
Gerlindes Blog Teil 2
(Leider hat uns die Homepage einen Streich gespielt, darum müssen wir so fortsetzen.
Di, 25. Juni
Heute Vormittag haben wir genug Zeit, uns eine neue Gasflasche zu besorgen.
Gleich bei der ersten Adresse sind wir erfolgreich.
Nun können wir beruhigt nach HEYSHAM in den Hafen fahren, wo wir die Zeit verbringen, bis wir uns um 14h15 zur ISLE OF MAN einschiffen.
Unsere Fähre heißt „Manxman“. So werden die Bewohner der Insel genannt. Manxwomen gibt es natürlich auch.
Wir verbringen drei angenehme Stunden an Bord mit einem „Um-die-Ecke-gedacht“-Rätsel und unseren Büchern.
Beim Rauffahren aufs Schiff haben wir nur britische und manx Autos gesehen. Wir sind hier also sie absoluten Exoten.
Wir wollen halt unbedingt das schöne, rote Länderpickerl auf die Rückseite unseres WoMo kleben können. Es zeigt eine Triskele, das uraltes Symbol in Form von drei radialsymmetrisch angeordneten menschlichen Beinen.
Über diese Insel in der Irischen See wissen wir nur recht wenig.
Das erste, was wohl vielen Menschen in den Sinn kommt, ist das wilde, gefährliche Motorrad-Straßenrennen, das jedes Jahr Todesopfer fordert.
Die Isle of Man ist ca. 50 km lang und rund 15 km breit und hat etwas über 80.000 Einwohner.
Auch diese Insel gehört dem König persönlich. Er ist der Lord of Man.
Das besondere Rechtssubjekt hat nie zum United Kingdom gehört, und auch nie zur EU.
Seit der Eroberung durch die Wikinger im Frühmittelalter gibt es hier ein eigenes Parlament.
Klaus weiß natürlich seit seiner Jugend, dass es hier eigene Briefmarken gibt.
Das Isle-of-Man-Pfund ist genauso viel wert wie das britische, wird aber auf dem Festland nicht akzeptiert. Wahrscheinlich werden wir gar keine hiesigen Geldscheine zu sehen bekommen, weil ja üblicherweise unsere Uhren das Zahlen übernehmen.
Eine eigene Sprache gibt es auch, das Manx Gaelic. Im Alltag wird es aber nur von sehr wenigen Manxmen gesprochen. Zweisprachige Aufschriften sind aber üblich.
Wir legen also kurz nach 18h im Hafen der Hauptstadt DOUGLAS an.
Die Waterfront fällt besonders durch prächtige, etwas „abgeschleckte“ Villen und Hotels auf. Solche Bauten ziehen sich über mehrere Kilometer die ganze Bucht entlang. Ein Gebäude schließt direkt an das nächste an. Selbst, wenn man in die Querstraßen hineinschaut, entsteht der gleiche Eindruck, dass hier Geld zu Hause ist.
Die Insel ist ja auch als Steuerparadies bekannt.
Zum Schlafen finden wir einen sehr schönen Stellplatz an der Beach der Kleinstadt LAXEY.
Unsere Villa mit Seeblick ist wieder einmal perfekt für uns.
26 km + ca. 100 km mit der Fähre
Mi, 26. Juni
Ca. um 4h früh wachen wir beide auf. Draußen rauscht die See.
Wir gehen im Pyjama ins Freie. Das Meer ist da.
Es ist das erste Mal auf dieser Reise, dass wir die Flut sehen. Darüber steht der Mond. Es ist fast unwirklich schön.
Dann kuscheln wir uns wieder ins warme Bett und schlafen bis 9h.
Jetzt wird es aber Zeit, die Insel zu erforschen.
Am nördlichen Rand von LAXEY finden wir nach einigem Suchen die Megalith-Anlage „King Orey’s Grave“. Sie ist zweigeteilt. Ein Teil befindet sich im Garten eines Privathauses und der zweite Teil jenseits der Straße.
Der König, der von den Manx immer noch verehrt wird, lebte im 11. Jhd. Höchstwahrscheinlich ist das hier nicht wirklich sein Grab, aber die Anlage ist sehr interessant.
Der höchste Berg der Insel ist der Snaefell. Er is ganze 621m hoch, aber auf unserer Fahrt hinauf, kommen wir uns wieder einmal vor wir im Hochgebirge. Wir tauchen immer mehr in die Wolken ein. Unter uns im Tal scheint die Sonne.
Uns erinnert der Name an den isländischen Gletscher Snæfellsjökull. Bei der Namensgebung haben wohl die Wikinger mitgemischt.
Von Schnee oder gar Gletscher kann hier allerdings keine Rede sein. Aber immerhin wächst auch hier das Wollgras.
Wir mögen die Insel, das üppige hohe Gras, die relativ breiten Straßen, die hübschen Häuser und Anwesen, die Sauberkeit. Wir haben das Gefühl, dass hier nicht alles so streng reglementiert ist, wie z.B. auf Jersey. Wir spüren eine gewisse Großzügigkeit und Lockerheit.
Die Temperaturen sind etwas kühler als auf dem Festland, was ja durchaus angenehm ist.
Die Vegetation ist ein wenig anders als drüben. Uns fallen niedrige Nadelgehölze an den Straßenrändern auf.
Wir sehen fast keine Touristen. Allerdings kommen Zigtausende, wenn das Motorradrennen stattfindet. Dafür werden dann auch die vielen Hotels gebraucht.
An den Rändern mancher Straßen, besonders in Kurven, sind Schaumstoffpuffer angebracht. Auch manche Bäume sind auf diese Weise geschützt. Die können ja schließlich nichts dafür, wenn es die verrückten Raser durch die Gegend schleudert.
In RAMSEY gehen wir einkaufen und schauen dabei einigen Einheimischen beim Zahlen über die Schulter. Auf den bunten Geldscheinen ist die Königin/ der König abgebildet, aber ohne Krone. Schließlich gehört die Insel Mann ja nicht zum Königreich.
Klaus hat im letzten Tierpark seinen schönen, australischen Hut aus Känguruleder liegen gelassen.
Jetzt gehen wir gerade an einem Modegeschäft vorbei, das Sonnenhüte in der Auslage hat. „Da gibt es Hüte“, sage ich halb im Scherz.
Und man glaubt es kaum. Da gibt es sogar australische Hüte aus Känguruleder. So eine Geschichte könnte man nicht besser erfinden.
Klaus freut sich sehr, dass ich ihm einen zum Geschenk mache- sehr fesch!
In einer Recreation Area können wir unser Klo ausleeren und den Wassertank füllen. Und weil’s hier so schön ist setzen wir uns an einen Picknick-Tisch mitten auf der grünen Wiese und genießen unseren Mittagssalat.
Im reizenden Städtchen PEEL stehen auf einer kleinen tropfenförmigen Insel die Reste des Castels. Zuerst schicken wir die Drohne mit einem Forschungsauftrag los. Dann steigen wir auf unsere Räder und fahren selbst über die schwenkbare Fußgängerbrücke hinüber.
Wir müssen warten, bis das Segelschiff durchgefahren ist. Erst dann wird die Brücke wieder zurück geschwenkt, und wir können sie überqueren.
Wo werden wir heute Nacht schlafen.?
Da wir morgen bereits um 7h30 für unsere Fähre zurück aufs britische Festland einchecken müssen, fahren wir am besten gleich in den Hafen von DOUGLAS.
Erfreulicherweise darf man hier auf dem Parkplatz tatsächlich übernachten.
Auf der Fahrt hierher haben wir übrigens einen besonders hässlichen, großen Turm gesehen. Das muss einfach der „Goliath-Tower“ aus Jasper Fford’s „Thursday Next“-Büchern sein.
Zunächst stellen wir fest, wo genau wir uns morgen Früh für die Überfahrt anstellen müssen.
Dann spazieren wir noch ein wenig in der Hauptstadt umher. Was verbirgt sich wohl hinter der geschlossenen Villen-Waterfront? Da gibt es doch tatsächlich eine recht nette Altstadt.
Im Yachthafen schaukeln die Segelboote, und auf der Uferpromenade flanieren drei langhaarige Typen aus Bronze- die Bee Gees. Wir wussten überhaupt nicht, dass die Brüder Gibb hier geboren sind.
Nachdem wir uns was Gutes gekocht haben, gelingt es Klaus doch tatsächlich, unsere bockige Homepage zu überlisten. Sie wollte einfach nicht mehr mit uns kooperieren.
Das nennt man halt Problemlösungskapazität.
76 km
Do, 27. Juni
Heute müssen wir schon früh aufstehen. Für die Fahrt bis zur richtigen Position in der Warteschlange zum Einchecken brauchen wir Gott sei Dank nur fünf Minuten.
Bis wir endlich an Bord fahren können, dauert es dann noch eineinhalb Stunden.
Kurz vor 9 h sitzen wir an unserem Tisch in der Cafeteria der Fähre. Es ist dasselbe Schiff, wie bei der Herfahrt, und wir fühlen uns gleich heimisch.
Rätsel, Bücher und Hörbuch vertreiben uns die fast vier Stunden der Überfahrt.
Als uns good old England wieder hat, fahren wir noch die ca. 20 km nach Norden, bis zu unserem heutigen „Brit Stop“. In WARTON steht das Pub Malt Shovel. Aha, da wird wohl Malz fürs Bierbrauen geschaufelt.
Hier verbringen wir den restlichen Tag und die Nacht in unserem gemütlichen Häuschen, während es draußen heftig stürmt.
23 km + ca. 100 km mit der Fähre
Fr, 28. Juni
Das war eine stürmische Nacht. Draußen wurde sogar ein Baum entwurzelt.
Am Morgen ist alles wieder ziemlich friedlich.
Kühl und windig st es allerdings, und es regnet.
Wir kommen jetzt in den LAKE DISTRICT.
Nach Wandern und einer Bootstour sieht das heute aber leider nicht aus.
Sogar im Reiseführer steht, dass die Planung in dieser Gegend ein Glücksspiel ist, weil das Wetter so wechselhaft ist.
Die besondere Schönheit dieser Gegend können wir aber auf jeden Fall aus dem Autofenster genießen.
Vier Eiszeiten haben diese Bilderbuchlandschaft geschaffen, die sogar zum UNESCO-Welterbe gehört.
Die schwarzen silierten Heuballen passen farblich hervorragend zu dem schwarz-weiß gefleckten Kühen.
Wir sind wieder auf schmalen Straßen zwischen tückischen Hecken unterwegs.
Unser erstes Ziel ist heute das Städtchen ULVERSTON, das zwei Höhepunkte bietet
-einen Waschsalon, in dem wir ein wenig wie exotische Wesen beäugt werden. Die freundlichen Einheimischen erweisen sich aber dann als sehr hilfsbereit.
-Die Skulptur von Stan Laurel und Oliver Hardy = „Dick und Doof“.
Arthur Stanley Jefferson wurde nämlich 1890 hier geboren.
Auch ein kleines Museum ist den beiden Komikern gewidmet.
Nur Parkplätze scheint es keine zu geben.
Klaus ist wieder einmal mutig und fragt bei der kleinen Ulverston Bering Company nach, ob wir unser WoMo kurz dort abstellen können. Der Besitzer ist sofort an unseren Pickerln interessiert uns erzählt seinerseits, dass er mit dem Motorrad in Tirol und Salzburg unterwegs war.
Von diesem perfekten Stützpunkt aus haben wir beide Aktivitäten in Gehdistanz.
Nach diesem erfolgreichen Abstecher wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem Lake District National Park zu.
Wir fahren im Regen am Lake Windermere entlang, dem größten See Englands.
Ich kannte ja bis jetzt nur die Lady gleichen Namens mit ihrem Fächer (O. Wilde).
Die Stadt WINDERMERE samt ihrem "Brit Stop“ sagt uns überhaupt nicht zu- ein typischer Touristenort- und das auch noch bei so schlechtem Wetter.
Wir fahren also noch ein kleines Stückchen nach Norden und finden dank unseres Camper-Apps einen hübschen, wilden Platz am Waldrand, wo wir übernachten können.
Sogar die Sonne zeigt sich ein wenig, damit ein gutes Standort-Foto gelingen kann.
93 km
Sa, 29. Juni
Ein Regentag.
Bootfahren legen wir endgültig ad acta.
Aber wir wagen doch eine kleine Wanderung am nächsten See, dem Derwent Water. Gut eingepackt in Regengewand können wir sie sogar genießen, wie sehr viele andere einheimische Wander auch. Auf dem Wasser ist ebenfalls einiges los. Sogar einige Stand-up Paddler trotzen mutig der Gefahr eines Sturzes ins kalte Wasser- nicht immer erfolgreich.
Es ist Wochenende, und die Parkplätze sind trotz des schlechten Wetters voll. Für die Briten ist die Grafschaft CUMBRIA, die bei ausländischen Gästen gar nicht so bekannt ist, das Lieblings-Erholungsgebiet, und dieses Wetter sind sie ohnehin gewohnt.
Auch wir lassen uns die Laune nicht verderben. Die Landschaft ist ja traumhaft schön.
Aber KESWICK ist ein überlaufener Touristenort- nicht nach unserem Geschmack.
Bei der Weiterfahrt kommen wir an mehreren kleinen Seen vorbei, die teilweise auf der Landkarte gar nicht namentlich ausgewiesen sind, und dazwischen liegen Hochmoore.
Unsere nächstes Ziel ist der Castlerigg Stone Circle, einer der größten Steinkreise in England.
Er entstand in der frühen Bronzezeit.
Hier gibt es keine Absperrungen, und man kann zwischen den Steinen herumwandern.
Das hat gleich ein ganz anderes Flair.
Er wird der „Glockenbecherkultur“ - benannt nach der Form ihrer Keramik - zugeschrieben.
Sie gilt als Kulturbringer Westeuropas und schuf wahrscheinlich auch Stonehenge und, in einer weiteren Phase, die Himmelsscheibe von Nebra, die ich mir im Herbst mit Gabi in Halle an der Saale anschauen werde.
Unser Tagesprogramm ist hiermit erledigt, und wir suchen unser heutiges Nachtquartier auf.
Beim „Brit Stop“ White Horse Inn in SCALES können wir gratis bis morgen früh stehen bleiben.
Neben uns fließt der Fluss Gretna, der uns nach Schottland begleiten wird.
Auch dieses Lokal ist wie fast alle Pubs weiß, mit schwarzen Türen und Fensterumrahmungen und schwarzer Schrift.
Klaus hat hier zwei Pflichttermine: Schweiz - Italien (2:0) und Deutschland - Dänemark (2:0).
64 km
So, 30. Juni
Immer weiter Richtung Schottland.
Zunächst sind noch Alltagssorgen zu lösen:
Dass die Supermärkte am Sonntag offen haben, ist schon ganz normal für uns.
Nach dem Einkaufen und Tanken suchen wir einen empfohlenen Stellplatz auf, wo wir unseren Kloinhalt, das Abwasser und sämtliche Altstoffe loswerden können. Zuletzt füllen wir noch den Wassertank. Es ist immer ein wunderbares Gefühl, wenn alles voll, bzw. leer ist.
So können wir beruhigt den Nationalpark verlassen.
In CARLISLE parken wir beim Castle aus dem 11. Jhd., in dem einst Maria Stuart gefangen gehalten wurde.
Zu Fuß spazieren wir zur zweitkleinsten Kathedrale Englands (die kleinste ist in Oxford). An dem Ort, an dem sie steht, befand sich in der Antike ein römisches Kastell, das Verwaltungszentrum für die Befestigungsanlagen am Hadrianswall.
Die Stadt war ein ewiger Zankapfel zwischen CUMBRIA (England) und SCHOTTLAND.
Im 18. Jhd. war es zuletzt Schauplatz eines Machtkampfs zwischen den Häusern Stuart und Hannover.
Die Kathedrale mit ihrem vierschrötigen, kurzen Turm wurde ursprünglich im 12. Jhd. als Klosterkirche im normannischen Stil errichtet, den man teilweise noch erkennen kann.
Aus dem 14. Jhd. stammen die gotischen Teile.
Das Ostfenster aus Buntglas fällt dabei besonders auf. Auch das reich geschnitzte Chorgestühl und der Bischofsstuhl sind hochgotisch.
Das Rougham-Tryptichon aus dem frühen 16. Jhd, das die Passion Christi erzählt, kam aus einer Werkstatt in Antwerpen.
Uns fallen die schön bemalten Orgelpfeifen auf. Sie stammen allerdings erst aus dem 19. Jh.
Vom ehemaligen Kreuzgang ist kaum noch etwas vorhanden. Im Bürgerkrieg 1649 brauchte man die Steine zur Verstärkung der Burg.
Nun flanieren wir noch - bei Sonne und angenehmen Temperaturen- ein wenig durch die Altstadt mit ihren Häusern aus rotem Stein.
Nach einer gemütlichen Mittagspause machen wir einen kleinen Umweg nach BIRDOSWALD. Dort kann man nämlich eines der am besten erhaltenen Stücke des Hadrianswalls sehen.
