noch geschlossen SOUILLAC gehört uns ganz allein.
Aber die Enttäuschung wartet um die nächste Ecke. Die Kirche, die zugegebenermaßen wirklich sehr renovierungsbedürftig ist, ist wegen Restaurierung für fünf Jahre geschlossen.
Also kein Theophilus-Relief - der Diakon hatte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und wurde dann doch gerettet - und auch kein „tanzender Jesaja".
Ein bisschen enttäuscht ziehen wir ab und wenden uns neuen Ufern zu.
Wir reisen ins PÉRIGORD ein. Die historische Grafschaft entspricht im Wesentlichen dem Departement DORDOGNE.
Die Périgourdins sind stolz auf ihr reiches historisches Erbe und ihre Küche.
Neben den bereits erwähnten Gänsen, Enten und Nüssen, werden hier auch überall Trüffeln und Erdbeeren angeboten. Und natürlich ist das Périgord auch eine Weingegend.
Außerdem ist die Region für ihr gemäßigtes Klima bekannt. Wir bewundern überall die üppige Blütenpracht- Rosen in allen Farben aber aber auch Palmen und Bananen.
Die Ortsschilder sind zweisprachig. Wir sind ja auch immer noch in OKZITANIEN.
Spontan bleiben wir in VILLAGE DE MONTFORT stehen. Der hübsche Künstlerdorf samt Burg lädt uns zu einem Spaziergang und zur Frühstückspause ein.
Weiter geht’s nach DOMME. Die Stadt thront auf einem Felsen 150 Meter über der Dordogne. 1291 wurde die Bastide Domme errichtet, um von dieser günstigen Position aus das Dordognetal zu überwachen. Davon zeugt das imposante Stadttor Porte des Tours. Bastiden wurden meist rechteckig, mit rechtwinkligem Straßennetz angelegt und mit einer Mauer umgeben. Die Kirche stand in der Mitte. Ganz so geometrisch war das auf diesem Felsplateau allerdings nicht möglich.
Auch hier gefallen uns die unverputzten honiggelben Steinhäuser.
In einem kleinen Park entdecken wir eine sehr hübsch blühende Akanthuspflanze. Sie ist beschriftet, sonst hätten wir sie nicht erkannt. Mir waren die Akanthusblätter bisher nur als Ornamente an korinthischen Säulen bekannt.
Wir fahren weiter nach LA ROQUE GAGEAC. In einer Flussbiegung stehen hoch aufragenden Felswände, an denen einige Häuser und und eine Kirche
förmlich kleben. Auch die Höhlen waren seit Urzeiten bewohnt.
Ein Teil der Felsen stürzte 1957 in die Tiefe und begrub einige Häuser unter sich. Jahrelang war danach die Straße unpassierbar.
Auf flachkieligen Booten wurde bis ins 20. Jhd. Wein und Holz auf dem Wasserweg bis Bordeaux gebracht. Diese Gabarres befördern jetzt Touristen.
Unsere nächste Station ist das Château del Castelnaud. Ehrfürchtig betreten wir „historischen Boden“. Mit den großen Katapulten = trébouchets, die hier ausgestellt sind, hat unser „Bruno - Chef de police“ Wassersäcke auf den brennenden Wald geschleudert und dadurch wesentlich zur Löschung des Brandes beigetragen.
Wir haben die Krimiserie, die in dieser Gegend spielt, mit großem Vergnügen gelesen.
Die mittelalterliche Höhenburg ist beeindruckend.
Wir besichtigen sie gründlich.
Die Mägen knurren, und wir suchen uns einen netten Platz fürs Mittagessen. Wir finden eine Parkbucht mit schöner Aussicht auf - schon wieder eine - Burg, das Château von Beynac. Wir begnügen uns mit der beeindruckenden Ansicht von außen.
Denn das nächste Château wartet schon auf uns.
Das Château des Milandes aus de 15. Jhd. sieht ein wenig wie ein Märchenschloss aus. Dazu passt auch der Name. Er bedeutet „Mitten im Hain“. Auch die Gärten sind bezaubernd.
Das ist wohl auch der Grund, warum es die wunderbare Josephine Baker erwarb und 30 Jahre hier verbrachte.
Sie wurde 1906 in St. Louis in Missouri geboren und wuchs in sehr ärmliche Verhältnissen auf. Mit 13 Jahren kam sie nach New York.
Das war ein sehr gefährliches Pflaster für sie, weil sie arm und schwarz war. Damals gab es nicht wenige Lynchmorde an Schwarzen.
Zeitlebens hatte die bald gefeierte Tänzerin und Sängerin unter Rassismus zu leiden.
1963 nahm sie mit Marin Luther King an Marsch auf Washington teil.
Sie war fünfmal verheiratet. Von einem ihrer Ehemänner behielt sie den Namen Baker.
Einem anderen folgte sie nach Europa und erhielt durch diesen die französische Staatsbürgerschaft.
Während des zweiten Weltkriegs arbeitete sie als Krankenschwester. Da sie den Flugschein hatte, flog sie auch selbst Rettungseinsätze. Schließlich schloss sie sich der Résistance an. Auf ihre Notenblätter wurden mit Geheimtinte Nachrichten geschrieben, die sie überbrachte. Für ihren Einsatz wurde sie hoch dekoriert und erhielt sogar das Croix de Guerre.
Nach mehreren Fehlgeburten und Operationen im Bauchraum adoptierte sie mit ihrem fünften Mann zwölf Waisenkinder unterschiedlicher Hautfarbe. Sie nannte sie ihre Regenbogenfamilie. Sie wollte zeigen, dass Kinder mit völlig verschiedenen ethnischen, religiösen und kulturellen Hintergründen friedlich und fröhlich miteinander aufwachsen können. Einige Kindermädchen kümmerten sich um die Kinderschar, aber es war den Eltern wichtig, dass die Jungen und Mädchen die Schule im Dorf besuchten und sich hier integrierten.
Im Schloss sind viele Bühnen-Outfis ausgestellt. Unter anderem können wir das berühmte Bananenröckchen der „schwarzen Venus“ bewundern.
Wir wandern aber auch durch die Wohnräume, Schlafräume, Kinderzimmer und Bäder.
Sie hat wohl sehr viel verdient, aber auch einen ausschweifenden Lebensstil gepflegt.
Mit ihren Finanzen ging es bergab, und ihr geliebtes Zuhause musste zwangsversteigert werden.
Bis zuletzt hoffte sie, dass Gott oder General de Gaulle das verhindern würde.
Die neuen Besitzer mussten sie aus dem Schloss tragen.
Freunde und Künstlerkollegen, wie z.B. Brigitte Bardot und Grace Kelly, halfen der Familie über die Runden.
Die Künstlerin starb 1975 - 69-jährig - an eine Gehirnblutung, kurz nachdem sie ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert hatte.
Als erste schwarze Frau wurde sie ins Pariser Panthéon aufgenommen.
Für heute haben wir eindeutig genug gesehen.
Wir fahren noch bis SARLAT, wo wir unseren Schlafplatz neben einem Sportplatz finden.
Nach dem Abendessen verschwinden wir wie jeden Abend hinter unseren Bildschirmen.
Aber bevor es dunkel wird, kleben wir noch das Périgord-Pickerl an die Rückwand unseres WoMo.
100 km
So, 8. Juni
Heute kommen wieder einmal unsere Fahrräder zum Einsatz.
Wir wollen die alte Stadt SARLAT erkunden.
In den engen, steilen Gasseln müssen wir unsere Drahtesel manchmal schieben.
Wir sind wieder einmal früh dran. Ganz langsam scheint die Stadt an diesem Pfingstsonntag zum Leben zu erwachen.
Auch die Markthalle, die in der ehemaligen Église Ste-Marie eingerichtet wurde, öffnet gerade ihre Tore. Hier kann man alle die erwähnten „Leckereien“ des Périgords kaufen.
Die bronzenen Gänse auf dem danebenliegenden Marché aux oies sehen fröhlich aus.
„Kein Wunder“, schmunzelt Klaus, „sie müssen sicher keinen Hunger leiden“- die Stopfgänse.
Auf der weitläufigen Place de la Liberté fand im Bruno-Roman die Open-Air-Aufführung statt, die Szenen aus dem Hundertjährigen Krieg (1337-1453) darstellten.
Dieses Grenzgebiet war ja seit dem Mittelalter zwischen England und Frankreich stark umkämpft.
Die davor blühende Handelsstadt wurde damals arg zerstört. Da sie aber immer zum französischen König gehalten hatte, bekam sie als Dank für ihre Treue und Loyalität. Privilegien, die beim Wiederaufbau halfen.
Allerdings kamen im 16. Jhd. - während der Religionskriege - die Hugenotten, und bald war wieder alles kaputt.
Die Französische Revolution tat ihr Übriges.
Die Stadt verfiel weiter, weil kein Geld für einen neuerlichen Wiederaufbau vorhanden war.
Auf diese Weise blieb die alte Bausubstanz erhalten.
Erst im 20. Jhd. wurde sorgsam restauriert, sodass wir uns heute an den schönen, honiggelben Bauten erfreuen können.
Das klassizistische Rathaus hat einen Turm, auf dem eine aufgemalte Uhr von ebenso aufgemalten Handwerkern repariert wird- sehr originell.
Die Bronzestatue „Le Badaud“ = Der Gaffer sitzt auf einer Mauer und schaut sich das Treiben auf der Place de Liberté an.
In der rue Fénelon findet im Winter der Trüffelmarkt statt, auf dem die „schwarzen Diamanten des Périgord“ verkauft werden. Sie sind so wertvoll, dass es einen Trüffelinspektor gibt, der die Qualität kontrolliert. Darüber wissen wir auch durch unseren Bruno Bescheid.
Nun radeln wir weiter zur romanische Kathedrale mit ihrem knollenförmigen Turmaufsatz aus dem 18. Jhd. und ihrem klassizistischem Portal.
Viel interessanter ist allerdings die danebengehende Lanterne des Morts, ein zylindrisches Gebäude mit kegelförmigem Dach. Das merkwürdige Gebilde überragt die Stadt. Es ist das einziger dieser Art in Frankreich.
Berhard von Clairvaux war während der Pest hier und segnete eine große Zahl von Broten. Wer davon aß, starb nicht an der Pest. Als Dank für das Pestwunder wurde diese Totenlaterne errichtet. Sie wurde als Totenkapelle genutzt, und nach der französischen Revolution als Pulverturm.
Wir müssen uns von Sarlat losreissen, denn für 12h30 haben wir einen Timeslot in LASCAUX IV gebucht. Wir freuen uns schon auf einen der größten Schätze der Region.
Die berühmte Höhle wurde 1940 von vier Burschen und einem Hund entdeckt. Der Abbé Henri Breuil, einer der führenden Ur- und Frühhistoriker war gerade in der Gegend, weil er aus dem von den Deutschen besetzten Paris hierher geflohen war. Er sprach wegen der farbenprächtigen Malereien von der „Sixtinische Kapelle der Prähistorie“.
Die Leuchtkraft der Farben ist wirklich erstaunlich.
Von 1948-1963 war die Höhle für die Öffentlichkeit zugänglich. Durch die zahllosen Besucher wurden die fragilen Wandgemälde bedroht. Durch Sporen auf der Kleidung und auf den Schuhen wurde ein Pilz eingeschleppt, der sich als grünliche Schimmelschicht auf den Höhlenmalereien zeigte. Mit Penicillin konnte man der „grünen Krankheit“ beikommen. Noch schlimmer war die „weiße Krankheit“. Durch das ausgeatmete Kohlendioxid und die Feuchtigkeit der Atemluft bildete sich eine weiße kristalline Ablagerung. Die Gemälde drohten zu verkalken.
Die Höhle musste geschlossen werden, und schon bald reifte der Plan einer identischen Nachbildung. In einem ehemaligen Steinbruch entstand innerhalb der nächsten 20 Jahre LASCAUX II. Die echte Höhle darf nur von einigen wenigen Wissenschaftlern im Jahr besucht werden.
2016 wurde LASCAUX IV eingeweiht. In diesem modernen Zentrum sind nun alle Kunstwerke in Kopie zu sehen. Das ist so gut gelungen, dass man zeitweise vergisst, nicht in der echten Höhle zu sein.
Ein Audioguide führt uns auch den 17m langen und 6m breiten Saal der Stiere. Neben den riesigen Stieren sind die Auerochsen, Pferde und Hirschen nicht weniger eindrucksvoll.
Als Farbpigmente wurde das dunkle Mangan und das gelbe und rote Eisenoxid - vermischt mit Wasser - verwendet. Die Farbe wurde mit Schwämmchen aus Moos aufgebracht und durch Blasrohre aus Vogelknochen gesprüht. Es wurde aber auch mit Pinseln und Fingern gemalt. Um an die höhergelegenen Teile der Höhle zum gelangen, wurden wohl Gerüste verwendet. Als Beleuchtung nutzte man Tierfett-Lampen.
Im Axialen Seitengang beeindruckt uns besonders die galoppierende Pferdeherde.
Zwischen den Tierdarstellungen finden sich verschiedene kryptischen Zeichen, die man bis heute nicht erklären kann.
Mit neuesten Messmethoden gibt man heute das Alter der Malereien mit 18.600 bis
18.900 Jahren an.
Man ist sich heute einig, dass es sich um echte Kunstwerke handelt. Aber wahrscheinlich wurden sie nicht zum Selbstzweck gemalt, sondern hatten wohl etwas mit Religion und Riten zu tun.
Auf einer Fläche von 9000m2 gibt es neben dem Nachbau der Höhle noch viele weiterführende Informationen incl. einem 3D-Kino.
Das Gebäude selbst fügt sich fast unsichtbar in die Landschaft ein. Und ein blühender Garten davor erfreut die Sinne. Wir sind sehr begeistert.
Für 14h30 haben wir LASCAUX II gebucht. Wir fahren mit den Fahrrädern hin. Ganz schön steil geht es da hinauf. Aber wir haben ja unseren „Düsenantrieb“.
Na ja, das hätten wir uns sparen können. Weil wir alles bereits so schön aufbereitet gesehen haben.
Unsere Führerin spricht viel zu viel und viel zu schnell französisch. So dass wir uns irgendwann langweilen- zusammen mit den quengelnden Kindern.
Und was ist nun LASCAUX III? Dabei handelt es sich um eine Wanderausstellung mit Repliken der schönsten Malereien, die in der bangen Welt gezeigt wird.
Wir sind nun endgültig im Tal der Vezère angekommen, der unmittelbaren Wohngegend unseres Bruno. Sein Wohnort selbst ist ja fiktiv.
Wir sind müde und hungrig, als wir den Bauernhof von „France Passion“ erreichen, den wir für heute eingeplant haben. Es handelt sich um eine Entenfarm. Wir bekommen aber kein einziges Tier zu sehen. Die sind sicher „fröhlich“ und wohlgestopft in ihrem Stall :-(
Außer uns stehen noch acht andere WoMos hier.
34 km
Mo, 9. Juni
Der Bauernhof, auf dem wir heute genächtigt haben liegt auf einer Anhöhe.
Wir schauen auf die morgendlichen Nebelschwaden hinunter. Diesen Blick genießen wohl auch unser Bruno und seine Reiterfreunde.
Wir verlassen den Ort MONTIGNAC, in dem auch Lascaux liegt, und fahren nun gemütlich nach Süden, das Tal der Vezère entlang.
Vorbei geht es am Maison forte de Reignac. Diese Felswand war schon vor 20.000 Jahren von Cro-Magnon-Menschen besiedelt. Im 14. Jhd. bauten sich die Seigneurs des Reignac direkt in den Fels einen spektakulären Herrschaftssitz, der bis ins 20. Jhd. hinein bewohnt war.
Für die Grotte des Combarelles haben wir unsere Tickets bereits zu Hause im Internet gekauft.
Hier gehen wir in die echte Karsthöhle und bewundern zahlreiche prähistorische Ritzzeichnungen, die ca. 10.000 Jahre alt sind. Der Gang ist nur 1m breit und stellenweise sehr niedrig.
Man kann die Zeichnungen nur schwer erkennen. Das bedarf Erklärungen und spezieller Beleuchtung. Oft wurden mehrere Bilder übereinander gezeichnet- wahrscheinlich nicht gleichzeitig.
Pferde, Bisons, Auerochsen, Rentiere, usw. wurden dargestellt. Ganz besonders eindrucksvoll ist das Bild einer Löwin.
Man findet aber auch schematische menschliche Darstellungen. Die Interpretation ist teilweise unklar.
Das war sehr interessant, aber schon eilen wir weiter zum nächsten Highlight,
dem Abri du Cap Blanc. Dieser Überhang verdankt seinen Namen den hellen Felswänden. Hier kann man Hochreliefs mit 14 Abbildungen erkennen, die Wildpferde und Wisente darstellen. Da man Reste von rötlichem Ocker gefunden hat, vermutet man, dass die Kunstwerke eingefärbt waren, um sie noch lebendiger wirken zum lassen.
Vor ca. 15.000 Jahren sind sie entstanden.
Hier haben immer Menschen gelebt. Das erkennt man an Überresten von Feuerstellen.
Auch das Skelett einer jungen Frau wurde gefunden. Eine Moulage des Kopfes wurde angefertigt. So könnte sie ausgesehen haben. Natürlich sind Hautfarbe, Augenfarbe und Frisur solcher Abformungen der Fantasie überlassen.
Dieser Abri war immer offen und der Witterung ausgesetzt. Erst seit wenigen Jahren ist er eingehaust.
Ein weiterer Punkt steht heute noch auf der Tagesordnung: Das Nationalmuseum der Prähistorie von LES-EYZIES. Unter den unzähligen Exponaten fällt z.B. die kleine Skulptur aus Rentiergeweih auf, die ein sich leckenden Bison darstellt. An diesem Meisterwerk aus der Jungsteinzeit ist die Körperhaltung und viele anatomische Details besonders bemerkenswert.
Ein rekonstruierter Riesenhirsch und ein Mammut kommen auf uns zu.
Ein befestigtes Gebäude, das im 13. Jhd. unter einem Abri errichtet wurde, und im 16. Jhd. zu einem Renaissanceschloss umgewandelt wurde, beherbergt seit Beginn des 20. Jhd. das Museum. Auf der Terrasse steht seit 1931 die überlebensgroße stilisierte Figur eines Neandertalers.
Mittlerweile wurde das Museum vergrößert und bietet einen hervorragenden Einblick in die Welt unserer Urahnen.
Mir gefallen besonders die kleinen Filmchen, in denen man Handwerkern zuschauen kann, wie sie mit Faustkeilen Werkzeuge und Statuetten herstellen.
Wir haben noch einen anderen Bezug zu diesem Ort.
Hier konnte unser Held Bruno bei Hochzeit der befreundeten Archäologen Horst und Clothilde einen terroristischer Anschlag verhindern.
Nun haben wir unser Tagwerk vollbracht. Wir sind ohnehin schon ziemlich müde.
Jetzt brauchen wir nur noch einen Schlafplatz. Wir finden ihn auf dem Parkplatz einer anderen Grotte- davon gibt es in dieser Gegend ja genug.
53 km
Di, 10. Juni
Auch das war wieder ein guter Schlafplatz. Jeden Tag in der Früh überlege ich einen kurzen Moment, wo wir überhaupt sind. Und zugleich bin ich wie immer in vertrauter Umgebung in unserem eigenen Häuschen aufgewacht.
LE BUGUE ist das Vorbild für Brunos Wohnort SAINT-DENIS.
Wir schlendern über den - in den Romanen oftmals erwähnten - Dienstagsmarkt vor der Mairie. Zu unserer freudigen Überraschung treffen wir tatsächlich einen feschen jungen Mann in der Uniform der Police Municipale an, der das Marktgeschehen kontrolliert und mit den Leuten plaudert.
Ob er das Vorbild für „Bruno - Chef de police“ ist? Ungefähr so haben wir ihn uns jedenfalls vorgestellt.
Auch die Musikuntermalung fehlt nicht. Der Straßenmusikant gefällt uns gut, und einige Standlerinnen singen seine Weisen mit.
Wir entdecken die Gendarmerie, das Altersheim, den Kindergarten und die Kirche, alles Schauplätze der Romane des schottischen Historikers und Politikjournalisten Martin Walker. Er hat selbst hier ein Haus.
„Die zauberhafte Kombination von gutem Essen, Landschaft, Wein und Geschichte machte mich zum Schriftsteller“, huldigt er seiner Wahlheimat.
Besonders malerisch ist die Kleinstadt nicht, aber offenbar lebt es sich hier nett.
Uns zieht es weiter nach LIMEUIL. Dieses mittelalterliche Dorf ist wieder ein ausgesprochenes Kleinod. Es liegt am Zusammenfluss der Vezère und der Dordogne. Wir schicken die Drohne los, um das zu dokumentieren.
Dann steigen wir die engen und steilen Gassen hinauf.
Drei Stadttore sind noch erhalten. Wir finden und durchschreiten sie.
In dieser Gemeinde liegt Pamelas Reiterhof, den Martin Walker in der Krimiserie nach Saint-Denis verlegte.
Von der Vezère müssen wir uns jetzt verabschieden.
Auf der Suche nach einem Platz für die Mittagspause geraten wir unvermittelt in das winzige Dörfchen URVAL, das aus der Zeit gefallen zu sein scheint. 115 Menschen wohnen hier.
Wie in einem Freilichtmuseum kommen wir uns vor. In der alten École des garçons ist die Mairie untergebracht. Besonders hübsch ist die ehemalige Mühle.
Die Wehrkirche Notre Dame-de-la Nativité (=zur Geburt Christi) aus dem 12. Jhd. ist nur ein schmuckloser Klotz. Auch das Innere ist sehr einfach.
Etwas ganz besonderes ist der öffentliche Brotbackofen. Diese windschiefe Hütte gehört wirklich ins Museum.
Mittlerweile ist es Nachmittag geworden. Als Schlafplatz haben wir heute wieder einen Bauernhof ausgesucht. Diesmal handelt es sich um eine Gänsefarm in BELVÈS.
Wir ergattern ein schattiges Plätzchen unter einem riesigen Ahorn. Viele unterschiedliche Tiere laufen frei herum und interessieren sich für uns: Hühner, Enten, Gänse, Schafe und Hunde.
Wir sitzen im Freien, und alles wirkt sehr idyllisch.
Heute war ein richtig heißer Tag.
51 km
Mi, 11. Juni
Heute erreichen wir den südlichsten Punkt unserer Reise- und die bisherige Höchsttemperatur, 34°.
MONPAZIER wurde im 13. Jhd. als Bastide erbaut. Sie ist eine der kleinsten Gemeinden Frankreich, konnte aber ihren mittelalterlichen Befestigungscharakter bewahren.
Der Grundriss mit dem rechtwinkeligen Straßennerz ist vollständig erhalten.
Während des Hundertjährigen Krieges war Monpazier heftig umkämpft und wechselte mehrfach den Besitzer bevor es endgültig an Frankreich fiel. Die Religionskriege brachten im 16. Jhd. neues Unheil. Und im 17. Jhd. hinterließ der Bauernaufstand arge Spuren. Heute gehört es jedenfalls zu den „schönsten Dörfern Frankreichs“.
Wir klappern ein “schönstes Dorf“ nach dem anderen ab. Z.B. liegt BEAUMONT-DU-PÉRIGORD auf unserem Weg. Hier entdecken wir auch wieder eine offene Markthalle.
Alle diese Dörfer sind malerisch und voller Blumen. Alle bieten sie in kleinen Geschäften Köstlichkeiten der Region an.
Wir spüren ein wenig Überdruss. Dazu trägt wohl auch die Hitze bei.
Wir fahren durch Orte, wo auf den Sportplätzen Rugby im Winter und Tennis im Sommer trainiert wird- genau wie in Bruno’s fiktivem Saint-Denis.
Nach einem Großeinkauf im Hypermarché machen wir uns auf den Beg Richtung Bergerac. So kommen wir wieder zurück an die Dordogne.
Das Camperleben verläuft nicht immer glatt:
Ganz plötzlich arbeitet unsere Wasserpumpe nicht mehr. Ohne sie können wir kein Wasser zapfen. Klaus kontrolliert akribisch alle Sicherungen- kein Erfolg.
„Wenn das ein Computer wäre“, sage ich locker dahin, „würde ich ausschalten und wieder einschalten“. Mehr oder weniger zum Spaß mache ich das tatsächlich. Und siehe da, alles funktioniert wieder.
Gestern ist einer unserer Campingsessel zusammengebrochen. Eine Schraube ist unauffindbar verschwunden. Klaus’ Werkzeugkasten ist zwar gut ausgestattet, aber die einzig passende Schraube, die er findet, ist zu lang. Also holt er seinen kleinen Schraubstock und die kleine Eisensäge hervor und schneidet sie ab. Und schon können wir wieder gemütlich sitzen.
Und weil das nicht nicht genug ist, klemmt der Deckel des Wassertanks. Mit Hilfe von Brachialgewalt und einer Zange kann ihn Klaus öffnen. Er zerlegt den Deckel und schafft es, ihn wieder zusammenzubauen. Man kann den Tank jetzt wieder schließen aber nicht mehr zusperren. Das macht gar nichts. Es wird uns niemand das Wasser aus dem Tank klauen.
Und weil’s so schön ist, vergessen wir eben diesen Deckel bei einer Wasserzapfstelle.
Nach ca. 20 Kilometer fällt es uns auf- nochmals zurück. Gott sei Dank finden wir das gute Stück noch vor.
Ansonsten war der heutige Tag von der Suche nach Wasser geprägt. Die Wasserstellen, die uns unser App angezeigt hat, waren kaputt oder lagen trocken.
Später am Abend werden wir dann doch noch fündig.
Erschöpft lassen wir uns auf einem wenig attraktiven Stellplatz neben einem Sportplatz nieder. Immerhin gibt es hier Schatten.
Da bleibt nur eins, wir öffnen eine Flasche Sekt und freuen uns unseres Lebens.
99 km
Do, 12. Juni
Wir haben wieder gut geschlafen.
Wie herrlich ist es, dass es nachts abkühlt und man sich von der Hitze des Tages erholen kann.
Jetzt am Morgen nützen wir die noch halbwegs angenehmen Temperaturen und radeln in die Stadt, nach BERGERAC.
Wir sehen ein paar alte Fachwerkhäuser in der Altstadt und finden die Statue des Cyrano de Bergerac, der zu dem Bildnis einer jungen Dame, das auf ein Fenster gemalt ist, hinaufschmachtet.
Der Dichter des 17. Jhd. war zwar nie hier, aber dennoch hat ihm die Stadt ein Denkmal gesetzt.
Kaum jemand weiß, dass er der Erfinder der Science Fiction Romane und ein Vorläufer der Aufklärung war.
Man kennt ihn vor allem aus dem Versdrama von Edmond Rostand, das mehrfach verfilmt wurde, und in dem die lange Nase Cyranos und seine wohlgesetzte Sprache eine bedeutende Rolle spielen.
Zurück im Auto spüren wir, dass es auch heute wieder sehr heiß wird.
Unsere Reise geht weiter nach PÉRIGUEUX, der Hauptstadt der Region, die sich innerhalb eines gedachten Kreises von ca. 100 Kilometern Durchmesser um die Stadt erstreckt.
Auf dem Parkplatz eines Supermarkts nutzen wir die praktische automatische Waschstation und machen wieder einmal Großwaschtag.
Danach besteigen wir wieder unsere Klappis und radeln in die Stadt.
Die Kathedrale Saint-Front fällt sofort durch ihre vielen, mit Türmchen geschmückten, Kuppeln auf. Der heilige Fronto war der erste Bischof der Stadt. Sein Grab ist seit dem 11. Jhd. ein Pilgeretappe auf dem Jakobsweg.
Die ursprüngliche Kapelle wurde zu klein, und man errichtete eine neue Kirche im byzantinischen Stil, die schon bald der neue Mittelpunkt der Stadt wurde. Im 17. Jhd. wurde sie zur Kathedrale erhoben.
Wir spazieren durch das lebendige Altstadtviertel Saint-Front. Hier gefällt es ins sehr gut. Besonders die rue Limogeanne ist besonders stimmungsvoll.
Sehr originell finden wir das Eschif de Creyssac, das Haus des Nachtwächters aus dem 14. Jhd. Das kleine Fachwerkhäuschen kragt beidseitig weit über einen schmalen Sockel hinaus. Es war Teil der Stadtbefestigung.
Uns erinnert es an die Speicherhäuschen auf Stelzen, die wir aus Spanien kennen.
Wir sind sehr angetan von dieser Stadt mit ihren vielen hübschen Winkeln.
Allerdings, das Musée d’Art et d’Archéologie du Périgord hätten wir uns sparen können. Einzig interessant ist der erste Neandertalerfund der Welt, der Mann von Regourdou.
Jetzt sehnen wir uns nur noch nach Schatten.
Nachdem wir unsere Klappräder wieder in der Garage verstaut haben, fahren wir noch ca. 10 km bis zum heutigen Stellplatz für die Nacht in CORNILLE. Wir fahren an einem Taubenschlag aus dem 18. Jhd. vorbei und landen schließlich auf einem - tatsächlich schattigen - Parkplatz neben einem Spiel- und Sportplatz.
63 km
Fr, 13. Juni
Neben uns ist eine Schulbushaltestelle. Elterntaxis laden hier ihre Kinder ab und bringen auch kleinere Kinder in den Kindergarten, zu dem offenbar der Spielplatz gehört.
Das, was wir gestern für eine ungenutzte Bretterbude gehalten haben, entpuppt sich jetzt als Boulangerie. Klaus freut sich auf ein Baguette. „Nein, meint die Bäckerin energisch, „Das gibt’s nur auf Vorbestellung“. Er setzt seinen Charme ein. Sie lädt sich erweichen und beginnt ihre Vorräte zu zählen. Strahlend bringt Klaus seine Beute heim.
Wir fahren weiter nach Norden. Das Städtchen BRANTÔME ist fast vollständig von einer Schleife des Flusses Dronne umschlossen und wird durch einen Nebenarm zu einer Insel. Diese Tatsache und der Name des Flusses sind Grund genug, wieder einmal die Drohne auf Erkundung zu schicken. Der Beiname „Venedig des Perigord“ scheint uns aber dennoch ziemlich übertrieben zu sein. Es gibt keine Kanäle in der Stadt.
Auch zu den „schönsten Dörfern“ hätten wir den Ort nicht dazugezählt.
Wir schlendern über den Markt und Klaus kann das eine oder andere originelle Foto schießen.
Noch ein Stückchen weiter nördlich müssen wir uns schweren Herzens von Bruno und dem PÉRIGORD verabschieden und überschreiten die Grenze nach „HAUTE-VIENNE“.
Der Name ist keine Huldigung an Wien, sondern der Fluss, der das Département durchfließt, heißt so.
Bis wir den Einflussbereich Kommissar Duponts erreichen, müssen wir in den nächsten Tagen noch einige Kilometer hinter uns bringen.
Immer, wenn wir unterwegs sind, schreibe ich jedes französische Wort auf, das ich nicht kenne. Schließlich will ich meinen Wortschatz erweitern.
Klaus meint treffend: „Ganz Frankreich besteht aus Vokabeln“.
Beim Château de Montbrun aus dem 15. Jhd. wollten wir eigentlich nächtigen. Aber in dieser Talsenke haben wir überhaupt keinen Internet-Empfang.
Da es noch früh am Tag ist, beschließen wir, noch ein Stückchen weiter zu fahren.
So kommen wir heute noch in den Genuss des neolithischen Dolmen von MONTHEIL. Sehr schön und erhaben steht er auf einer Waldlichtung.
Ein bisschen später finden wir in COGNAC-LA-FORÊT unseren idealen Schlafplatz- ein schattiges Plätzchen unter Bäumen mit Zugang zu einem Badeteich. Welch herrliche Erfrischung!
108 km
Sa, 14. Juni
Es hat durch den nächtlichen Regen abgekühlt. Klaus erzählt, dass es sogar ein heftiges Gewitter gab. Davon habe ich nichts mitbekommen. Offenbar habe ich sehr gut geschlafen.
Wir fahren weiter nach NNW. Es geht durch weite Wälder, fast ohne Ortschaften. Wir sind am Rand des Zentralmassivs unterwegs.
Die frische Stimmung nach dem Regen hält leider nicht lange an. Bald beginnt die Sonne wieder zu stechen und der Schweiß zu rinnen.
Unser heutiges Ziel ist POITIERS.
Den Namen kenne ich von der Schlacht von Tours und Poitiers, als 732 die Franken unter Karl Martell das weitere Vordringen der Mauren nach Gallien stoppten. Sie beschränkten sich daraufhin auf Spanien.
Park4night hat uns eine großen Parkplatz unweit des Stadtzentrums empfohlen. Erfreulicherweise ist es hier ruhig. Neben uns verläuft ein Radweg, und dahinter liegt der Wald. Besser geht’s nicht, und wir beschließen, auch über Nacht hier zu bleiben.
Erst können wir uns mit der Stadt gar nicht anfreunden. Wir gehen durch schmutzige Gassen. Die Kathedrale St. Pierre scheint einerseits überdimensioniert. Andererseits scheint es dann für keinen der beiden Türme mehr gereicht zu haben. Sie präsentiert uns zwei ungleiche kurze Stümpfe. Auch das Innere gefällt uns nicht.
Im Musée Sainte-Croix erfahren wir mittels vieler Ausgrabungen einiges über das römische LEMONUM.
Besonders originell finden wir ein Kapitell aus dem 11. Jhd, auf dem zwei kämpfende Männer einander an den Bärten reißen, während ihre Frauen versuchen, sie zurückzuhalten.
Das Viertel um die Kirche Notre-Dame-la-Grande mit ihrer über und über verzierten Fassade versöhnt uns mit der Stadt. Sie hat sich ganz schön lange Zeit gelassen, ehe sie uns ihren Charme offenbart hat.
Hier steht die Universität, und es gibt es viele Straßencafés, einen Markt und Bouqinistes, bei denen wir in den alten Büchern und Filmen stöbern. Klaus kauft sich einen Wälzer über Donatello.
Der Heimweg führt uns durch hübschere Gasseln, bei denen neben jedem Hauseingang ein kleines Blumenbeet angelegt wurde.
Der Himmel bewölkt sich, und gegen Abend können wir es in und neben unserem Häuschen ganz gut aushalten.
125 km
So, 15. Juni
Es regnet, was uns einen vergleichsweise kühlen Tag beschert.
Wir fahren weiter nach NW in Richtung Bretagne.
Die Landschaft verändert sich. Weite Getreidefelder breiten sich vor uns aus. Das Zentralmassiv haben wir hinter uns gelassen.
Wir betreten auch eine neue Region, das PAYS DE LOIRE.
CHOLET ist unser heutiges Tagesziel, eine hübsche, blumengeschmückte Stadt. Für diese Blütenpracht bekommt sie immer wieder Auszeichnungen.
Wir lasssen uns auf einem Stellplatz im Grünen nieder, nahe einer Wohnsiedlung am Stadtrand.
130 km
Mo, 16. Juni
In der Nacht war es so kühl, dass ich mir meine dickere Decke geholt habe.
Tagsüber wird es zwar wieder sehr warm, aber nicht so unangenehm heiß.
Wir haben heute einen gemütlichen Tag vor uns, an dem wir nicht viel Programm haben.
Klaus hat ein Konzept für sein Film im Kopf, den er über diese Reise zusammenstellen will. Als geübter YouTuber filmt er sich selbst, wie er sein Klapprad entfaltet und losfährt. Die Drohne verfolgt ihn auf seinem Weg zwischen den Bäumen und weicht gekonnt selbständig den Hindernissen aus.
Anschließend werden auch noch unsere Vorbereitung für die Abfahrt mit dem WoMo dokumentiert, und unsere fliegende Kamera fliegt brav ein Stückchen hinter uns her.
Wir sind auf dem Weg nach NANTES.
Die ehemalige Hauptstadt der Bretagne gehört mittlerweile offiziell zum Pays de Loire.
Trotzdem hat uns Kommissar Dupin in einem der Krimibände von Jean-Luc Bannalec, alias Jörg Bong, hier einmal ermittelt.
Uns gefällt die Stadt gut, obwohl sie eigentlich ein Industriezentrum mit 300.000 Einwohnern ist.
Die Innenstadt wirkt auf mich weitläufig und sauber. Unsere Fahrräder kommen hier wieder zum Einsatz. Also fallen uns besonders die vielen Radstreifen auf.
Wir waren 2014 schon einmal hier und haben damals Kathedrale und Herzogschloss samt der Lebensgeschichte von Anne de Bretagne sorgfältig abgearbeitet.
Auch die riesigen, von Jules Verne inspirierten mechanischen Tiere und Puppen, genannt Les Machines de l’île, haben wir mit großem Vergnügen bestaunt.
Wir steuern heute zunächst das Hotel an, in dem wir bei unserem letzten Besuch gewohnt haben. Von unserem Fenster aus konnten wir die Zähne eines Riesenkeks von DeBeukelaer LU sehen.
Die Tour LU, die zur längst geschlossenen Keksfabrik gehörte, existiert noch und wurde sogar restauriert und ist heute eines der Wahrzeichen der Stadt. Man kann den bunten Turm nicht übersehen.
Wir konzentrieren uns heute auf das Musée d’Arts de Nantes.
Ich bin zunächst nicht wirklich begeistert von den Werken, die hier gezeigt werden.
Als wir schon glauben, alles gesehen zu haben, entdecken wir im ersten Stock doch noch einige Werke, die meinem „strengen Urteil“ standhalten. Mit den Werken von Monet, Picasso, Chagall und Kandinsky kann man ja immer wieder locken.
Wir radeln zum Auto zurück und suchen uns auf der Strecke nach Vannes ein Plätzchen für den Nachmittag und die Nacht.
Unser App führt uns in das VILLAGE DE BONGARANT, wo wir uns neben einer hübschen, alten Kapelle häuslich niederlassen.
85 km
Di, 17. Juni
Wir dachten doch tatsächlich, wir können Nantes abhaken.
Da fällt es Klaus wieder ein. Er hat doch schon vor Tagen ein Geschäft für Künstlerbedarf ausfindig gemacht, das er gestern besuchen wollte- total verschwitzt.
Wir fahren einfach heute nochmals in die Stadt. Sehr weit ist es ja nicht.
Gott sei Dank hält der Laden, was er verspricht.
Nun kann es weiter nach NW gehen. Wir nähern uns der echten Bretagne an.
Unser Frühstücksplatz liegt an einem kleinen Stausee in einem Waldgebiet.
Wir nehmen die Einladung an, ziehen uns die Wanderschuhe an und umrunden ihn.
Libellen und Eidechsen sind unsere Wegbegleiter. Klaus macht ein paar reizende Videos.
Unsere Reise geht weiter. In ST. NAZAIRE mündet die Loire in den Atlantik. Wir haben also das Meer erreicht.
In LA BAULE sagt uns der anvisierte Stellplatz gar nicht zu.
Das Kalenderblatt meines Französich-Sprachkalenders beschreibt just für den heutigen Tag den berühmten 12 km langen Sandstrand dieses Ortes, den längsten Europas.
Wir haben ihn nicht gesehen.
in BRATZ SUR MER stehen wir nun in einer Sackgasse zwischen edlen Villen.
„Gerade nobel genug für uns“, meint Klaus.
Immer wieder gehen Leute mit Badesachen an uns vorbei und biegen dann rechts ab.
Das muss kontrolliert werden. Tatsächlich, auch hier gibt es einen schönen Strand.
100 km
Mi, 18. Juni
Und wieder war das ein super Platz.
3Als Höhepunkt des Tages sind heute die Salzgärten von GUÉRANDE angesagt. Der Name deutet auf das Salz hin und bedeutet auf bretonisch „weißes Land“.
Aber auch die Stadt selbst entpuppt sich als sehr nett. Sie ist vollständig mit einer Stadtmauer aus dem 15. Jhd. umgeben. Die sechs Türme und vier Tore sind eindrucksvoll. In der Altstadt laden schmale Gässchen und malerische Häuser zum Flanieren ein. Autos dürfen hier keine fahren.
Überall in der Stadt entdecken wir die großen witzigen dicken Katzenfiguren aus Bronze des Comiczeichners Philippe Geluck. Bis jetzt waren sie uns noch kein Begriff, aber ihr Anblick amüsiert uns sehr.
Diese Ausstellung geht um die Welt, und wird zu unserem Vergnügen gerade hier gezeigt.
In der Touristenmeile bietet jedes Haus einen Laden oder ein Restaurant.
Heute ist zusätzlich noch Markt, auf dem man unter anderem alles kaufen kann, was mit Salz zu tun hat.
Wir decken uns mit Fleur de Sel ein und denken auch an unsere befreundeten Hobbyköche.
Dieses Gourmet-Salz entsteht in aufwendiger Handarbeit der Paludiers = Salzarbeiter und ist wegen seines feinen Geschmacks und dem unverwechselbaren Crunch berühmt.
An heißen Tagen fällt es als dünne Schicht an der Wasseroberfläche aus und wird von dort abgeschöpft.
Das aus den Teichen gewonnene Salz ist dagegen weniger rein und billiger.
Bei all den Köstlichkeiten und dem quirligen Leben in den Straßen vergessen wir nicht darauf, die Kirche St. Aubin zu besuchen. Wegen ihrer langen Bauzeit vom 12. - 16. Jhd. weist sie unterschiedliche Stile auf.
Der Reichtum der Stadt beruhte auf der Salzgewinnung auf der Halbinsel.
Die Salzgärten = marais salants, die im Mittelalter angelegt wurden, sind heute noch in Betrieb.
Wir freuen wir uns nun darauf, sie bunten Becken wiederzusehen.
Leider ist vorher ein „kleines" Problem zu lösen. Unser WoMo ist direkt an der Stadtmauer so eng zugeparkt, dass mühsames Reversieren nötig ist. Dabei übersieht Klaus einen Stein, der aus der Mauer hoch oben hervorsteht. Das Auto verhakt sich so, dass weder Links- noch Rechtslenken möglich ist. Ich meine: „Da hilft nur mehr der Schuhlöffel.“ Tatsächlich: Mit dem neuen Metallschuhlöffel zwischen dem Auto und dem Stein können wir uns ohne weiteren Schaden herausquetschen. Große Erleichterung!
In den Salzgärten lassen sich Silber-, Blau-, Grün- und Rosanuancen beobachten. Die Salzbauern errichten an den Rändern kleine weißen Salzpyramiden. Auf diese Weise wird das traditionelle Herstellungsverfahren gepflegt. Von Juni bis September wird das Salz in den 7000 Kristallisationsbecken mit Hilfe der Cimauges = Salzschieber geerntet.
Guérande gehört zur historischen Bretagne, aber nicht nach der moderne Einteilung der Regionen.
Kommissar Dupin hat trotzdem hier einen Mord aufgeklärt und kam dabei der hiesigen Kommissarin in die Quere.
Wir übernachten heute in DOMHERY bei einem Bauern von "France Passion". Zu unserer Freude handelt es sich um eine Bio-Gemüsebetrieb. Also kaufen wir eifrig im Hofladen ein.
39 km
Do, 19. Juni, Fronleichnam
Weil wir in Frankreich sind, gibt’s heute zum Frühstück French Toast. Das französische Weißbrot wird halt schnell alt.
Klaus hat das steinharte Baguette mit der Säge zerteilen müssen. In Milch eingelegt, in der Pfanne gebraten und mit Marmelade bestrichen hat es ein neues Leben erhalten und schmeckt köstlich.
Kleine unverputzte Steinhäuser mit üppig wuchernden Hortensienbüschen, die in allen Farben an den Mauern blühen, zeigen uns den Weg.
Wir schauen einem geschickten Handwerker zu, wie er ein Dach neu mit Reet eindeckt.
Jetzt sind wir wirklich in der BRETAGNE gelandet.
Und es wird Zeit, dass wir das BREIZH-Pickerl an die Rückwand unseres WoMo kleben.
Mittlerweile ist alles zweisprachig angeschrieben.
Man möchte das Bretonische fördern, obwohl kaum mehr jemand diese Sprache im Alltag spricht. Es gibt praktisch keine bretonischen Muttersprachler mehr.
Auf unserem Weg nach Rennes, machen wir eine ausgedehnte Pause in REDON an einem schattigen „Ruheplatz am Wasser“- genauer gesagt am Fluss Vilaine.
Nach einer Feiertagsjause mit Éclairs machen wir uns auf den Weg nach RENNES, der Hauptstadt der heutigen Bretagne..
Bis dahin müssen wir noch ca. eine Stunde fahren.
Es ist sehr heiß. Wie schleppen uns durch die Stadt, vorbei an der ziemlich hässlichen, klassizistischen Kathedrale. Der Vorgängerbau, der im 18. Jhd. abgerissen wurde, hätte uns wahrscheinlich besser gefallen.
Auch das Innere ist uninteressant. Die bunten Glasfenster sind allerdings sehr schön.
Zu unserer Freude finden wir die schiefen Fachwerkhäuser wieder, die uns vor 11 Jahren so gut gefallen haben.
Danach hat Klaus sogar noch so viel Energie, sich Sandalen zu kaufen.
Erschöpft fallen wir in einer Pizzeria ein, wo wir köstlich speisen.
Jetzt müssen wir noch zum Auto zurückfinden und uns einen Platz für die Nacht suchen. Aber wozu haben wir unser schlaues App. Es führt uns ca. 10 km weiter, auf einen Waldparkplatz in PACÉ.
Hier stehen noch andere Wohnmobile.
137 km
Fr, 20. Juni
Als erstes fahren wir heute zu den Forges von PAIMPONT.
In diesen Schmieden wurde seit dem 15. Jhd. die reichen Eisenerzvorkommen dieser Gegend verarbeitet und ein harter, qualitativ hochwertiger Stahl hergestellt. Die Handwerker waren auf die Erzeugung von Hellebarden und Armbrüsten spezialisiert, die sie bis nach Nantes und Rennes verkauften.
Für das Heizen der Brennöfen wurde ein Gutteil des Waldes kahl geschlagen.
Die Hochblüte erlebten die Schmieden im 19. Jhd, als sie die Schiffswerften der Bretagne belieferten.
Heute ist von der industriellen Vergangenheit des Ortes kaum noch etwas zu erkennen.
Kleine, niedrige Häuser aus dem 18. Jhd. stehen nebeneinander. Bei manchen sieht man noch größere Schlote. Die kleinen Gärten sind voller Blumen. Auch eine Kapelle gehört zu diesem hübschen Ensemble.
Gerade wird für eine Hochzeit hergerichtet. Das hier ist ja wirklich eine romantische Location.
Und nun tauchen wir ins Zauberreich von Merlin ein, in den Wald von Brocéliande.
In den Landkarten ist er als Forêt de Paimpont verzeichnet.
Es ist der Überrest eines riesigen, zusammenhängenden Waldgebietes, der einst das Landesinnere der Bretagne bedeckte. Sein Legendenname lautet Brocéliande.
In diesem Wald spielen viele Begebenheiten aus der Sagenwelt von König Artus und seiner Tafelrunde.
Also, nicht nur in Südengland wird die Artussage verortet, sondern auch hier in der Bretagne.
Wahrscheinlich wurde sie mit den aus Britannien einwandernden christianisierten Kelten hierher importiert.
Wir wollen eine kleine Wanderung machen. Aber leider ist das Château de Comper geschlossen und alle Zugänge zum magischen See sind abgesperrt. Die Drohne kann auch gar nichts Magisches erkennen.
Der Zauberer Merlin ließ hier für seine Geliebte, die Fee Viviane, einen prächtigen Kristallpalast errichten. Um ihn vor den Augen der Sterblichen zu verbergen, bedeckte er ihn mit der Illusion eines Sees.
„Die Frau war aber ein rechtes G’frast“, wie Klaus das so schön ausdrückt. Sie entlockte dem Zauberer alle seine Geheimnisse.
Nun war sie mächtig genug und sperrte ihn für alle Zeit in ein Gefängnis aus undurchdringlichem Lufthüllen.
Merlins Grab gibt aber hier auch irgendwo.
Viviane war aber nicht nur böse. Schließlich war sie es, deren Arm aus dem See auftauchte um Artus das Schwert Excalibur zu überreichen, nach dem er seine magisches Waffe, die er von Merlin erhalten hatte, zerschlagen hatte.
Außerdem erzog sie den ausgesetzten Königssohn Lancelot, der zu Artus bestem Freund wurde, ihn aber dann mit dessen Frau Guinevere betrog.
Im Krimiband „Bretonische Geheimnisse“ machen Kommissar Dupin und sein Team einen Betriebsausflug in diese geheimnisumwobene Gegend und klären den Mord an einem Artus-Forscher auf.
Wir flüchten vor der Sonne - es hat 35° - in den herrlich kühlen Schatten von Bäumen und halten eine ausgedehnte Siesta.
Sogar ein paar höchstwillkommene Regentropfen werden uns beschert.
Der Platz hier ist so angenehm, dass wir ihn gar nicht mehr verlassen wollen.
Also erklären wir ihn kurzerhand zu unserem Schlafplatz.
54 km
Sa, 21. Juni
Mit dem Auto suchen wir einen anderen Teil des Waldes auf, der nicht in Privatbesitz ist.
Heute wollen wir nämlich wirklich wandern.
Am frühen Morgen ist es im Wald herrlich kühl.
Im Forêt de Brocéliande gibt es immer noch viel zu entdecken.
Von einem Dolmen, der vor langer Zeit gesprengt wurde, weil Grabräuber Schätze darunter vermuteten, liegen noch zwei große Steine herum.
Merlin hielt hier Rast und schlief ein. Viviane nützte die Gelegenheit und spann den Zauberer hier in die schon erwähnten unentrinnbaren Lufthüllen ein. Für uns gewöhnliche Sterbliche unsichtbar sitzt der Betrogene noch immer hier.
Die Stelle wird als Merlins Grab bezeichnet.
Jetzt suchen wir uns den Jungbrunnen. Seine wundertätigen Kräfte wirken zur Sonnenwende besonders gut. Das ist genau heute.
Auch Tugendhaftigkeit ist Voraussetzung. Die haben wir natürlich sowieso.
Leider lädt das Wasser nicht zum Baden und schon gar nicht zum Trinken ein.
Meine große Zehe ist viel jünger geworden, und der Rest von uns ist sowieso jung genug.
Hier, auf diesen Wegen ist jedenfalls nicht nur Merlin sondern auch Kommissar Dupin geschritten.
Unzählige Stoamandeln wurden hier aufgestellt, wahrscheinlich von Merlin-Pilgern wie wir es sind.
Die tausendjährige Eiche von Guillotin, die beim Dörfchen RUE EON in einer Wiese steht, muss mittlerweile mit Seilen aufrecht erhalten und außerdem bepölzt werden.
In ihrem Stamm fanden angeblich mehrere Leute Platz.
Der Legende nach hielt der Abbé Guillotin auch während der Französischen Revolution hier heimliche Messen ab. Vor den Häschern versteckte er sich im Inneren des Baumes, und eine Spinne spann sogleich ein festes Netzt vor den Eingang, und schützte so den frommen Mann.
Ein großer Supermarkt lädt uns zum Einkaufen ein. Während wir im Geschäft sind, dreht sich munter die Waschmaschine. Und während wir auf dem Parkplatz frühstücken, ist der Trockner am Werk.
Frankreich ist wirklich ein ideales Land für Camper. Fast in jedem Dorf gibt es einen Stellplatz bzw. eine Entleerungsstelle, und fast bei jedem großen Supermarkt steht eine Automaten-Wäscherei.
Wir sind wieder reisefertig und fahren in das verschlafene Dörfchen TRÉHORENTEUC.