Die Römer hatten Anfang des 2. Jhd. große Teile Britanniens erobert. Kaiser Hadrian ließ die Nordgrenze 122-128 n.Chr. durch die nach ihm benannte, 5m hohe und 3m dicke Mauer auf einer Länge von 117,7 km befestigen. Es gab ca. 300 Wachtürme und ca. 100 Kastelle.
Der Wall wurde bis ins 5. Jhd. genutzt, als die Römer abzogen und das „Dunkle (schriftlose) Zeitalter" anbrach.
Heute finden sich vereinzelt Mauerreste und Fundamente von Kastellen.
Ein Weitwanderweg führt entlang der Streckenführung der Mauer von der West- bis zur Ostküste. Einige Wanderer mit großen Rucksäcken ziehen an uns vorbei.
Wir schicken die Drohne.
Jetzt geht es aber wirklich nach SCHOTTLAND.
Zunächst müssen wir zurück nach Carlisle, bis wir bei GRETNA GREEN die Grenze überschreiten.
Im der ehemaligen Grenzstation befindet sich heute die „Old Toll Bar“
Klaus fragt frech die Wirtin, ob wir auf dem Parkplatz übernachten dürfen, und sie erlaubt es uns tatsächlich.
124 km
Mo, 1. Juli
Im alten Blacksmith-Shop befindet sich ein kleines Museum.
Hier wurden seit 1754 über 10.000 „Run-Away-Marriages“ geschlossen.
In England wurden nämlich Ehen von Minderjährigen nur anerkannt, wenn die Eltern einverstanden waren. In Schottland durften bereits 16-jährige heiraten. Man brauchte bloß zwei Zeugen.
Der Schmied vollzog die Zeremonie. Mit einem Hammerschlag auf den Amboss war die Ehe rechtskräftig.
Zahlreiche Darstellungen zeigen flüchtende Liebende und verzweifelte Väter, die zu spät kamen, um die Hochzeit im letzten Moment zu verhindern.
Erst ab 1940 wurden solche Amboss-Ehen ungültig.
Heute kann man in den Räumlichkeiten wieder ganz offiziell heiraten- wenn man wünscht mit verkleidetem Schmied.
Wir haben uns mit der Hochzeitsnacht begnügt.
Es regnet und windet. „Das schottische Wetter ist halt zuverlässig“, meint Klaus.
Wir verlassen diesen romantischen Ort und fahren zur Wasserburg CAERLAVEROCK.
Sie stammt aus dem 13. Jhd. und beeindruckt uns sehr, nicht nur wegen ihres dreieckigen Grundrisses mit mächtigen Rundtürmen an den Ecken.
Ihre Lage inmitten eines Sumpf- und Schilfgebiets bot ihr guten Schutz.
Unsere Drohne umkreist die Ruine und schießt tolle Fotos.
Über einen kleinen Steg überquert man den Wassergraben, in dem Schwäne mit ihren Jungen schwimmen. Das friedliche Bild trügt. Die Burg war einst in den dramatischen Grenzkonflikten zwischen ENGLAND und SCHOTTLAND heftig umkämpft.
Am Tor empfängt uns ein schottischer „Verteidiger“ der Burg in voller Montur. Er führt uns sein Vorderladergewehr vor. Alle drei Minuten konnte damals ein Schuss abgegeben werden- wenn man flinker war als dieser freundliche Schauspieler.
Im 17. Jhd. lebte Robert Maxwell, der Earl of Nithsdale recht komfortabel mit seiner Familie hier und hübschte den Innenhof mit einer Renaissance-Fassade auf, die auf mich in diesem mittelalterlichen Gemäuer seltsam deplatziert wirkt- wie eine Theaterkulisse.
Beim letzten Angriff auf die Burg wurden Kanonen verwendet, die ein großes Zerstörungswerk vollbrachten.
Wir wandern durch die einzelnen Räume, oder was von ihnen übrig geblieben ist. Schließlich steigen wir auf einen der Türme und sehen in der Ferne das Meer.
Unser nächstes Ziel ist DUMFRIES. Die Stadt wird in unserem Reiseführer in glühenden Farben beschrieben. Das verleitet uns dazu, uns regenfest auszurüsten und einen Spaziergang zu machen. Wir sind enttäuscht. Was wir zu sehen bekommen wirkt auf uns eher heruntergekommen und ohne Flair.
Robert Burns, ein Schottischer Nationaldichter aus dem 18. Jhd. lebte und starb hier.
„Auld Lang Syne“ ist sein bekanntestes Gedicht, das mittlerweile zur britischen Tradition geworden ist.
Wir bewundern sein Denkmal.
Am besten hat uns hier der Fluss Nith gefallen, der sich an machen Stellen recht wild zeigt und sogar kleine Stromschnellen bildet. Ein Graureiher stolziert würdevoll darin umher.
Nach dem Rundgang in strömendem Regen müssen wir uns erstmal trocken legen.
Eigentlich wollten wir heute noch eine Wanderung machen, aber dieser Wunsch fällt im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser.
Also peilen wir unseren Schlafplatz im Schatten der Sweetheart Abbey an. Sie steht im Ort NEW ABBEY. So richtig „neu“ wirkt die - zugegeben recht dekorative - Ruine gar nicht.
Die Gründerin der Abtei bewahrte das einbalsamierte Herz ihres geliebten Gatten bis zu ihrem eigenen seligen Ende in einem Schrein auf und nannte es „my sweet silent companion“.
Wenn das kein „Sweetheart“ war.
Auf dem Weg hierher haben wir übrigens Plakate gesehen, die offenbar für Schottlands Unabhängigkeit werben- mit dem Slogan: „Westminster is not working for us“.
Was sind das für merkwürdige Geräusche hinter der Hecke? „Grassbowling“ wird da gespielt, eine Art „Boule“ mit größeren Kugeln und über größere Distanzen.
Nachdem es den ganzen Tag geregnet hat, blendet uns jetzt am Abend - wie zum Hohn - die Sonne.
Heute ist uns wieder einmal danach, den nächsten Anime-Film von Hayao Miyazaki anzuschauen „Prinzessin Mononoke“. Hier wird die Umweltzerstörung thematisiert.
Die Fußballer müssen heute jedenfalls ganz alleine spielen.
65 km
Di, 2. Juli
Wir folgen der Südküste nach Westen.
Ein kleiner See erinnert uns daran, dass wir in Schottland sind und das daher natürlich ein „Loch“ ist. Wir rumpeln gerade auf einer ziemlich holprigen Straße dahin, und Klaus meint: “Mir sind die Löcher im Wasser wesentlich lieber als auf der Fahrbahn“.
Heute ist es ein bisschen kühl und windig, aber trocken- mit einem Wort ideales Wanderwetter.
Und genau das haben wir jetzt auch vor.
Vom Besucherparkplatz aus, der mitten in einem Bauernhof liegt, wollen wir einen Rundgang durch das Threave Nature Reserve machen. Der schön angelegte Weg führt - teilweise über Stege - durch sumpfiges Gebiet. Von einigen „Hides“ aus, kann man Vögel beobachten. In einem davon stehen starke Spektive für die Besucher bereit, durch die man ein Fischadler-Nest sehen kann. Klaus versucht Fotos mit seinem Tele. Die Ospreys sind halt ziemlich weit weg.
Es gibt auch eine kleine Fähre über den naturbelassenen River Dee zum Threave Castle hinüber. Leider verkehrt sie gerade nicht, weil die Ruine wegen Renovierung geschlossen ist. Wir können aber gut auf den wuchtigen Turm, das „Medieval Powerhouse“ aus dem 14. Jhd. hinüber blicken.
Die Drohne lassen wir lieber im Rucksack. Bei dem Wind ist uns ein Flug übers Wasser zu riskant.
Unser müdes Haupt werden wir heute in KIRKCUTBRIGHT betten, und zwar auf einem Parkplatz mitten im Ort, neben der Burg. Einst war sie das Stadthaus einer reichen Familie. „Jetzt ist sie stolzer Besitz der Fledermäuse“, weiß unser Reiseführer zu berichten.
In der Bucht hinter uns mündet der Dee in die Irische See.
Die völlig unspektakuläre Pfarrkirche weist eine Besonderheit auf, eine zweistöckige Kanzel. Schließlich muss ja nicht nur gepredigt, sondern auch der Gesang der Gemeinde dirigiert werden.
Am Abend verschwindet Klaus wieder einmal im Pub. Heute möchte er unbedingt die Österreicher unterstützen, wenn sie gegen die Türken spielen. Leider verlieren sie trotzdem.
60 km
Mi, 3. Juli
Heute geht es in die SOUTHERN UPLANDS im Südwesten von Schottland, und zwar in die historische Landschaft GALLOWAY, ins „Land der fremden Gälen“.
Auf Schildern wird die „Scenic Area“ angepriesen- und sie haben recht.
Es regnet. Wir entscheiden uns aber trotzdem dafür, unsere Wanderpläne durchzuziehen.
Wir wollen den schmalen, langgestreckten Loch Trool umkreisen.
Der Wanderparkplatz wird auch unser heutiger Schlafplatz sein.
Wir ziehen uns regenfest an und marschieren ca. drei Stunden durch den Regen.
Es ist nass aber wunderschön.
Um uns herum wuchert es üppig. Farne und Heidekraut überwiegen. Die Blätter glänzen, und auf den Gräser schimmern Wassertropfen wie Perlen.
Das Granitgestein erinnert uns daran, dass Schottland geologisch zum Kaledonischen Gebirge gehört, einem der ältesten Gebirge der Welt.
Da, wo wir jetzt so friedlich dahinwandern, tobte um 1307 die Schlacht von Glen Trool im Rahmen der Schottischen Unabhängigkeitskriege gegen England. König Robert the Bruce war der Anführer der aufständischen Schotten. Hier erzielte er seinen ersten Sieg gegen die Engländer.
Später entdecken wir auch Bruce’s Stone. Von dieser Stelle aus soll er den Feind ausgespäht haben.
Wir freuen uns sehr, dass wir tapfer durchgehalten haben.
Ein heißer Tee wird uns jetzt gut tun.
Wie nicht anders zu erwarten, lacht uns am Abend die Sonne aus.
60 km
Do, 4. Juli
Am Vormittag hält Klaus seine Malstunde, und ich widme mich wieder einmal gröberen Putzarbeiten.
Viele Wanderer machen sich von unserem Parkplatz aus auf den Weg.
Um 11h fahren wir los- in Richtung Glasgow.
Heute wollen wir vor allem Strecke machen, haben also keine Highlights auf dem Programm.
Es hat in der Nacht wieder geregnet, und in der Früh nieselt es. Außerdem ist es ziemlich kühl und stark windig. Langsam geht mir dieses Wetter auf die Nerven.
Als dann aber die Sonne rauskommt, und sich ein Stückchen blauer Himmel zeigt, hebt sich sofort die Stimmung. Außerdem ist diese grüne, wellige Landschaft mit den weißen Schafs-tupfen gut für fürs Augen und fürs Gemüt.
Lange hält diese Freude aber nicht an, denn der nächste Regenschauer kommt bestimmt.
Wir brauchen unbedingt Trinkwasser, und fragen bei einem Campingplatz nach, ob wir unseren Tank füllen dürfen. „Ihr braucht ja nur einen großen Trichter“, meint der Betreiber und zeigt uns dann lächelnd doch den Wasserhahn.
Das Wetter wechselt heute alle Viertelstunden.
Wir genießen die sonnigen Tage in Schottland, auch wenn sie nur ein paar Minuten dauern.
In GIRVAN taucht ganz unvermittelt im Meer draußen eine halbkugelförmige Insel auf, die uns ganz unwirklich vorkommt. Ailsa Craig, der Elisabethfelsen, ist unbewohnt und liegt etwa 16 km vor der Küste. Heute steht nur noch ein automatischer Leuchtturm auf der Granitinsel vulkanischen Ursprungs. Während der Reformationszeit war sie aber ein Zufluchtsort für Katholiken.
In LOCHWINNOCH ist unser heutiger Stellplatz für die Nacht, direkt am Castle Semple Loch.
Es ist sehr hübsch hier. Wir haben Gesellschaft von mehreren anderen Wohnmobilisten und zahllosen Möwen, Gänsen und Schwänen. Das namensgebende Castle ignorieren wir völlig.
Von hier aus können wir morgen mit einer Art Schnellbahn ins Zentrum von GLASGOW hinein fahren.
Ein Einheimischer spricht uns in fast akzentfreien Deutsch an. Er hat mehrere Jahre in Wien gelebt und freut sich, mit uns plaudern zu können.
Heute sind wir fast den ganzen Tag im Auto gesessen. Also machen wir nach dem Abendessen einen Spaziergang zur Bahnstation, um nähere Informationen zur Abfahrtszeit der Züge und zum Ticketkauf zu bekommen. Jetzt wissen wir auch, dass es dahin ein Fußweg von ca. 20 Min. ist.
Uns fällt auf, dass es sehr lange hell bleibt. Erst um 22h30 beginnt langsam die Dämmerung.
Wir sind ja jetzt bereits recht weit nördlich, auf der Höhe der Nordspitze von Dänemark.
126 km
Fr, 5. Juli
Um 5h früh wirft Klaus einen Blick aus dem Fenster und entdeckt einen prachtvollen Doppelregenbogen. Wie gut, dass das Handy für ein Foto zur Hand ist.
Nach dem gemütlichen Weiter- und Ausschlafen beginnt unsere Expedition nach GLASGOW.
Der Weg zur Bahnstation ist uns ja bereits vertraut.
Die Zugtickets sind erstaunlich günstig. Es gibt einen eigenen Tarif außerhalb der Stoßzeiten.
Eine der Stationen auf unserer Fahrt ist PAISLEY, das bekannt ist für die tropfenförmig geschwungenen Muster, die auf persische Vorbilder zurückgehen. Außerdem ist hier auch der Flughafen.
Die alte Dame, die uns im Zug gegenübersitzt blinzelt strahlend in die Sonne. „Let’s hope, it stays that way“, wünscht sie uns.
Wir haben natürlich unsere Regenausrüstung dabei, aber es bleibt tatsächlich - bis auf ein paar kurze Spritzer - alles trocken.
Die Central Station ist ein riesiger Jugendstilbau mit hölzernen Einbauten für Shops und Cafés.
Glasgow ist größte Stadt Schottlands, und die drittgrößte des Vereinigten Königreichs.
Es war immer eine eher hässliche Arbeiter- und Industriestadt.
Als sie1999 Kulturhauptstadt war, hat sie sich mächtig ins Zeug gelegt.
Wir merken eigentlich nicht sehr viel davon.
Unser erster Weg führt uns zur Gallery of Modern Art, GoMA. Das Museum ist in einem eher langweiligen neoklassizistischen Gebäude mit vorgelagerte Säulenhalle untergebracht.
Der Eintritt ist frei, und - was mich betrifft - ist das angemessen. Ich kann mit den meisten Exponaten nichts anfangen.
Am besten gefällt uns das Café mit Bibliothek, wo wir ein bisschen schmökern.
Vor dem Eingang sitzt der Duke of Wellington stolz hoch zu Ross- mit einem Verkehrshütchen auf seinem Kopf. Da hatte wohl irgendein Frechdachs - oder Künstler - diese respektlose Idee.
Jahrelang wurde der Kopfputz von offizieller Seite regelmäßig entfernt. Und genauso regelmäßig fand sich ein neues Hütchen auf dem Kopf des Herzogs. Mittlerweile scheint dieses geschmückte Denkmal jedenfalls in den Reiseführern auf und gehört zu den Wahrzeichen der Stadt.
Wir flanieren weiter „so rum“ und finden vor allem uninteressante, graubraune Monumentalbauten wie die City Chambers auf dem George Square.
Ganz nett ist das Gebäude des Shopping Centers Princes Square, das mit einer Pfauenskulptur verziert ist, deren Gefieder aus Metall sich über die gesamte Fassade ausbreitet.
Immer wieder kommen wir an Murals vorbei, die wir teilweise recht witzig finden.
Am River Clyde entlang gehen wir nun zurück zum Bahnhof und entdecken schließlich noch - zunächst als Spiegelung in einer Glasfassade - die neugotische St. Andrews Cathedral.
Alles in allem ist unsere Begeisterung für Glasgow bisher nicht sehr groß.
Morgen werden wir einen anderen Teil der Stadt erkunden. Vielleicht ändern wir unsere Meinung ja noch.
0 km + ca. 50 km mit dem Zug und 10 Asphalt-km in den Füßen
Sa, 6. Juli
Die Sonne scheint, der blaue Himmel zeigt Schäfchenwolken, und der See glitzert.
Bei diesem Traumwetter verlassen wir den schönen Stellplatz, der für zwei Tage unsere Heimat war, und fahren mit dem Auto nochmals nach Glasgow. Die Straße führt ein Stück durch den Clyde Tunnel unter dem Fluß hindurch.