Die kleine Kirche aus dem 17. Jhd. ist äußerst originell. Die Vermischung von keltischer Mystik und christlicher Religion ist hier besonders klar ersichtlich. Der Pfarrer Henri Gillard ließ die Kirche von 1942-1962 durch zwei kriegsgefangene deutsche Künstler weitgehend umgestalten. Biblische Motive wurden auf den Hintergrund der keltischen Sagenwelt dargestellt. Das Glasfenster über dem Altar zeigt den Heiligen Gral. Auf einem anderen Bild ersetzen die Ritter der Tafelrunde und König Artus die Jünger Jesu. Die Hl. Maria wird wir als Fee Morgane in einem roten, tief ausgeschnittenen Kleid dargestellt.
Die konventionell eingestellte Kirchenleitung ließ den Pfarrer schließlich strafversetzen.
Jetzt steht er allerdings schon seit vielen Jahren in Bronze vor seinem Kirchlein.
Wir machen uns von hier aus zu Fuß und in Wanderkleidung auf den Weg ins "Tal ohne Wiederkehr“. Der Legende nach ist dies das Reich von Artus’ Halbschwester, der Fee Morgane. Sie hielt hier untreue Männer fest, die dann natürlich nicht wiederkehrten.
Wir machen eine wunderschöne Rundwanderung durch die Felsen = „Merlins Sitz“ hinunter in die Schlucht, zum Seerosenteich, wo die „nächtlichen Wäscherinnen“ am Werk sind, denen man nur ja nicht helfen darf. Sonst verwirkt man sein Leben und kann auch nicht zurückkehren.
Wir haben unseren Waschtag ja heute bereits hinter uns.
Zuletzt finden wir doch noch den Goldbaum = Arbre d’Or des Künstlers François Davin, der dieses Werk nach dem verheerenden Waldbrand von 1989 schuf. Er soll die bevorstehende Wiedergeburt des Waldes symbolisieren.
Mittlerweile ist bereits alles wieder üppig nachgewachsen.
Nach einem letzten Anstieg tauchen wir aus dem Tal auf und sind - Gott sei Dank - wiedergekehrt.
Heiß ist es wieder geworden, und wir verlassen unbeschadet die Zauberwelt.
Park4Night zeigt uns einen schattigen Platz neben einem Teich, der sich später als ziemlich großer Stausee des Flusses L’Yvel entpuppt.
Wir sind hier ganz allein und können nackt ein erfrischendes Bad nehmen.
Als es dunkel wird, sorgen die Frösche für romantische Begleitmusik und singen uns dann in den Schlaf.
45 km
So, 22. Juni
Wir brauchen Baguette. Das ist kein Problem, weil wir ja wissen, dass am Sonntag die Bäckereien und Supermärkte bis Mittag offen haben.
Bei der Weiterfahrt entdecken wir bei einem Denkmal eine Ansammlung von Ordensträgern mit blau-weiß-roten Schärpen und ernsten Minen.
Eine Menschentraube ist um sie versammelt. Wir stellen uns unauffällig dazu.
Kränze werden niedergelegt und Schweigeminuten abgehalten.
Nach einer kurzen Rede intoniert ein Chor alter Damen die Marseillaise und viele Zuschauer singen mit.
Zum Schluss gibt es noch eine Darbietung von Dudelsackspielern- sehr feierlich und sehr patriotisch.
Soweit ich es verstanden habe, hatte die Veranstaltung etwas mit der Résistance zu tun.
„Das war jetzt der Höhepunkt des heutigen Tages“, meint Klaus- ganz schön viel Action für einen Ruhetag.
Als Standplatz haben wir uns wieder einmal einen Bauernhof ausgesucht.
Er liegt in SUSCINIO, nicht weit vom gleichnamigen mittelalterlichen Wasserschloss entfernt.
In den Rosenkriegen spielte das große Château eine Rolle, dann verfiel es und wurde in den 1960er Jahren aufwändig restauriert.
Deshalb sieht es wohl so aus, als wäre es einem Märchenbuch entsprungen- mit seinen vielen runden Türmen.
Von den Bauern kriegen wir nichts zu sehen. Es gibt einfach eine große Wiese, auf der bereits andere WoMos stehen.
Wir stellen uns dazu und machen uns einen gemütlichen Nachmittag.
Bevor es wirklich gemütlich wird, stehen allerdings noch einige Reparaturarbeiten in unserer Garage an.
Damit uns nicht fad wird, machen wir einen kleinen Radausflug. Es geht vorbei am Schloss bis zum Strand.
Der Wind bläst uns ordentlich durch.
Die Temperaturen sind heute merklich niedriger als gestern.
77 km- bei einem km-Stand von 177771- sehr schön symmetrisch.
Mo, 23. Juni
Wir legen heute einen echten Ruhetag ein.
Wir haben nämlich Fähren für die Inseln gebucht. Daher müssen wir im vorgegebenen Zeitrahmen bleiben.
Faul sind wir natürlich nicht. Putz- und Reparaturarbeiten gibt es ja immer.
Die Fahrt zu unserem heutigen Stellplatz führt uns an den Marais von SÉNÉ vorbei. Diese Marschen sind ein Naturschutzgebiet am Golf von Morbihan.
„Mor bihan“ ist bretonisch und bedeutet „kleines Meer“. Diese flache Binnenmeer von einer Größe von ca. 12.000 Hektar ist nur durch eine schmale Passage mit dem „großen Meer“ verbunden. Durch diesen schmalen Durchlass strömt das Wasser täglich mit Macht aus und ein.
Hier befindet sich eines der größten Vogelreservate Europas.
Hunderte Inseln und Inselchen liegen im Golf. Zwanzig davon sind bewohnt. Manche davon verschwinden bei Flut.
Der Legende nach entstand er durch die Tränen trauriger Feen, die einst von den Menschen vertrieben wurden.
Bei Flut scheinen die bewaldeten Inseln auf dem Wasser zu schwimmen- die Haarkränze der Feen.
Bei Ebbe sieht man von Prielen, Sandbänken und Austernparks durchzogene Schlicklandschaften, die ich nicht so attraktiv finde.
Wir haben uns auf einem Stellplatz, der alle Stückeln spielt, eingerichtet.
Hier genießen wir zum ersten Mal auf unserer Reise einen Stromanschluss und WLAN.
Wir nützen die Gelegenheit und laden alles auf und aktualisieren alle unsere Daten.
Gegen Abend schwingen wir uns auf die Fahrräder und drehen eine Runde am Wasser.
25 km
Di, 24. Juni
Wir schlafen gemütlich aus.
Ich möchte meine Wasserflasche füllen. Sie ist nicht da.
Sie ist wohl noch in der Fahrradtasche, die wir gestern Abend mitgenommen haben.
Die Fahrräder sind da, aber die Tasche nicht. Der Fotoapparat mit dem teuren Teleobjektiv ist da drin.
Wir haben gestern die Räder kurz abgestellt und sind ein Stück zu Fuß gegangen. Da hat Klaus die Tasche mitgetragen.
Offenbar hat er sie beim Zurückkommen zu den Rädern abgestellt und nicht angehängt.
Ohne es zu merken sind wir zum WoMo zurückgeradelt.
Klaus schwingt sich aufs Fahrrad. Vielleicht steht das gute Stück ja noch dort. Leider nein.
Wir fragen bei der Rezeption des benachbarten Campingplatzes nach. Niemand hat etwas abgegeben, aber wir könnten in der Mairie von SÉNÉ nachfragen. Wir radeln los.
Jetzt wird es skurril.
Unser Hausarzt aus der Penzinger Straße ruft an.
Die ehrliche Finderin hat in unserer Tasche einen alten Überweisungsschein mit Arztstempel gefunden, den Klaus offenbar in einem Seitenfach vergessen hatte. Sie hat ihre Freundin aus Österreich - aus Oberösterreich sogar - kontaktiert, weil sie nicht deutsch spricht.
Besagte Claudia hat unseren Doktor angerufen. Der konnte Klaus’ Telefonnummer nicht hergeben, also hat er angerufen und uns die Nummer der Österreicherin gegeben.
Ganz merkwürdig, dass die weiteren Verhandlungen im Heimatdialekt stattfinden.
Wir haben also jetzt die Kontaktdaten der Finderin.
Wir telefonieren und fahren bei ihr vorbei.
Ein sehr nettes Ehepaar in unserem Alter war gestern Abend mit dem Hund draußen.
Sie sind fast so froh wie wir, dass alles so gut ausgegangen ist.
Wir bekommen Pfirsichsekt zu trinken, und ich kann ein bisschen französisch parlieren.
Finderlohn lehnen sie kategorisch ab.
Klaus hatte schon überlegt, ob es ein Leben nach einer Kamera geben kann, weil sein Handy ja ohnehin gute Fotos macht.
Das Teleobjektiv wäre uns aber sicher bei den Vogelbeobachtungen sehr abgegangen.
VANNES ist gar nicht weit weg. Wir radeln am Abend in die Stadt. Dafür brauchen wir ca. eine halbe Stunde.
Die hübsche Altstadt mit den alten, windschiefen Fachwerkhäusern lädt zu Flanieren ein. Auch die kleine Skulptur „Vannes et sa Femme“ grüßt von der Hausecke.
Wir halten Ausschau nach einem netten Restaurant fürs Abendessen und finden eine Crêperie. Die Galettes de sarrasin - aus Buchweizen - schmecken köstlich.
Die Fahrradtasche hüten wir wie unseren Augapfel.
0 km mit dem Auto, 10 km mit den Fahrrädern
Mi, 25. Juni
Heute verlassen diesen angenehmen Platz wieder, an den wir uns schon fast gewöhnt haben.
Wir überholen einen Wanderer, der einen großen, voll bepackten Karren mit Bauchgurt hinter sich herzieht. Mit großen Buchstaben steht darauf zu lesen: „Spectacle itinerant“ = Wandershow. „Ce soir je joue avec vous“ = Heute Abend spiele ich mit euch. Wahrscheinlich führt er seine Requisiten mit sich herum. Schade, dass wir seine Ein-Mann-Show versäumen werden.
Die andere Seite des Golfes von Morbihan ist unser Ziel. Von dort aus setzten wir mit unseren Rädern auf die kleine ÎLE AUX MOINES = Mönchsinsel über. Die Fahrt mit der Fähre dauert nur fünf Minuten.
Der Name rührt daher, dass sie vor langer Zeit im Besitz eines Klosters war.
Obwohl die Insel nur 7 km lang und 5 km breit ist, ist sie größte im Golf.
Alles hier wirkt mininaturhaft. Das kleine „Liebeswäldchen“, schmale bis sehr schmale Straßen, hübsche, kleine Häuser, und überall blüht es.
Im Hauptort LE BOURG warten Souvenirläden und Lokale auf Touristen.
Irgendwo hier ist Kommissar Dupin bei seinem petit café gesessen und hat über seinen aktuellen Fall nachgedacht.
Im Hafen sehen wir einige wenige Autos, aber grundsätzlich sind die Einheimischen auf allen Arten von Zweirädern unterwegs. Viele benutzen Lastenfahrräder. Wir sehen das Gefährt des Arztes mit der Aufschrift „MÉDECIN“ und das des Postlers.
Viele Touristen sind mit eigenen oder gemieteten Elektrofahrrädern unterwegs
Wir radeln auf auf holprigen Pfaden, die uns zu einem der größten Steinkreise Europas, dem Cromlec’h de Ker Gonan führen. Hinter einem Haus liegt er versteckt. Im Zentrum steht eine riesige Föhre.
Als nächstes interessieren uns die Dolmen.
In der beeindruckenden Anlage von Pen Hap ist vor der ehemaligen Grabkammer noch ein Teil des eingedeckten Zugangs erhalten.
Die Wegerln werden immer abenteuerlicher. Aber schließlich finden wir auch noch den kleinen Dolmen de Kerno.
Nach ca. eineinhalb Stunden eilen wir zurück in den Hafen, um die Fähre um 14h nicht zu verpassen.
Wir haben nämlich für heute um 15h einen Besichtigungstermin gebucht.
Alles geht sich gut aus- aber knapp.
Um 14h30 stehen wir im Hafen von LAMOR-BADEN parat und warten auf die Überfahrt zur ÎLE DE GAVRINIS, auf der sich ein spektakulärer Cairn befindet.
Unsere Führerin ist reizend und spricht langsam und deutlich französisch. Ich kann sie ganz gut verstehen. Bei Unklarheiten gibt sie uns Erklärungen auf englisch.
Der Cairn stammt aus der Jungsteinzeit und daher ca. 6.000 Jahre alt.
Die Archäologen haben bei der ersten Ausgrabung um 1832 keine Grabbeigaben gefunden. Offenbar waren hier bereits in früheren Zeiten Plünderer am Werk.
In Kleingruppen - mit Lampen ausgerüstet - gehen wir gebeugt durch den 13m langen Gang bis zur Grabkammer.
Das bemerkenswerte sind die Ornamente der Tragsteine: schlangenförmige Linien, konzentrische Kreise, Tannenzweigmuster.
Wie Experten feststellten, sind die diese Steine älter als das Grab. Sie wurden also von woanders hierher gebracht, recycelt sozusagen. Woher sie stammen, weiß man nicht.
Spektakulär war die Entdeckung, dass man auf der Oberseite der freigelegten Deckplatte gigantische Ritzzeichnungen fand. Verblüffend ist, dass die unvollständige Darstellung eines Stiers genau an die Ritzungen der Deckplatte des „Table de Marchand“ in Locmariaquer passt. Haarscharf fügen sich die Bruchkanten aneinander.
Hat man ihn von dort geraubt, um die übernatürlichen Kräfte der anderen Sippe zu bannen?
Auch, wie dieser 60 Tonnen schwere Stein über Land transportiert wurde, weiß man nicht. Den Golf gab es ja damals noch nicht, da der Meeresspiegel in der Eiszeit wesentlich tiefer lag.
Wir sind immer noch beeindruckt, als wir wieder auf dem Festland sind und in unser Auto steigen.
Für die heutige Nacht haben wir einen Bauern von „France Passion“ in BADEN geplant.
Wir finden eine große Wiese vor, auf der wir ganz allein und unbehelligt stehen können.
Ein kurzer Regenschauer - sogar mit Donnergrollen - bringt angenehme Abkühlung.
Schließlich kommt doch noch der Bauer daher, der uns von seiner Reise nach Wien vorschwärmt.
30 km + 13 km mit den Fahrrädern auf der Mönchsinsel
Do, 26. Juni
Am Vormittag wird gemalt beziehungsweise geputzt.
Jetzt freue ich mich schon auf unsere Radtour.
Die Halbinsel QUIBERON ist ca. 20 km lang und ziemlich schmal.
Die engste Stelle ist der Isthmus von Penthièvre. Er ist nur 100m breit.
Dieser Dünenstreifen verbindet den untere tropfenförmige Teil, der erst seit dem 11. Jhd. mit dem Festland verbunden ist.
Die Côte Sauvage = wilde Küste hat ihren Namen zu Recht, wie wir feststellen.
Für den Stellplatz in KERNÉ nehme wir heute wieder Geld in die Hand.
Wir fahren ja morgen ohne Auto auf die Belle-Île und werden erst übermorgen am Abend zurückkommen.
Wir wollen unser MoMo nicht so lange ganz ohne Schutz zurücklassen.
60 km + 15 km mit den Fahrrädern
Fr, 27. Juni
Unser Inselabenteuer beginnt.
Mit vollgepackten Rucksäcken und Packtaschen radeln wir in den Hafen.
Wir werden ja unser WoMo zurücklassen und nur mit den Fahrrädern auf die Insel fahren. Einmal werden wir dort übernachten.
Auf die Annehmlichkeiten unseres „Eigenheims“ werden wir für zwei Tage verzichten müssen, denn Wohnmobile dürfen nicht übersetzen.
Auf der Fähre lernen wir ein Paar in unserem Alter kennen, das aus dem Elsass stammt und gut deutsch spricht.
Mit Plaudern vergeht die Stunde der Überfahrt schnell, und mein Magen hält auch gut durch.
Um 10h30 betreten wir die BELLE-ÎLE-EN-MER, die Bannalec in seinem Roman „Bretonische Idylle“ so begeistert beschrieben hat.
Uns fällt gleich auf, dass die Häuser bunter sind, als auf dem Festland.
Unser Zimmer ist noch nicht bereit. Also lassen wir unser Gepäck im hübschen Hotel „Clos-de-Fleuri“ zurück und brechen zu unserer ersten Tour auf.
Bei sehr angenehmen Temperaturen und etwas frischem Wind überqueren die Insel und radeln zunächst nach BANGOR.
Im oben erwähnten Roman werden die Acadiens = Akadier als die stolzen, alteingesessenen Inselbewohner beschrieben.
Im 17. Jhd. wanderten viele Bretonen nach Kanada aus und gründeten dort die französische Kolonie Akadien.
1755 fielen sie - anders als die Quebecker - sehr harten Deportationsmaßnahmen britischer Militärbehörden zum Opfer- heute als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnet.
Sie wurden in eine weltweite Diaspora zerstreut.
Einige kehrten in ihre alte Heimat zurück. Auf Grund eines erfolgreichen Neuansiedlungsprojekts haben viele Familien auf der Belle-Île solche Vorfahren, und ihre akadische Herkunft ist unvergessen. Sie sind sogar sehr stolz darauf.
Für uns geht es weiter an die dramatische Westküste zu den Aiguilles de Port Coton.
Diese eindrucksvollen Felsnadeln hat nicht nur Klaus fotografiert, sondern auch Monet mehrmals gemalt.
Aber nicht nur die wilden Felsformationen gefallen uns. Auch die vielen verschiedenen Blumen und Blümchen sind ganz bezaubernd.
Nach einer Mittagspause, die wir im Hotelzimmer an unseren Laptops verbringen, suchen wir uns hier, in LE PALAIS ein Lokal fürs Abendessen und finden - in bewährter Weise - eine Crêperie.
Klaus’ Schwester Maria schenkt uns am Abend noch eine vergnügliche Stunde.
Sie schickt uns per What’s App das Foto des aktuellen „Um-die-Ecke-gedacht-Rätsels“ aus der Zeitung „DIE ZEIT“. Klaus erstellt am Laptop einen Raster, und wir machen uns an die Auflösung.
Vielleicht wiederholt sich der Spaß ja nächste Woche wieder.
Klaus’ Schwester Maria schenkt uns am Abend noch eine vergnügliche Stunde.
Sie schickt uns per What’s App das Foto des aktuellen „Um-die-Ecke-gedacht-Rätsels“ aus der Zeitung „DIE ZEIT“. Klaus erstellt am Laptop einen Raster, und wir machen uns an die Auflösung.
Vielleicht wiederholt sich der Spaß ja nächste Woche wieder.
0 km + 32,5 km mit den Fahrrädern
Sa, 28. Juni
Nach dem Frühstück geht unser Besichtigungsprogramm weiter.
Heute ist der Norden der Insel dran.
Als erstes besuchen wir die Menhire Jean und Jeanne, die in einer Entfernung von 340m voneinander entfernt stehen.
Der Legende nach verliebte sich der Bardensohn Jean und die Schäferin Jeanne ineinander.
Die Druiden waren gegen diese Verbindung.
Weil aber die beiden nicht von einander lassen wollten, wurden sie zur Strafe in Steine verwandelt. Sie können einander seither zwar sehen, aber niemals berühren.
Eine gütige Fee milderte den Zauberspruch schließlich etwas ab.
Für kurze, seltene Momente dürfen die Liebenden zum Leben erwachen. Das nutzen sie, um sich einander milimeterweise zu nähern.
Wenn sie einander endlich erreichen und küssen können, wir das das Ende der Welt bedeuten.
Es gibt durchaus ernsthafte Menhirforscher, die Bewegungen nachzuweisen versuchen.
Wir radeln weiter, vorbei an mannshohen Farnen, die die Straßen säumen und an undurchdringlichem Stechginster-Gestüpp.
Auch eine Schafherde begegnet uns. Auch sie spielen im Krimi von Bannalec ein Rolle.
An der Nord-West-Spitze der Insel, an der Pointe des Poulains, gleich neben dem Leuchtturm, steht eine ehemalige Festung, die 1894 von der Diva Sarah Bernhardt entdeckt und sofort gekaufte wurde. Sie ließ das Gebäude nach ihrem Geschmack umbauen.
Der Blick aus den großen Fenstern, die sie ausschneiden ließ, ist atemberaubend.
Bald erweiterte die neue Besitzerin das Anwesen durch Zukäufe weiterer Immobilien.
Bis zu ihrem Lebensende verbrachte die die Künstlerin hier die Sommermonate.
Das Gebäude trägt inzwischen den Namen Fort Sarah-Bernhardt und wurde in den 2000er Jahren in ein Museum umgewandelt.
Die Wohnräume sind komplett eingerichtet und wirken durchaus bescheiden und gemütlich.
Die berühmte französische Schauspielerin (1844-1923) gilt als einer der ersten Weltstars. Sie wurde in ganz Europa und Amerika gefeiert.
Auf der Bühne beeindruckte ihre intensive Darstellung.
Berühmt waren ihre expressiven Sterbeszenen, von denen sie selbst berichtete, dass sie danach von der Bühne getragen werden musste und erst in ihrer Garderobe wieder zur Besinnung kam.
Ihr Stil war eine dramatische, romantische Darstellung mit überschwänglicher Deklamation, wie man es damals eben liebte.
Sie hat die ganze Welt begeistert, von Marcel Proust bis Lucky Luke.
Auch in einigen Stummfilmen spielte la Grande Sarah mit, wobei ihre Stimme auf einem separaten Tonträger aufgezeichnet wurde.
Ihre Mutter war eine Kurtisane aus Paris gewesen.
Ein reicher Gönner hatte das Talent der 14-jährigen erkannt und ihre Ausbildung im Pariser Konservatorium finanziert.
Sie galt als kapriziöse Exzentrikerin, die sich mit Königen, Prinzessinnen und anderen Berühmtheiten umgab und viele Liebhaber hatte.
Ihre Festung beherbergte auch eine Menagerie heimischer und exotischer Tiere.
Unser nächstes Ziel ist nun die kleine Hafenstadt SAUZON.
Jetzt, bei Ebbe wirkt sie nicht so attraktiv, wie sie im Roman beschrieben ist.
Direkt am Wasser - jetzt am Schlick - reiht sich ein Lokal an das andere.
Wir suchen uns eines fürs Mittagessen aus.
Die restliche Zeit bis zu Abfahrt unserer Fähre verbringen wir im Foyer unseres Hotels, wo wir noch ein bisschen arbeiten können.
Um 17h15 schippern wir los und eine Stunde später sind wir wieder am Festland.
So eine Insel ist in meinen Augen immer eine kleine Welt für sich.
Obwohl die Belle-Île das größte Eiland der Bretagne und das zweitgrößte Frankreichs-nach Korsika ist. Die „Schöne“ ist ca. 20 km lang und ca. 10 km breit.
Auf einer Fläche von 87 km2 leben etwas mehr als 5000 Einwohner.
Viele Radfahrer sind unterwegs, aber es gibt auch genug Autos.
Vom ehrgeizigen Ökologieprogramm der Bürgermeisterin in Bannalecs Roman merkt man leider gar nichts- das war wohl Wunschdenken.
Wir haben unsere Zeit dort jedenfalls sehr genossen. Auch das Wetter war ideal- nicht zu heiß.
Im Heimathafen „begrüßen“ uns bunt gekleidete Musiker. Es scheint sich um einen Festzug zu handeln. Sie bilden ein interessantes Filmmotiv für Klaus.
Nun beeilen wir uns, damit wir vor 19h den WoMo-Stellplatz erreichen, und somit nur für 48 Stunden bezahlen müssen.
Wir schaffen das ganz leicht.
Nach Aus- und Umpacken fahren wir die schmale Halbinsel von Quiberon wieder nach Norden. Und dann geht es nach Nordwesten weiter.
Dabei kommen wir an den Steinreihen von KERZERHO vorbei.
Wir sind hier bereits in Einzugsbereich von CARNAC. Wir haben uns die Alignements bereits auf eine früheren Reise genauer angeschaut. Diesmal winken wir nur hinüber.
Wir wollen jetzt nur noch zu unserem Bauern in ERDEVEN, den wir für heute Nacht als Schlafplatz geplant haben.
Ganz leicht ist der nicht zu finden. Wir fragen einen Einheimischen. Bevor der sich lange mit Erklärungen abmüht, sagt er einfach: “Follow me“ und führt uns hin- wieder eine nette Begegnung.
Auf einer großen Wiese stehen bereits einige andere Wohnmobile. Wir stellen uns dazu.
Noch eine Aufgabe wartet auf uns. Wir haben heute einen Sticker von der Belle-Île gekauft. Den wollen wir noch an unsere Rückwand kleben.
27 km + 27 km mit den Fahrrädern
So, 29. Juni
Unsere Gasflasche hat heute Nacht ihren Geist ausgehaucht. Auf dem Parkplatz des Supermarkts in ERDEVEN gibt es ein automatische Verkaufsstelle, wo wir die Flasche tauschen können.
In bewährter Weise füllen wir unser Schmutzwäsche in die Trommel der ebenfalls automatischen Waschstation, während wir einkaufen.
Die Ria’ETEL - weiter im Nordwesten - ist unsere nächste Station. Mit dem spanischen Wort für Bucht meinen die Einheimischen eine Wasserlandschaftsform, die für die Südbretagne kennzeichnend ist.
Auch der große Bruder, der Golf von Morbihan hat diese Gestalt.
Kein Fluß, kein See, kein Meeresarm, aber von allem ein bisschen.
Die Wasserfläche von über 20 km2 ist durch zahlreiche Inseln und Halbinseln stark zergliedert.
Zweimal täglich zwängen sich mit der Flut Millionen Kubikmeter Atlantikwasssr durch die nur ca. 300m schmale Engstelle südlich des Hafens Etel in diesen Golf, der eher einem buchtenreichen Binnensee ähnelt.
Alles seht friedlich aus, aber bei Sturm geht die See gefährlich hoch, und die Wellen werden bis zu 6m hoch.
Schon viele Segelboote sind hier bereits gesunken.
In der Wende vom 19. zum 20. Jhd. war ETEL einer der größten Thunfischerhäfen Frankreichs. Heute gibt es hier fast nur noch Freizeitschifffahrt und Sommertourismus.
Es gibt einen netten, kleinen Strand und hübsche Fotomotive.
Allen voran das Inselchen NICHTARGUER auf dem ein kleines Häuschen mit hellblauen Fensterläden steht. Hier wohnte einst der Wächter über den Austernpark.
Auf der etwas größeren dicht bebaute Insel ST-CADO steht eine romanische Kapelle und ein „Calvaire“ = eine hochragende Kreuzigungsgruppe mit Treppenaufgang aus dem 19. Jhd. Er ist so stark verwittert, dass er viel älter aussieht.
Als nächstes fahren wir zum Schiffsfriedhof in LANESTER.
Dutzende Boote und Schiffe unterschiedlichen Alters wurden hier irgendwann einmal abgeladen und verrotten nun vor sich hin. Wie Gerippe tauchen Schiffsplanken aus dem Schlamm.
Das sieht so hässlich aus, dass es fast schon wieder romantisch ist.
Eigentlich wollten wir hier übernachten, aber wegen eines Theaterfestivals werden am Abend alle Parkplätze gebraucht.
Wir finden ganz in der Nähe einen schattigen Wanderparkplatz für den Abend und die Nacht.
34 km
Mo, 30. Juni
Das Département, in das wir heute einreisen, heißt FINISTÈRE.
Die Römer haben dem Nordwesten der Bretagne den Namen gegeben.
Am Atlantik schien die Welt zu Ende zu sein.
Für uns steht heute einer der vielen Höhepunkte unserer Reise auf dem Programm, PONT-AVEN.
Bannalec beschreibt den Ort im ersten Band seiner Romanreihe „Bretonische Verhältnisse“ als reine Idylle. Für den Geschmack seines Pariser Kommissars Dupin ist er fast zu pittoresk.
Der Aven mutet stellenweise fast wie ein Gebirgsbach an. so wie er über große Steine hüpft.
14 Mühlen arbeiteten erst hier.
Wir freuen uns, das im doppelten Sinn malerische Städtchen wiederzusehen.
Ab 1886 arbeitete eine Künstlergruppe um Paul Gauguin hier. Sie waren allesamt vom Leben in Paris frustriert, und es entstand die innovative Schule von Pont-Aven. Gauguin, der damals noch ganz unbekannt war, entwickelte hier seinen ganz persönlichen Stil, bevor er in die Südsee aufbrach.
Weil ihm und vielen anderen Malern das Geld für Kost und Logis fehlte, beglichen sie ihre Rechnungen mit Gemälden. So kam die Pensionsinhaberin Marie Henry in den Besitz von Bildern, die später ein Vermögen wert waren.
Für Gauguins „Gelben Christus“ diente das Kruzifix in der Chapelle Trémalo als Vorbild.
Wir wandern auch diesmal wieder zu diesem einfachen frühgotischen Kirchlein.
In Pont-Aven wird immer noch gemalt. Keine andere bretonische Stadt besitzt so viele Galerien.
Und für das leibliche Wohl ist hier ebenfalls gesorgt. Es gibt viele Restaurants und Crêperien, und die Biscuiterie „Trau Mad“ stellt immer noch ihre traditionellen Galettes her. Wir bekommen eine Kostprobe dieser herrlichen Kekse, die mit gesalzener Butter hergestellt werden.
Unübersehbar steht „La Pension du Moulin“, das Vorbild für das Hotel „Central“, in dem der Mord passiert, den unser Kommissar schließlich aufklärt.
Wir finden für die Nacht wir einen Parkplatz, auf dem einige Plätze für Wohnmobile reserviert sind. Sie sind alle mit kleinen Autos belegt.
Zunächst müssen wir uns mit einem Provisorium begnügen.
Es ist enorm viel los, denn es gibt ganz in der Nähe einen Strand an der Mündung des Aven in den Atlantik- einen perfekten Sandstrand in einer Felsenkulisse.
Auch Klaus stürzt sich in die Fluten.
Ab Abend verziehen sich die Tagesbesucher mit ihren Fahrzeugen, und wir können uns den besten Platz aussuchen.
Es bleibt noch zu erwähnen, dass es hier in der Nähe einen Ort mit dem Namen BANNALEC gibt. Den Namen hast sich unser Krimiautor für sein Pseudonym ausgeborgt.
60 km
Di, 1. Juli
In der Früh herrscht auf unserem Parkplatz gähnende Leere.
Bei unserer Weiterfahrt machen wir eine Abstecher nach KERASCOËT.
In diesem Musterdorf können wir die traditionelle bretonische Bauweise in einem Dorfensemble sehen.
Die mit den von Hortensien gesäumten Granitsteinhäuser mit den blauen Fensterläden und ihren Schiefer- oder Strohdächern sind voller Charme.
Neben diesen schönen alten Häusern steht hier auch ein steinerner Backofen und ein Brunnen.
Es handelt sich aber nicht um ein Freilichtmuseum, sondern die Häuser sind bewohnt, stehen aber unter strengem Denkmalschutz.
Was uns noch in dieser Gegend auffällt: Immer wieder sehen wir in Vorgärten oder an der Straße größere und kleinere Menhire. Dieser Anblick ist hier so normal, dass man es kaum mehr beachtet.
Der Alltag hat uns wieder einmal eingeholt. Unser Klo und unser Abwassertank sind voll und in unserem Trinkwassertank ist nicht mehr viel drin. Am Parkplatz in Kerascoët ist eine Hinweistafel mit den GPS-Daten für erlaubte WC-Entleerung. Wir fahren hin und finden Wasser und Entleerungsstelle. Perfekt! Wie gut, dass es in Frankreich so viele Camperservice-Stationen gibt.
Und jetzt fahren wir nach CONCARNEAU, dem Zentrum aller Ermittlingstätigkeiten unseres Kommissars. In der 20.000-Einwohner-Stadt lebt Dupin, und hier befinden sich das Kommissariat und sein Stammlokal, das „Amiral“.
Wir parken im Hafen, neben einer Marine-Schiffswerft.
Zu unserer Überraschung sind Drohnen hier nicht verboten, und unser "Vögelchen" fliegt weit bis hinüber zur tropfenförmigen „Ville Close“, der Altstadtinsel, die von dicken Mauern umgeben ist.
Mönche gründeten hier im 10. Jhd. ein Kloster. Seit dem 12. Jhd. führt eine Brücke hinüber.
Wir nähern uns diesmal von einer anderen Seite. Wir nehmen die kleine Fähre.
Das heutige Erscheinungsbild des ummauerten Städtchens in der Stadt stammt überwiegend aus dem 17. Jhd.
Touristenströme ziehen durch die Hauptstraße mit den Souvenirgeschäften und Esslokalen.
Eine Parallelgasse weiter ist alles ganz ruhig, und ein Stückchen weiter gibt es sogar ein Wäldchen, in dem wir ganz allein sind.
Man kann die Festungsmauern besteigen. Von dort aus entdeckten wir bei unserem letzten Besuch das „Amiral“ im Jachthafen, in dem viele Segelboote schaukeln, entdeckt.
Damals sind wir dort sogar eingekehrt. Diesmal lassen wir es bei einem Foto bewenden.
In einer Buchhandlung entdecken wir sämtliche Bände der Bannalec-Romane auf deutsch, aber hier kann man auch die französischen Ausgaben kaufen.
Wir schlendern noch durch die Markthalle und spazieren weiter zum Stadtrand, wo einige schöne Häuser direkt am Meer stehen. In einem von diesen hat der Autor seinen Kommissar und dessen Freundin angesiedelt.
Unser Blick schweift übers Wasser, und entdecken in der Ferne die dünne Küstenlinie der GLÉNAN, der Inseln, auf denen auch ein Kriminalfall spielt.
Damals, vor elf Jahren waren wir drüben. Bei dieser Reise sind andere Inseln dran.
Unser heutiges Tagesziel liegt nur ein kleines Stückchen weiter im NW.
Unter der Adresse von „France Passion“ finden wir diesmal keinen Bauernhof vor, sondern eine Verkaufsstelle für Honig und Austern.
Auf dem Parkplatz dürfen wir gratis übernachten und auf dem kleinen Wiesenstück hinter dem Laden können wir uns gemütlich ausbreiten und an den Beerensträuchern bedienen.
In den Nachrichten hören wir, dass ganz Frankreich unter einer noch nie dagewesene Hitzewelle stöhnt. Nur in einigen Teilen der Bretagne sind die Temperaturen erträglich.
Und genau da sind wir. Wir haben es wieder einmal ganz wunderbar erwischt.
28 km
Mi, 2. Juli
Es hat die ganze Nacht geregnet. Es gab sogar ein heftiges Gewitter.
Auch jetzt in der Früh ist es noch regnerisch, kühl und windig.
Wir ziehen Socken und lange Hosen aus den hintersten Winkeln unseres Kleiderschranks hervor.
Unser Weg führt uns weiter nach Westen.
CORNOUAILLE heißt die Gegend zwischen dem Fluss Odet und dem Atlantik.
Das ist das französische Wort für Cornwall und erinnert an das keltische Volk der Kornen.
Deren Königreich wurde zwar später ein Teil des Herzogtums Bretagne, schrieb aber weiter seine eigene Geschichte, geprägt von frühmittelalterlicher Einwanderung und Christianisierung von den britischen Inseln her.
Daher rührt ja auch das „Doppelleben“ das König Artus auf Insel und Festland führt.
Hier ist neben vielerlei Legenden auch das Zentrum der bunten Fischkonserven- oft beliebte Sammlelobjekte, der Ringelpullis- wir haben uns auch schon welche gekauft, und der bretonischen Kekse.
Ganz besonders stolz ist man aber in dieser Gegend auf den Cidre, der auf Sektflaschen mit Korken gezogen wird, als handle es sich um Champagner.
Natürlich haben wir dem auch schon zugesprochen.
LA FORÊT-FOUESNANT ist ein reizender Ort, der am Ende eines kleinen Fjords liegt.
An seiner Blumenpracht - sogar auf dem Parkplatz und auf Verkehrsinseln - können wir uns kaum sattsehen.
An der Uferpromenade sind alte Fotos aufgestellt, die das Dorf vor ca. hundert Jahren zeigen. Junge Mädchen in regionaler Tracht samt Spitzenhäubchen lächeln uns zu.
Damals hatten sie ihr Leben noch vor sich. Jetzt weilen sie allesamt nicht mehr unter den Lebenden.
Um die Idylle noch zu steigern, fahren wir weiter nach KERDEVOT. Hier hatten wir auf unserer letzten Bretagne-Reise vor elf Jahren ein Unterkunft in einem bezaubernden bretonischen Haus- wie aus dem Bilderbuch. Wir freuen uns sehr, es wiederzusehen.
Daneben stehen eine Kapelle aus dem 15. Jhd. und ein Calvaire aus dem 16. Jhd.
Beide sind ziemlich verwittert.
Klaus vermutet, dass die salzige Luft vom Atlantik diesen Vorgang beschleunigt.
Schon bei unserem letzten Besuch sind uns hier die alten, niedrigen Michelin-Wegweiser aus Stahlbeton mit Standfuß aufgefallen. Sie wurden Anfang des 20. Jhd. ausschließlich für Frankreich konzipiert und sind mittlerweile fast ganz aus dem Straßenbild verschwunden.
Die letzten, die es noch gibt, sind über 80 Jahre alt.
Unser nächstes Ziel ist QUIMPER, die Hauptstadt des Finistère.
An die imposante Kathedrale St-Corentin können wir uns noch erinnern.
1240 wurde der Bau begonnen. Aber der Pest ist es zu verdanken, dass er erst im 19. Jhd. fertig wurde. Immerhin wurden die ursprünglichen Pläne verwendet.
Auf dem Dach, zwischen den 76m hohen Türmen sitzt hoch zu Ross Gradlon, der legendäre König der Cornouaille.
Im Inneren sind zwei Darstellungen der Szene interessant, in der die Hl. Anna, die Patronin der Bretagne, ihrer halbwüchsigen Tochter Maria das Lesen beibringt.
Auch in der Kapelle in Pont-Aven haben wir eine kleine Skulptur gesehen, die dieselbe Geschichte erzählt.
Wir durchstreifen - mittlerweile wieder bei Sonnenschein - die umliegenden Gassen mit den Fachwerkbauten aus Mittelalter und Renaissance.
Die Stadt gefällt uns ausnehmend gut.
Nun haben wir einen Stellplatz für den restlichen Tag und die Nacht im Auge.
Ein kleines Stückchen südlich der Stadt haben wir wieder einmal unseren Ruheplatz am Wasser gefunden.
Wir stehen an der Baie de Kérogan, die wie ein See anmutet.
Sie ist ein Teil der ca. 20 km langen Trichtermündung des Flusses Odet.
Und schon stellen wir Tisch und Sesseln unter eine große Föhre, und Klaus beginnt ein neues Werk- heuer sind Pastellkreiden dran.
Längst haben wir wieder auf kurze Hosen und Sandalen umgeschaltet und genießen die Sonne.
Unser Abendspaziergang führt uns am Wasser entlang. Unvermutet geht der Weg auf Holzstegen weiter und führt durch einen sumpfigen Schilfgürtel.
Nach wenigen Schritten sind wir mitten in der Natur.
38 km
Do, 3. Juli
Gestern Abend hat Klaus routinemäßig nachgeschaut, wo die Tickets für unsere geplante Überfahrt auf die Île de Sein am Samstag sind. Er kann sie nicht finden. Offenbar hat er noch keine gekauft.
Der übliche Kampf mit dem Onlineshop der Reederei beginnt.
Tickets für die Hinfahrt können wir kaufen, aber die Rückfahrt wehrt sich.
Wir haben also vor dem Schlafengehen beschlossen, heute in der Früh in den Hafen von AUDIERNE zu fahren und im „Gare maritime“ persönlich nachzufragen, wie wir wieder zurück aufs Festland kommen können.
Die freundliche Dame stellt nach einem Blick in den Computer fest, dass wir bereits im April Tickets für Hin- und Rückfahrt gekauft haben. Sie druckt uns die Fahrkarten aus und überweist uns sogar das Geld zurück, das wir gestern Abend unnötig ausgegeben haben. Uff, wir sind sehr erleichtert.
Das war jetzt ein Umweg, aber kein sehr großer.
Wir können das Programm, das wir uns für heute vorgenommen haben, trotzdem durchziehen.
Den Bereich. den wir 2014 bereist haben, haben wir nun verlassen, und sind jetzt erstmals weiter westlich und dem „Ende der Welt näher“.
PONT L’ABBÉ - südöstlich von Audierne - ist die kulturelle Hauptstadt des Bigouden-Landes. Die Coiffe-Bigoudène ist ein ungewöhnlich hochgezogenes, reich besticktes Spitzenhäubchen, das an ein senkrechtes, weißes Ofenrohr erinnert. Manche Haube ist bis zu einem halben Meter hoch.
Ihren Namen hat das Städtchen von einem Abbé, der hier im 7.Jhd. die erste Brücke über den Meeresarm schlagen ließ.
Es war die Vorgängerin der jetzigen, einer der letzten noch bewohnten Brücken Europas.
Natürlich fällt uns sofort die Kirchenruine St-Jacques auf, deren Spitze des Kirchturms im 17. Jhd. gekappt wurde.
Die Bretonen lehnten sich damals gegen eine ungerechtfertigte Steuererhöhung Ludwig XIV auf.
Einige wurden hingerichtet und auch die Kirchtürme, deren Glocken zum Aufstand geläutet hatten, wurden geköpft.
Gleich neben unserem Parkplatz entdecken wir ein berührendes Denkmal, das vier Frauen und ein kleines Mädchen zeigt, die an die Seemänner und Fischer denken, die im Sturm verloren sind.
Das Finistère streckt sich ja wie ein Fuß mit mehreren Zehen dem Atlantik entgegen.
An der „kleinen Zehe“ - der südlichsten - liegt der Badeort LOCTUDY.
Die Kirche St-Tudy samt ihrem Friedhof ist buchstäblich steinalt. Eine gallische 2m hohe Grabstele wurde vor vielen Jahrhunderten christianisiert, indem man ein Kreuz darauf setzte.
Die Kirche stammt in ihrem Kern aus dem 11.-12. Jhd.
Wunderschön sind die Kapitelle und Sockeln der Säulen im Chorumgang, die mit keltischen Motiven geschmückt sind.
Auch die gewölbte Holzdecke ist bemerkenswert.
Die späteren Umgestaltungen und Zubauten beachten wir am besten gar nicht.
An der „Zehenspitze“ besagter „kleinen Zehe“ steht ein 65m hohe Leuchtturm aus 1897, der Phare d’Eckmühl- benannt nach einem Marschall Napoleons.
Wir steigen die 290 Stufen im weiß gekachelten Inneren hinauf, und halten uns dabei am schmiedeeisernen Handlauf fest.
Jährlich findet hier ein Treppenlauf statt, an dem auch bedeutende Sportler*innen teilnehmen. Die besten schaffen es in nicht einmal eine Minute hinauf bis zur „Krone“.
Auch Bannalec beschreibt diesen Event in einem seiner Romane.
Unsere Drohne ist übrigens genauso schnell da oben. Allerdings kommt ein Aufseher gelaufen und erteilt uns eine Rüge, die wir gelassen hinnehmen können, weil eh schon alles „im Kasten“ ist.
Und nun freuen wir uns auf unseren Stellplatz am heutigen Tagesziel, wo wir gemütlich unseren restlichen Tag und die Nacht verbringen werden.
In ST-JEAN-TROLIMON stehen wir neben einer der vielen alten Kirchen, die so verwittert wirken. An Klaus’ These mit der Atlantikluft könnte wirklich was dran sein.
Auch hier sitzt obenauf ein durchlöcherter spitzer Kirchturm- „Emmentaler-Granit“ (Zit. Klaus). Darin hängen sichtbar die Glocken.
Und weil’s so schön ist, gönnen wir uns zum Tagesausklang ein Stamperl Lambig, einen Apfelschnaps, den uns Bannalec so wärmstens empfohlen hat.
124 km
Fr, 4. Juli
Wir haben sehr gut und lange geschlafen.
Ein Stückchen weiter im Norden steht einsam in PLOVAN die malerische Ruine der Chapelle de Languidou aus dem 13.Jhd. Während der Französischen Revolution wurde sie niedergebrannt. Aber ihre gut erhaltene gotische Fensterrose vermag immer noch zu beeindrucken.
Weiter geht es nach PONT-CROIX.
Der Bau der Kirche wurde im 13. Jhd. begonnen. Dieser romanische Teil ist auch innen besonders schön. Das Licht fällt gerade durch die bunten Kirchenfenster und malt bunte Flecken auf die Säulen mit ihren einfachen Kapitellen.
Bis ins 16. Jhd. wurde an der Kirche gebaut. Diese Erweiterungen sind natürlich gotisch.
Ungewöhnlich die geschnitzte und vergoldete Darstellung des Letzten Abendmahls.
Der Turm mit den zarten Galerien und den ausladenden Wasserspeiern wurden zum Vorbild der Türme der Kathedrale von Quimper.
Das eigentliche Prunkstück ist das reich verzierte Portal aus dem 14.Jhd. mit seinen drei kleeblattgeschmückten Ziergiebeln. Über dem mittleren thront die Steinfigur der Notre-Dame-de-Roscudon, der Kirchenpatronin.
Für den Nachmittag finden wir einen hübschen, schattigen Platz am Fluss Goyen, der hier bei Ebbe nur ein Schlammloch zurücklässt.
Nach unserer gemütlichen Siesta, machen wir uns auf den Weg nach AUDIERNE.
Wir wollen im Hafen übernachten, damit wir morgen früh für die Überfahrt bereits an Ort und Stelle sind.
Das Auto werden wir hier zurücklassen. Nicht einmal die Fahrräder dürfen wir mitnehmen.
50 km
Sa, 5. Juli
Der kühle Morgen empfiehlt uns lange Hosen und Jacken.
Pünktlich um 9h30 legt die Fähre mit ca. 100 Passagieren zur ÎLE DE SEIN ab.
Allen Unkenrufen Bannalecs zum Trotz haben wir auf dieser „gefürchteten Überfahrt“ von knapp einer Stunde spiegelglatte See.
Was uns bei unserer Ankunft als erstes auffällt, ist die eigentümliche Stille. Jegliches zivilisatorische Hintergrundrauschen fehlt.
Es gibt hier keine Autos und auch sonst keine motorisierten Fahrzeuge. Leute mit Handkarren begegnen uns, und der Postler hat ein Fahrrad.
Wir durften unsere Drahtesel nicht mitnehmen. Wir hätten sie auch nicht gebraucht.
Die Insel ist sehr klein- 6 km lang und an der dicksten Stelle 800m breit.
Sie liegt auch sehr niedrig. Brandungsmauern sollen sie vor Springfluten schützen. Trotzdem gibt es hier regelmäßig schwere Überschwemmungen.
Kein Wunder, dass Bannalecs Krimi, der hier spielt, „Bretonische Flut“ heißt.
Um wenigstens ein wenig Anreiz zu schaffen, sich an diesem strategisch wichtigen Vorposten anzusiedeln, erließ den Bewohnern bereits Ludwig XIV die Steuerlast.
Reich wird man hier ohnehin nicht. Man lebt vom Fischfang und ein wenig vom Fremdenverkehr. Landwirtschaft gibt es keine.
Wir wandern zunächst an der steinigen Küste entlang, an der immer wieder riesige Felsbrocken auftauchen.
An der Nordspitze steht ein Leuchtturm.
Von dort spazieren wir - in Erwartung eines Ortskerns - in Richtung Kirche.
Es geht vorbei an der kleinen Kapelle St-Corentin und dem Denkmal für die Freiheitskämpfer im Zweiten Weltkrieg.
De Gaulle’s Aufruf 1940 aus London folgten alle Männer der Insel - die war nämlich damals noch nicht von den Deutschen besetzt.
Dieser Umstand und der Besuch und das Lob des Generals erfüllt die Inselbewohner heute noch mit Stolz.
Der Cholera-Friedhof liegt friedlich da- keine frische Leiche zu sehen ;-).
Wir zählen beide mehr als sechs Grabplatten, was angeblich kein gutes Omen ist.
Immerhin hat Kommissar Dupin auch mindestens sieben gesehen.
1885 war die Seuche vom Festland übergesprungen. Durch strenge Isolierung der Infizierten und Toten konnte man sie hier bald eindämmen.
Wo ist das Stadtzentrum? Es gibt keines.
Sehr schmale Gässchen, kleine Häuser mit blühenden Gärten.
Ein Lebensmittelladen muss für die ganze Insel reichen. Es leben ja nur 280 Menschen hier. Ein Laden bietet selbst gemachte Töpferwaren an und Austern werden verarbeitet.
Souvenirläden gibt es keine.
Neben der Kirche sind zwei Menhire wie ein Paar einander zugewandt. „Les Causeurs“ = Die Plauderer“ werden sie genannt. Der dicke Bauch des weiblichen Parts ist verdächtig. Ob sie vom Plaudern schwanger geworden ist?
Hier steht auch ein Kiosk, der recht gute Pizzas verkauft.
Einer der einfachen Holztische lädt uns zu einer ausgedehnten Mittagspause ein, die wir mit einem „Um-die-Ecke-gedacht-Rätsel“ verbringen.
Nachdem wir die Grundschule und das medizinische Zentrum gefunden haben, bleibt
uns immer noch viel Zeit.
Also gehen wir ins Museum, das im ehemaligen Seemannsheim = „Abri du Marin“ untergebracht ist.
Wir lernen einiges über das Inselleben, die Seenotrettung und die Résistance.
Wir haben immer noch Zeit bis zur Rückfahrt. Also setzen wir uns zwischen die Einheimischen in eine winzige Bar im Hafen und machen unser Rätsel fertig.
Eilig hat es hier niemand.
Um 17h treten wir unsere Heimreise an.
Kaum sind wir unter Dach, fängt es zu regnen an. Das stört uns jetzt nicht mehr.
Unser Auto wartet im Hafern von AUDIERNE auf uns.
Ein paar Kilometer fahren wir noch nach Westen bis zur längsten „Zehenspitze“ der Halbinsel Finistère, zur POINTE DU RAZ.
Hier nimmt uns ein Stellplatz auf, wo wir feststellen müssen, dass seit Beginn des Monats die Deutschen-Dichte im Land deutlich zugenommen hat.
Bis jetzt waren fast alle Camper Franzosen, und wir haben kaum Ausländer gesehen.
Zum Aussichtspunkt gehen wir heute Abend nicht mehr. Es ist zu nass, und die Sicht ist dchlech.
Morgen ist auch noch ein Tag.
16 km + 50 km mit dem Schiff
So, 6. Juli
Kühles Langhosen-Wetter. Es ist sogar recht stürmisch.
Wir machen uns zu Fuß auf den Weg zur Landspitze Pointe du Raz.
20 Min. brauchen für den Hinweg und genauso lang für den Rückweg.
Man darf keine Hund mitnehmen und nicht mit dem Fahrrad fahren.
Der Weg führt durch Brombeersträucher und Stechginster. Hin und wieder prangt eine violette Fläche voller Heidekraut.
Schließlich erreichen wir die Statue der Notre Dame des Naufragés = der Schiffbrüchigen. Sie ist zwar ziemlich kitschig. Sie berührt mich aber doch. Der Matrose in Lebensgefahr erhebt seine Hände flehentlich zu Maria, und das Jesuskind streckt ihm seine Ärmchen entgegen.
Hier endet der Weg, und wir schauen zum Leuchtturm im Meer und zur Île de Sein hinüber. Gestern sind wir hier mit der Fähre vorbeigefahren.
Wie froh sind wir, dass wir gestern auf dieser Insel besseres Wetter hatten.
Wir bleiben auf derselben Zehe und fahren weiter zum Naturschutzgebiet, der Réserve Naturelle du Cup Sizun.
Hier ziehen wir uns wetterfeste Kleidung und Bergschuhe an und lassen uns vom Regen und Sturm an die Küste blasen.