Heute interessiert uns der nördliche Teil der Stadt, in dem in den letzten 20 Jahren viele moderne Gebäude entstanden sind.
Wir freuen uns besonders auf das Riverside-Museum, eine Arbeit von Zaha Hadid.
Das mehrfach preisgekrönte Gebäude beherbergt das Museum of Transport. Auf der großzügigen Ausstellungsfläche kann man hier viele alte Fahrzeuge jeglicher Art und jeglichen Alters sehen: Kutschen, Autos, Busse, eine Pferdestraßenbahn, Dampfloks, Fahrräder - sogar eines mit Beiwagen - einen Hippie-Wohnwagen und eine Trambahn samt Haltestelle.
Sehr liebevoll ist ein ganzer Straßenzug aus Glashow 1938 nachgebaut, mit Kopfsteinpflaster und einer Reihe von kleinen Werkstätten und Läden. Man kann sich in den vielen Details der Ausstattung verlieren.
Zuletzt schauen wir uns noch die zahlreichen Schiffsmodelle an, deren Originale in den Glasgow-Werften gebaut wurden.
Direkt vor dem Museum liegt ein Dreimaster aus 1896 vor Anker, genannt: „The Tall Ship“. Er spiegelt sich photogen in der Glasfassade des Museums.
Interessant ist auch der ultramoderne Bau des Glasgow Science Centres (GSC).
Das neue Wahrzeichen der Stadt, der 127m hohe Rotating Tower kann sich als einziger Turm der Welt um die eigene Achse drehen. Wenn er so viel kann, braucht er ja nicht schön zu sein.
Letztlich sind wir nicht traurig, Glasgow wieder verlassen zu müssen.
Der Alltag holt uns ein, aber wir haben ja ein schlaues App, dank dessen wir bei einer Laundrette-Station vor einer Tankstelle unsere Wäsche waschen und trocknen können.
Außerdem zeigt es uns eine vielversprechende Servicestation an.
Wir staunen nicht schlecht, als wir in einem noblen Country Club landen. Ein Diener im roten Frack hilft gerade einigen edel gekleideten Herren im Kilt auf ihre Pferde.
Auf gut Glück wären wir hier niemals hereingefahren, aber wir entdecken ganz hinten tatsächlich eine Entsorgungsstelle für Chemietoiletten und einen Trinkwasserhahn. Dafür müssen wir gar nichts bezahlen und ziehen hoch erhobenen Hauptes wieder ab.
Es zieht uns weiter nach Westen und bald finden wir in der Lunderston Bay am Firth of Clyde - einem schmalen Meeresarm - schon wieder einen wunderschönen Platz für die Nacht, mit Blick aufs Meer. Auf einem natürlichen englischen Rasen vergnügen sich Familien bei Ballspiel und Picknick. Ein kurzer Regenschauer wird ungerührt hingenommen. Da bleibt man gemütlich beim Jausnen an den Holztischen sitzen und spannt sich halt einen Schirm auf.
90 km
So, 7. Juni
Auch heute lacht uns wieder dei Sonne. Da könnte man sich dran gewöhnen.
Grundsätzlich wollen wir nach Achnabreck. Am schnellsten kommt man dorthin, wenn man mit Fähren Abschneider übers Meer macht.
An dieser Küste gibt es nämlich zahlreiche Fjorde, die hier Firth heißen- die verwirrende Insel- und Halbinsel-Landschaft der Inneren HEBRIDEN.
Die kleine Insel BUTE - sie ist nur 25 km lang und 8 km breit - steuern wir als erstes an. Wir landen nach ca. halbstündiger Überfahrt an ihrem Hauptort ROTHESAY.
Für unsere Frühstückspause suchen wir einen einsameren Platz und finden ihn in ST. COLMAC bei einer Kirchenruine mit Friedhof. Von weitem wirkt das Landkirchlein intakt, aber, als wir näher kommen, sehen wir, dass das Dach und die Fenster fehlen. Das müssen wir uns genauer anschauen.
Die Außenwände sind noch alle da, aber im Inneren wachsen hüfthoch Brennnesseln und anderes Grünzeug. Die Treppe zum Turm wagen wir uns nicht hinauf.
Das muss hier ein richtiger Abenteuerspielplatz für waghalsige Buben und Mädchen sein.
Keinerlei Absperrungen oder Warntafeln versperren den Zugang.
Ein Stückchen weiter nördlich bringt uns das nächste Schiff aufs Festland, von wo aus wir auf KINTYRE, der längsten Halbinsel Schottlands übersetzen. Nur die ganz schmale Landverbindung bei Tarbert hindert sie daran, eine Insel zu sein.
So genau wollte es um 1098 n. Chr. auch der Norwegerkönig Magnus nicht nehmen, als ihm der Schottenkönig versprach, er dürfe alle Inseln, die er umsegeln könne, seinem Königreich zuschlagen. Er ließ an eben dieser Landenge einfach sein Langschiff übers Land ziehen.
Den „Mull of Kintyre“ hat Paul McCartney in einem wunderschönen Lied besungen, als er hier einige Jahre in Einsamkeit auf einem Bauernhof lebte.
TARBERT bedeutet auf gälisch bezeichnenderweise „Landenge“.
Im Reiseführer wird es als einer der schönsten Küstenorte Schottlands beschrieben.
Gerade geht es hoch her. Ein Festival findet statt, und die heißen Rhythmen einer Girls-Band mit rosa Perücken erfüllen die ganze Bucht.
Wir steigen zur Burgruine hinauf. Die ursprüngliche Wehranlage aus dem 8. Jhd. wurde 1325 von Robert the Bruce verstärkt. Um diese Zeit entstand auch der Wohnturm, von dem heute noch Reste zu sehen sind.
Von hier oben bietet sich uns ein wunderschönes Panorama. Im tiefblauen Meer schaukeln Segelboote, und dahinter erheben sich zerfurchte, wild bewachsene Bergketten.
Auch den wirklich ungewöhnlichen Kirchturm können wir sehen, auf den die knapp 1500 Einwohner der kleinen Stadt besonders stolz sind. Er hat nämlich eine frei tragende Dachkrone = „Flying Buttresses“.
Nachdem wir uns satt gesehen haben und wieder hinuntergestiegen sind, durchqueren wir die Halbinsel und kurven dann die Ostküste entlang, wieder auf den uns bereits so vertrauten „Single Track Roads“ mit ihren gekennzeichneten „Passig Places“.
Zum Schlafen finden wir einen Platz am Wasser, der noch schöner ist als der gestrige. Hier haben wir eine idyllische felsige Bucht ganz für uns allein.
Wir blicken auf die Insel Arran hinüber, und wie jeden Abend beginnt nun unser Homeoffice.
75 km + ca. 18 km mit den Fähren
Mo, 8. Juli
In der Nacht kontrollieren wir die Flut. Um 3h stellen wir den Höchststand fest. Da können wir uns ja beruhigt nochmals aufs Ohr legen.
Die Sonne weckt uns auch heute wieder.
Wir verlassen diesen wunderschönen Platz, und weil die Straße hier zu Ende ist, müssen wir nach Tarbert zurückfahren.
Von hier aus ist es nicht mehr weit nach ACHNABRECK, wo sich unser Weg wieder mit dem von 2003 trifft.
Den Parkplatz von damals finden wir nicht mehr. Alles hier ist touristisch aufgemotzt. Wie damals machen wir eine kleine Rundwanderung zu den ca. 5000 Jahre alten „Cups and Ringmarkings“. Man erkennt auf Felsplatten deutlich konzentrische Kreise mit einer Vertiefung in der Mitte. Ihren Zweck kann man immer noch nicht entschlüsseln. Infotafeln, Stege und Einzäunungen weisen uns den Weg. Damals mussten wir selbst auf Entdeckungsreise gehen. Die Felsritzungen sind immerhin gleich geblieben.
Nach diesem Wiedersehen fahren wir weiter nach KILMARTIN und erkennen freudig die „Standing Stones“ wieder, den Steinkreis von Temple Wood und die Steinhügelgräber = „Chambered Cairns“.
Auf dem Friedhof der dunkelgrauen alten Kirche stehen neben modernen auch viele uralte skulptierte Grabsteine. Die ältesten stammen aus dem 13. und 14. Jhd. Auf einigen sind neben geometrischen Mustern auch Krieger oder Waffen zu sehen.
Es gibt sogar welche, die später mit neuen Namen versehen und wieder verwendet wurden.
Wir parken vor dem Hotel. Klaus hat damals durch die Spiegelung in einem blumengeschmückten Fenster ein „Selfie“ gemacht. Diese Szene stellt er nun nach 21 Jahren nach. Die Blumen sind jedenfalls frisch ;-).
Das Museum ist definitiv neu. Wir erfahren Vieles über dieses mystische, romantische Tal, das als Wiege der Siedlungsgeschichte Schottlands gilt. Einige Siedlungsnachweise konnten bis auf 7500 v. Chr. datiert werden.
Anschließend wandern wir ein wenig auf dem „Monument Trail“ und besuchen die oben erwähnten Cairns. Die Grabkammern, in denen hochrangige Vertreter der frühen Siedler beigesetzt wurden, schüttete man mit Bruchsteinen und Geröll zu Grabhügeln auf. „Nether Largie South Tomb“, die Begräbnisstätte eines mächtigen Paares, ist einer davon.
Im 18. Jhd. wurden viele dieser Steine, deren Bedeutung man nicht mehr kannte, einfach für den Hausbau verwendet.
Nun wird es für uns Zeit, sich nach einem Schlafplatz umzusehen. Wir finden ihn ganz in der Nähe auf dem Parkplatz des Carnassarie Castels. In bewährter Weise übernimmt die Besichtigung des Gemäuers wieder einmal die Drohne.
Wir widmen uns lieber dem vergnüglichen Schauspiel der Schafe, die im hohen Gras verschwinden, weil sie die Blumen fressen wollen.
Vielleicht fressen sie sich auch neugierig an uns heran, wie die „Detektive“ im Schafskrimi „Glennkill“. Der schwarze Widder hat jedenfalls auch hier vier Hörner.
57 km
Di, 9. Juli
Wir fahren weiter nach Norden.
Auf angenehmen Straßen gleiten wir durch die wunderschöne grüne Landschaft, immer wieder vorbei an Seen mit vielen Seerosen.
Auch das Wetter ist immer noch warm und trocken- Schlechtwetter ist aber leider angesagt.
Und dann überqueren wir den Atlantik.
Eine sehr hohe alte Steinbrücke, die Clachan Bridge, führt über die schmalste Stelle des Seil Sounds auf die kleine Insel SEIL. Es ist schon ein bisschen frech diese, gerade mal 20m breite, Abzweigung von einem Firth „Atlantik“ zu nennen.
Nach dem Jakobiten-Aufstand 1745 waren den Schotten ihre Tracht und Sprache bei Todesstrafe verboten. Wie wir auf einer Informationstafel lesen können, zogen sich im Tigh-An-Truish Inn, gleich nach der Brücke, die aufrechten Patrioten ihre Hosen aus und ihre Kilts an.
Ca. 500 Einwohner:innen gibt es hier. Eine von ihnen - eine reizende junge Frau - betreibt einen bezaubernden kleinen Campingplatz, wo wir eine halben Ruhetag verbringen, bevor wir uns morgen auf die große Fähre zu den ÄUẞEREN HEBRIDEN einschiffen werden.
45 km
Mi, 10. Juli
Nach gemütlichem Ausschlafen verlassen wir diesen - im wahrsten Sinne - zauberhaften Campinglatz: Stellplätze inmitten unberührter Natur, handschriftliche Hinweisschilder, die mit naiven Zeichnungen geschmückt sind, ein Gemüsegarten, grasbewachsenen Erdhütten, eine kleine Bucht und nicht zuletzt die blonde „gute Fee“, die das das alles managt.
Aufs Festland zurückgekehrt, checken wir im Hafen von OBAN für die Fähre zur Insel BARRA ein. Vor uns in der Warteschlange steht ein Wohnmobil, das auch mit Stickern geschmückt ist. Unter anderem lesen wir „Adventure before Dementia“. Das nenne ich Galgenhumor.
Die große Fähre ist bei weitem nicht ausgelastet, und wir können uns die besten Sitzplätze am Fenster aussuchen
Auf der langen Überfahrt von ca. fünf Stunden haben wir genügend Muße zum Rätseln und Lesen. Das ist auch eine gute Gelegenheit, sich ein wenig mit der Geschichte Schottlands zu beschäftigen.
Auch zum Essen haben wir genug Zeit. Sogar vegane Optionen stehen für uns bereit.
Ich kann das alles - trotz ziemlich hohem Wellengang - genießen, weil ich rechtzeitig etwas gegen Seekrankheit eingenommen habe. Daher geht es mir diesmal sogar besser als Klaus.
Um ca. 18h legen wir bei strahlendem Sonnenschein in CASTLEBAY an.
Bei der Ankunft erkennen wir sofort, woher der Ort seinen Namen hat. Auf einer winzigen vorgelagerten Insel, ca. 100m entfernt, steht eine Burgruine.
Die Insel ist ca. 12 km lang und 10 km breit und hat etwa 1200 Einwohner. Eine Ringstraße führt - durch mehrere Dörfer - im Kreis um die Insel herum. Sie ist einspurig, hat aber genug asphaltierte Passing Places. Wenige Autos aber umso mehr Schafe sind darauf unterwegs.
Das Inselinnere bleibt den Wanderern vorbehalten.
Eine Kuriosität ist der hiesige Flughafen. Nur bei Ebbe kann man hier landen- in einer weiten Bucht. Sand und Wasser spritzen dabei in hohem Bogen hoch- „Flight times subject to tides“.
Bis kurz vor dem Signal, dass ein Flugzeug im Anflug ist, sind die Muschelsucher auf dem Flugfeld unterwegs.
Wir fahren gleich zum Hafen, in dem morgen in aller Früh unsere Fähre zur Insel Eriskay abfahren wird.
42 km + ca. 140 km mit der Fähre
Do, 11. Juli
Der Wecker läutet um 6h. Die Fähre startet um 7h. Da wir ja bereits an Ort und Stelle stehen, ist das nicht so schlimm für uns. Kurz vor 8h legen wir in ERISKAY an.
Niemand will Geld von uns, und wir haben nichts dagegen.
Auf diesem Eiland landete übrigens 1745 im Zuge des Jakobitenaufstands der glücklose Bonnie Prince Charlie aus dem Hause Stuart.
Wir queren die kleine Insel und fahren über einen Damm auf die nächste, SOUTH UIST.
Eine große Marienstatue bestätigt die Angaben im Reiseführer: „Diese Insel ist erzkatholisch, weil die Reformation hier nie angekommen ist“.
Die Jagd nach einem Hebriden-Pickerl für die Rückwand unseres WoMo ist in vollem Gang.
Wir klappern jedes Geschäft, jeden Gift-Shop und jede Tankstelle ab, leider vergebens.
Unsere Fahrt führt wie üblich über einspurigen Straßen mit Passing Places mit Blick aufs blaue Meer.
Wir kommen uns wieder einmal wie auf einer Alm im Gebirge vor- Felsbrocken, Heidelandschaft, dazwischen vereinzelt Häuser.
Klaus erinnert die Gegend ein wenig an Island, vielleicht weil an den Straßenrändern Wolllgras wächst; vielleicht aber auch wegen der Temperatur. Es hat 12°, immerhin plus und immerhin zweistellig. Vulkane gibt’s hier allerdings nicht.
Auf den Inseln ist wieder alles zweisprachig angeschrieben. Die unaussprechliche Variante steht an erster Stelle.
Über Dämme gleiten wir über mehrere kleine Inseln hinweg, bis wir schließlich in NORTH UIST landen. Wir hanteln uns also langsam nach Norden.
In einem Supermarkt füllen wir unsere Vorräte auf und geraten prompt mit dem schottischen Gesetz in Konflikt. Bier und Wein werden uns bei der Kassa abgenommen, weil man vor 10h keinen Alkohol kaufen darf. Bis jetzt haben wir offenbar noch nie so früh eingekauft.
Wir machen auf dem Parkplatz einfach unsere Frühstückspause, und eine halbe Stunde später kann Klaus seine Schätze abholen.
Neben Geschäften haben wir auf den Inseln auch ein kleines Postamt, eine Polizeistation, ein Gesundheitszentrum und eine Schule samt Bibliotheksbus gesehen. In einem Lastwagen ist ein Kino untergebracht. Fußballfeld und Golfplatz dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Wir wundern uns über die vielen Guest Houses, weil es ja kaum Touristen zu geben scheint.
Das Leben läuft hier ziemlich entschleunigt dahin. Man fühlt sich wie in einer anderen Welt.
Auf Pickerlsuche besuchen wir auch den kleinen Flughafen und bewundern die karierten „Schwanzflossen“ der Flieger.
Alles Mögliche könnten wir hier kaufen, bloß keine passenden Sticker.
Jetzt fängt es auch noch zu regnen an.
Wir beherzigen das britische Sprichwort: “Wenn dir das Wetter nicht gefällt, dann warte eine Minute“.