Vor uns liegt die sagenhafte Stadt YS, die einst in einer Sturmnacht im Meer versunken ist.
Ihr König Gradlon reitet ja zwischen den Kirchtürmen von Quimper.
Nach so einem Ausflug ist es einfach wunderbar in unser warmes, trockenes Häuschen zurückzukehren.
Klaus breitet die Karte aus und zeigt mir, dass es sich bei der Halbinsel FINISTÉRE gar nicht um Zehen oder Finger handelt, sondern um einen Drachenkopf.
Das, was ich als kleine und mittlere Zehe bezeichnet habe, ist der Unterkiefer.
Pointe du Raz stellt die Spitze der Unterlippe dar.
Nach dieser Erkenntnis suchen wir uns ein gemütliches Plätzchen für des Rest des Tages und die Nacht.
Wir kehren auf den bewährten Parkplatz in PONT-CROIX am Fluss Goyen zurück. Da hat es uns bereits vor zwei Tagen gefallen.
35 km
Mo, 7. Juli
Wir fahren nach DOUARNENEZ.
Als im 19.Jhd. die Konservendose erfunden wurde, gelangte die Stadt zu Wohlstand.
Die wichtigste Rolle spielte dabei die Sardine.
In der Stadt gab es bis zu 40 Fischfabriken, in denen vor allem Frauen und Mädchen arbeiteten.
Um 1880 blieben plötzlich die Sardinenschwärme aus, was zu Massenarbeitslosigkeit und Armut führte.
Mit neuen Fischereitechniken, größeren Booten und, weil nach 20 Jahren die Sardinenschwärme wieder die Küste aufsuchten, konnte sich die Fischereiindustrie schließlich erholen.
Heute ist Douarnenez auf Platz sechs der wichtigsten Fischereihäfen Frankreichs. Es gibt noch eine der alten Fischkonservenfabriken, die ihre Gourmetsardinen auch exportiert.
Wir parken in der Nähe des alten Hafens Port du Rosmeur und spazieren den Kai entlang, vorbei an Bars, Cafés und kleinen Restaurants.
Hier liegt auch das alte Leuchtturmschiff „Scarweather“ vor Anker. Einst war es feuerrot. Heute hat der Rost die Farbgebung übernommen.
Klaus schießt interessante Fotos durch den „Wald“ der Masten von Segelbooten hindurch.
Der moderne Fischereihafen hat kaum touristische Bedeutung.
Die Innenstadt ist durchaus recht hübsch. Wir suchen „Les Halles“, wo es in einem Bannalec-Krimi einen Leichenfund gab.
10 km weiter im Osten liegt LOCRONAN. Ca. 800 Einwohner hat das Städtchen, das durch das Weben von Segeltuch reich wurde.
Der Ort wirkt authentisch mittelalterlich, mit seinem Buckelpflaster und den Granithäusern mit kleinen Fenstern.
Die Trödel- und Kunsthandwerksläden fallen kaum auf, weil sie in die ehemaligen, kleinen Werkstätten eingezogen sind.
Alle elektrischen Leitungen verlaufen unterirdisch, und es gibt keine Autoverkehr.
Nur ein paar Handgriffe genügen, um hier eine perfekte Kulisse für einen Historienfilm zu schaffen. Und das ist auch schon recht oft geschehen.
Als Beispiele sollen hier „Die Schatzinsel“ von 1966 und Szenen aus dem viktorianischen England im Film „Tess“ von Roman Polánski dienen.
Die spätgotische Kirche St-Ronan bildet das Zentrum des Musterdorfes.
Uns gefällt die kleine Kapelle Notre-Dame-de-Bonne-Nouvelle am Standort eines alten Quellenheiligtums besser. Den alten Brunnen können wir noch bewundern.
Beim Schlendern durch die schmalen Gassen, merken wir, dass die kühlen Tage vorbei sind, und uns die Sonne wieder wärmt. Es hat immerhin 20°.
Wir befinden uns hier im Schlund des Finistère-Drachens, unter der Zunge.
Unser Schlafplätzchen finden wir in PLOÉVEN, umgeben von blühenden Sträuchern neben einer hübschen Kapelle mit einem kleinen Calvaire.
40 km
Di, 8. Juli
In aller Frühe weht ein köstlicher Duft zu uns herüber.
In der Bäckerei nebenan kommen gerade die köstlichsten Dinge aus dem Rohr.
Das müssen wir natürlich kontrollieren.
Nach dem Frühstück wenden wir uns unserem heutigen Tagesprogramm zu: der Zunge des Finistére-Drachenkopfs, der Halbinsel CROZON.
Genauer gesagt „spricht das Untier mit gespaltener Zunge“. Er hat sogar drei Zungenspitzen.
Wir widmen uns zunächst der südlichen.
Zum Cap de la Chèvre = Ziegenkap geht man auf einem schmalen Fußweg mitten durch blühendes Heideland.
Der gelbe Stechginster und das violette Heidekraut sehen inmitten all des Grüns wunderschön aus.
Das steil abfallende Kliff am Ende des Festlands bietet einen beeindruckenden Rundumblick.
Wir können den Leuchtturm der Pointe du Raz sehen, und als Strich in der Ferne, die Île de Sein.
100m unter uns glitzert tiefblau das ganz ruhige Meer. Viele Segelboote sind unterwegs.
Das Wetter ist heute wunderbar warm. Das kühle Lüftchen genießen wir sehr.
Für uns geht es weiter auf die mittlere Zungenspitze, nach CAMARET-SUR-MER.
Bis in die 1960er-Jahre war es ein wichtiger Fischereihafen. Heute liegen hier Yachten vor Anker.
Der Festungsturm, die Tour Vauban stammt aus dem 17. Jhd. vom Experten für Verteidigungsbauten Ludwigs XIV. Seine Bastionen waren hier sehr erfolgreich.
Uns interessiert die Pointe de Pen-Hir, eines der meistbesuchten Kaps der Bretagne.
Auf dem riesigen Parkplatz parken manchmal hunderte Autos.
Es ist zwar viel los, aber so schlimm ist es heute nicht.
Die Steilküste setzt sich in Form einiger kleiner Felseninseln fort, die so aussehen, als hätten Riesen Felsblöcke ins Meer geworfen. Die werden Tas de Pois = Erbsenhaufen genannt. Das waren wohl riesige Erbsenzähler.
Offensichtlich gibt es einen Weitwanderweg entlang der Küste. Es begegnen uns nicht nur Spaziergänger, wie wir es sind, sondern echte Wanderer mit großen Rucksäcken.
Bevor wir selbst zu einer kleinen Wanderung aufbrechen, machen wir noch einen Abstecher zu einer megalithischen Kultstätte, den Alignements de Lagatjar. 143 Menhire bilden in drei Reihen eine U-Form.
Unser Weg führt uns über bewachsene Dünen, vorbei an einem wunderschönen Sandstrand mit nur ganz wenigen Badegästen. Das Meer zeigt sich uns hier in karibischem Smaragdgrün.
Es geht vorbei an der Ruine eines schlossartigen Herrenhauses, dem ehemalige Landsitz des Dichters St-Pol-Roux. Der frühe literarische Vertreter des Surrealismus ist bei uns gänzlich unbekannt ist.
Das Gebäude wurde 1944 von den Alliierten bombardiert und brannte dadurch fast völlig nieder. Seine Ecktürme lassen noch seine Größe erahnen.
Zeugen des 2. Weltkriegs haben wir heute immer wieder gesehen- Reste von Bunkern des Atlantikwalls der deutschen Besatzung.
Wieder beim WoMo angekommen, machen wir uns auf den Weg zur nördlichen Zungenspitze.
ROSCANVEL ist unser Tagesziel. Wir finden unseren Schlafplatz neben einem Sportplatz.
82 km
Mi, 9. Juli
Wir fahren auf der Oberseite der Zunge des Drachen - der Halbinsel CROZON - entlang bis zu seinem Gaumen.
Den Schiffsfriedhof mit „hinichen“ Kriegsschiffen in LANDÉVENNEC finden wir mäßig interessant.
Auf der Pont Terenez, einer Schrägseilbrücke von 2011 überqueren wir die Trichtermündung der Aulne.
LA FAOU trägt sein Siegel „Petite Cité de Caractère“ ganz zurecht. Alte Granithäuser mit in sich gemusterten Schieferfassaden säumen die Hauptstraße. In der Kirche steht ein Taufbecken aus dem 16. Jhd, das in der Französischen Revolution nicht ganz kaputt geschlagen wurde.
Unser nächstes Ziel ist ein Supermarkt mir Waschmaschine.
Während die Wäsche gewaschen und getrocknet wird, gehen wir einkaufen und essen zu Mittag.
Seit wir in Nantes den Atlantik erreicht haben, prägt das Meer unsere Reise.
Also freuen wir uns nun auf die Océanopolis in BREST.
Kommissar Dupin kommt gerne in dieses wissenschaftliche Kulturzentrum, das dem Ozean gewidmet ist, um die Pinguine zu besuchen.
Wir sind eher enttäuscht, zumal ausgerechnet diese Abteilung wegen Renovierung geschlossen ist.
Allerdings, von der Dachterrasse aus, haben wir einen herrlichen Blick auf die Rade de Brest. Die riesige Bucht von 150km2 bildet einen der größten Naturhäfen Europas.
Nur eine schmale Einfahrt führt ins offene Meer.
Bei der Durchfahrt durch die Stadt, staut es sich ordentlich, was nicht dazu beiträgt, dass es uns hier gefällt.
Wir versuchen eher, zu entkommen.
Am Stadtrand neben einem Wäldchen finden wir unseren Ruhe- und Schlafplatz.
Hier stehen wir im Grünen, und das Meer ist nicht weit.
101 km
Do, 10. Juli
Gemütlicher Vormittag mit Malstunde im Freien.
Wir geben der Stadt BREST noch eine Chance.
Klaus hat ein Geschäft mit Künstlerbedarf entdeckt. Er möchte das Sortiment seiner Malkreiden aufstocken.
Der Laden ist wunderbar, aber ansonsten bestätigt seich unser Eindruck von gestern.
Wenn man kein Liebhaber der frühen Nachkriegsarchitektur ist, kann man mit dieser 140.000-Einwohner-Stadt, die aus dem Schutt nach dem 2. Weltkrieg neu erstanden ist, halt wenig anfangen.
Klaus meint, „Brest feilt noch an seinem Charme“.
Die Temperaturen sind jetzt in der Mittagszeit sehr angenehm, 19°.
Wir haben heute nicht mehr viel vor.
Wir fahren nach LE CONQUÊT und richten uns auf dem Parkplatz ein, der für die Fährgäste auf die Île d’Ouessant reserviert ist.
Morgen werden wir mit unseren Fahrrädern übersetzen und drei Tage dort bleiben.
Am Abend radeln wir zum Hafen, um uns anzusehen, wo wir morgen genau hinmüssen.
Außerdem wird die kleine Stadt als besonders sympathisch und pittoresk beschrieben.
Jedenfalls ist das einer von Kommissar Dupins Lieblingsorten.
Wir haben das mit eigenen Augen überprüft.
Na ja, da hat er wieder einmal übertrieben, der Bannalec.
40 km
Fr, 11. Juli
Wir haben wieder unsere Rucksäcke und Fahrradtaschen gepackt.
Heute geht es für drei Tage mit den Drahteseln auf die ÎLE D’OUESSANT, dem allerwestlichsten Punkt Frankreichs- ein einsames Eiland im offenen Atlantik.
Der Finistère-Drache schnaubt aus seinem Nasenloch zu dieser Insel hinüber.
Unsere Fähre legt um 9h45 ab.
Nach einem Zwischenstopp auf der ÎLE-MOLÈNE kommen wir in eineinhalb Stunden an der eindrucksvollen Steilküste an.
Kein Wunder, dass der Krimiautor Bannalec in Dupins 13. Fall „Bretonische Sehnsucht“ hier Männer ins Meer stürzen ließ.
Autos dürfen hierher keine mitgebracht werden. Die Bewohner der Insel haben allerdings sehr wohl fahrbare Untersätze. Viel Verkehr ist dennoch nicht.
Die Touristen sind mit gemieteten E-Bikes unterwegs.
Wir waren die einzigen, die die eigenen Fahrräder auf der Fähre mitgeführt haben.
Ouessant ist ca. 7 km lang und ca. 4 km breit. Ihre maximale Höhe beträgt 60m.
Ca. 850 Menschen leben hier.
Der bretonische Name für diesen Granitklotz, der wie eine Hummer mit zwei Scheren geformt ist, lautet Enez Eusa und bereut „kahle Insel am Ende der Welt“.
Allerdings gibt es seit dem 19. Jhd. hier auch Landwirtschaft und Schafe werden gezüchtet, sodass die Bevölkerung nicht mehr ausschließlich vom Fischfang abhängig ist.
Die Nutzflächen sind allerdings sehr klein, und eine Steigerung ist kaum möglich, weil ist die ganze Insel Naturschutzgebiet ist. Sie gehört zum Parc naturel d’Armorique.
„Aremorica“ nannten die Römer die nordwestliche Küste des heutigen Frankreichs.
LAMPAUL ist der Hauptort der Insel.
Hier steht auch unser hübsches Hotel das „Sport & Spa“, genau zwischen den beiden „Hummerscheren“, am Treffpunkt von offenem Atlantik und dem Ärmelkanal.
Klaus taucht sofort im Whirlpool unter.
Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, sehen wir uns etwas um.
Im gemütlich eingerichteten Musikzimmer des Hotels steht ein Steinway-Flügel und eine Harfe.
Im Roman kommt ja eine Band vor, die aus jungen Frauen besteht. Sie machen keltische Musik und nennen sich „die Sirenen“. Die Harfe spielt dabei eine bedeutende Rolle.
Überhaupt - so erzählt es Bannalec - haben die Frauen hier schon immer eine stärkere Stellung als es sonst in der Bretagne üblich ist. Die Männer waren halt schon immer mit ihren Fischerbooten in der Nacht auf dem Meer und haben tagsüber geschlafen.
Ein Hauch von Mystik umweht sie. Sind die erwähnten Musikerinnen vielleicht doch Meerwesen? Kommissar Dupin glaubt immer wieder, eine Meerjungfrau zu entdecken.
Aber wahrscheinlich war es doch ein Delphin.
Wir schauen von der großen Glasveranda hinaus aufs Meer und sehen leider keines von beiden.
Im Lesezimmer liegt ganz zuoberst auf einem Bücherstapel - sicher nicht zufällig - der einschlägige Krimiband, der hier auf der Insel angesiedelt ist- sogar auf Deutsch.
Wir sind hungrig und spazieren zur Crêperie an der wir bei der Fahrt vom Hafen vorbeigekommen sind- und sind schwer begeistert.
Nach dem Mittagessen erkunden wir die kleine Stadt.
Die Kirche ist nicht schwer zu finden. Wir entdecken sofort das kleine Nebengebäude auf dem Friedhof, das lange Zeit als eine Art Mausuleum für weiße Wachskreuze diente, die im Roman eine bedeutende Rolle spielen. Die Türe ist - wie zu erwarten - fest versperrt.
Diese sogenannten Proella-Kreuze - der Name bedeutet auf bretonisch „Zurück an Land“ - wurden ca. 200 Jahre lang zu für ein besonderes halbheidnisches Ritual verwendet, um von verschollenen Seeleuten Abschied zu nehmen.
Anstelle des Leichnams wurde jeweils ein weißes Wachskreuz bestattet.
In den 1960er Jahren wurde dieses Ritual verboten.
Tausenden von Seefahrern und Fischern ist diese Felseninsel ist im Laufe der Jahrhunderte zum Verhängnis geworden.
Untiefen und Gezeitenströme und vor allem die heftigen Winterstürme sind gefürchtet.
Nachdem wir über den Friedhof geschlendert sind und einen Blick in die Kirche geworfen haben, gehen wir weiter auf Entdeckungsreise.
Das Pub Ty Korn, eines von Dupins Lieblingslokalen gibt es wirklich. Es sieht urig und gemütlich aus. Auf der Speisekarte stehen allerdings ausschließlich Meeresfrüchte und Fische, also nichts für uns. Wir kontrollieren noch andere Restaurants, ob sie fürs Abendessen in Frage kommen, ohne Erfolg.
Den restlichen Nachmittag verbringen wir hinter unseren Laptops und Büchern.
Als der Hunger sich bemerkbar macht, landen wir doch wieder in der Crêperie, die sich zu Mittag so bewährt hat.
Auf dem Heimweg sehen wir noch eine Weile einer Gruppe junger Leute zu, die auf der Straße Impovisationstheater machen. Wir verstehen halt leider nix ;-(
Das Wetter war den ganzen Tag sehr angenehm. Ein feines Lüftchen bewegt sich. Alles ist friedlich.
Man vergisst total, dass man sich auf einem exponierten meerumtosten Stück Land befindet.
ca. 20 km mit der Fähre
Sa, 12. Juli
Wir satteln unsere Drahtesel und ziehen los, um die Sehenswürdigkeiten der Insel zu besuchen.
Es ist ja alles gar nicht weit von einander entfernt.
Zuerst fahren wir zum westlichen Leuchtturm, dem schwarz-weiß gestreiften Phare du Créac’h.
Wie wir hier so durch die Gegend radeln, stellen wir fest, dass uns die Insel immer besser gefällt.
Es ist heute wieder angenehm warm, und ein herrlich frisches Lüftchen weht.
Es sind kaum Autos unterwegs. Auch Radfahrer begegnen uns nur vereinzelt.
Außerhalb des Hauptortes wirken die Häuser „hingewürfelt“. Sie stehen sehr verstreut.
Immer wieder steigen wir ab, und wandern ein wenig zu Fuß weiter.
An einem kleinen, menschenleeren Strand wuseln Austernfischer eifrig herum. Durch ihre roten Schnäbel und Beine sehen sie sehr hübsch aus. Zusammen mit den Möwen tun sie sich an dem gütlich, was übrig bleibt, wenn sich das Meer - wie gerade jetzt - bei Ebbe zurückzieht.
Weiter im Norden stehen wir am Wasser und schauen auf die kleine ÎLE DE KELLER hinüber, die nur einen Katzensprung entfernt ist.
Dupin wollte hinüber rudern, um das verfallene Häuschen drüben zu untersuchen.
Die tückischen Strömungen hat er nicht bedacht. Fast wäre ihm diese Tollkühnheit zum Verhängnis geworden. Seine „Nussschale“ wurde nämlich aufs offene Meer hinausgetrieben. Natürlich wurde er gerettet.
Der östlichen Doppelleuchtturm, den Phare du Stiff stammt bereits aus dem 17. Jhd. und ist der älteste Leuchtturm der Bretagne.
Vauban, der schon erwähnte Architekt Ludwigs XIV hat ihn gebaut.
„Da drüben“, meint Klaus, „das, was man nicht sieht, ist Cornwall“.
Es gibt noch mehrere Leuchttürme auf uns vor der Insel. Von jedem aus sieht man das Licht der anderen.
Im äußersten Osten von Ouessant liegt der kleine, ovale Steinkreis Pen-ar-Lan.
Diese Cromlec’h ist so klein, dass Klaus ihn „Kaum“lec’h nennt. Den habe ich mir nach der Lektüre des Krimis viel größer und vor allem mystischer vorgestellt.
Obwohl der Autor zur Übertreibung neigt, finden wir doch immer wieder Stellen, an denen es fast unwirklich schön ist.
Natürlich wollen wir auch die Stelle inspizieren, von wo aus die drei Männer - im Roman - ins Meer gestürzt sind. Der Rand zu den Klippen ist hier wirklich an mehreren Stellen abgebrochen.
„Geh nicht zu weit vor“, rufe ich meinem Fotografen ja ständig zu.
Wir sehen uns um. Wir können beide Leuchttürme und den Kirchturm von Lampaul sehen. Die Insel ist nicht nur deshalb so überschaubar, weil sie so klein ist, sondern es gibt auch sonst keine hohen Bauwerke und keine Bäume. Die Stürme, die immer wieder über die mit Heidekraut und Farnen bewachsenen Flächen hinweg fegen, halten das Buschwerk und die Blumen niedrig und klein.
Ein Lokal für das Mittagessen haben wir allerdings nicht gefunden.
Also kehren wir eben wieder in unser „Stammlokal“ ein.
Den Nachmittag genießen wir unter andern im Whirlpool mit herrlicher Aussicht aufs glitzernde, blaue Meer.
Wir lassen es uns richtig gut gehen.
20,81 km mit dem Fahrrad
So, 13. Juli
Heute gibt’s ein Frühstück.
Wir haben noch Zeit fürs Auschecken um 11h.
Besichtigt haben wir schon alles, daher machen wir es uns noch ein wenig im gemütlichen Lesezimmer bequem.
Ich schmökere noch ein bisschen im Roman „Bretonische Sehnsucht“, der ja hier in Ouessant spielt. Es ist ja schon eine Weile her, dass ich ihn gelesen habe.
Dabei entdecke ich, dass Kommissar Dupin offenbar während seiner Ermittlungsarbeiten genau hier, in diesem Hotel gewohnt hat. Bannalec erwähnt auch unser Wirtin Sophie mit vollem Namen und bedankt sich im Nachwort ausdrücklich bei ihr.
Ein eigenartiges Gefühl, dass ich hier sitze und lese, dass Dupin gerade diesen Raum betritt und ihn ganz genau beschreibt.
Wir haben auch ein Plakat entdeckt, auf dem ein Konzert mit keltischer Musik angekündigt ist. Aha, deshalb der Steinway-Flügel und die Harfe.
Unsere Unterkunft ist ja auch wirklich wunderschön. Offenbar war hier ein begabter Architekt am Werk. Von vorne wirkt es unscheinbar, wie eines der üblichen Häuser in Lampaul. Nach hinten hinaus gibt es großzügige Anbauten mit vielen Glasflächen.
Man kann von hier aus bis zum Meer hinunter gehen.
Direkt vor uns, umschlossen von den beiden „Hummerscheren“ ragt ein fast pyramidenförmiger Felsen aus dem Wasser.
Für unsere prosaischen Augen sieht das so aus, aber in „Wirklichkeit“ ist das ein Kristallpalast, in dem die Meerjungfrauen und ihr gestrenger Vater leben.
Nachdem wir uns von diesem sehr exquisiten Haus verabschiedet haben, gehen wir zum letzten Mal in unser „Stammlokal“, der Crêperie.
Bei diesem Spaziergang durch die kleine Stadt kommen wir am Unverpackt-Laden „L’Île en vrac“ vorbei, der auch im Roman erwähnt wird.
Jetzt holen wir unsere Fahrräder, um noch ein wenig spazieren zu fahren.
Mein Vorderrad hat eine Patschen.
Ganz in der Nähe ist die Fahrradvermietung, aber die reparieren nicht. Die resolute Chefin lässt sich nicht erweichen.
Klaus schnallt sich mein zusammengeklapptes Brompton auf seinen Gepäckträger und fährt so in den Fährhafen.
Ich lasse mir vom „Mapsi“ einen Weg anzeigen und gehe zu Fuß. Das sind nur drei Kilometer.
Ich habe viel Zeit. Unsere Fähre geht erst um 17h.
Ich schreite wacker aus, und freue mich, dass ich die Insel noch einmal ganz anders wahrnehme, von der Warte eines Fußgängers aus.
Der angegeben Weg wird immer schmäler und geht in einen Trampelpfad durch mannshohem Farn über.
Nur noch 1 km verspricht das „Mapsi“. Da muss ich halt jetzt durch.
Doch schließlich stecke ich in Brombeerranken fest und kann weder vor noch zurück.
Hier findet mich Klaus. Er kann ja mit seinem Handy meinen Standort sehen.
Er hat sich schon gewundert, wo ich so lange bleibe.
Das eigentliche Abenteuer beginnt jetzt erst.
Über drei Stunden kämpfen wir uns durch stachlige Dornenhecken und Stechginster und geraten sogar in einen Sumpf, in dem ich bis zu den Knien versinke. Allein wäre ich da nicht mehr rausgekommen.
Zu allem Überfluss bekommt Klaus Beinkrämpfe und mein Kreislauf beginnt vor Erschöpfung zu spinnen. Mir ist schlecht und schwindlig.
Wir erholen uns wieder und kämpfen weiter. Es geht ja nicht anders.
Schließlich beginnt es noch zu regnen.
Ich kann fast nicht mehr glauben, dass wir aus dieser Hölle noch herauskommen können.
Zuversicht ist der Angst gewichen.
Sogar Klaus meint, dass das hier das Schlimmste ist, was wir je erlebt haben.
Auch die Bestellung unserer Rettung ans Universum scheint nicht funktionieren, bis wir ganz unerwartet bei einigen Bienenstöcken ankommen, von denen wir einer Schneise mit Traktorspur zu einer Asphaltstraße folgen können.
Wir sind tatsächlich gerettet, aber voller Blessuren und wild aussehender Kratzspuren an Armen und Beinen.
Es gibt ein Sprichwort der Seeleute und Fischer: „Wer Ouessant sieht, sieht sein Blut.“
Das hat sich jetzt auch für uns bewahrheitet.
Von der Straße aus, schauen wir zurück auf die „wildromantische Heidelandschaft“, wie sie Bannalec beschreibt.
Es kommt mir direkt unwirklich vor, dass tatsächlich da drinnen waren.
Es war ein zutiefst existentielles Erlebnis.
Wo sind wir überhaupt? Jedenfalls weit weg vom Hafen.
Unsere Fähre ist längst weg.
Ich hatte in meinem Rucksack die Powerbank dabei, die mein Handy am Leben erhalten konnte. So können wir navigieren.
Gehen wir zur Fähre, wo unsere Räder stehen oder doch lieber nach Lampaul zurück? Wir brauchen ja ein Quartier für die Nacht.
Diesmal setze ich mich durch und wir marschieren ca. 40 Min. in den Hafen.
Meine Intuition hat mich nicht getäuscht.
Um 19h geht noch eine Fähre aufs Festland zurück. Ganz problemlos werden wir umgebucht.