Tatsächlich kommt bald wieder die Sonne heraus, und die Temperaturen steigen etwas an.
Unsere Lebensgeister erwachen, und wir kriegen Lust auf eine Wanderung.
Der Untergrund unseres Weges ist torfig weich und feucht. Der Wind bläst uns um die Ohren.
Über Steine balancieren wir ans andere Ufer eines Flusses. Weiter geht es an einem schmalen Meeresarm entlang. Der 347m hohe Berg Eaval vor uns lockt, aber nicht sehr. Wir kehren lieber um. Gut durchgelüftet kommen wir zurück.
Auf der Weiterfahrt fallen uns immer wieder Hausruinen auf. Auch von ganzen Gehöften sind nur noch die Grundmauern zu sehen.
Im 19. Jhd. vertrieben ja während der Highland Clearances oft Großgrundbesitzer im ganzen Land ihre Pächter von Haus und Hof, weil Weideland für die Schafzucht gebraucht wurde. Unzählige dieser Leute wanderten aus. Man sagt, dass in Schottland 5 Millionen Schotten leben, aber auf der ganzen Welt fünf mal so viel.
Wir fahren nun durch das Nature Reserve Balranald im Nordwesten der Insel und finden eine sehr hübschen Schlafplatz.
Klaus geht mit dem Fotoapparat auf die Pirsch. Viele Austernfischer gibt es hier. Auch mir gefallen diese Vögel mit den leuchtend roten Schnäbeln.
Bei der Feinplanung für den nächsten Tag entscheiden wir uns dafür, morgen um 9h30 die Fähre für unsere weiteren Inselabenteuer zu nehmen.
Da scheint es uns doch praktischer zu sein, heute noch in den Hafen von BERNERAY zu fahren um in bewährter Weise in der Früh bereits an Ort und Stelle zu sein.
Obwohl wir uns schon gemütlich eingerichtet haben, fahren wir also nochmals los.
Neben dem Wartehäuschen lassen wir uns nieder.
148 km + ca. 10 km mit der Fähre
Fr, 12. Juli
Es regnet.
Wir peilen die Fähre um 9h30 an.
Als wir uns anstellen wollen, erfahren wir, dass sie ausgebucht ist.
Der Einweiser macht uns aber Mut. Erfahrungsgemäß fällt irgendjemand aus. Und tatsächlich ist unser Auto, das letzte, das noch mitgenommen wird.
Eine ruhige Überfahrt von ungefähr einer Stunde in strömendem Regen nach LEVERBOURGH.
Trockener wird es heute nicht mehr.
Die atemberaubende Landschaft von SOUTH HARRIS, die wir aus dem -warmen und trockenen - Auto bewundern können, ist es allemal wert, hierher zu kommen.
Die Gegend ist sehr einsam. Auf einer sehr schmalen - immerhin asphaltierten - Straße kurven wir an der Ostküste nach Norden. Auf Meeresniveau kommen wir uns vor wie im „Hochgebirge“- Blühende Moose, Heidekraut und von Gletschern glatt geschliffene Felsen. Hin und wieder steht eine Bushaltestelle am Straßenrand, in der Schafe Schutz suchen oder Radfahrer ein trockenes Plätzchen zum Jausnen gefunden haben.
Wie Marterln finden sich immer wieder kleine Hüttchen mit „Honesty Boxen“ in denen Eier, Kuchen, Marmelade, u.ä. gegen Selbstbedienung angeboten werden.
Häuser sind sehr wenige zu sehen. Hier leben Menschen, die wirklich abgelegen wohnen wollen.
An vielen Stellen wird Torf gestochen. Den brauchte man früher zum Heizen. Heute gibt er beim Brennen den edlen Whiskys das besondere Aroma.
An einem Passing Place fährt ein WoMo aus Wien an uns vorbei. Da muss man natürlich kurz stehen bleiben und ein wenig plaudern.
Wir kochen uns erstmal einen Tee und ziehen uns wärmer an. Die tapferen Radfahrer, die mit uns auf der Fähre waren, beneiden wir nicht.
Unseren ersten Halt machen wir in RODEL bei der St. Clement’s Church von 1528, die sich als echtes Highlight herausstellt. Das Mauerwerk besteht aus Bruchsteinen des lokalen Gneis.
Die Kirche diente vor allem der Familie MacLeods als Grablege.
Die Reformation ist nie bis hierher in diese düsteren Gewölbe gekommen.
Wir bewundern spätmittelalterlich Schnitzereien und architektonische Details bei den Mauergräbern.
TARBERT (einen Ort dieses Namens hatten wir doch schon auf der Halbinsel Kintyre) liegt auf der schmalen Landbrücke zwischen SOUTH und NORTH HARRIS. Hier - und überall sonst auf der Welt - kann man den berühmten, hochwertigen Harris-Tweed kaufen. Heutzutage wird er längst nicht mehr per Hand hergestellt und mit Pflanzenfarben gefärbt.
Der Doppelname von LEWIS & HARRIS rührt von der natürlichen Barriere zwischen den beiden Inselteilen her. Das unwegsames Mittelgebirge schien früher unüberwindlich zu sein.
Wir fahren auf einer gut ausgebauten Straße hinüber nach LEWIS.
Beide Inselteile sind zusammen nicht ganz 100 km lang. Die breiteste Stelle misst fast 50 km.
Im Hauptort STORNOWAY bekommen wir endlich unser Pickerl fürs Wohnmobil, und noch dazu ein wunderschönes. Da hat sich unsere Hartnäckigkeit wirklich ausgezahlt. Auch die „Mithilfe der Bevölkerung“ war sehr hilfreich. Da wurde untereinander beraten, und wir wurden von einem Geschäft zum anderen geschickt.
Nachdem wir nun das „Wichtigste“ erledigt haben, queren wir nun ganz entspannt die Insel zur Westküste hinüber und steuern das „Blackhouse“ von ARNOL an. In diesem Freilichtmuseum
fühlt man sich in die Zeit von 1830 zurück versetzt, in denen sich die Crofter, die Pächter, mit ihren Familien um das Torffeuer in der Mitte der Wohnküchen scharten. Der Rauch zog durch eine winzige Luke im Dach ab, das mit Stroh gedeckt war.
Die Mauerecken dieser Häuser waren, zum Schutz vor dem Wind, abgerundet.
In den, mit Vorhängen versehenen, Bettnischen schlief man auf Strohsäcken.
Auch der Stall befand sich im Haus. Die Tiere gaben schließlich Wärme ab.
Die Nachbarn trafen sich an den Abenden oft zum Singen und Erzählen.
Bis in die 1950er-Jahre haben Menschen so ein Leben als ständige Gratwanderung zwischen Lungenentzündung und Rauchvergiftung geführt.
Wir schlafen unbehelligt auf dem Parkplatz vor dem Museum, mit Blick auf den Atlantik.
Wie schon auch vor ca. 100 Jahren die vielen Auswanderer - hinüber zum fernen Amerika geschaut haben.
119 km + ca. 15 km mit der Fähre
Sa, 13. Juli
Wir sind gut ausgeschlafen.
Nieselregen, Kälte und Wind. Das ist auch hier nicht das übliche Wetter für Juli, wie man uns versichert.
Wir sind hier ungefähr auf der nördlichen Breite von Stockholm.
Da fahren wir gleich noch weiter nach Norden.
In EOROPIE steht mitten in einer Blumenwiese, von einem Mäuerchen umgeben, die winzige St. Moluag’s Church aus dem 12. Jhd. Auch sie ist aus dunklen Bruchsteinen gebaut.
Weil sie keinen Turm hat, haben wir sie nicht gleich erkannt.
Man kann nur zu Fuß hingehen. Aber ganz offensichtlich finden hier regelmäßig Gottesdienste statt.
Wir sind wieder einmal im Regengewand unterwegs, und weil’s so schön ist, wandern wir noch zu den Dünen. Die Wellen branden heftig an den Sandstrand.
Weiter geht’s zur nördlichste Spitze der Insel.
Der „Butt of Lewis“- sozusagen der „Arsch“ - nicht der Welt - aber immerhin der Äußeren Hebriden.
Von drei Seiten her werden wir, der Leuchtturm und viele Möwen vom Atlantik umtost.
Gewaltig tauchen tiefschwarze Felsen aus dem Meer. Es handelt sich um Gneis, das älteste Oberflächengestein der Welt.
Der formvollendete Kiltträger inmitten der Touristen entpuppt sich als Reiseleiter.
Ab jetzt kann es nur mehr nach Süden gehen.
In GARENIN steht ein ganzes Blackhouse Village, das bis 1965 bewohnt war. Die reetgedeckten Hütten ducken sich in die Landschaft.
Diese kleinen Häuser haben Rauchfänge und richtige Öfen, die natürlich auch mit getrocknetem Torf beheizt wurden.
Einige dieser Blackhouses kann man sogar als Sebstversorger-Unterkunft mieten.
Wir sehen einen Film, in dem gezeigt wird, wie hier in Heimarbeit auf traditionelle Weise Tweed gewebt wurde, und wie mühsam und anstrengend das Torfstecherhandwerk war und immer noch ist.
Ganz in der Nähe, in CARLOWAY, steht die Ruine eines 2000 Jahre alten Brochs. Solche Verteidigungsanlagen wurden gegen die häufigen Überfälle der Wikinger an den Küsten der Hebrideninseln errichtet.
Wir stellen uns für die Nacht auf den Parkplatz. Morgen werden wir hinaufwandern.
90 km + ca. 15 km mit der Fähre
So, 14. Juli
An den Überresten des Brochs kann man deutlich die dicken, doppelwandigen Mauern erkennen. Wir können sogar hineinklettern.
Auf mehreren Stockwerken befanden sich in diesen Zwischenräumen die Schlafplätze und die Vorratsräume.
Auf dem Boden in der Mitte brannte ein wärmendes Feuer, für alle, die in dieser Fluchtburg Schutz suchten.
Das Dach bildete eine Holzkonstruktion.
Ohne jeden Mörtel wurden die Steine übereinander geschichtet. Solche Türme, die sich nach oben hin verjüngenden, hatten ein enormes Gewicht und waren uneinnehmbar.
Noch ein Highlight wartet heute auf uns: der Steinkreis von CALLANISH. Seit 4000 Jahren stehen auf einer Wiese diese „falschen Männer“, wie sie ehrfürchtig auch genannt werden.
Weithin sichtbar ragen die bis zu 3,7m hohen Monolithen in Form eines riesigen Keltischen Kreuzes, das einen kleinen inneren Kreis umgibt, in den Himmel.
Diese Anordnung ist sehr ungewöhnlich.
Wir sind sehr beeindruckt, obwohl wir mittlerweile schon viele solcher „Ständig Stones“ gesehen haben.
Wenn doch nur dieser lästige Nieselregen bei 11°nicht wäre.
Eigentlich haben wir diese Inseln jetzt abgearbeitet, aber die Fähre, die wir gebucht haben, geht erst in ein paar Tagen.
Vielleicht können wir unsere Abfahrt vorverlegen. Also fahren wir zurück nach HARRIS, in den Hafen nach TARBERT.
Auf der Fahrt hierher haben wir sogar noch ein paar Bäume gesehen, ein eingezäuntes kleines Wäldchen.
Der gälisch Name des Städtchens lautet TAIBEART, und das heißt Landenge, wie wir ja schon vor ca. einem Monat auf der Halbinsel Kintyre gelernt haben- daher auch die Namensgleichheit.
Das Hafengbäude sperrt leider erst um 14h auf.
Da heißt es für uns Warten auf eine Entscheidung für unsere Weiterreise.
Wir nützen die Zeit für einen ausgiebigen Brunch.
Die Fähre ist ausgebucht. Wir stellen uns in die Stand by-Schlange und werden erfreulicherweise tatsächlich mitgenommen.
Um ca. 18h landen wir in UIG auf SKYE, bei strahlendem Sonnenschein, der unsere „nassen“ Gemüter sofort „trocknet“ und aufhellt.
Die Insel ist ca. 80 km lang und etwa 40 km breit. Wir sind nun wieder auf den INNEREN HEBRIDEN.
Unseren Schlafplatz finden wir in KILVAXTER auf dem Friedhof, auf dem die Volksheldin Flora MacDonald unter einem großen Hochkreuz begraben liegt. Sie hatte im 18. Jhd. dem bereits erwähnten Bonnie Prince Charlie zur Flucht nach Frankreich verholfen - in Frauenkleidern.
Auf den hübsche Stuart-Prinz war ja eine große Summe Kopfgeld ausgesetzt worden, aber niemand der getreuen Schotten hat ihn verraten, als er monatelang durch Schottland irrte.
Und weil’s hier so schön ist, vergisst Klaus ganz darauf, dass heute Abend das Finalspiel der Fußball-Europameisterschaft stattgefunden hat. Er kann nur noch das Ergebnis im Internet nachschauen und sich daran freuen. Die Spanier haben gegen die Engländer gewonnen.
86 km + ca. 45 km mit der Fähre
Mo, 15. Juli
Es ist klar und trocken, aber kalt.
Die Strecke führt wunderschön die Küste entlang.
In STAFFIN berühren wir die Zivilisation und kaufen ein.
Weiter geht es zum Kilt Rock, dessen 80m senkrecht abstürzende Basaltfelsen wie Orgelpfeifen aussehen oder, mit viel Fantasie, tatsächlich wie ein Faltenrock.
Den Wasserfall, der von großer Höhe ins Meer stürzt, kann man von der Aussichtsplattform kaum sehen. Aber die Drohne verschafft uns einen tollen Überblick.
Das Städtchen PORTREE ist sehr hübsch aber hoffnungslos überlaufen. Kurz bevor wir aufgeben wollen, finden wir doch noch einen WoMo-Parkplatz.
Es ist ohnehin an der Zeit, dass unsere Fahrräder wieder einmal zum Eisatz kommen.
Und schon gewinnt der Ort für uns an Attraktivität.
Wir finden einen Skye-Aufkleber und sogar einen Bio-Laden. Die bunten Häuser lassen sich - wenn man keinen Parkplatz braucht - problemlos fotografieren.
Außerdem entdecken wir ein Wohnmobil, dass sogar uns den Rang abläuft. Nach der Autonummer und den Schriftzeichen zu schließen kommt es aus dem ostasiatischen Raum. An der Seitenwand kleben viele Fahnen.
Auf der Weiterfahrt kommen wir durch DUNVEGAN. Den Ort wollen wir Veganer nicht unerwähnt lassen.
Das Castle, das seit 700 Jahren dem mächtigen Clan der MacLeods gehört, ist allerdings potthässlich.
Nun queren wir die Insel und tauchen für unseren Schlafplatz wieder in die Einsamkeit ein- so dachten wir.
Aber unser Tagesziel ist extrem überlaufen. Am NEIST POINT können wir uns gerade noch neben einem Misthaufen stellen. Wir beschließen, etwas Geduld zu haben. Tatsächlich fährt nach einer halben Stunde eines der ca. 100 Autos weg, und wir freuen uns über die atemberaubende Aussicht, die wir jetzt, von der neuen Stelle aus haben.
Natürlich wandern auch wir hinüber zum höchsten Punkt der Klippen, An-t-Aigeach.
Wie ein Sprungschanze erhebt sich der Felsen. Zu unseren Füßen steht ein Leuchtturm.
Wir haben wunderbare Sicht bis hinüber zu den Äußeren Hebriden, obwohl Skye ja auf gälisch die „Insel des Nebels“ heißt.
Es ist auch sommerlich warm geworden. Das sind wir gar nicht mehr gewöhnt. In der Früh haben wir noch gefroren.
Die meisten Ausflügler hauen bald wieder ab. Aber wir werden die Nacht hier mit ca. 25 anderen Wohnmobilisten ganz ungestört verbringen.
Wir hatten den besten Platz, abgesehen von ein paar jungen Leuten, die direkt an den Klippen Zelte aufgeschlagen und sogar ein Feuer angezündet haben- sehr romantisch.
104 km
Di, 16, Juli
Der Himmel ist bedeckt. So warm wie gestern wird es heute nicht.
Vorsichtig fahren wir die schmale Straße aus der „Wildnis“ wieder zurück.
Besonders schwierig ist das Chauffieren, weil die Fahrbahn manchmal unvermittelt an den Rändern abbricht. Die herumwuselnden Schafe machen es auch nicht einfacher.
Wir sind auf dem Weg in den Süden der Insel, zum Hafen ARMADALE , denn wir müssen uns schon wieder von der schönen Insel SKYE, die aus vielen Halbinseln besteht, verabschieden.
Die Fähre verkehrt stündlich. Wir buchen die Überfahrt für 14h30.
Ungefähr eine Stunde später haben wir in MALLAIG wieder schottischen Festland-Boden unter den Füßen.
„Es ist wie heimkommen“, meint Klaus, denn vor 21 Jahren haben wir hier im Hafen übernachtet, um in die entgegengesetzte Richtung zu fahren.