Wir sehen furchtbar aus.
In der Toilette reinigen wir uns notdürftig und ziehen uns saubere Hosen an. Ausgerüstet sind wir ja gut.
Um 20h30 kommen erschöpft aber glücklich in LE CONQUÊT an.
Da ich ja mein Fahrrad nicht benutzen kann, radelt Klaus zu unserem WoMo und holt mich dann ab.
Ich rechne es meinem Helden hoch an, dass es keine Vorwürfe gab, und er den Mut nicht verloren hat.
Klaus drückt mir seine Hochachtung dafür aus, dass ich durchgehalten und es schließlich geschafft habe. Das hätte ich meinem alten Körper selbst fast nicht zugetraut.
Wir fahren nun noch ein paar Kilometer weiter und landen in PLOUMOGUER auf einem sehr schönen Stellplatz, der alles kann und nichts kostet.
Wir sind zu Hause.
Waschungen und Wundpflege sind nun angesagt, bevor wir erschöpft ins Bett fallen.
12 km + ca. 20 km mit der Fähre
Mo, 14. Juli, französischer Nationalfeiertag
… den werden wir hier auf dem Stellplatz feiern.
Wir machen einen Ruhetag, den wir dringend brauchen.
Ausschlafen ist heute das Wichtigste.
Dann lecken wir unsere Wunden. Bis die alle geheilt sind, wird es eine Weile dauern.
Klaus malt, ich schreibe meinen Reiseblog.
Ach ja, die Patschenreparatur steht ja noch aus. Klaus meistert natürlich auch das.
0 km
Di, 15. Juli
Unser erster Weg führt uns zum „Super U“, unserer Lieblings-Supermarktkette.
In unserem Kühlschrank herrscht gähnende Leere, weil wir ja drei Tage weg waren. Und gestern war Feiertag.
Sonst haben wir heute nicht mehr viel vor.
Unseren Schlafplatz finden wir in ST-PABU, am Strand von CORN AR GAZEL. Hier mündet der Fluss Aber Benoît in den Ärmelkanal.
Mit 19° und viel Wind ist es für uns zu kalt zum Baden.
Wir machen einen kleinen Spaziergang in den Dünen- nur einen sehr kleinem, humpelnden. Unsere Füße sind von unserem „Ausflug“ in die Macchie noch sehr lädiert.
Am Abend schauen wir uns einen ruhigen, schönen, traurigen Film an. „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ (von Robert Redford, mit dem ganz jungen Brad Pitt)
27 km
Mi, 16. Juli
Es wird uns bewusst, dass wir uns seit Ouessant auf der Rückreise befinden.
Das war wirklich der Dreh- und Angelpunkt unserer Reise.
Beim Supermarkt in LANNILIS gibt es eine Waschmaschine.
Dort waschen wir mit mäßigem Erfolg unser schlammverkrustete, mit Blut- und Brombeerflecken übersäte Kleidung.
Nun wenden wir uns wieder Kommissar Dupin zu.
Im wilden bretonischen Norden, zwischen rauem Atlantik und betörenden Apfelwiesen, entwickelt sich ein vertrackter und höchst persönlicher Fall.
Inspektor Kadegs Lieblingstante stirbt, und er selbst wird auf ihrem Anwesen angegriffen und lebensgefährlich verletzt.
Die erste kleine Apfelplantage haben wir schon entdeckt.
Allerdings suchen wir im Norden der Halbinsel Sainte-Marguerite, wo wir uns für heute häuslich niedergelassen haben, vergeblich nach einer Vogelbeobachtungsstation.
In den „Bretonischen Nächten“ - Band 11 - wurden angeblich von dort aus sensationelle Sichtungen des längst ausgestorbenen Riesenalks gemacht.
Bannalec beschreibt diese Halbinsel als einen der magischsten Orte im Finistère.
Sie ist die Verbindung zwischen dem Aber Benoît und dem Aber Wrac'h und wird von chaotischen Felsen und kleinen, vorgelagerten Inselchen markiert. Ein weiteres Highlight sind die 25.000 Jahre alten Dünen von Sainte-Marguerite, die mit Strandhafer übersät sind.
Heute fällt unser Dünenspaziergang um einiges länger aus als gestern- langsam erholen wir uns.
Am Abend entfaltet das Meer und der Strand seine ganz besondere Schönheit. Wir machen einen Nachtspaziergang in unseren Nachtgewändern und können dem Schriftsteller, was die Magie des Ortes betrifft, aus ganzem Herzen zustimmen.
36 km
Do, 17. Juli
Wir hatten einen sehr entspannten Vormittag mit Ausschlafen, Malen und Lesen.
Nun machen wir uns wieder auf den Weg.
Wir wollen uns die Abbaye des Anges anschauen, wo die bereits erwähnte Tante Inspektor Kadegs gewohnt hat.
Inzwischen ist sie ein Hotel, das sich hinter einer Mauer verbirgt.
Auch die Frage nach den Vogelbeobachtungsstationen bleibt unbeantwortet.
Und wo sind die Apfelplantagen? Die paar Bäume, die wir gestern gesehen haben, sind die einzigen geblieben.
Bei der Beschreibung dieses Schauplatzes hat die dichterische Freiheit wohl eindeutig überwogen.
Auf der Halbinsel Lilia finden wir wieder einen Platz am hübschen Strand von Saint Cava.
Hier ist tagsüber einiges los. Auf dem Parkplatz herrscht ein ständiges Kommen und Gehen.
Familien liegen im Sand oder schwimmen im Meer. Kinder bauen vergängliche Burgen.
Auf einer Informationstafel entdecken wir einen Stundenplan, der genau angibt, an welchem Tag man zu welchen Zeiten gefahrlos zur kleinen Gezeiteninsel hinübergehen kann.
Diesen Spaziergang wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
Mit unseren Sandalen in der Hand wandern wir zum Lighthouse hinüber. Es handelt sich tatsächlich um ein kleines Haus mit Leuchtturm. Von Ferne habe ich es für eine Kapelle gehalten.
Zu unserer Überraschung findet in den Räumlichkeiten im Erdgeschoss eine kleine Kunstausstellung statt.
Einige Werke der beiden Künstlerinnen gefallen und sehr gut.
Beim Waten durch den feuchten, kühlen Sand blicken wir auf die kleine ÎLE VIERGE hinüber, benannt nach der Jungfrau Maria. Dort steht der mit 82,5m höchste Leuchtturm Europas. Sein wesentlich kleinerer Vorgänger ist mit seinen 33m schon längst nicht mehr leistungsfähig genug.
Schon gestern hat er sein Licht zu uns hinüber geworfen.
Von hier aus können auch wir zu unserem gestrigen Schlafplatz hinüberschauen. Hinter dem Horizont liegt England.
Heute gönnen wir uns sogar eine Kaffeejause. Wir haben uns nämlich einen „Paris-Brest“ gekauft. Dieser beliebte Brandteigring soll an das Fahrradrennen Paris-Brest-Paris erinnern, das 1891 bis 1951 jährlich stattfand. Die runde Form soll einen Fahrradreifen darstellen.
Einige sehr schöne Häuser stehen hier am Strand. Ein Hof, der aus mehreren alten - gut hergerichteten unverputzten Steingebäuden mit Strohdächern besteht, ist besonders stimmungsvoll.
Auf diesem Parkplatz am Strand werden wir übernachten
Die Abendstimmung am Wasser ist auch heute wieder wunderschön.
Hand in Hand stehen wir da und schauen der Flut beim Steigen und der Sonne beim Untergehen zu.
20 km
Fr, 18. Juli
Wir verlassen das PAYS DES ABERS und sind nun weiter im PAYS PAGAN unterwegs.
In MENEHAM stand einst an der Küste eine Kaserne, in der Zöllner untergebracht waren. Später schloss sich eine kleine Siedlung von Landwirten, Fischern und Algenbauern an. 1978 zogen die letzten Bewohner aus.
Heute ist das Dorf ein Freilichtmuseum. In den Stroh gedeckten Häusern sind ein kleines Museum, Künstlerateliers und ein Bistro untergebracht.
Das Besondere sind hier aber die vielen, riesigen Granitblöcke, die überall herumliegen.
Das ehemalige Wächterhäuschen aus dem 17. Jhd. ist zwischen zweien dieser Ungetüme eingeklemmt.
Wir fahren weiter zum Phare de Pontusval.
Gigantische Felsblöcke sind auch hier der Küste vorgelagert, weshalb dieser wilde Uferstreifen lange Zeit als „Schiffbruchküste“ bezeichnet wurde, nicht zuletzt wegen der häufigen dichten Nebel, in denen man das Licht des großen Leuchtturms auf der Île Vierge nicht sehen konnte.
Der oben erwähnte Phare de Pontusval - wieder auf ein kleines Häuschen gebaut - wurde als Lösung dafür im 19. Jhd. gebaut.
Es macht Spaß, auf den Steinen zum Strand hinunter zu kraxeln. Der Anblick ist wirklich spektakulär.
Klaus filmt einem Kletterer, der einen ca. 5m hohen, scheinbar glatten Boulder erklimmt.
Nun wird es für uns Zeit, uns einen Platz für die Nacht zu suchen.
Davor wollen wir uns aber noch die Markthalle aus dem 16. Jhd. in PLOUESCAT anschauen. Das schwarze Schieferdach zieht sich tief über die an den Seite offene Halle, die sich auf Balken aus Eichenholz stützt.
Auch heute noch erfüllt sie an den Markttagen ihre Funktion.
An einigen in unserer App Park4Night empfohlenen Schlafplätzen dürfen Wohnmobile nur mehr tagsüber stehen, aber schließlich finden wir an der Plage du Frouden doch wieder ein idyllisches Plätzchen am Meer zum Schlafen.
Dabei streicheln wir dem „Finistère-Drachen“ oben über die Schnauze.
Den Namen CÔTE DES LÉGENDES führt dieser Küstenabschnitt zu Recht.
61 km
Sa, 19. Juli
In ROSCOFF sind wir 2003 von England kommend in Frankreich gelandet.
Wir haben damals von der Stadt nichts gesehen und erfreuen uns diesmal an der netten Altstadt.
Außerdem zeigt uns Park4Night einen Wasserhahn im Alten Hafen.
Wir brauchen dringend Wasser, und haben heute bereits zwei defekte Wasserspender aufgesucht.
Hier stehen wir gefährlich nahe am Kai und reizen die Länge unseres neuen Wasserschlauchs bis auf den letzten Zentimeter aus. Das alte Zitat aus Interrail-Zeiten:„vor den erstaunten Augen eines begeisterten Publikums“ ist hier wieder einmal angebracht.
Nun geht es weiter nach ST-POL-DE-LÉON. Hier interessiert uns besonders die Kathedrale.
Ein normannischer Baumeister begann im 13. Jhd. im Auftrag des Bischofs mit dem Bau der Kirche und benutzte dafür den elfenbeinfarbenen Kalkstein aus der Normandie.
Bis ins 16. Jhd. wurde an diesem Bauwerk gearbeitet. Allerdings verwendeten die Bretonen für die Fertigstellung ihren eigenen dunklen Granit, der nun einen Farbkontrast zum helleren Stein der ungeliebten Normannenkonkurrenz bildet.
Trotz der langen Bauzeit entstand ein wohlproportioniertes Gotteshaus in klarem gotischen Stil.
Das Innere erfüllen die schönen Glasfenster mit blauroten Licht.
Das Chorgestühl aus dem 16. Jhd. aus massivem Eichenholz ist mit fantasievollen Schnitzereien verziert.
Neben einigen Bischofsgräbern ist ein Wandgrab besonders bemerkenswert. Es enthält 34 beschriftete Kästchen mit Totenschädeln von Honoratioren der Stadt, die posthum vom Friedhof in die Kirche übersiedelt wurden.
Die Kapelle Notre-Dame du Kreisker - die viel eher eine veritable Kirche ist - wurde im 16. Jhd. anstelle eines viel kleineren Vorgängerbaus errichtet und hat daher ihren Namen als „Kapelle“ beibehalten.
Kreis-kêr ist die bretonische Bezeichnung für Innenstadt.
Der Turm dieser „Kapelle“ ist um einiges höher als die Türme der Kathedrale.
Mit seinen zahlreichen Fenstern und Öffnungen diente er zeitweilig auch als Ausguck.
Seine Form war lange Zeit das Vorbild für zahllose andere bretonische Kirchtürme, die im Reiseführer als „Bretonische Spitzen“ bezeichnet werden. Für mich haben sie eher etwas von den durchbrochenen Mustern von Filethäkelei.
Viele von ihnen haben auch umlaufende Balkone auf mehreren Stockwerken.
Wir spazieren durch die Kleinstadt und finden sie äußerst reizend.
Wir fahren weiter nach CARANTEC. Diese Halbinsel ist gekennzeichnet durch felsige Kaps und bogenförmige Sandstrände. Einer von ihnen wird sogar Plage Tahiti genannt. Für diesem Namen hat sicher die blaugrüne Farbe des Meers beigetragen.
Viele kleine Inselchen sind vorgelagert. Eine von ihnen ist gerade einmal groß genug für ein Lighthouse und ein kleines Hotel. Gleich daneben steht, auf kahlem Fels errichtet, die Inselfestung Château de Taureau aus dem 16. Jhd. Während der Französischen Revolution war sie ein ausbruchsicheres Gefängnis.
Zur schmalen, langgestreckten ÎLE CALLOT führt ein „Route submersible“ hinüber, eine Straße, die nur bei Ebbe befahrbar ist.
Da drüben wohnt die Schokoladenköchin aus Kommissar Dupins bislang letztem Fall- Band 14 „Bretonische Versuchungen“.
Unser Tidenkalender meint, wir müssen noch ein wenig warten, bis wir sie besuchen können.
Es regnet und windet, eine große Tafel verbietet eindrucksvoll das Befahren der Straße mit Autos. Wir gehen ein Stück zu Fuß. Um hinüber zu gelangen, müssten wir im kniehohen Wasser waten.
Dazu fehlt uns bei diesem Wetter die Lust. Wir müssen uns ja auch noch einen Schlafplatz suchen.
Mitten im der Stadt CARANTEC finden wir einen hübsch begrünten WoMo-Stellplatz bei einem Sportplatz.
Mit vollem Bauch und warmen Temperaturen in unserem Häuschen steigt das Interesse wieder. Wir beschließen, morgen in der Früh einen Versuch mit den Fahrrädern zu wagen.
54 km
So, 20. Juli
Es hat die ganze Nacht geregnet, aber jetzt in der Früh lacht die Sonne.
Kurz vor 8h schwinden wir uns auf unsere Räder und fahren zum Meer. Die ca. 700m lange Gezeitenstraße ist zwar nass aber ganz frei.
Es gibt einige hübsche Häuser, Anwesen und Höfe auf der ÎLE CALLOT.
Jeder hat hier offenbar auch sein Auto.
Es gibt Verkehrszeichen und einen Parkplatz.
Offenbar dürfen nur Anrainer mit ihrem Wagen hin- und herfahren.
Keine Menschenseele ist zu sehen. Oh, doch, da führt eine junge Frau ihren Hund äußerln.
Die Insel ist ca. 2km lang und zwischen 10 und 500m breit. Ihr höchster Punkt ist 34m hoc
Ca. 2 Dutzend Menschen leben dauerhaft hier.
Es wird ja sogar Landwirtschaft betrieben. Wir haben ein großes Artischockenfeld und einen Traktor gesehen.
Traditionell wurde hier Seetang geerntet.
Wir radeln an der ehemaligen Schule vorbei. Da gibt es manchmal Ausstellungen.
Jetzt ist alles geschlossen. Es ist eben Sonntag und noch recht früh am Tag.
Die alte Chapelle Notre Dame hat einen eigenwilligen Turm.
Von hier aus sehen wir links und rechts das Meer.
Kurz vor 9h sind wir wieder beim Auto zurück. Ich freue mich sehr, dass wir es heute nochmals versucht haben, hinüber zu kommen.
Nach dem Regen war die Stimmung ganz besonders schön.
Ich kann meinem „Reiseleiter“ nur allerhöchstes Lob aussprechen, dass er den allerletzten Bannalec-Roman, der erst während unserer Reise herausgekommen ist, auch noch eingebaut hat.
Ansonsten hätten wir diese Gegend samt Gezeiteninsel wahrscheinlich nicht beachtet.
Auch unsere Weiterfahrt ist magisch. Ein wunderschöner Regenbogen wölbt sich über uns, und wir fahren direkt unter ihm durch.
Nun verlassen wir für ein paar Tage das Meer und begeben uns auf die „Calvaire Tour“, eine kleinen Rundreise in der „Stirnhöhle“ des Finistère-Drachenkopfs, bei der wir einige Dörfer mit ungewöhnlichen Kirchen abklappern.
Die umfriedeten Pfarrbezirke im Elorn-Tal und den Monts d’Arrée prunken mit Triumphtoren, Beinhäusern, vielfigurigen Calvaires und verschwenderisch-kunstvollen Kirchen.
Da, wo sich heute Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, war bis ins 17. Jhd. eine wohlhabend Gegend mir Flachsanbau und das Gewerbe der Tuchmacher florierte.
Unsere erste Station ist BODILIS. Hier fällt vor allem die Überfülle der Balkenschnitzereien auf.
LAMPAUL-GUIMILIAU will uns nicht reinlassen. Alle Straßen sind abgesperrt.
Was ist da los?
Wir stellen das Auto ab und gehen den letzten Kilometer zu Fuß.
Lautes Treaty und viele Menschen im Stadtzentrum erzählen von der „Tour de France für Jugendliche“- parallel zu der von den „Großen“, die ja auch gerade stattfindet.
Wir wenden uns der Kirche zu.
„Selten schuf die westliche Christenheit so farbenfrohe Kunst“, steht in unserem Reiseführer.
Die Altäre links und rechts des Chors sind Beispiele gelungenen bretonischen Barocks.
Eine ungewöhnliche Darstellung zeigt die Geburt der Hl. Maria. Das Baby wird gerade gewaschen, während die erschöpfte Mutter Anna vom Bett aus zusieht.
Daneben sehen wir den Hl. Miliau, der soeben von seinem eigenen Bruder gemeuchelt wurde. Ratlos steht er da und hält seinen abgeschlagenen Kopf in den Händen, während sein Mörder das Schwert wegsteckt.
Der Hl. Michael trampelt auf einem wilden Teufel herum.
Wir erkennen in den zahllosen Schnitzereien immer wieder biblische Geschichten.
Die mannshohe Grablegung Christi im hinteren Kirchenschiff ist ebenso bunt.
Ganz besonders farbenfroh ist der Aufbau über dem Taufbecken gestaltet.
„A wüde G’schicht“, meint Klaus. „Das alles ist von heftigen Gestaltungswillen geprägt“, um Gabi zu zitieren.
Der Kirchturm verlor 1809 durch einen Blitzschlag seine Spitze. Seine frühere Eleganz hat er dadurch eingebüßt.
Der Nachbarort GUIMILIAU ist nicht minder bemerkenswert.
Dieser Ort hat den spektakulärsten Calvaire. Ein wahres Passionsspektakel findet hier statt. Rund 200 Personen sind dargestellt, die zeitgenössische Gewänder tragen.
Die Kirche präsentiert sich in einem Gotik-Renaissance-Gemisch.
Das Südportal gefällt uns besonders gut. Unzählige kleine Szenen sind dargestellt. Wir entdecken die winzige Arche Noah und ihn selbst, der daneben seinen Rausch ausschläft.
Adam und Eva blicken einander zärtlich an, während sie von der Schlange umwickelt werden, usw.
Unser letztes Dorf für heute ist SAINT-THÉGONNEC.
Der Heilige hatte im 5. Jhd. die hiesigen Heiden bekehrt. Sein bescheidenes Kirchlein wurde durch einen prunkvollen Renaissancebau ersetzt.
Der Calvaire trägt auch hier viele Figuren und erzählt die Leidensgeschichte Jesu. Die beiden Schächer tragen Pluderhosen nach der Mode um 1600.
Das Besondere an dieser Kirche ist unter anderem der wuchtige Viereckturm, der den älteren Glockenturm in seinen Schatten stellt.
Der Innenraum wird gerade restauriert. Wir können aber unter der Orgel die Lebensgeschichte Alexanders des Großen erkennen. Was hat der hier verloren?
Alle diese prunkvollen Pfarrbezirke, die jeweils nur ca. fünf Kilometer voneinander entfernt sind, stammen aus der Zeit der Gegenreformation.
Man überschlug sich förmlich, um die Gläubigen bei der Stange zu halten- erfolgreich offenbar. In Frankreich gibt es nur ganz wenige Protestanten.
Wir haben für heute genug.
Erfreulicherweise gibt es hier einen WoMo-Stellplatz, auf dem wir uns häuslich niederlassen können.
Der ganze Tag war heute vom Wechsel zwischen Regen und Sonnenschein geprägt, was uns aber in unserer Kulturbegeisterung gar nicht gestört hat.
58 km
Mo, 21. Juli
In der Nacht hat es wieder stark geregnet, und es gab ein heftiges Gewitter.
Kühl ist es heute, aber immerhin trocken.
Die Wokenstimmmung ist dramatisch.
Wir machen weiter mit unserer Calvaire-Tour, obwohl sich langsam ein wenig Übersättigung einstellt.
Wir fahren durch ein saftiges, grünes Land. Hier wird viel Landwirtschaft betrieben.
Nach ca. 20 km kommen wir zum Pfarrbezirk von SIZUN.
Den Eingang bildet ein Triumphtor, das nach römischen Vorbild gestaltet wurde. Drei klassische Bögen tragen eine Balustrade, auf der die Kreuze des Calvaire stehen. Das ist immerhin einmal eine Abwechslung.
Im Beinhaus ist ein kleines Heimatmuseum untergebracht.
Bunte Altäre aus dem 17. Jhd. schmücken das Kircheninnere, und das Deckengebälk ist wiederum reich geschnitzt.
Inmitten des Zierrats entdecken wir Engel, die Marterwerkzeuge der Passion in den Händen halten.
An einem Pfeiler ist ein nettes Holzrelief der Ste- Geneviève zu sehen. Ein Teufelchen versucht ihre Kerze zu löschen, aber ein kleiner Engel steht schon parat, um sie gleich wieder anzuzünden.
In einer Vitrine werden kostbare Reliquiare aus Silber, mit Inhalt, ausgestellt.
Ich zitiere Gabi’s Professorin für das Frühe Christentum an der Uni: „Ach geh’ das ist doch so unappetitlich“.
Weil wir uns hier schon in den Bergen, den „Monts d’Arrée“ befinden, und es gerade nicht regnet, machen wir eine kleine Wanderung.
PENN AR HOAT ist unser Ausgangspunkt. Zuerst gehen wir einen schmalen, romantischen Fußweg entlang, der allerdings abrupt endet.
Diesmal vertrauen wir unserem Mapsi nicht und gehen nicht weiter.
Wir ernten lieber ein paar Brombeeren, vertrauen uns ihren stacheligen Ranken aber diesmal nicht an.
Da wenden wir uns lieber der nächsten Kirche unserer Rundreise zu, PLEYBEN.
Auch hier zeugt der Enclos- der umfriedete Pfarrbezirk samt Calvaire, Beinhaus, Sakristei und Kirche von vergangenem Wohlstand.
Auch hier hat man in der Renaissance einen gewaltigen Turm hinzugefügt.
Der Calvaire ist diesmal angenehm übersichtlich. Chronologisch, im Kreis herum sind Szenen aus dem Leben Jesu angeordnet, die wir gut erkennen können.
Eine ungewöhnliche Szene ist dabei. Jesus steigt vor der Auferstehung in die „Vorhölle“ hinab, um die vor ihm gestorbenen Gerechten zu erlösen. Sie befinden sich im Rachen eines Ungeheuers, der sie nur sehr ungern ausspuckt.
Die beiden Schächer haben auch hier wieder Pluderhosen an. Auf der Schulter des einen sitzt ein Teufelchen, während dem anderen ein Engelchen beisteht.
Die geschnitzte und bunt bemalte Decke im Inneren zeigt unter anderem Meeresungeheuer und Drachen. Auch der Lebenslauf Jesu und andere Geschichten werden erzählt.
Auch die Orgel in Blau und Gold mit den pausbäckigen Putten verdient Erwähnung.
Aber jetzt müssen wir durch den Regen zu unserem Auto zurücklaufen.
Wir nützen die Zeit einfach für eine ausgedehnte Mittagspause, ehe die Sonne wieder herauskommt, und Klaus noch einige Fotos machen kann.
Das vermeintliche Highlight des Tages wartet jetzt noch auf uns.
In CHÂTEAUNEUF-DU-FAOU freuen wir uns auf die Taufkapelle der Pfarrkirche, die vom Gauguin-Schüler Paul Sérusier ausgemalt wurde. Unsere Erwartungen werden nicht erfüllt. Die Bilder sind nichtssagend und künstlerisch zweitklassig. Wir sind enttäuscht.
Nun brauchen wir noch einen Schlafplatz. Den finden wir sehr schnell am Ufer des Nantes-Brest-Kanals am Fuße der Stadt.
74 km
Di, 22. Juli
Schon wieder Regen in der Nacht.
Eigentlich wollten wir heute wandern. Laut Wetterbericht stehen under Chancen gar nicht so schlecht.
Zuerst wollen wir allerdings die Wallfahrtskirche St-Herbot besuchen, deren Chorschranke aus dem 16. Jhd. eine der schönsten der Bretagne sein soll.
Leider finden wir eine Großbaustelle vor. Durch die Gerüste hindurch können wir die spätgotische Fassade erkennen. Der Vierkantturm erinnert uns an englische Kathedralen.
Offenbar wird auch im Inneren heftig restauriert. Wir dürfen jedenfalls leider nicht hinein- Schade!
Der Mini-Calvaire kann uns auch nicht trösten.
Wir ziehen weiter nach HUELGOAT. Das Städtchen liegt an einem künstlichen See.
Der Name des Ortes bedeutet Hochwald.