Unser Park4Night-App empfiehlt uns alle Fazilitäten, die das Camperherz begehrt.
Zuerst geben wir unsere Schmutzwäsche in einer kleinen Wäscherei ab. In eineinhalb Stunden können wir sie trocken wieder abholen.
Die Zwischenzeit nützen wir für eine herrliche Dusche und zum Ausleeren unseres Klos und zum Füllen unseres Trinkwassertanks.
Nun sind wir für die Weiterfahrt bestens gerüstet und brauchen nur noch einen Platz für die Nacht.
Schon wieder haben wir es unserem schlauen App zu verdanken, dass wir eine Ausweiche finden, von der aus man auf eine reizende kleine, fast kreisrunde, mit hohen Bäumen bewachsene, Insel hinübersehen kann. Auf dieser EILEAN NA MÒINE = Torfinsel im Loch Eilt liegt „Dumbledore’s weißes Grab“. Mit dem Teleobjektiv kann man sogar die Inschrift lesen:
“Happiness can be found, even in the darkest of times, if one only remembers to turn on the light.”
Ein Stückchen weiter finden wir einen schöneren Parkplatz neben der Straße, der sich besser zum Übernachten eignet.
144 km + 10,5 km mit dem Schiff
Mi, 17. Juli
Wir sind ein bisschen aufgeregt.
Heute wollen wir nämlich den Hogwarts-Express sehen, wenn er - wie im Film - über das GLENFINNAN Viadukt fährt.
Den Fahrplan und den Platz, von wo aus man die Dampfeisenbahn am besten sehen kann, hat uns das Internet verraten.
Wir sind natürlich nicht die einzigen, die das interessiert.
Ein riesengroßer Parkplatz samt Besucherzentrum wartet auf uns. Ein Fußweg ist deutlich ausgeschildert.
Nach einer Wanderung von ca. 20 Minuten und einem kleinen Aufstieg zu einem erhöhten Standort haben wir - wie auch über hundert andere Schaulustige aus aller Herren Länder - volle Sicht.
Jetzt heißt es, die Kameras in Anschlag zu bringen und geduldig zu warten, bis der Zug endlich unter Schnaufen und Tuten angefahren kommt.
Über das Viadukt schleicht er extra langsam dahin. Die Fahrgäste, die von Fort William bis Mallaig unterwegs sind, winken eifrig.
Und dann ist der Spuk wieder vorbei.
Die Menschenkarawane zieht zurück zum Parkplatz, der in der Zwischenzeit wegen Überfüllung geschlossen wurde. Wie gut, dass wir rechtzeitig da waren, um unser Auto abstellen zu können.
Wir haben das Highlight des heutigen Tages erledigt und können nun beruhigt unsere Reise fortsetzen.
Zunächst geht es nach Osten bis FORT WILLIAM. Da war ich schon zweimal- das erste Mal 1978 auf Interrail mit meiner Schwester Edith und das zweite Mal 2003 mit Klaus. Wir schauen zum Ben Nevis, dem höchsten Berg Großbritanniens hinüber.
Von hier aus fahren wir entlang des Great Glen - auch Kaledonischer Kanal genannt - nach Nordosten.
Dieses größte Tal des Landes ist sogar vom Mond aus mit bloßem Auge zu erkennen.
Nach einer gigantischen Erdverschiebung rissen die Highlands buchstäblich vom übrigen Schottland ab. Drei lang gestreckte Seen - einer davon ist der Loch Ness - füllen das schmale Tal fast vollständig aus. Für die restliche Strecke wurde im 19. Jhd. ein Kanal gebaut. Seit damals sind Ost- und die Westküste miteinander verbunden, und Schiffe können bis nach Inverness fahren.
Wir biegen in INVERGARRY nach Westen ab und finden wieder einmal einen Schlafplatz mit besonders toller Aussicht. Der Loch Garry liegt uns zu Füßen.
Immer wieder bleiben Autos und Reisebusse in unserem „Vorgarten“ stehen, um Fotos zu machen.
Wir sind jetzt in den NORTHWEST HIGHLANDS.
84 km
Do, 18. Juli
Wir verbringen einen gemütlichen Vormittag auf unserem schönen Platz.
Klaus halt Malstunde.
Wie vom Wetterbericht vorausgesagt fängt es zu regnen an. So soll es auch eine ganze Woche weitergehen.
Wir fahren ein kleines Stück den See entlang und biegen dann nach Westen ins Glenshiel ab.
In diesem Tal tobten während der Jakobiten-Aufstände im 18. Jhd. heftige Kämpfe, während derer die Wasserburg Eilean Donan Castle aus dem13. Jhd. völlig zerstört wurde.
Erst 1912 wurde sie im mittelalterlichen Stil wieder aufgebaut und auch auch die Innenräume originalgetreu wieder hergestellt.
Wegen ihrer idealen Lage auf einer Felsnase beim Zusammenfluss dreier Seen, gehört die Burg zu den begehrtesten Fotomotiven Schottlands.
Sie diente auch als Filmkulisse für den Kultfilm „Highlander“.
Als wir 2003 hier waren, haben wir alles genauestens besichtigt. Daher genügt uns diesmal die romantische Außenansicht.
Nun wenden wir uns nach Norden und haben bald schon wieder einen tollen Schlafplatz mit spektakulärer Aussicht gefunden. Diesmal ist es der Loch Carron, auf den wir hinunterschauen. Eigentlich ist das gar kein See sondern ein Meeresarm.
79 km
Fr, 19. Juli
Heute geht“s in die Berge, und noch dazu bei strahlendem Wetter. Wie schön, wenn sich der Wetterbericht auch mal irrt.
Weil wir genug Zeit haben, machen wir einen Abstecher über die APPLECROSS-HALBINSEL.
Mit Äpfeln hat der Name nichts zu tun. Es handelt sich um die „Apor Crossan“, die Quelle des Flusses Crossan.
Die Passstraße über den Bealach zählt zu den spektakulärsten Strecken Schottlands.
Klaus meistert die steile, schmale Piste mit Bravour. Mit einer tollen Aussicht hinüber auf die Insel Sky werden wir belohnt.
Die weitere Strecke führt an der felsigen Küste entlang. Der rosafarbene Granit macht sie besonders attraktiv. Direkt vom Meeresniveau aus steigen schroffe, steile, felsige Hänge an.
Zu den allgegenwärtigen Schafen mischen sich nun auch die Highland-Rinder mit ihrem zottigen Fell und den langen Hörnern.
Im hübschen Dorf SHIELDAIG finden wir die Wasserzapfstelle und einen General Store.
Am Loch Maree stellen wir uns auf den sehr schönen Stellplatz. Sogar ein kleines Wäldchen ist dabei. Der echte Süßwassersee lädt einige Tapfere zum Schwimmen ein. Sogar Klaus taucht kurz unter.
Immerhin liegt die Lufttemperatur bei stolzen 21°. Das Wasser ist aber sehr kalt.
Wir befinden uns hier im National Nature Reserve BEINN EIGHE.
Der See, der unbestritten einer der schönsten von Schottland ist, wird auch als Holy Lake bezeichnet. Ein irischer Mönch, der das Christentum hierher brachte, soll auf einer der Inseln gelebt und Kranke, durch Eintauchen ins Wasser, geheilt haben.
120 km
Sa, 20. Juli
Nach dem gestrigen Prachtwetter - wir sind uns „fast“ wie im Sommerurlaub vorgekommen - haben wir heute wieder einen Regentag.
Dieses Wetter hat immerhin den Vorteil, dass wir nicht von den lästigen Winzlingsmücken umschwärmt werden.
Wir fahren ein Stückchen weiter nach Nordwesten zu den Victoria Falls.
Nein, das sind nicht die in Afrika.
Der hiesige kleine Wasserfall, stürzt variantenreich in mehreren Stufen hinab- zunächst wie über eine sehr breite „Rutsche“ aus Granit, dann über mehrere Fälle in die Tiefe.
Seinen Namen verdankt er Queen Victoria, die ihn einst besuchte. Die Königin liebte Schottland und alles Schottische.
Wir machen eine nette kleine Rundwanderung mit toller Aussicht auf den Loch Maree - unseren See von letzter Nacht - samt seiner Inseln. Auf welcher davon hat wohl der Heilige Mönch gelebt?
Unseren nächsten Halt machen wir in GAIRLOCH.
Der Ort bietet einen umfassenden Camperservice, einen Supermarkt und ein Museum, das sich interessant und einfühlsam mit der Geschichte der Region WILD WESTER ROSS beschäftigt. Besonders berührend finde wir einen Film, in dem ältere Leute, die sich an das sehr ärmliche Crofter-Leben ihrer Kindheit und Jugend noch gut erinnern können zu Wort kommen.
Wir haben ja solche Behausungen vor ca. einer Woche im Freilichtmuseum auf Lewis gesehen. So scheint sich jetzt alles mit Leben zu erfüllen.
Der Mackenzee-Clan, dem das Land hier gehörte, kümmerte sich nämlich um seine Pächter und gehörte zu denjenigen Großgrundbesitzern, die sich weigerten, während der Highland-Clearances, ihre Leute zu vertreiben.
Erfreulicherweise gab es das auch. Deshalb können wir jetzt an den Erinnerungen der ehemaligen Nebenerwerbs-Kleinbauern teilhaben.
Nachdem wir uns alles ausgiebig angeschaut haben, setzen wir unseren Weg nach Norden fort.
Der Loch Ewe ist wiederum kein See sondern ein Meeresarm, der sich ins Land zieht und eine große Bucht bildet.
Im Zweiten Weltkrieg hatte er eine große Bedeutung als „Sicherer Hafen“ und Sammelplatz für die alliierten Nordmeer-Geleitzüge, um die Sowjetunion über das eisige Polarmeer mit militärischen Gütern zu versorgen.
In dieser Bucht gab es auch Treibstoffdepots, um die Schiffe schnell auftanken zu können.
Auch heute noch sind Teile des Ufers Militärisches Sperrgebiet.
Weiter geht’s für uns quer durch den nächsten Halbinsel-Finger, und schon sind wir wieder in den Bergen.
Ab LAIDE fahren wir wieder der Küste entlang und landen beim nächsten Meeresarm, dem Little Loch Broom, an dessen Ufer wir uns gerade für die Nacht eingerichtet haben. Es wäre an sich wieder ein schöner „Ruheplatz am Wasser“. Leider verhindern Regen und Nebel eine nennenswerte Aussicht.
Immerhin sitzen wir in unserem trockenen und warmen Wohnzimmer- im Gegensatz zu den Radfahrern und Wanderern, denen wir immer wieder begegnen. In großer Dankbarkeit stellen wir immer wieder fest, dass wir die für uns ideale Art zu Reisen gefunden haben.
Den ganzen Tag war die Sonne hinter Wolken versteckt, aber jetzt am Abend bietet sie großes Theater. Spektakulär geht sie unter und taucht alles in ein fast unwirkliches Licht.
75 km
So, 21. Juli
Ich schlafe lange, und Klaus weckt mich nicht auf, so ein Lieber!
Nach der Morgentoilette fahren wir ein Stückchen den Little Loch Broom entlang, dann durchqueren wir die nächste Halbinsel und landen am Loch Broom, der parallel zu seinem kleinen Bruder liegt. Bei beiden handelt es sich um schmale Meeresarme, die in Schottland „Sea Lochs“ genannt werden.
Hier müssen vor gar nicht langer Zeit heftige Stürme getobt haben. Ganze Wälder sind gefallen, und die Baumstämme liegen wir Streichhölzer herum. Aufräumungsarbeiten sind im Gang.
Die Corrieshalloch Gorge ist groß angekündigt, und es wird uns ein großer, teurer Parkplatz angeboten. Wir finden einen Möglichkeit, wo wir unser WoMo gratis abstellen können, bevor wir eine kleine Wanderung zur wirklich spektakulären, schmalen und tiefen Schlucht mit dem Wasserfall von Measach machen. Von einer Hängebrücke und einer Aussichtsplattform kann man in die Tiefe blicken.
Bei der Weiterfahrt entdecken wir zu unserer Überraschung einige echte Redwood-Mammutbäume.
In ULLAPOOL treffen wir endlich wieder einmal auf einen größeren Supermarkt und wir können alles, was unser veganes Herz begehrt, nachkaufen.
Die hübsche kleine Stadt wurde im 18. Jhd. von der Fischereigesellschaft auf dem Reißbrett entworfen. Sie liegt mitten in der geschützten Naturbucht des bereits erwähnten Loch Broom.
Vom Fährhafen aus kann man nach Lewis übersetzen.
Dass das hier ein Touristenmagnet ist, erkennen wir auch daran, dass gerade ein großes Kreuzfahrtschiff seine Passagiere mit Spezialbooten an Land bringt.
Für uns geht es weiter durch die Berge nach Norden. Wir wechseln in die Northern Highlands über.
Uns fällt auf, dass die Aufschriften und Ortsnamen plötzlich nur mehr auf Englisch angeschrieben sind.
Spielt hier das Gälische keine Rolle mehr? Wurden diejenigen, die diese Sprache sprachen, hier wirklich radikal vertrieben?
Am Loch Assynt schlagen wir unser Nachtlager auf. Der See liegt malerisch inmitten von hohen Bergen.
Auf einer Insel, die über einen natürlichen Damm aus Kies und Sand zugänglich ist, steht äußerst fotogen die Ruine des Ardvreck Castle. Wie ein hohler Zahn ragt der letzte verbliebene Turm in die Luft.
Wir haben vom „Schreibtisch“ den besten Ausblick. Natürlich wandern wir auch hinüber.
Später schauen wir noch einigen Stand-up-Paddlern zu und beneiden sie nicht um ihre unfreiwilligen Bäder.
90 km
Mo, 22. Juli
Heute wachen wir früher auf. Das Morgenlicht ist unbeschreiblich schön.
Schon vor 9h sind wir - weiter nach Norden - unterwegs, an diesem herrlichen Sommertag.
Wir haben bis zum Abend nur eine kurze Strecke geplant und eigentlich nichts Besonders vor.
Spontan folgen wir einem Schild an der Straße, dass das Vogelparadies auf der Insel HANDA anpreist.
Mit einer Schlauchboot-Fähre - nur für Fußgänger - werden wir und 10 weitere Ausflügler auf die kleine, unbewohnte Insel gebracht.
Sie ist eine der wichtigsten Brutstätten Schottlands, mit über 100.000 Brutpaaren.
Wir folgen dem sehr schön angelegten Rundweg für ungefähr zweieinhalb Stunden. Die meiste Zeit müssen wir über Holzbohlen gehen, weil der Boden überall moorig ist.
An den spektakulären Steilküsten, die über 100m senkrecht in die Tiefe stürzen, können wir viele Vögel beobachten, Tordalke, Trottellummen, riesige Raubmöwen, usw. Sogar die herzigen Papageientaucher = Puffins bekommen wir heute zu sehen.
Natürlich hat Klaus sein Teleobjektiv dabei.
Reste von Steinhäusern erzählen davon, dass diese Insel im Nordatlantik nicht immer unbewohnt war. Die Leute bauten hier Kartoffeln an, jagten Vögel und fingen Fische. Torf zum Heizen gab’s genug.
Die Gemeinde hatte sogar eine eigene Königin und ein eigenes Parlament.
In der Mitte des 19. Jhd. trat trat die verhängnisvolle Kartoffelfäule auf, die über mehrere Jahre zu Missernten führte. Eine große Hungersnot, die sogenannte Potato Famine brach aus.
Millionen von Menschen verhungerten- vor allem in Irland. Aber auch die Highlands wurden nicht verschont.
Alle Bewohner von Handa verließen ihre Häuser. Die meisten von ihnen wanderten nach Nova Scotia in Kanada aus.
Wir haben für unser Insel-Abenteuer ein perfektes Wetter erwischt, einen der schönsten Tage unserer bisherigen Reise.
Wieder am Festland angelangt, genießen wir unsere verspätete Mittagspause.
Unseren Schlafplatz finden wir noch ca. 30 km weiter im Norden, auf einem Parkplatz kurz vor Durness mit Blick auf eine einsame Meeresbucht.
75 km + 6 km mit der Fähre
Di, 23. Juli
Heute Nacht hatten wir einen Nachbarn, der unten am Strand sein Zelt aufgeschlagen hat.
Zu den sympathischen Seiten Schottland gehört ja, dass das wilde Campen grundsätzlich erlaubt ist, wenn es kein Verbotsschild gibt. Das wird heftig ausgereizt, und kommt ja auch uns zugute.
Das
Wetter ist heute auch wieder schön. Je weiter wir nach Norden kommen, desto wärmer wird es ;-)
Das erste Ziel des heutigen Tages ist DURNESS.
Neben dem traumhaften Sandstrand steht die von Efeu umrankte Ruine der BALNAKEIL Church aus dem 12. Jhd. Rundherum liegt der alte Friedhof. Ungewöhnlich finden wir die auf Füßen waagrecht abgelegten Grabplatten, die wie Tische aussehen.
Der, in dieser Gegend hoch verehrte, gälische analphabetische Dichter Rob Donn und ein grausiger Massenmörder, beide aus dem 18. Jhd, liegen hier begraben.
Hier war einst das Herz der Gemeinde Durness.
Auf der anderen Straßenseite thront das ehemalige Gerichtsgebäude Balnakeil House.
Da standen sie einander gegenüber, der Grundherr und seine Pächter. Von denen blieb in dieser Region allerdings kaum etwas übrig. Die Clearances wurden hier besonders gründlich und zum Teil ziemlich grausam durchgeführt.
Seit einigen Jahren gibt es hier wieder neues Leben. Ein Künstlerdorf mit vielen Ateliers ist entstanden.
Weiter nach Norden geht’s hier nicht mehr. Wir wenden uns nach Osten und fahren ab nun die Nordküste entlang.
Um einen langen Meeresarm herum müssen wir einen Umweg machen, über den nächsten führt ein befahrbarer Damm.
BETTYHILL liegt auf einem Feldplateau direkt über dem Mündungsdelta des River Naver.
Dieser Fluss ist der Namensgeber der Region STRATHNAVER, der nordwestlichsten Ecke der Grafschaft SUTHERLAND. Hier herrschte der mächtig Mackay Clan.
Wir besuchen das Museum, dessen Thema vor allem die bereits erwähnten Highland Clearances sind.
Von 1806-1922 wurden die Schottischen Highlands schrittweise von der gälisch sprechenden Bevölkerung „gesäubert“, deren Familien seit 8000 Jahren dort gelebt hatten. Seit vielen Generationen waren sie Farmer und Selbstversorger gewesen. Sie hatten ihr soziales Netzwerk und ihre kulturellen Traditionen. Die Leute verloren also nicht nur ihr Heim.
Alllein aus dieser Region wurden 15.000 Menschen vertrieben.
Das alles hatte wirtschaftliche Gründe. Durch Änderungen im Zollsystem und durch das Fortschreiten der Industriellen Revolution wurden die Schafhaltung und die damit einhergehende Wollverarbeitung im großen Stil immer lukrativer.
Die armen Pächter, die auf dem Land saßen, wurden den Großgrundbesitzern lästig. Sie wollten dort lieber Schafe halten.
Manche Pächter wurden umgesiedelt, aber viele wanderten nach Australien und Kanada aus, wo es heute noch gälische Sprachinseln gibt.
Gegen dieses - teilweise grausame - Vorgehen gab es kaum Gegenwehr. Die zeitgenössische Presse äußerte sich verachtend über die „minderwertige Rasse“ der gälischsprachigen Hochländer.
Vor der Vertreibung gab es viele lebendige Gemeinden.
Diese Ausstellung in Bettyhill ist auch dem Alltagsleben der Pächter vor ihrer Vertreibung gewidmet.
Wir haben ja auf dieser Reise bereits einige Crofter-Häuser gesehen.
Die Clearances hinterließen Narben, nicht nur in den Seelen der Menschen sondern auch in den menschenleeren Hügeln und Tälern. Die vielen Schafe schufen durch Überweidung die Highlands, wie sie sich uns heute präsentieren- Steinruinen und Schafe auf baumlosen Weiden. Vorher war das eine kleinbäuerliche Kulturlandschaft.
Das Museum ist in einer ehemaligen Kirche untergebracht. Auf dem angrenzenden Friedhof steht der weltberühmte Farr Stone.
Mit Figuren und Ornamenten reich verziert ist er seit jeher von Geschichten und Legenden umrankt. Er stammt aus piktischer Zeit und wurde vermutlich im 9. Jhd. hierher gebracht. Angeblich erschien eines Nachts ein Boot. Einige Männer schleppten den Stein hierher und gruben ihn ein. Danach verschwanden sie. Was der Grund dafür war, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.
Bewegt und berührt von den vielen menschlichen Schicksalen, von denen wir erfahren haben, machen wir uns wieder auf den Weg.
Für heute brauchen wir nur noch einen Schlafplatz.
Wir finden ihn ganz in der Nähe auf einem schön gelegenen Parkplatz.
Der See ist diesmal nicht gleich nebenan, sondern wir sehen ihn in einer Entfernung von ungefähr 500m Luftlinie.
Er heißt Loch Meade, und unsere Wanderschuhe zucken. Also machen wir einen Spaziergang durch das „Flow Country“. Damit meint man den weichen, torfigen Untergrund, der bei jedem Schritt federt. Hier wachsen vor allem Binsen, Stechginster, Wollgras und Heidekraut.
88 km
Mi, 24. Juli
Nach dem Ausschlafen müssen wir uns zunächst um die immer wiederkehrenden Alltagsdinge kümmern.
In THURSO leeren wir in einer öffentlichen Toilette unser Klo aus, und eine Tankstelle versorgt uns mit Treibstoff und Wasser. Wenn wir hier schon am Zapfhahn hängen, waschen wir und gleich an Ort und Stelle die Haare.
Jetzt brauchen wir nur noch Bargeld. Das bekommen wir bei der Bank of Scotland, und zwar leider keine Scheine, auf denen der neuen König abgebildet ist, sondern ganz bunte, schottische.
Die stets gleichen Landschaft, an die wir uns bereits gewöhnt haben, bietet uns bei der Weiterfahrt plötzlich eine Abwechslung, eine große violette Fläche voller Blutweiderich- wunderschön
Wir sind auf dem Weg nach SCRABSTER, und haben vor, im Hafen zu schlafen und morgen früh um 7h die Fähre auf die ORKNEY INSELN zu nehmen.
Aber es kommt ganz anders.
Wir sehen, wie sich die Autos für die nächste Abfahrt anstellen. Da kommt uns eine plötzliche Idee. Wie wäre es, jetzt gleich hinüber zu fahren?
Das Umbuchen funktioniert tatsächlich.
Schon heute um 13h gehen wir an Bord.
Wir erkennen sogar unser Schiff von damals wieder und lesen den den Spruch, den wir schon vom letzten Mal kennen:
The essence of Orkney’s magic is silence, loneliness
and the deep marvelous rhythm of sea and land, darkness and light
Vor dem Fenster macht sogar ein Delphin einen Freudensprung.
Auch der „Old Man of Hoy“ winkt uns zu, eine Felsnadel, die auf einem Basaltsockel vor der Insel steht, von der sie ihren Namen hat.
Kurz nach 14h kommen wir in STROMNESS an.
Uns bedeutet es viel, noch einmal hier zu sein. Damals, vor 21 Jahren, war der Aufenthalt auf diesen Inseln das Highlight unserer Reise.
Das Land kommt uns hier sanfter vor, als die Highlands auf dem Festland. In weichen grünen Wellen breitet es sich aus. Hier gibt es kein Hochmoor. Landwirtschaft wird betrieben.
Die Wikinger drückten den Inseln lange ihren Stempel auf. Bis ins 18. Jhd. dominierten sie die Handels- und Schmuggelbeziehungen. Bis ins 17. Jhd. wurde hier „Norn“ gesprochen, das dem Altnordischen verwandt ist.
Kilts sind hier gänzlich unbekannt, und in den Pubs hält man dem isländischen Fußballteam die Daumen.
Jetzt stehen wir in YESNABY am Rand einer Steilklippe. Vor uns geht es ca. 100m in die Tiefe. Der Sturm pfeift uns um die Ohren, und wir schauen hinaus übers Meer Richtung Amerika.
Die Betonplatten, auf denen unser WoMo so schön waagrecht stehen kann, gehörten einst zum Beobachtungsgelände einer Militärstation.
60 km + 50 km mit der Fähre
Do, 25. Juli
In der Nacht hat es stark geregnet und gestürmt.
Jetzt sieht das Wetter ganz gut aus.
Wir fahren als erstes nach SKARA BRAE. Ein Schild verkündet zu unserem Erstaunen: „Fully Booked“, und eine freundliche Dame erklärt uns, dass wir unbedingt online buchen sollen, damit wir für morgen noch einen Time Slot bekommen. „Vor 21 Jahren war alles anders“, bestätigt sie uns.
Wir wenden uns zum BROUGH OF BIRSAY. Auf die Insel, auf der seine Reste stehen, kann man bei Ebbe hinübergehen.
Einige Touristen kommen uns gerade barfuß mit hochgekrempelten Hosenbeinen entgegen. Die haben es gerade noch geschafft, und das Wasser steigt.
Wir waren 2003 drüben und begnügen uns für diesmal mit einem Blick über die ca. 160m hinweg.
Die Drohne können wir nicht schicken. Der Wind ist zu stark.
Nach dem Frühstück machen planen wir neu.
Wir buchen Skara Brae für morgen, und weil wir gebrannte Kinder sind, kaufen wir auch gleich Tickets für den BROCH OF GURNESS für heute Vormittag.
Als wir dort ankommen, ist niemand da, der unser Ticket sehen will. Das Office ist geschlossen.
Die anderen Touristen, die ihr herumklettern, sind auf gut Glück gekommen.
Wir werden aber nicht enttäuscht.
Die Überreste eines Wehrturms mit angrenzenden Behausungen aus der Eisenzeit sind sehr bemerkenswert. Man kann die Mauern, die die Anlage umgeben haben, noch gut sehen. Der ursprünglich 10m hohe doppelwandige Bau verlor irgendwann, als die Bedrohung durch Piraten vorbei war, seine Bedeutung. Die Steine eigneten sich gut für den Häuserbau. Daher sieht man heute nur mehr einen 2m hohen Mauerring. Die angrenzenden Gebäudegrundrisse sind aber noch sehr deutlich zu erkennen. Ein stattliches kleines Dorf war das. Die einzelnen Gebäude hatten - wie in Skara Brae - eine zentrale Feuerstelle, Steinregale und Betten. Sogar eine „Toilette“ wird gezeigt. Oder war das doch eher eine Kochstelle?
Die ganze Anlage war auch noch durch drei Wälle und Gräben geschützt, die noch vollständig vorhanden sind.
Der letzte Rückzugsort bei Angriffen war aber der Broch.
Diesmal riskiert Klaus doch eine Drohnenflug, der Gott sei Dank glückt. Einen richtigen Eindruck der Anlage bekommt man eben doch nur von oben.
Ein australischer Motorradfahrer hat auf seinen Koffern - so wie wir - viele Länder-Pickerln aufgeklebt. Er ist mit seiner Maschine schon ganz schön weit herumgekommen. Aber in Österreich war er noch nicht. Wir plaudern ein wenig- unter Weltenbummlern.
Nun wollen wir uns im Hafen von TINGWALL nach einer Überfahrt auf die kleine Insel ROUSAY erkundigen. Wir planen den Ausflug dorthin am Samstag, vielleicht mit den Rädern, falls alles ausgebucht ist.
Aber wir haben wieder einmal Glück. Die Fähre steht bereit, und nimmt uns sofort - samt Auto - mit hinüber. In etwas mehr als eine halben Stunde sind wir drüben.
Während wir auf See sind, rechnen wir aus, wieviele Fährstrecken wir auf dieser Reise im ganzen haben werden- 20 Stück. Das ist rekordverdächtig.
Eine Ringstraße führt über ca. 20 km um die ganze Insel herum.
Der Wind bläst uns - bei Sonnenschein - von einem Chambered Cairn zum nächsten. Alle sind sie über 5000 Jahre alt und sehr eindrucksvoll. Überall kann man hineingehen und auf die mir Gras und Blumen bewachsenen Grabhügel steigen.
Das Kammergrab von MIDHOWE ist allerdings wieder eine Überraschung für uns.
Die Ausmaße sind riesig und übertreffen alle anderen. Es ist 32,5m lange, 13m breit und bis zu 2m hoch. Wegen seiner Form wird es auch „Schiff des Todes“ genannt.
Zu beiden Seiten eines langen Ganges waren 25 Tote in zusammengekauerter Haltung mit dem Rücken zur Wand bestattet.
Über die ganze Anlage, die nahe am Meer steht, wurde eine schützende Halle gebaut.
Gleich nebenan steht der wesentlich jüngere MIDHOWE BROCH. Er stammt „erst“ aus dem 1. Jhd. nach Chr. Immer noch ist er über 4m hoch. Man kann ein Stück hinaufklettern und von oben auf eine Gruppe kleiner Häuserreste schauen.
Wir haben nun alle Sehenswürdigkeiten der Insel abgeklappert. Überallhin mussten wir ein Stückchen wandern. Das haben wir sehr genossen.
Wir beschließen, gar nicht mehr die ganze Runde auszufahren, sondern zum Hafen zurückzukehren.
Diesmal müssen wir eine halbe Stunde warten, bist wir an Bord gehen können.
Die Rückfahrt dauert ein bisschen länger, weil wir zwischendurch noch an einer weiteren Insel anlegen.
Wieder auf der Hauptinsel MAINLAND angelangt, entscheiden wir uns, für die Übernachtung den Parkplatz vor Skara Brae zu nutzen. So können wir morgen früh ganz leicht rechtzeitig für unser gebuchtes Zeitfenster zur Stelle sein.
89 km + 15 km mit der Fähre
Fr, 26, Juli
Heute freuen wir uns auf SKARA BRAE.
Nach einer ungewöhnlich starken Sturmflut im Jahr 1850 wurde fast der ganze Küstenbereich abgedeckt. Der Grundbesitzer war verärgert und kickte einen Stein weg, der sich als menschlicher Knochen herausstellte.
Da holte er eine Schaufel und begann eines der besterhaltenen prähistorischen Dörfer auszugraben, dass so lange von den Dünen zugedeckt war.
Es ist ungefähr 5000 Jahre alt, älter ais die ägyptischen Pyramiden und die Chinesische Mauer.
Es wundert uns nicht, dass es zum UNESCO Weltkulturerbe gehört.
Mittlerweile hat man eine Schutzmauer gegen den Ansturm des Meeres gebaut.
Als erstes schauen wir uns zur Erklärung einen Film an, und gehen dann durch ein kleines Museum.
Dieses Besucherzentrum gab es vor 21 Jahren noch nicht.
Auch der Nachbau eines solchen - voll eingerichtete -Erdhauses, mit Eingang, Verbindungsgängen und Dach, ist für uns neu.
Zu den eigentlichen Ausgrabungen müssen wir ein Stückchen zu Fuß gehen.
Es ist faszinierend, dass diese Menschen vor 5000 Jahren bereits Möbel, Betten und Schränke hatten- aus Steinplatten. Es wurden auch Tongeschirr und Werkzeuge und Schmuck aus Holz, Knochen und Stein gefunden. Manche der ausgegrabenen Gegenstände geben der Wissenschaft bis heute Rätsel auf.
10 solche Häuser hat man gefunden, und 50 bis 100 Leute haben hier gelebt.
Wir sind aufs Neue fasziniert.
Damals war das hier eine fruchtbare Landschaft mit viel Wild und wilden Beeren, und der Fischfang spielte sicher auch ein Rolle.
Mit zunehmender Versandung wurde das Dorf nach ca. 500 Jahren wieder aufgegeben.
Unser nächstes Ziel ist der Ring of BRODGAR. Dieser Steinkreis wird von den Forschern in einem Atemzug mit Stonehenge und den Standing Stones of Callanish auf Lewis genannt.
Auf dieser Reise haben wir also jetzt alle drei gesehen.
Von den 60 ursprünglichen Monolithen stehen heute noch 36. Sie ragen bis zu 4m aus dem Getreidefeld, das sie umgibt.
Der Kreis hat einen Durchmesser von 104 m. Ein 3m tiefer Graben umgibt ihn.
Als Besucher kann man jetzt nur mehr rundherum gehen. 2003 sind wir noch Hand in Hand ehrfürchtig im Zentrum gestanden.
In Sichtweite stehen die „Standing Stones“ of STENNES. Drei dieser 6m hohen Riesen sind besonders prägnant, aber manche andere zieren sogar die Vorgärten der kleinen Weiler entlang der Fahrbahn.
Mittlerweile wird in dieser Gegend wieder heftig gegraben. Man vermutet hier das spirituelle Zentrum der ganzen Insel.
Wenn wir in in 21 Jahren wiederkommen, werden wir mehr erfahren ;-)
Für sie Besichtigung des großen Kammergrabs von MAES HOWE haben wir leider keinen Time Slot mehr gefunden. Das macht uns aber gar nichts aus. Wir haben uns ohnehin schon vorher überlegt, dass wir da nicht unbedingt noch einmal hineinkriechen müssen.
Wir wollen jetzt Stadtluft schnuppern und fahren in die Hauptstadt KIRKWALL. Der Name bedeutet „Kirchenbucht“.
Als erstes suchen wir die Werkstatt unseres Autoelektrikers, der uns damals so kompetent geholfen hat. Klaus findet sie tatsächlich. Das Häuschen sieht unverändert aus, aber mittlerweile hat sich ein Klempner darin niedergelassen.
Das WoMo lassen wir auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums stehen und ziehen zu Fuß los.
Für die Ruine des Renaissancepalasts des finsteren Earls Patrick Stewart haben wir im Internet Tickets gekauft, die wieder einmal niemanden interessieren.