Tristan und Isolde sollen hier bereits spazieren gegangen sein und Feen haben hier gezaubert.
Ursprünglich war dieser Wald ein Teil der Brocéliande, des großen Waldstücks, das einst das gesamte Innere der Bretagne bedeckte.
Ursprünglich war dieses Gebiet mit jenem weiter östlich gelegenen Forêt de Brocéliande verbunden, den wir vor einem Monat besucht haben. Das Gebiet dazwischen ist schon seit langem der Abholzung zum Opfer gefallen. Ca. 50 km liegen zwischen den beiden Teilen.
Jedenfalls hat auch hier, im westlichen Teil, König Artus sein Lager aufgeschlagen.
Wir werfen uns in Wanderkluft und folgen seinen Spuren.
Die riesigen Granitblöcke, die überall herumliegen regen die Fantasie an.
Natürlich versuchen auch wir, den „Schwankenden Felsen“ - er wiegt 100 Tonnen - zum Zittern zu bringen.
Wir besuchen den „Haushalt der Jungfrau“ und wandeln auf dem „Pfad der Verliebten“.
Die Baumstämme und Felsblöcke sind mit mit Moos bewachsen. Wir befinden uns eindeutig in einem Zauberwald.
Ganz besonders hübsch ist die Gesteinsformation „Le Champignon“.
Es war schön, wieder einmal im Wald unterwegs zu sein- und ganz ohne Regen.
Nun fahren wir weiter nach Nordwesten.
Unseren Schlafplatz finden wir heute in den Bergen, mitten in einer Heidelandschaft, an einem der höchsten Punkte der Bretagne, dem Roc’h Trevezel.
Von hier aus kann man tatsächlich ganz weit hinten am Horizon das Meer erahnen.
Klaus füllt ein Schüsselchen mit Brombeeren- vom geschützten Weg aus, versteht sich.
Nachdem wir Zeugen eines phänomenalen Abendrots geworden sind, ziehen wir die Jalousien runter und genießen das Wiedersehen mit den „Comedian Harmonists“.
45 km
Mi, 23. Juli
Die dichten Morgennebel lichten sich langsam, als wir auf der holprigen Schotterstraße ins Tal hinunter fahren.
In MOUGAU-BIHAN steht die Allée Couverte, die Grabstätte eines kriegerischen 3. Das 14m lange Langgrab ist ca. 5000 Jahre alt. Die Erde ist von der Erosion längst abgetragen, aber das steinerne Grundgerüst steht immer noch.
Die, von Granitquadern bedeckten, Steinlinien wirken auf mich wie eine Dolmenreihe.
So etwas haben selbst wir noch nie gesehen.
Wir finden auch einige Einritzungen. die Schwerter und Lanzenspitzen darstellen sollen.
Der Pfarrbezirk von COMMANA ist die letzte Station auf unserer Calvaire-Rundreise.
Eine überladen wirkende, bunte Kirche, das kennen wir schon.
Auf der Mauer sitzt ein süßer Drache- aus Stein natürlich.
Ein kleiner Calvaire und ein Beinhaus-Museum dürfen natürlich auch hier nicht fehlen.
In MORLAIX gibt es nichts zu sehen, bis auf Le Viaduc- der ist immerhin über 50m hoch und zweistöckig. 1864 wurde diese Eisenbahnbrücke gebaut, um die Bahnverbindung Paris-Brest fertigzustellen.
Nun peilen wir das Highlight des heutigen Tages an, den Cairn de BARNENEZ.
Die sehr eindrucksvolle Grabanlage ist das größte Mausoleum Europas.
Es ist 70m lang, 15 bis 25m breit und hat mehrere Eingänge.
Es stammt aus der Jungsteinzeit und ist daher ca. 7000 Jahre alt.
Es besteht aus flachen, übereinander geschichteten Steinplatten über Dolmen.
Die Anlage war lange Zeit von der Vegetation überwuchert und vergessen.
Zwischen 1955 und 1968 wurde der Cairn freigelegt.
Dabei stellte man fest, dass das Bauwerk in zwei Etappen errichtet wurde, die etwa 500 Jahre auseinander liegen.
In einige Gänge kann man tief gebückt hineingehen.
Was mir besonders gut gefällt ist die Örtlichkeit. Wir stehen auf einem grünen Hügel und sehen auf das Meer hinab, das wir ja für einige Tage missen mussten.
Auf dem Weg zu unserem Schlafplatz kommen wir wieder zurück in die Nähe von Carantec, von wo wir auf die Gezeiteninsel Île Callot hinüber geradelt sind.
Unser heutiger Stellplatz in SAINT-SAMSON in den Dünen ist schon wieder so schön. Er bietet sogar Bademöglichkeit.
65 km
Do, 24. Juli
Donnerstag, Malstunde. Wir verbringen also einen entspannten Vormittag.
Dann müssen wir uns zum zweiten Mal von der Bucht von Morlaix verabschieden.
Viel haben wir heute nicht vor.
Als Highlight stellen wir uns die Chapelle des Sept Saints = der Sieben Heiligen vor.
Sie wurde über einem Dolmen aus der Steinzeit errichtet. Dieser bildet nun eine kleine Krypta. Das haben wir uns spektakulärer vorgestellt.
Wie so oft wurde auch hier eine heidnische Kultstätte in eine christliche Glaubensstätte umgewandelt.
Sieben einfache Holzfiguren sollen die frommen Männer aus Ephesus darstellen, die bei der Christenverfolgung auf Befehl des Kaiser lebendig eingemauert wurden. Sie schliefen ein, und wachten vorsichtshalber erst nach 200 Jahre wieder auf, als das Christentum zu einer anerkannten Religion geworden war.
Die 18. Sure des Korans erzählt eine ähnliche Geschichte, daher pilgern am 4. Julisonntag auch Moslems hierher zu dem reizenden Kirchlein, das kreisförmig von Bäumen umgeben ist.
Die Legende hat offenbar ihren Ursprung in vorchristlicher bzw. vorislamischer Zeit.
Den restlichen Tag verbringen wir damit, unsere Carte Orange zu verlängern, bzw. eine neue Internet-Karte zu kaufen. Das will einfach nicht funktionieren. In LANNION werden wir erfolglos von Pontius zu Pilatus geschickt.
Schließlich - wie so oft - findet Klaus selbst die Lösung mit einem anderen Anbieter.
Wir sind erleichtert, weil wir das Internet auch fürs GPS brauchen.
Nun wünschen wir uns für den Abend und die Nacht einen „Ruheplatz am Wasser“.
Den finden wir erfreulicherweise auch- in TRÉGASTEL in einer kleinen, ruhigen Villen-Straße, die zum weißen Strand führt.
Diese Stände hier sind auch bei Ebbe schön und belebt. Hier wird z.B. Strandsurfen - auf Rädern - betrieben.
Jeder scheint hier wieder einmal einen oder mehrere riesige Felsblöcke in seinem Garten zu haben- diesmal in rosa. Auch die typisch bretonischen unverputzten Steinhäuser haben in dieser Gegend diese schöne Farbe.
Das zeigt uns deutlich, dass wir bereits die Küste des Granit Rose erreicht haben.
Morgen werden wir die genauer untersuchen.
89 km
Fr, 25. Juli
Bei unserem gestrigen Abendspaziergang haben wir festgestellt, dass bei allen Parkmöglichkeiten für diesen Strand Wohnmobile verboten sind. Nur in unserer kleinen Gasse haben sie offenbar vergessen, ein Schild aufzustellen. Schon wieder haben wir Glück gehabt.
Wir haben auch einen sehr imposant aussehenden Felsen „erklommen“.
Von vorne sieht er nach verwegener Kletterpartie aus, aber von der Rückseite aus konnten wir ganz bequem hinaufgehen.
Diese Gesteinsformation wird Gradlons Krone genannt. Den sagenhaften König kennen wir ja aus Quimper.
An „unserem“ Strand sind Kommissar Dupin und seine Frau Claire im Band 6 „Bretonisches Leuchten“ gelegen.
Wir machen heute eine wunderschöne zweistündige Wanderung an der Küste entlang- um die ganze Halbinsel RENOTE herum. Teilweise geht der Weg durch ein rosa Felsenlabyrinth.
Die Granitbrocken haben fantastische Formen. Ein “Würfel“ scheint auf einer Spitze zu balancieren. Ein „Pfannkuchenhaufen“ lädt zum Herumkraxeln ein. Mit etwas Fantasie kann man noch viele andere Gebilde erkennen.
Wir entdecken, dass das hiesige Gestein seine Farbe durch die rosafarbene Einschlüsse hat. Wikipedia erklärt, dass es sich dabei um Hämatit und Alkalifeldspat handelt.
Der Rosengranit diente schon seit der Jungsteinzeit als Baumaterial.
Den restlichen Tag verbringen wir „zu Hause“. Sogar der Strand schimmert hier in zartem Rosa. Das zarte Türkisgrün des Meeres geht in strahlendes Türkisblau über, um weiter draußen tiefblau zu werden.
Familien mit kleinen Kindern genießen das Standleben. Konzentriert baut ein Opa zusammen mit seinem Enkelkind eine Sandburg.
Vor dem Abendessen satteln wir unsere Drahtesel und radeln in den Ortskern von TRÉGASTEL. Dort finden wir Dupins Presseladen, seine Boulangerie/ Bar und die reizende kleine Kapelle. In einer ihrer Statuen soll ein legendärer Rubin versteckt sein.
Wir haben ihn leider nicht gefunden, und außerdem ist er ja angeblich längst bei den Kronjuwelen im Louvre.
0 km
Sa, 26. Juli
Für heute haben wir eine kleine Radtour geplant.
Wir wollen Asterix und Obelix in ihrem Gallierdorf in PLEUMEUR-BODOU besuchen.
Leider ist es geschlossen. Es gab große Schäden durch einen Brand und wird gerade wieder aufgebaut.
Wir überlegen uns ein Ersatzprogramm und radeln nach PLOUMANAC’H.
Das Fischerdorf an der Côte de Granit Rose hat im 20. Jhd. den Fremdenverkehr für sich entdeckt. Edle Hotels und Restaurants laden uns Touristen ein.
Wir entdecken die Terrasse, auf der Kommissar Dupin seinen petit café trank.
Auf einem vorgelagerten Felseninselchen steht - von Bäumen fast verborgen - das Schlösschen Costaérès, das 1989 Didi Hallervorden gekauft hat.
Normalsterbliche wie wir dürfen da nicht hinüber.
Wir gehen ein Stück auf dem alten Zöllnerpfad, auf dem wir bereits 2014 gewandert sind.
Er führt knapp über der Brandung die Küste entlang. Kreuz und quer türmen sich vor dem Hintergrund des blauen Atlantiks in der gelb und lila blühenden Heidelandschaft gewaltige rosa schimmernde Felsblöcke in bizarren Formationen, denen die Phantasie viele Namen gegeben hat.
Leider zieht sich das Wetter zusammen. Wir eilen zu unseren Rädern zurück und fahren im berühmten bretonischen Nieselregel - dem „Crachin“- nach Hause zurück.
Kaum haben wir uns trocken gelegt, kommt die Sonne heraus. Der Regen hört auf, und das fröhliche Badeleben an unserem Strand beginnt wieder.
Für unsere Abendgestaltung sorgt heute der Film „Lola rennt“ aus 1998 mit Moritz Bleibtreu und Franka Potente.
0 km + 24,62 km mit den Fahrrädern
So, 27. Juli
Jetzt müssen wir uns von unserem schönen Platz verabschieden, auf dem wir schon richtig heimisch geworden sind.
Zum letzten Mal schauen wir den alten Damen zu, die hier jeden Morgen Wassergymnastik machen.
Nach drei Tagen Standorttreue müssen wir dringend einkaufen- das ist ja in Frankreich am Sonntag Vormittag möglich. Dazu passt gut, dass nebenbei Waschmaschine und Trockner laufen.
Danach schiffen wir uns im Badeort PERROS-GUIREC zum Archipel des 7 ÎLES ein,
Wir haben Glück und müssen nicht lange auf das nächste Boot warten. Das kleine Schiff bietet ungefähr 100 Passagieren Platz.
Wir brechen zu einer Rundfahrt durch das größte Seevogelschutzgebiet Frankreichs auf.
Die erste Information, die wir an Bord bekommen ist, dass es nur 5 Inseln gibt. Der falsche Name geht auf einem Übersetzungsfehler aus dem Bretonischen zurück.
Seit 1975 steht das Inselgebiet unter Naturschutz.
Davor wurden besonders die possierlichen Papageientaucher hier sehr gerne abgeschossen.
Langsam erholt sich die Population wieder. Wir haben allerdings keine gesehen.
Wir legen auch nirgends an und beobachten die Vögel vom Wasser aus.
Gleich unsere erste Station versetzt und in Staunen. Der gesamte Felsen schimmert weiß- nicht etwa durch Vogelkot, sondern durch die makellos weißen Basstölpel selbst.
Tausende brütenden Vögel bilden einen grandiosen Anblick. Es handelt sich um die einzige Kolonie in Frankreich, die südlichste der Welt.
Wegen ihrer langen Flügel brauchen sie steile Klippen, und die finden sie hier vor.
Die überlebenden Jungvögel fliegen, wenn sie aus dem Gröbsten heraus sind, drei Jahre lang um die Welt. Dann kommen sie zu ihrem Geburtsort zurück, suchen sich einen Partner und gründen hier eine Familie. Basstölpel können bis zu 20 Jahre alt werden.
Auf den anderen Inseln bekommt Klaus auch einige wenige hübsche Austernfischer und einige Krähescharben vor die Linse seines Teleobjektivs.
Letztere sehen fast so aus wie Kormorane.
Auch faule Kegelrobben liegen auf den Felsen herum. Sie warten auf die Flut, die sie mitnimmt, damit sie fischen können.
Zum Abschluss fahren wir die rosa Granitküste entlang. Heute wirken übrigens alle Steine einfach grau. Die Farbe hängt vom richtigen Licht ab.
Es gefällt uns, die Küstenabschnitte, an denen wir gestern auf dem Zöllnerpfad gewandert sind, nun vom Wasser aus zu sehen.
Endlich bekommen wir auch den „Hut Napoleons“ gezeigt. Den hätten wir niemals als solchen erkannt.
Im Zweiten Weltkrieg spielte er nämlich eine bedeutende Rolle.
„Le chapeau de Napoléon, est-il toujours à Perros-Guirec?“ („Ist Napoleons Hut noch immer in Perros-Guirec?“) wurde als Code der BBC in London verwendet, um der Résistance das Signal zum bewaffneten Aufstand gegen die deutsche Besatzungsmacht in der Bretagne zu geben.
2 1/2 Stunden waren wir auf dem Meer unterwegs. Jetzt haben wir noch einen halbstündigen Spaziergang zu unserem Auto vor uns. Parkplätze sind rar.
Unser heutiges Tagesziel ist ein Bauernhof im Dorf PLEUBIAN, bei dem wir ruhig und unbehelligt, zusammen mit zwei anderen WoMos in einer Wiese stehen.
46 km + ca. 20 km mit dem Schiff
Mo, 28. Juli
Wir haben sehr gut geschlafen.
Frohen Mutes wollen wir losfahren. Das Auto lässt sich starten aber es fährt nicht.
Wir rufen den ÖAMTC an.
Nach ca. 1 1/2 Stunden rückt der Pannendienst an.
Der Mechaniker murmelt mürrisch unverständliches Zeug. „Ich glaub’, der måcht sein Job net gern.“
Allerdings dürfte er ihn gut machen. Er fährt eine Zeitlang mit hoher Geschwindigkeit herum, um den Partikelfilter auszubrennen.
Dann funktioniert wieder alles. € 80,00 hat uns der Spaß gekostet.
Wir sind erleichtert. Unsere Weiterreise ist gerettet.
Die erste Station des heutigen Tages machen wir bei einer Camper-Servicestation.
Unser weiteres Programm müssen wir wieder einmal umstrukturieren.
Im alten Hafen von PAIMPOL fällt uns ein Lokal mit dem Namen „Les Islandais“ auf.
Die „Islandfischer“ prägten fast ein Jahrhundert lang das Leben dieses Städtchens.
Bis nach Island kamen die Fischer wohl nicht, aber der Kabeljaufang im Nordatlantik machte das Städtchen reich. Allerdings forderte er regelmäßig Todesopfer.
Pierre Loti hat das mit seinem Roman „Les Pêcheurs d’Islande“ = „Die Islandfischer“ eindringlich beschrieben.
Der Autor zeichnet ein romantisch verklärtes Bild der Bretagne im ausgehenden 19. Jh.
Ganz in der Nähe, in PLOUHA, steht die Kapelle Kermaria.
Sie stammt aus dem 13. Jhd. und besticht durch ihre Schlichtheit.
Die Decke ist aus Holz. Aus dem Turm hängen die Stricke herab, mit denen die Glocken geläutet werden.
Bemerkenswert ist das - bereits etwas verblasste - Fresko aus dem 15. Jhd. das einen makaberen Totentanz darstellt. Es zieht sich rund um den ganzen Kirchenraum.
Auch ein vermoderter Reliquienschrein erinnert an die Vergänglichkeit alles Irdischen.
Wir fahren weiter nach TRÉVÉREC, wo wir uns auf dem Stellplatz neben der Kirche niederlassen. Hier kriegen wir sogar Strom.
71 km
Di, 29. Juli
GUINGAMP ist heute unsere erste Station. Es ist die Hauptstadt des gleichnamigen Arrondissements.
Rund um die Burg, von der noch alle vier Türme stehen, wuchs langsam eine mittelalterliche Stadt heran. Von der Stadtmauer aus dem 13. Jhd. kann man noch Teile erkennen.
Als Herzog Pierre II im 15. Jhd. ins renovierte Schloss einzog, brachte das einen enormen Aufschwung für die Stadt.
Im 20. Jhd. entwickelte sich hier ein Handelszentrum, und im Zeiten Weltkrieg entwickelte sich hier ein Zentrum der Résistance.
Über eine Treppe, vorbei an alten Mauerresten, steigen wir hinauf zur erstaunlich großen Kirche. Sie wirkt gotisch, zeigt aber keine einheitliche, harmonische Form. „Chaotischer Wildwuchs“, meint Klaus.
Der Reiseführer nennt das „eine eindrucksvolle Melange aus Gotik und Renaissance“.
Seit dem 13. Jhd. fanden, und finden immer noch, Wallfahrten zur Schwarzen Madonna statt. Das einträgliche Geschäft mit Pilgern brachte immer neue, prächtigere Vergrößerungen des Gotteshauses mit sich. Mittlerweile sind die Nebenhäuser total mit ihm verwachsen.
Die so sehr verehrte lebensgroße Statue steht im Eingangsbereich hinter einem Kerzenmeer. Kreuzritter sollen sie aus dem Osten mitgebracht haben.
An der selben Stelle soll in vorchristlicher Zeit eine keltische Erdgöttin angebetet worden sein. Aus dieser Zeit stammen wohl die orgiastischen Ausschreitungen, die die Wallfahrten - die nicht umsonst „Pardons“ genannt wurden - bis ins 19. Jhd. begleiteten.
In der „Nacht der Vergebung“ war alles erlaubt.
Noch heute wird am Vorabend des ersten Julisonntags ein Freudenfest gefeiert.
Wir spazieren ein wenig durch die recht hübsche Altstadt und zollen auch dem Springbrunnen auf der Place du Centre Beachtung. Er stammt aus dem 16. Jhd. und ist mit allerlei Fabelwesen geschmückt. Wir finden die lachenden, wasserspeienden Pferdeköpfe lustig.
Da ist der moderne Brunnen neben unserem Parkplatz viel origineller.
Der Kopf eines Fußgängers ist ganz in eine Wolke gehüllt, aus der es in unregelmäßigen Abständen regnet- sehr erfrischend.
Ca. 10 km westlich der Stadt liegt der höchste Berg der Gegend, der Menez-Bré, der uns eine tolle Aussicht verspricht.
Leider beginnt es zu regnen und wir sehen nur eine Nebelsuppe.
Der Gipfel mit der kleinen Kapelle gefällt uns trotzdem so gut, dass wir hier unsere Mittagspause genießen.
Auch der restliche Tag gestaltet sich regnerisch. Wir kennen ja mittlerweile den lästigen Nieselregen, den „Crachin“ bereits- nicht nur von Bannalec.
Unser Besichtigungsprogramm geht weiter.
Die Kapelle von LOCMARIA in PEN AN NEC’H ist unser nächstes Ziel.
Das alte Kirchlein hat einen wunderschönen geschnitzten Lettner aus dem 16. Jhd.
Klaus holt sich seine große Kamera und das Stativ aus dem Auto. Dieses Kleinod muss mit ordentlichem Gerät gewürdigt werden.
Aber es geht noch besser.
LOC ENVEL ist eines der hübschesten Dörfchen im Bezirk. Es hat gerade einmal 100 Einwohner.
Auf einer leichten Anhöhe steht das hübsche Kirchlein aus rosa Granit. Eine mit Blumen geschmückte Treppe führt hinauf.
Das Herzstück ist auch hier wieder ein sehr bemerkenswerter Lettner. Er ist über 400 Jahre alt und spätgotisch.
Von der Decke hängen geschnitzte und bunt bemalte Figuren.
Wie gut, dass Klaus seine Fotoausrüstung bereits bei der Hand hat.
Ganz in der Nähe finden wir einen Stellplatz in BELLE-ISLE-EN-TERRE- Aha, diese schöne Insel liegt also an Land.
Hier verbringen wir den Rest dieses regnerischen Tages und die Nacht.
54 km
Mi, 30. Juli
Erst heute nehmen wir unseren besonders hübschen Stellplatz so richtig wahr, und spazieren ein bisschen den Bach entlang.
Gestern - bei unserer Ankunft - hat es ja geregnet. Da wollten wir nicht mehr raus.
Heute peilen wir einen schönen Platz am Meer an.
Wir waren ja in den letzten Tagen im Landesinneren.
Auf der Halbinsel HILLION lassen wir uns nieder und verbringen hier - im Naturschutzgebiet - einen gemütlichen Ruhetag.
Irgendwann wir uns das zu langweilig, und wir machen eine Küstenwanderung- um das ganze Spitzel der Halbinsel herum.
Dabei sehen wir zu, wie bei Ebbe das Meer immer weiter zurückweicht- bis zu 4 km. Bald liegen die Austernbänke trocken. Traktoren mit großen Anhängern fahren über den Sand- offenbar zur Ernte.
Auch Menschen und Silberreiher spazieren auf den weiten Sandflächen herum.
Unser Weg ist hübsch angelegt und biete schöne Ausblicke. Zweimal kommen wir an den Resten von Bunkern aus dem Weltkrieg vorbei.
Als Abendgestaltung schauen wir uns eine der allerersten Folgen der Krimiserie „Der Kommissar“ an- ein Zeitdokument aus unserer frühen Jugend, den 1960er-Jahren.
68 km
Do, 31. Juli
Auch heute hält Klaus konsequent seine Malstunde ein. Er schickt - wie jedes Mal - seinen Kolleginnen, die in ihrem „Atelier“ in Haid bei Ansfelden zusammensitzen, zunächst ein Foto von seinem jeweiligen Arbeitsplatz. Auch heute ist dieser - wie meistens - im wahrsten Sinn des Wortes malerisch.
Leider schlägt der „Crachin“ wieder zu, und er muss in unser Häuschen flüchten.
Über den trockenliegend Meeresboden bei Ebbe drehen einige Trabrennfahrer in ihren Sulkies ihre Trainingsrunden.
Als wir zu Mittag aufbrechen, hat das Wasser bereits wieder unseren Strand erreicht.
Wir fahren nach ERQUY. Auf unserer Frankreichreise vor 11 Jahren haben wir dort in der Nähe für vier Tage eine Gite bewohnt. Die wollen wir wieder finden. Das wird die Aufgabe des Tages.
Wir fahnden mittels meines Reisetagebuchs von damals, mittels SreetView und mittels Booking.com.
Schließlich irren wir ein wenig auf gut Glück herum. Wir finden die Pizzeria am Strand, die uns in guter Erinnerung geblieben ist.
Irgendwo hier in der Nähe muss das doch sein.
Klaus hat einen Geistesblitz. Er sucht seine alten Fotos und - tatsächlich - da werden die GPS-Daten mitgeliefert.
Hurra, wir freuen uns sehr, das wirklich reizende Häuschen wiederzusehen. Auch das edle Restaurant daneben kommt uns gleich ganz vertraut vor.
Nachdem wir diese knifflige Rätsel gelöst haben, wird uns die Lösung des „Um-die-Ecke-gedacht-Rätsels“ aus der Zeitung „DIE ZEIT“, das uns Klaus’ Schwester Maria gerade geschickt hat, sicher auch gelingen.
Das Tagewerk haben wir vollbracht, und als Tüpfelchen auf dem i können wir heute auch die schon lange anstehende Felduntersuchung „Pizza aus dem Automaten“ angehen. Immer wieder haben wir solche Automaten gesehen. Bei uns in Österreich gibt’s die nicht.
Ob das wohl schmeckt?
An einem hübschen Rastplatz mit Picknick-Tisch speisen wir „im Dienste der Wissenschaft“. Das Experiment ist voll geglückt.
Jetzt brauchen wir noch eine Platz für den Abend und die Nacht.
Wir fahren die Smaragdküste entlang und bewundern mit gemischten Gefühlen die weiten Flächen voll blühendem Stechginster und Heidekraut.
Beim Leuchtturm am Kap Fréhel, der auf einem 72m über dem Meer aufragenden Felsen steht, sind WoMos nur tagsüber erwünscht.
Die gleiche Erfahrung machen wir beim mittelalterlichen Fort la Latte.
Schließlich finden wir einen Platz etwas abseits der Straße.
Heute Abend schauen wir uns den Film „Paper Moon“ mit Ryan und Tatum O’Neal an.
81 km
Fr, 1. August
Wir haben wieder einmal Lust auf eine Wanderung.
An dem Platz, an dem wir übernachtet haben, beginnt nämlich ein Wanderweg, der zur Festung La Latte führt.