Bilder veranschaulichen, wie es in den leeren Räumen ausgesehen haben könnte.
Zwischen 1601 und 1606 wurde der Palast in Fronarbeit gebaut.
Der Earl wat tyrannisch und beim Volk äußerst unbeliebt. Er schreckte vor Kidnapping, Folter und Mord nicht zurück. Kein Wunder, dass er bei seinem Cousin, dem König in Ungnade fiel und schließlich 1615 in Edinburgh enthauptet wurde.
Lang konnte er sich seines Palasts also nicht erfreuen.
Der ziemlich verfallene Bischofspalast steht gegenüber und ist völlig uninteressant.
An die St. Magnus Kathedrale aus rotem Sandstein erinnern wir uns noch gut. Die Säulen im Inneren sind mächtig. Die ursprünglich romanische Kirche wurde später gotisch erweitert.
Am Eingangsportal sieht man besonders deutlich die massive Verwitterung des weichen Steins.
Nun wandern wir noch ein wenig durch die Fußgängerzone. Wir versuchen unser „Stammlokal“ von damals wiederzufinden, leider ohne Erfolg.
Jetzt wird es Zeit, dass wir unser Auto abholen und uns einen Platz für die Nacht suchen.
Bald finden wir ihn, ein Stückchen weiter im Süden, an der Scapa Beach, einem schönen Sandstrand.
Hier werden wir Zeuge einer veritablen Schlammschlacht von Burschen und später auch Mädchen. Alkohol scheint auch jede Menge im Spiel zu sein. Wir vermuten, dass es sich um einen Junggesellen-Abschied handeln könnte, denn alle gehen auf ein lachendes Opfer los.
Ein - vor allem weibliches - Publikum jubelt den Kämpfern zu.
Das Ganze spielt sich direkt vor unserer Windschutzscheibe ab. Wir sitzen also 1. Reihe fußfrei.
32 km
Sa, 27. Juli
Die großen kulturellen Highlights haben wir abgearbeitet. Heute steht vor allem Landschaft auf dem Programm.
Wir fahren nach Südosten, wobei wir am Flughafen von Kirkwall vorbeikommen.
Mitten auf einer Wiese steht der Kontrollturm neben einer kurzen, steilen, buckligen Landebahn. Klaus nennt sie „die Sprungschanze“. Auch Internationale Flüge werden hier abgefertigt.
Übrigens gibt es auf dem Orkney-Archipel 8 Flughäfen, fast auf jeder größeren Insel einer- ein Luxus für gerade einmal 20.000 Einwohner aber immerhin über 70 Inseln.
Wir rauschen vorüber. Unser Ziel ist die kleine Halbinsel DEERMESS an deren Nordspitze, dem „Mull Head“ wir bei herrlichem Wetter eine kleine Rundwanderung zu den sehr beeindruckenden Steilklippen unternehmen. Klaus freut sich, dass er sein Teleobjektiv dabei hat, denn auch hier nisten jede Menge Vögel. Die Austernfischer fliegen leider zu schnell davon.
Bei solchen stufenförmig geschichteten Felsstrukturen wurden wohl seit dem Neolithikum Steinplatten für den Hausbau „geerntet“.
Das Herumklettern auf ihnen macht uns viel Spaß.
Es ist typisch für die Orkneys, dass sie auf der einen Seite eine wilde Steinküste haben, so wie hier. Auf der anderen Seite ist ein flacher Sandstrand, wie wir ihn gestern Abend erlebt haben. „Wie ein Keil“, meint Klaus.
Besonders faszinierend ist eine großes, tiefes Felsloch, das teils vom Meer ausgewaschen, teils eingestürzt ist.
Durch eine ziemlich kleine Öffnung strömt das Meerwasser und macht dabei gurgelnde Geräusche. Davon kommt angeblich der lautmalende Name „The Gloup“.
Wie wir später erfahren, kommt die Bezeichnung vielmehr vom altnordischen Wort „gluppa“, das soviel wie Abgrund bedeutet.
Wir fahren weiter nach Süden über die Churchill Barriers, vier Dämme aus riesigen Betonblöcken, die der britische Premierminister Winston Church im Zweiten Weltkrieg errichten ließ, um die große Bucht von Scapa Flow vor weiteren Angriffen feindlicher U-Boote zu schützen.
1939 hatten nämlich dort die Deutschen das Schlachtschiff „Royal Oak“ versenkt, wobei 833 Mann ums Leben gekommen waren. Wie haben gestern in der Kathedrale von Kirkwall eine Gedenktafel für die Opfer gesehen.
1940 wurde mit dem Bau begonnen. 1200 italienische Kriegsgefangene haben daran gearbeitet.
Sie waren auf der kleinen Insel LAMB HOLM interniert. Man kann die Grundrisse des Lagers noch erkennen.
Um sich heimischer zu fühlen, bauten sie sich 1942 mit Genehmigung des Lagerkommandanten aus zwei Wellblechbaracken ein kleines katholisches Kirchlein mit einer vorgesetzten Beton-Fassade. Veritable Künstler waren am Werk, um die „Italien Chapel“ zu schaffen.
Die Kapelle ist zwar etwas kitschig aber sehr berührend.
Als das Lager aufgelöst wurde, stand sie lange Zeit unbenutzt da. In den frühen 1960er-Jahren wurden einige der damaligen Erbauer eingeladen, zusammen mit lokalen Handwerkern das Gebäude zu restaurieren.
1992, 50 Jahre nach der Errichtung, hielten die ehemaligen Gefangenen eine gemeinsame Messe in ihrer Kapelle ab.
Wir sind ja schließlich auch nach 21 Jahren zurückgekehrt ;-)
Heute gehört das ungewöhnliche Kirchlein zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Orkney Inseln.
Auch die herzige Statue von Georg, dem Drachentöter, die davorsteht, stammt von den Italienern.
Scapa Flow spielte aber auch im Ersten Weltkrieg eine Rolle.
Nach dem Ende der Kampfhandlungen sollte die deutsche Hochseeflotte ihre Schiffe den Siegermächten übergeben. Dem kamen die Besiegten durch eine organisierte Selbstversenkung zuvor. Als die Engländer merkten, was geschah, war es schon zu spät.
Noch heute sieht man Wrackteile und einen langen Mast aus dem Wasser ragen.
Vor einem dieser Wracks fahren wir mehrmals hin und her, um es während der Fahrt ordentlich mit dem Handy filmen zu können.
Wir sind nun über den letzten dieser Dämme gefahren und auf der Insel BURRAY gelandet, dem Ausgangspunkt für Tauchgänge zu den Wracks.
Auf die nächste Insel SOUTH RONALDSAY gelangt man über einen flachen Damm, der eigentlich die Stabilisierung einer Sanddüne ist.
Hier liegt das pittoreske Dorf ST. MARGARET’S HOPE, benannt nach der norwegischen Prinzessin Margarete, die 1220 hier starb. Sie war erst sieben Jahre alt und auf dem Weg zu ihrem zukünftigen Gatten, dem späteren englischen König Edward II.
Es gibt ein Blacksmith-Museum, einen etwas „verrückten“ Sammler, und im Gemeindeamt ist heute Kino.
Wir wagen uns noch ein Stückchen weiter nach Süden vor, fast bis zur Südspitze der Orkneys.
Zu unserem Schlafplatz fahren wir wieder ein Stückchen zurück bis zum schmalen Westzipfel der Insel, dem Howe of HOXA.
Offenbar haben auch andere Wohnmobilisten dasselbe App wie wir, denn es stehen schon einige Motorhomes und Zelte hier am wunderschönen Sandstrand, der zum Baden einlädt.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um unser Orkney-Pickerl aufzukleben.
81 km
So, 28. Juli
In der Nacht ist unsere Gasflasche leer geworden, was sich daran zeigt, dass der Alarmknopf am Kühlschrank rot blinkt.
Auf der Fahrt nach Stromness in den Fährhafen klappern wir alle Adressen, an denen man Gasflaschen tauschen kann, ab. Alles hat sonntags geschlossen.
Auch in KIRKWALL, das ohnehin auf unserem Weg liegt, haben wir kein Glück.
Immerhin entdecken wir im Zuge unserer Suche das schiefe Fußballfeld, neben dem wir 2003 geschlafen haben.
Wir parken im Hafen und hoffen auf einen Coffee to Go. Der Automat im Terminal nimmt nur Münzen, und die brauchen wir für die Waschmaschine heute Abend. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als ohne Heißgetränk zu frühstücken und auf Montag und „bessere Zeiten“ zu hoffen.
Unsere gebuchte Fähre soll erst um 16h45 ablegen. Wir haben also Zeit.
Die Stadt STROMNESS gibt touristisch nicht viel her. Also machen wir uns halt ein paar gemütliche, „faule Stunden“.
Kurz vor 17h startet unsere ziemlich stürmische Überfahrt. Das Schiff wackelt bedenklich, und die Außenbereiche werden sogar geschlossen.
Die 19. Fährfahrt dieser Reise, und zum ersten Mal werde ich seekrank- mit allen Konsequenzen.
Wie froh bin ich, als wir kurz vor 18h30 in SCRABSTER wieder FESTLAND-Boden unter unseren Reifen haben.
In THURSO waren wir ja vor vier Tagen äußerst erfolgreich, was die Lösung unserer Alltagsprobleme betrifft.
Auch heute erweist sich die Stadt als Volltreffer.
Die automatische Laundrette hat unser App angezeigt. Die dazugehörige Tankstelle ist besetzt - trotz Sonntag - und tauscht unsere Gasflasche. Damit haben wir heute gar nicht mehr gerechnet.
Außerdem dürfen hier übernachten. Es ist zwar eindeutig nicht das lauschigste Schlafplätzchen, dass wir je hatten, aber es ist sehr angenehm, nicht mehr weiter fahren zu müssen.
58 km + 50 km mit der Fähre
Mo, 29. Juli
THURSO bietet uns auch einen Tesco-Supermarkt, und weil’s so schön war, suchen wir nochmals die Tankstelle mit Wasserhahn auf, um das bewährte Haarwasch-Wasserzapf-Spiel zu spielen.
Und jetzt heißt es Abschied nehmen von dieser Stadt, die uns zweimal als hervorragender Versorgungsstützpunkt gedient hat.
Wir fahren an der Nordküste entlang nach Osten. Neben uns erheben sich hohe, bewachsene Dünen. Man kann den Sand unter den weichen, grünen Hügeln nur erahnen. Die Gegend heißt hier auch bezeichnenderweise „Northern Sands“.
Am Duncansby Head, dem Nordost-Spitzerl von Festland-Schottland können wir auf die Nordsee und zurück auf die Orkneys schauen.
Seltsame, kegelförmige Felsformationen, die Stacks of DUNCANSBY ragen hier aus dem Meer. Klaus meint, sie sehen wir Zuckerhüte aus. Allerdings sind sie ganz schwarz.
Wir ziehen uns unsere Wanderschuhe an und rechnen mit einem längeren Spaziergang zu einem guten Aussichtspunkt.
Allerdings wächst sich das Ganze - völlig unerwartet - zu einer veritablen Kletterpartie hinunter zum Strand und über - teilweise sehr glitschige - Felsbrocken und Steine aus. Wir wagen auch einen Blick durch das Felsentor eines der Kegel. Nur von hier unten kann man eine Felsnadel sehen, die Klaus „The Queen“ nennt.
Wir sind übrigens nicht die einzigen, die hier herumkraxeln. Unsere Kletter-Kameraden stellen sich als eine Familie aus Wien heraus.
Nach zwei Stunden kommen wir wohlbehalten wieder „zu Hause“ an.
Klaus wartet - mit dem Teleobjektiv im Anschlag - noch eine Weile, gemeinsam mit den, in Felsnischen kauernden Möwenküken, bis endlich die Vogeleltern zur Fütterung kommen.
Jetzt zieht es uns aber zu unserem heutigen Schlafplatz, der ein Stückchen weiter im Süden bei AUCKENGILL liegt.
Von hier aus bietet sich uns eine schöne Aussicht aufs Meer.
Eine Informationstafel beschreibt den piktischen Nybster Broch, den es hier geben soll. Wir können nichts entdecken, und unser Reiseführer kennt ihn auch nicht.
Zu einer längeren Forschungs-Wanderung fehlen unseren müden Beinen heute die Lust. Irgendwann haben sogar wir genug alte Steine gesehen.
Hier an der Küste stehen mehrere sehr stark verwitterte Denkmäler, die uns auch rätselhaft bleiben.
Nach einer längeren Ruhepause packt uns die Neugier, und wir machen uns doch noch auf die Suche nach dem Broch aus der Eisenzeit. Wir finden ein paar grasbewachsene Mauerreste.
51 km
Di, 30. Juli
Wetterbericht von heute: warm und sonnig, aber sehr stürmisch.
Da unser Blick von hier aus direkt nach Osten geht, wollten wir uns den Sonnenaufgang anschauen. Als wir um 6h aufwachen, ist das Schauspiel längst vorbei.
Da drehen wir uns gleich noch einmal um.
Unsere Fahrt geht weiter nach Süden. Wir wollen heute einige Kilometer fressen.
WICK ist das Verwaltungszentrum der Grafschaft CAITHNESS, in der wir uns befinden, seit wir von der Fähre gefahren sind. Die ziemlich große Stadt versteckt ihren Charme gut.
Sie ist nach den Wikingern benannt. Wir haben auch immer wieder andere Ortschaften mit der Endung „-wick“gesehen.
Wieder kommen wir an bewachsenen Dünen vorbei, und in der Nordsee erkennen wir lange Reihen von Offshore-Windrädern und einige Bohrinseln.
Wir sind nun wieder auf den Spuren unserer Reise von 2003 unterwegs. Wir hatten ihr den bezeichnenden Namen „Ohne Stress nach Inverness“ gegeben. Damals haben wir bis dorthin acht Tage gebraucht. Diesmal werden wir über 10x so lange brauchen-ohne Stress natürlich.
Wir sind auf der Suche nach einem Parkplatz oder einer Ausweiche an der Straße, wo wir frühstücken können.
Also biegen wir in eine Seitenstraße ab und finden dort nicht nur einen geeigneten Frühstücksplatz, sondern auch eine Informationstafel, die auf das „Clearance Village“ BADBEA hinweist. Das wollen wir uns anschauen, und wandern für einige hundert Meter auf einem schmalen Pfad durch Heidekraut, Wollgras, Stechginster und Binsen.
Man kann sich kaum vorstellen, dass das einmal „Farmland“ war. Die Landschaft hat sich auch auch hier „from a fertile glen to a windswept coast“ verändert.
Einige Familien, ca. 70 Menschen fristeten hier im 18. und 19. Jhd. ihr kärgliches Leben.
Ihre Kinder und Schafe mussten sie anbinden, damit sie bei starkem Wind nicht von den Klippen geweht wurden. Die Schafe des Grundeigentümers waren sicher hinter der langen, hohen Steinmauer geschützt. Die Dorfbewohner mussten sie bauen. Sie steht immer noch hier.
Von den Häusern finden wir - wie so oft - nur mehr Ruinen.
Im Zuge der Highland Clearances wurden alle Crofter vertrieben. Ein Sohn eines ehemaligen Bewohners, der nach Neuseeland ausgewandert war, kam zurück und errichtete hier 1911 ein Denkmal aus den Steinen einiger verlassener Häuser. Alle Namen der Vertriebenen sind darauf aufgelistet.
Obwohl man ja fast nichts mehr vom Dorf sehen kann, sind wir doch ziemlich bewegt, als wir zum Auto zurückkehren.
Wir sind jetzt wieder in der Gradschaft SUTHERLAND, in der die Clearances ja besonders rigoros durchgeführt wurden.
Wir fahren weiter an der Küste entlang nach Süden.
Nach bewährter Methode dringen wir in einen Campingplatz ein, leeren unser Klo aus und hauen rasch wieder ab.
Nun machen wir einen Umweg am Dornoch Firth entlang, weil uns der Reiseführer eine besonders interessante Brücke verspricht. Auch der Ort ist nach ihr benannt: BONAR BRIDGE.
Wir finden die Eisenbrücke eigentlich gar nicht so sehenswert- eher ganz normal.
Immerhin finden wir im Schatten dieses „bemerkenswerten“ Bauwerks einen Stellplatz für die Nacht.
Unter der Brücke stehen Angler mit ihren hohen Fischerstiefeln fast bis zur Hüfte im Wasser.
Für sie scheint dieser hübsche Parkplatz hier ein Treffpunkt zu sein.
Auf einer Informationstafel lesen wir, dass die Wikinger, die ja aus dem Norden kamen, dieser Gegend hier den Namen „Südland“ gegeben haben. So entstand er Name des County: Sutherland.
Morgen werden wir auf der anderen Seite des Firth wieder zurückfahren.
138 km
Mi, 31. Juli
Wir beschließen, doch nicht die ganze Strecke am Firth entlang zurück zu fahren. Das ist uns zu langweilig. Da nehmen wir lieber die Strecke durch die Highlands.