Wir schnüren also unseren Schuhe und marschieren los.
Zunächst geht es einen schönen, schattigen Weg entlang, der uns an einigen sehr schönen Häusern mit wunderbaren Gärten vorbeiführt- ziemlich einschichtig.
Dann wandern wir der Küste entlang und genießen wunderbare Ausblicke zum Kap Fréhel mit dem Leuchtturm und auf das dunkelblaue Meer.
Das Meer wird uns abgehen. Die letzten Tage, die es uns noch begleiten wird, wollen wir genießen.
Schließlich zeigt sich uns auch die eindrucksvolle Festung auf der Landspitze.
Wir freuen uns, abseits der Autoströme hierher gekommen zu sein.
Für den Rückweg wählen wir eine andere Strecke, die uns nicht minder gut gefällt.
Nach ca. zwei Stunden sind wir wieder beim Auto.
Nach einem Einkauf im „Super-U“, machen wir uns auf den Weg nach DINAN, das wir von unserer Frankreichreise vor elf Jahren in bester Erinnerung haben.
Unseren Schlafplatz finden wir am Stadtrand, auf einem Stellplatz unter dem Viadukt.
Neben uns rauscht der Fluss Rance.
52 km
Sa, 2. August
Nach dem Frühstück freuen wir uns darauf, DINAN wiederzusehen, die uns schon vor elf Jahren so gutgefallen hat.
Wir finden einen Parkplatz im Stadtzentrum, bewacht vom hier sehr populären mittelalterlichen Haudegen Bertrand Duguesclin hoch zu Ross in seiner Ritterrüstung.
Die Stadt, die auf einem Felsplateau über der Rance liegt, ist von einem fast kompletten Mauerring umgeben, dem ältesten Stadtwall der Bretagne.
Victor Hugo resümierte einst:“ ….angeklebt und zugemauert auf einem Hang über dem Abgrund, wie ein Schwalbennest.“
Als die „am besten erhaltene bretonische Stadt“ ist Dinan ein „Nationales Kulturdenkmal“.
Unser Spaziergang führt uns vorbei an vielen alten Fachwerkhäusern, von denen einige aussehen, als würden sie bald zusammenfallen. Besonders schön ist das Maison de la Harpe. Das urkeltische Instrument der Harfe kommt hier zu Ehren.
Dass diese Häuser zum Großteil aus Holz sind, kann ihnen zum Verhängnis werden.
Eines der ältesten von ihnen ist 2019 völlig abgebrannt. Ausgerechnet in diesem befand sich das Restaurant „La Mère Pourcel“, in dem wir bei unserer letzten Frankreichreise so gut gegessen haben. Nun finden wir eine Baustelle vor.
Von überall in der Altstadt ist der Uhrturm, La Tour de l’Horloge sichtbar. Er stammt aus dem späten 15. Jhd.
Es ist gerade 10h geworden, und die Rollläden der Geschäfte werden gerade hochgezogen. Das Leben erwacht um diese Zeit. Das ist uns schon oft aufgefallen.
Dafür hat alles - nach einer ausgiebigen Siesta - abends lange offen.
An der Basilika St. Sauveur gefallen uns die romanischen Teile am besten. Den gotischen Anbauten kann man noch einiges abgewinnen, aber die Barockisierungen - besonders im Altarraum - sind nicht mein Geschmack.
Der Turm, der einst von einem Blitz geköpft worden war, erhielt einen Renaissance-Helm.
Wir flanieren durch den Jardin Anglais und werfen von hier einen Blick über die Stadtmauer. Sie geht uns hier gerade einmal bis zur Brust, reicht aber dutzende Meter in die Tiefe. Der Ausblick ist gewaltig.
Wir verabschieden uns von dieser besonders hübschen Stadt.
Unsere heutiges Tagesziel ist gar nicht weit von hier.
Das mondäne Seebad DINARD war ab der zweiten Hälfte des 19. Jhd. besonders bei den Engländern sehr beliebt. Die Briten prägten das Stadtbild mit ihren Villen in viktorianischem Stil nachhaltig.
Es gibt hier immer noch „Tea-Rooms“ und sogar eine anglikanische Kirche.
Viele Berühmtheiten verbrachten hier den Sommer: Edward VII als Prince von Wales, Richard Wagner, Pablo Picasso, Lawrence von Arabien, und viele mehr.
Claude Debussy ließ sich in Dinard zu seiner symphonischen Dichtung „La Mer“ inspirieren.
Aus diesem Grund wird die Stadt auch „Nizza des Nordens“ oder „Brighton der Bretagne“ genannt.
Vor dem Ersten Weltkrieg war Dinard das exklusivste Seebad Europas.
Heute kommen die meisten Touristen aus Frankreich.
Vom Hafen aus können wir auf die Festungsmauern von Saint-Malo hinüberschauen.
Wir finden einen Parkplatz in der Nähe eines Sportplatzes, wo wir bis morgen bleiben können.
Am Abend spazieren wir durch einen hübschen Park zur sogenannten Mondscheinpromenade „Clair de Lune“ hinunter. Mondschein haben wir noch nicht. Erst ganz schwach zeigt sich der Halbmond am Himmel.
„Schau“, meint mein witziger Romantiker, „Le Monde“ ;-)
Die Promenade ist sehr hübsch angelegt, mit Palmen, alten Bäumen und üppiger Blumenpracht. Es ist fast so, als würden man die englischen Damen von seinerzeit „How lovely“ seufzen hören.
Am Strand stehen tatsächlich immer noch die blau-weiß-gestreiften Zelte zum Umkleiden bereit.
Ein edles Hotel steht neben dem anderen, und auf den Hügeln thronen die 3 der Reiche und Schönen.
Natürlich gibt es auch Casinos und Theater und jede Menge Cafés, Bars und Restaurants.
Dem hiesigen Filmfestival verdankt wohl Alfred Hitchcock seine Statue mit „den Vögeln“. Wie fein, dass sich für ein Foto eine lebendige Möwe dazugesellt.
Nun suchen wir uns eine nette Crêperie und schlemmen köstliche Galettes mit Salat.
Wir können verstehen, dass die Stadt gerne „Perle der Smaragdküste“ = La Perle du Côte d’Émeraude genannt wird.
Nach all dem Touristengewimmel sind wir richtig froh, wieder in unsere bescheidenes Häuschen zu kommen.
30 km
So, 3. August
Bei bedecktem und kühlen Wetter spazieren wir zur Fähre, die uns nach ST-MALO
hinüber bringen wird. Die Fahrt dauert nur eine Viertelstunde.
Wir können den Fährhafen sehen, von dem wir im Vorjahr auf die Kanalinsel Jersey übersetzt haben.
Genau hier, zwischen Dinard und St-Malo mündet die Rance in den Ärmelkanal.
Das weltweit erste, und immer noch größte, Gezeitenkraftwerk befindet sich hier-
wegen des Tidenhubs von bis zu 12m. Damit können wir aber heute nicht rechnen. Wir haben ja, wie schon erwähnt, nur Halbmond.
Ihren Namen verdankt St-Malo dem Missionar Maclow.
Die Festungsmauern sind gewaltig und haben dazu beigetragen, dass die Stadt nie erobert wurde.
Bis sich im Zweiten Weltkrieg die Deutschen hier eingebunkert haben. Die Alliierten antworteten mit Bomben und zerstörten St-Malo vollkommen.
Nur die Mauern haben standgehalten.
In den 1960er-Jahren wurde alles originalgetreu wieder aufgebaut und präsentiert sich heute wieder wie im 18. Jhd, als die Stadt eine blühende Handelsmetropole war. Wir können den langweiligen, grauen klassizistischen Fassaden allerdings nur wenig abgewinnen.
Auch die Kathedrale St-Vicent fiel dem Bombardement zum Opfer. Sogar die Orgel war geschmolzen. Die spärlichen Reste dienten für mehrere Jahre als Pferdestall. Schließlich entschloss man sich zum Wiederaufbau. 1972 wurde die Kirche neu eingeweiht.
Das moderne Ensemble des Hauptaltars aus 1991 besteht aus Bronze und schwarzem Marmor aus Afrika. Es hat uns schon damals gut gefallen, als wir 2014 das erste Mal hier waren.
Wir machen einen Stadtspaziergang. Von den Mauern aus, blicken wir zur Markthalle hinüber, wo in Bannalecs 9. Band „Bretonische Spezialitäten“ eine Schwester die andere umgebracht hat. Zwei Meisterköchinnen hatten hier, im wahrsten Sinn des Wortes, “ein Hühnchen zu rupfen“.
Heute ist Sonntag. Der Ort des Geschehens hat leider geschlossen.
Die Andenkenläden sind aber alle offen.
Da ich nicht der/ die einzigen Tourist*in in Frankreich bleiben will, der/ die nicht im gestreiften Marineshirt herumläuft, kaufe ich mir endlich auch eines.
Weiter geht es auf der Stadtmauer, auf der in regelmäßigen Abständen Denkmäler für die mutigsten Helden der Stadt aufgestellt sind.
St-Malo ist stolz auf seine Seeräuber-Vergangenheit und spielt mit diesem Image.
Es gibt sogar einen eingetragenen „Verein der Nachkommen der Korsaren“. Diese wilden Kerle waren keine gemeinen Seeräuber, sonders sie hatten einen königlichen Kaperbrief bei sich und durften, ja sollten sogar, feindliche Schiffe aufbringen und für die Passagiere Lösegeld verlangen. Außerdem waren sie für den Geleitschutz von Handelsschiffen zuständig.
Da drüben, auf der Insel Grand Bé, die bei Ebbe zu Fuß erreichbar ist, liegt der Schriftsteller und Staatsmann Chateaubriand begraben. Jetzt, bei auflaufender Flut, können wir nur hinüberschauen.
Petit Bé heißt die kleine Insel daneben, auf der ein, von Vauban entworfenes, Fort steht.
Kurz vor 13h besteigen wir wieder die Fähre und fahren zurück.
Auf der Promenade kennen wir uns ja jetzt schon bestens aus, also gehen wir durch die Stadt zum WoMo zurück.
Jetzt kommt endlich die Sonne ein wenig heraus.
Weil’s zu Hause gerade so gemütlich ist, beschließen wir, noch eine Nacht hier zu bleiben.
0 km + ca. 4 km mit der Fähre
Mo, 4. August
Als wir heute Morgen frohgemut erwachen, stellen wir fest, dass die Straße, in der wir parken, über Nacht gesperrt wurde.
Ein Kleinlaster zeigt uns, was zu tun ist. Der Fahrer steigt aus, dreht das Absperrgitter zur Seite und fährt einfach durch. So machen wir es auch und können auf diese Weise glücklich entkommen.
Unser erstes Ziel ist heute der kleine Ort ROTHÉNEUF.
Kommissar Dupin wanderte tief in Gedanken über seinen aktuellen Fall „Bretonische Spezialitäten“, an der Küste entlang. Plötzlich glaubte er im Fels ein Gesicht zu sehen, und bald noch eines. War das eine Sinnestäuschung?
Überall tauchten plötzlich Köpfe, Fratzen und seltsames Getier auf. Der gesamte Felsvorsprung schien zum Leben zu erwachen.
Wir müssen Eintritt zahlen, um uns das anzusehen.
Nachdem der Gemeindepfarrer Abbé Fouré (1839–1910) im Alter von 30 Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte, konnte er nicht mehr sprechen und war halbseitig gelähmt. Er zog sich auf die Klippen von Rothéneuf zurück, wo er dann 25 Jahre als Einsiedler lebte. Seine in den Fels gehauenen Skulpturen von Dämonen, Piraten und Fantasiewesen sind heute eine beliebte Touristenattraktion.
Ein paar Kilometer weiter im Osten brechen wir zu unserer letzten Küstenwanderung dieser Reise auf.
Wir marschieren zuerst zur Landzunge Pointe du Grouin.
Die Klippen sind hier bis zu 50m hoch und fallen steil ins Wasser ab.
Hier ließ Bannalec im Band 9 einen seiner Protagonisten ins Meer stürzen.
Unser Weg führt an einem modernen, weißen Leuchtturm und - wieder einmal - an einem Bunker aus dem 2.Weltkrieg vorbei.
Wir genießen wunderschöne, weite Ausblicke aufs Meer- der Blick schweift vom Kap Fréhel bis zum Mont-St-Michel, der am Horizont auftaucht.
Der ganze Küstenweg ist ca. 350 km lang. Einige - kurze - Stücke davon haben wir ja in den letzten Tagen erwandert.
Noch ist das Meer smaragdgrün. Wir sind ja immer noch an der Côte d’Émeraude.
In der Normandie wird es die Farbe dann auf blau wechseln- wie man bei Bannalec erfahren kann. Und der muss es wissen.
Seinen Kommissar Dupin befallen wehmütige Gefühle. Er spürt genau, dass hier die Bretagne endet.
Auf einem Parkplatz neben der Straße, mit Blick aufs Meer, werden auch wir unsere letzte Nacht in der BRETAGNE verbringen.
31 km
Di, 5. August
Unsere Fahrt nach Osten geht weiter.
Nicht nur von der Bretagne müssen wir uns heute verabschieden, sondern auch vom Meer. Das geschieht ausgesprochen stürmisch.
Den ganzen Tag fahren wir heute am südlichen Rand der NORMANDIE entlang.
Die bretonischen Hermeline begleiten uns jetzt nicht mehr, sondern die beiden gelben normannischen Löwen.
Unterschiede fallen uns kaum auf. Nur die Kirchtürme sind auf einmal nicht mehr so filigran.
Überall wird der Mont-St-Michel beworben. Da waren wir schon, ich sogar schon mehrmals. Das reicht vollkommen. Daran fahren wir leichten Herzens vorbei.
In TEILLEULE finden wir einen gut geeigneten Schlafplatz hinter einem Sportzentrum.
Außer ein paar Schafen haben wir hier keine Gesellschaft.
102 km
Mi, 6. August
Unsere Heimreise führt uns in gemütlichen Etappen weiter nach Osten.
Auf schnurgeraden Straßen geht es dahin, auf und ab, wie auf einer Hochschaubahn.
Unser Tages ziel ist VERNEUIL-SUR-AVRE.
Im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) fand hier eine bedeutende Schlacht zwischen den Engländern und den Franzosen statt.
Wir stehen im tiefsten Frieden auf einem netten Stellplatz, bewacht von der Feuerwehr und vom reich verzierten spätgotischen Turm Madeleine, der die mittelalterliche Stadt überragt.
160 km
Do, 7. August
Gemütlicher Vormittag mit Malstunde im Freien- das letzte Mal auf dieser Reise.
Dann brechen wir nach Südosten auf.
Ganz unerwartet machen wir eine Sitzbesichtigung von VERNEUIL-SUR-AVRE.
Wir fahren an der Tour Grise, einem Rundturm aus dem 13. Jhd. vorbei. Auch einige Fachwerkhäuser hat der Ort zu bieten.
Zuletzt entdecken wir noch das auffällig karierte „Maison de la Renaissance“.
Die NORMANDIE lassen wir heute hinter uns.
CHARTRES, das etwas mehr als 50 km entfernt lieg, befindet sich in der Region CENTRE-VAL DE LOIRE.
Diesmal fahren wir nicht vorbei, sondern nehmen uns für die Kathedrale Notre-Dame Zeit.
Schon von Weitem begrüßt sie uns hoch aufragend mit ihren beiden ungleichen Türmen.
2003 waren wir hier. In der Zwischenzeit wurde die Kirche offenbar zum Teil restauriert und wirkt hell. Wir sind ziemlich angetan.
Viele Stufen sind wir zum Stadthügel hinaufgestiegen, auf dem bereits ein gallorömisches Heiligtum und im 9. Jhd. eine karolingische Kirche stand.
Der heutige Bau stammt größtenteils aus dem 13. Jhd. und gilt als eines der schönsten gotischen Baudenkmäler des Landes.
Der schlichte Südturm ist älter und niedriger als der Nordturm. Diese Ungleichheit schadet meiner Meinung nach dem Gesamteindruck.
Besonders schön finden wir das dreitorige Königsportal, ein Meisterwerk der romanisch-gotischen Bildhauerkunst.
Im Inneren fallen die Glasmalereien mit dem berühmten Blau von Chartres auf.
Die Chorschranke, die Mauer, die den Chorraum komplett umschließt, ist besonders fein gearbeitet. 40 Gruppen von über 200 Skulpturen bilden Szenen aus dem Leben Jesu und der Jungfrau Maria ab. Es dauerte zwei Jahrhunderte- von 1516-1716, bis alle Figuren fertig waren.
Man wollte damit den Chor von den Pilgerscharen abgrenzen.
In einem Seitenaltar kann man nämlich die Sancta Camisia sehen, das Hemd, das Maria „garantiert“ während der Geburt Jesu getragen hat bzw. bei der Verkündigung.
Es waren die Pilger und sind heute die Touristen, von denen die Stadt lebte und immer noch lebt.
Im Labyrinth - aus schwarzen und grauen Steinplatten - auf dem Fußboden können wir uns leider nicht verirren. Das lässt die Bestuhlung, die es fast verdeckt, nicht zu.
Wir umkreisen den riesiger Bau. Die Französische Revolution hat er nur deshalb unbeschadet überstanden, weil die Bürokraten zu lange diskutierten wie die große Aufgabe der Zerstörung zu bewerkstelligen sei.
Das Labyrinth im Garten ist leider auch nicht zugänglich. Es wird eben immer noch restauriert.
Jetzt haben wir noch einen Großteil der Tagesetappe vor uns.
Es ist ziemlich heiß. Die Hitze sind wir gar nicht mehr gewohnt. Wir sind eben nicht mehr am Atlantik.
Es geht weiter nach Osten, südlich an Paris vorbei.
Jeden Abend bin ich dankbar, dass Klaus uns wieder gut ans Ziel gebracht hat.
Die Autobahnen im Einzugsbereich von Paris waren besonders stressig für den Fahrer.
Ich, die Beifahrerin, habe ja friedlich geschlafen.
Jetzt stehen wir auf einem ruhigen Parkplatz in CESSON, in der Region ÎLE-DE-FRANCE.
Kurz nach Sonnenuntergang kühlt er merklich ab, und wir haben wieder genug Energie für einen Spaziergang im Park- um einen Teich herum.
166 km
Fr, 8. August
Weil die Hitze gestern so unangenehm war, stehen wir heute um 7h auf und sind bereits um 7h30 auf Achse. Es geht weiter nach Osten.
Noch sind de Temperaturen angenehm kühl.
Gegen Mittag haben wir bereits den größten Teil unserer heutigen Etappe hinter uns gebracht.
Das letzte Mal auf dieser Reise vertrauen wir unsere Schmutzwäsche der automatischen Waschstation an, während wir in den Supermarkt gehen.
Wir sind jetzt in der CHAMPAGNE, und zu unserer Enttäuschung gibt es keinen Cidre mehr. Er wird uns abgehen. Champagner ist keine Alternative.
Jetzt brauchen wir nur noch einen schattigen Platz für den Rest des Tages und die Nacht.
Wie immer nehmen wir nicht den erstbesten, sondern suchen nach dem allerbesten Platz.
Den finden wir in POIVRES (da, wo der Pfeffer wächst-;) am Rade eines waldartigen Parks. Unter den Bäumen ist es herrlich kühl.
152 km
Sa, 9. August
Wir sind wieder früh aufgestanden. Das Konzept von gestern hat sich bewährt.
Unsere Heimreise geht weiter. Die Route Nationale Nr. 4, die N4, führt schnurgerade nach Osten.
NANCY, die historische Hauptstadt des Herzogtums LOTHRINGEN ignorieren wir weitgehend.
Seit 2015 gehört sie ohnehin zur Region GRAND EST.
Wir fahren lieber noch einige Kilometer weiter.
Es wird nämlich wieder heiß, und wir träumen von einem Platz an der Mosel.
Den finden wir in MESSEIN, am Waldrand zwischen Teichen und Nebenarmen des Flusses.
Natürlich haben wir auch heute wieder mehrere Plätze inspiziert und uns für diesen schönen "Ruheplatz am Wasser" entschieden.
Nachdem die Sonne untergegangen ist, und wir von der Hitze erlöst sind, siegt unsere Neugier. Wenn der Wanderweg direkt vor unserem Auto beginnt, wollen wir ein bisschen forschen, wohin er führt.
Wir spazieren also noch ein wenig an der Mosel entlang,
179 km
So, 10. August
Nach unserer letzten Nacht in Frankreich nützen wir auch heute wieder die frühen Morgenstunden zum Reisen. Um 8h sind die Temperaturen noch erträglich, aber man spürt bereits, dass es wieder heiß wird.
Auf der Autobahn geht es flott dahin.
Dass wir im ELSASS angekommen sind, merken wir daran, dass die allermeisten Ortschaften deutsche Namen haben.
Es wird ein bisschen bergig. Die Vogesen machen sich bemerkbar.
Mit einem letzten Highlight wollen wir uns von FRANKREICH verabschieden- mit STRASBOURG.
Auf der von beiden Illarmen umflossenen Grande Île (=Große Insel) liegt die historische Altstadt, die ganz außergewöhnlich hübsch ist, und wie immer voller Touristen.
Bei jeden Besuch der Stadt finde ich es jedes Mal auf Neue bezaubernd, durch die Gässchen mit den blumengeschmückten Fachwerkhäusern zu flanieren- eine Bilderbuchstadt.
Ganz besonders bemerkenswert ist das Haus Kammerzell aus dem 15. Jhd.
Die Straßennamen sind allesamt zweisprachig angeschrieben.
Das gotische Münster aus rötlichem Vogesensandstein bildet den Mittelpunkt des „Schnittpunkts Europas“.
Dieser Name ist nicht nur geographisch gemeint, sondern bezieht sich auch auf die
vielen Einrichtungen der EU, die hier ihren Sitz haben, z.B.: Europarat, Europaparlament, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, usw.
Heuer können wir uns über strahlenden Sonnenschein freuen.
Als wir das letzte Mal hier waren, hat es geschüttet, und die Wasserspeier hatten ordentlich zu tun.
Leider haben wir unser Tagesziel noch nicht erreicht. Ca. 30 km haben wir heute noch vor uns.
Zunächst überqueren wir den Rhein auf der Europabrücke und reisen in DEUTSCHLAND ein, in die Badische Stadt KEHL.
Der erste Zwiebel-Kirchturm begrüßt uns.
Das sympathische Städtchen OFFENBURG mit der „Blauen Moschee“ kennen wir aus einer früheren Reise.
Hier führe ich Klaus in ein nettes Restaurant aus, und hier übernachten wir auf dem Stellplatz.
197 km
Mo, 11. August
Heute haben wir beide ziemlich gut geschlafen, in der Nacht war es kühl.
Wir brechen um 8h auf. Uns zieht es in den Schwarzwald.
Die Straße schraubt sich bergauf, und neben uns fallen steile Schluchten ab.
Auf eine Anhöhe halten wir eine ausgedehnte Frühstückspause
Wie stehen sogar in der Sonne. Bei einer Höhe von ca. 1000m sind die Temperaturen angenehm.
Bei der Weiterfahrt bereitet uns der Name von FREUDENSTADT Freude, und in CALW, dem Geburtsort von Hermann Hesse, machen wir auf einem Waldparkplatz am Stadtrand Mittagsrast.
Wenn wir schon hier sind, besuchen wird natürlich das Denkmal des Schriftstellers und die ganz besonders hübsche Innenstadt mit den vielen Fachwerkhäusern.
Wir sind schon wieder im Bilderbuch gelandet.
Für den Nachmittag und Abend sind wir in MARKGRÖNINGEN bei Ulli, einer ehemaligen Schulfreundin von Klaus und ihrem Mann Horst eingeladen.
Wir sitzen in ihrem schönen kleinen Garten und werden wunderbar verköstigt.
Auch die Enkelin Maya lernen wir kennen.
Als Abendspaziergang werden wir von unseren Gastgebern durch Felder und Weingärten geführt, und als Tüpfelchen auf dem i lernen wir bei der Gelegenheit den sehr hübschen Marktplatz von Markgröningen kennen.
Auf dem Parkplatz vor dem Haus können wir im WoMo übernachten.
158 km
Di, 12. August
Nach einer herzlichen Verabschiedung machen wir uns um ca. 8h auf unsere weitere Heimreise nach Osten.
Unsere heutige Fahrtstrecke verbringen wir größtenteils auf der Autobahn, und davon viele Kilometer im Stau.
Eine Baustelle folgt auf die andere. So kennen wir es aus Deutschland.
Am späten Vormittag reisen wir in BAYERN ein.
Unser Tagesziel ist der Parkplatz dem reizenden kleinen Barockkirchlein MARIA BIRNBAUM, ca. 20 km östlich von Augsburg.
Natürlich wollen wir uns den Barockbau auch von innen anschauen und sind positiv überrascht- er ist so hell.
Der Hochaltar beherbergt noch heute einen Teil des Birnbaum-Stammes mit dem Gnadenbild der Pieta, der der Kirche den Namen gibt.
213 km
Mi, 13. August
In aller Frühe machen wir uns wieder auf den Weg.
Am späten Vormittag reisen wir in ÖSTERREICH ein.
Im Kobernaußerwald, in der Nähe eines Windrads machen wir eine ausgedehnte Pause.
Klaus freut sich, dass er den Platz wiederfindet, an dem wir 2020 auf unserer kurzen Oberösterreich-Reise übernachtet haben.
Am Nachmittag sind wir bei Irmgard und Ali eingeladen, wo wir auch Klaus’ andere Geschwister treffen werden.
Auf dem bewährten Parkplatz bei ihrem Haus übernachten wir.
296 km
Do, 14. August
Klaus hält seine letzte Malstunde dieser Reise. Diesmal ist er in der Runde in HAID BEI ANSFELDEN persönlich anwesend.
Anschließend lädt uns Maria zum Mittagessen ein.
Und nun haben wir die allerletzte Etappe unserer Heimreise vor uns.
Voller Dankbarkeit kommen wir wieder zu Hause an.
207 km
Gesamt: 6711 km