Bei ALNESS schlüpfen wir in unsere Wanderschuhe und steigen auf einem wunderschönen Waldweg zum Fyrish Monument hinauf. Von oben haben wir eine herrliche Aussicht auf die Bucht des Cromarty Firth. Unterwegs kommen wir an einem kleinen, schwarzen Moorsee vorbei.
General Munro, der in Indien gedient hatte, war fasziniert von der Tempelpforte von Negapatam. Als er nach Hause zurückkam, ließ er auf dem Hügel Cnoc Fyrish in einer Zeit großer Arbeitslosigkeit, dieses Tor, als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Bevölkerung von EVATON, nachbauen.
Auf dem schön angelegten Weg wandert man über 350 Höhenmeter stetig bergauf. Auf demselben Weg geht’s dann wieder hinunter.
Die meisten Besucher des Monuments sind Einheimische. Manche gehen oder joggen manche fast täglich hinauf, und zwar auf Zeit.
Wir stoppen auch die Zeit ;-) Eine Stunde brauchen wir hinauf und 50 Minuten hinunter.
Allerdings hält uns ein Heidelbeerschlag mit reifen Beeren erheblich auf.
Unterwegs treffen wir tatsächlich jede Menge Leute.
Für uns geht es nun weiter nach Inverness.
Über eine lange Brücke überqueren wir den Firth, den wir von oben gesehen haben. Der nächste Meeresarm, über den wir auch noch drüber müssen, ist der Moray Firth.
INVERNESS ist das Tor zu den Highlands. Daran führt sozusagen kein Weg vorbei.
Die Stadt nennt sich selbst „Capital of the Highlands".
Dass wir uns einer Großstadt nähern, erkennen wir auch daran, dass wir seit langer Zeit wieder einmal auf einer vierspurigen Straße unterwegs sind. Wir sind einspurige Straßen gewohnt.
Weil wir ohnehin einkaufen müssen, lassen wir das WoMo auf dem TUSCO-Parkplatz stehen, und schauen und ein wenig die Stadt an.
Wir spazieren den Fluss Ness entlang, der aus dem berühmten See dieses Namens kommt.
Auch auf die Kathedrale werfen wir einen Blick.
Nun sind wir in der Oberstadt gelandet, einem recht netten Viertel mit vielen Lokalen.
Hier steht auch das Castle, das über der Stadt thront.
Es wird gerade renoviert, und hinter einem Baustellenzaun verborgen entdecken wir die Statue der hübschen Flora MacDonald, nach der wir gesucht haben.
Wir haben ja das Grab der in Schottland hoch verehrten Retterin von Bonnie Prince Charlie auf der Insel Skye besucht.
Nun flanieren wir noch durch die Fußgängerzone.
„Ehrfürchtig“ überschreiten wir auf einer sehr wackeligen Hängebrücke - auf der man seekrank werden könnte - den Fluss Ness und verlassen damit die Highlands, die uns so ans Herz gewachsen sind.
Als wir zum Auto zurückkommen, parkt sich gerade ein nettes, junges bayrische Paar neben uns ein und begrüßt uns mit „Servus“.
Was uns noch verbindet ist, dass auch ihr WoMo Teile eines Außenspiegels eingebüßt haben.
Unseren Platz für heute Nacht finden wir ein Stückchen weiter im Südosten.
Schon wieder haben wir einen tollen „Ruheplatz am Wasser“ gefunden. Wir stehen am
Moray Firth, den wir heute bereits überquert haben.
Graureiher und Austernfischer stapfen neben uns im seichten Wasser herum.
Klaus werkelt ein wenig am Auto herum, und ein „Nachbar“, der gerade akribisch seine Hecke stutzt kommt zu uns herüber und fragt, ob wir Hilfe brauchen.
Schon wieder eine nette Begegnung, über die wir uns freuen.
75 km
Do, 1. August
Ein gemütlicher Malstunden-Vormittag.
Läufer und Spaziergänger wandern an uns vorbei.
Der „Nachbar fitzelt weiter an seiner Hecke.
Eine tüchtige junge Frau zieht auf einem Wagerl ihr schmales Boot hinter sich her, lässt es neben uns zu Wasser und paddelt los. Bald ist nur noch ein winziges Pünktchen von ihr zu sehen.
Nach ca. zwei Stunden kommt sie zurück, und zieht ihr Boot-Wagerl wieder den Berg hinauf nach Hause.
Um 11h brechen auch wir auf.
Zunächst fahren wir zum Culloden Battlefield, dem berühmtesten Schlachtfeld Schottlands.
Am 16. April 1746 ging hier der Traum der Jakobitenarmee unter dem schon oftmals erwähnten Bonnie Prince Charlie aus dem Hause Stuart grausam zu Ende.
Sie Schotten verloren in einem schrecklichen Blutbad gegen die Regierungstruppen unter dem Earl of Cumberland- mit unserem Palais Cumberland in der Penzinger Straße hat der übrigens nichts zu tun.
Ca. 2000 Tote waren bei Sonnenuntergang zu beklagen.
Dem Stuart-Prinzen gelang eine abenteuerliche Flucht, die ich ja bereits beschrieben habe.
Für die Schotten folgte danach eine Phase der Demütigung und Unterdrückung.
Wir stehen auf einer Aussichtsterrasse und schauen auf eine Blumenwiese.
Über diese dramatischen Szenen, die sich hier abgespielt haben, ist im wahrsten Sinn des Wortes Gras gewachsen. Alles sieht sehr friedlich aus.
Auf so einem überschaubaren Feld wurde an einem Tag das Schicksal Schottlands besiegelt.
Viele Menschen sind hier. Der Ort bedeutet den Schotten viel. Hier hat man zum letzten Mal versucht, sich gegen die Engländer zu behaupten.
Auch ganz aktuell gibt es ja Abspaltungstendenzen.
Ein alter Schotte, gekleidet nach der damaligen Zeit, lässt sich grinsend fotografieren. Sein Haar und sein Bart sind lang und weiß. Er hat auch seine historisch gekleidete Begleiterin dabei.
Wir reißen uns los und fahren weiter zur ELGIN Cathedral, die einst die zweitgrößte Kathedrale Schottlands war und „Laterne des Nordens“ genannt wurde.
Alexander Stewart, Graf von Buchan, der berüchtigte „Wolf von Badenoch“ war ein Sohn des Königs. Er verließ seine Frau, die er wegen ihrer Güter geheiratet hatte. Sie wollte das nicht hinnehmen und wandte sich an die Kirche, die den ungetreuen Gatten exkommunizierte. Aus Rache brannte er 1390 die Stadt samt Kathedrale nieder.
Heute steht hier eine beeindruckende Ruine. Die beiden Türme, die Ostfassade und einige Bogenfenster sind noch vorhanden.
Derzeit denkt man über eine grundlegende Restaurierung der Anlage nach.
Wir fahren weiter nach Osten, durch „das niederösterreichische Alpenvorland, nur mit Schafen halt“ (Zit. Klaus).
In der Nähe des mittelalterlichen Fischerorts PORTKNOCKIE ragt der Bow Fiddle Rock aus dem Wasser. Steil gefaltete Schichten aus Cullen-Quarzit haben diese skurril ausgewaschene Felsformation geschaffen. Sie ist nach einem Fiedelbogen benannt, an den ihre Form angeblich erinnert. Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich sehe eher die Fluke eines Wals.
In jedem Fall sind wir beeindruckt. Die Möwen, die hier nisten, haben allerdings keinen Respekt. Sie kreischen laut und bescheißen das Naturdenkmal ungerührt.
Wir wandern ein Stückchen weiter zur Bucht von CULLEN, in der ungefähr 150 Delphine leben.
Teleobjektiv und Geduld nützen uns leider nichts. Es scheint einfach niemand zu Hause zu sein.
Unser heutiger Stellplatz wartet ca. 20 Min. weiter im Osten.
Es ist der Parkplatz des Findlater Castle. Die Burg aus dem frühen 15. Jhd. stand auf einem 27m hohen Felsen direkt am Meer. Man konnte nur zu Fuß über eine Brücke hinein gelangen. Heute ist von der Anlage kaum noch etwas zu erahnen. Der Besitzer war ein Unterstützer des Hoffnungsträgers Bonnie Price Charlie. Daher wurde die Festung 1745 geschleift. Wir haben einen Abendspaziergang zur Ruine gemacht.
Wir merken deutlich, dass es Abend wieder früher dunkel wird. Kein Wunder, wir kommen weiter in den Süden, und das Jahr schreitet voran.
121 km
Fr, 2. August
Die erste Aktion für heute ist Wasser fassen. Unser App führt uns in den pittoresken kleinen Hafen von PORTSOY. Er lädt uns zu einem Spaziergang ein.
An einer Hausecke entdecken wir eine Gedenkstätte mit Blumen und Spruch-Täfelchen für einen gewissen Michael Gray, der hier 2022 von den „Peaky Blinders“ erschossen wurde. Wir können nicht sagen, warum, aber das Ganze kommt uns ein wenig merkwürdig vor.
Bis wir erfahren, dass in dieser malerischen „Kulisse“, die im Wesentlichen aus dem 17. Jhd. stammt, mehrere Filme und Serien gedreht wurden. So auch einige Szenen einer populären britischen Fernsehserie, in der es um eine Gangsterbande aus den 1920er und 1930er-Jahren geht.
Da wir uns nun in der Grafschaft MORAY, dem „Malt Whisky Country“ befinden, möchte Klaus „wissenschaftliche Forschungen“ in einer Destillerie durchführen.
Führungen sind sehr teuer, wie wir feststellen, und Klaus überlegt, das Projekt ad acta zu legen.
Bis wir nach DUFFTOWN kommen, der Whiskyhauptstadt von Schottland- manche behaupten, der ganzen Welt.
Hier gibt es gleich mehrere Destillerien, unter anderem die1887 gegründete, berühmte Glenfiddich Distillery.
Das Eingangstor steht offen. Die Halle ist menschenleer. Klaus marschiert hinein und kann sich unbehelligt zwischen den kupfernen „Brennblasen“ umsehen und Fotos machen. Auch den unvergleichlichen Geruch kann er schnuppern. Hochzufrieden kehrt er zurück.
Wir fahren weiter nach Süden und merken deutlich, dass wir nicht mehr in den Highlands sind. Hier gibt es sanfte Hügel und Getreidefelder.
Bald wird es bergiger und wir gelangen in das Mittelgebirge der GRAMPIAN MOUNTAINS.
2003 prägten wir das geflügelte Wort: „Das Leben in den Grampian Mountains kann so herrlich sein.“ Das gilt übrigens uneingeschränkt immer noch.
Im National Nature Reserve Muir of DINNET finden wir unseren Schlafplatz beim Visitor Centre. Hier ist das Übernachten ausdrücklich erlaubt.
Wir machen eine kleine Wanderung durch den Wald voller Farne zum Loch Kinord und dem „Celtic Stone“, der bezeugt, dass es hier im 7. Jhd. eine frühchristliche Gemeinde gab. Er trägt ein skulptieretes Kreuz mit den typischen keltischen Mustern.
114 km
Sa, 3. August
Wir machen uns auf den Weg zum Schloss BALMORAL, einer Lieblingsresidenz von Queen Elisabeth II. 2022 ist sie dort gestorben.
Eigentlich wollten wir erst morgen dorthin, aber in unserem Reiseführer steht, dass am 1. Sonntag im August stets die Königin einzutreffen pflegte, um ihren Sommeraufenthalt zu beginnen.
Wir wissen nicht, ob ihr Sohn diese Tradition fortführt.
Das Risiko, dass dort morgen der Teufel los ist, wollen wir nicht eingehen.
Wir fahren am River Dee entlang, der hier in einem sehr natürlichen Bett über die Steine springt.
In den Highlands und auf den Inseln gab es ja fast keine Bäume. Umso mehr genießen wir es jetzt, durch dichte Wälder zu fahren. Und genau hinter diesen hohen Bäumen versteckt sich das Schloss.
Klaus muss die Drohne überlisten, weil wir hier eigentlich in einer Sperrzone sind. Schließlich steigt sie doch auf und liefert uns einige Bilder der riesigen Anlage.
Architektonisch ist das Gebäude kein Meisterwerk. Es gibt sogar den Ausdruck „balmoralisch bauen“- ein Wortspiel zu „amoralisch“, weil hier im 19. Jhd. alle möglichen Stilrichtungen wild durcheinander gemischt wurden.
Queen Victoria und Prince Albert ließen ein altes Schlösschen aus dem 15. Jhd. abreißen und bauten neu- genau nach ihrem Geschmack.
Nun folgen wir einer steilen Straße bergauf, in der trügerischen Hoffnung, von oben noch einen Blick auf das Castle werfen zu können.
Der Ausflug hier herauf hat sich aber trotzdem gelohnt. Es ist wunderschön zwischen den violetten Heidekraut-Hügeln und den grünen Moosen. Wir können uns kaum satt sehen.
Nach einer Rundfahrt auf dieser „Scenic Road“ kommen wir nach BRAEMAR.
Für die berühmten „Highland-Gamens“, die hier stattfinden, sind wir ein Monat zu früh dran.
Muskelprotze, die Baumstämme werfen, törnen mich ohnehin nicht an.
Der kleine Ort ist für den alljährlichen Touristen-Ansturm gut gerüstet. Sportgeschäfte, Souvenirläden und Lokale reihen sich aneinander.
Wir machen wieder einmal, dass wir wegkommen.
Einen Blick werfen wir noch auf die Burg, die seit Neuestem in weißer Farbe erstrahlt. Sie war einst Schauplatz blutiger Stammesfehden.
Für uns geht es weiter nach Süden auf der „Old Military Road“, einer landschaftlich sehr schönen Strecke. Wir kommen in größere Höhen hinauf. Im Winter wird hier Schi gefahren. Die Sessellifte laufen auch im Sommer.
Wir haben in den letzten Tagen, und auch heute, immer wunderbares Wetter gehabt. Trotzdem hat es jeden Tag ein bisschen geregnet und immer wieder kurz genieselt. Daran gewöhnt man sich sehr bald. Man weiß ja, dass es bald wieder vorbei ist, und findet es nicht mehr der Rede wert.
Es ist also keim Wunder, dass alles so grün ist. Trockenheit ist hier kein Problem.
Auf dem Parkplatz, auf dem wir unsere Mittagspause machen, verwirrt uns eine bunte Tafel.
Es handelt sich hier offenbar um den „Gathering Place“ des Clan MacThomas.
Ein geheimnisvolles, unverschlossenes Gartentor macht uns neugierig. Bei Nieselregen schleichen wir vorsichtig einen schmalen Pfad zwischen Himbeersträuchern voller reifer Früchte und mannshohem Blutweiderich entlang und gelangen schließlich zu einem runden Platz mit einem riesigen Felsblock. Das ist offensichtlich der Boulder, der auf der - uns unverständlichen, zum Teil gälischen - Erklärungstafel erwähnt wird.
Sein Name ist „Cockstane“.Deshalb ist wohl auch ein Hahn abgebildet.
Uns ist nicht klar, worum es hier geht. Das alles kommt uns ziemlich archaisch und schräg vor.
Wir fahren weiter auf der „Hochschaubahn“ nach Süden.
Das eigentliche Bergland der Grampion Mountains haben wir hinter uns gelassen und fahren jetzt durch eine Hügellandschaft.
PERTH ist unser heutiges Tagesziel. Die Stadt war lange Zeit Hauptstadt und religiöses Zentrum von Schottland, weshalb fast alle schottischen Könige hier gekrönt wurden.
Damit war es vorbei, nachdem James I 1437 ausgerechnet hier ermordet wurde.
Als John Knox im 16. Jhd. in seiner glühenden Rede die „Befreiung der Kirchen vom Götzendienst“ forderte, fielen viele schöne Klosteranlagen einer blinden Zerstörungswut zum Opfer, und die Stadt wirtschaftete strak ab.
Heutzutage ist das Stadtbild der Großstadt überhaupt nicht mehr spektakulär.
Nur der Moot Hill, auf dem der „Stone of Destiny“, der Krönungsstein, seinen Platz hatte, erinnert daran, was das einst für ein geschichtsträchtiger Ort war.
Shakespeare’s Macbeth freute sich darauf, „to be crown’d at Scone.“
Dieser „Stone of Scone“, wie er auch genannt wird, befand sich seit dem 13. Jhd. in Westminster, in London, was die Schottenherzen so sehr bluten ließ, dass es mehre Versuche gab, ihn zu entführen, zuletzt von einer Studentengruppe 1950.
1996 ist er nun wieder offiziell nach Schottland heimgekehrt, und zwar nach Edinburgh.
Charles III ist bei seiner Krönung jedenfalls darauf gesessen. Dafür wurde er ihm kurz zur Verfügung gestellt.
Die sogenannten „Coronation Pageants“, die in Perth jährlich als Touristen-Festspiele stattfinden, haben wir verpasst.
Wir wollen jetzt nur noch einen Schlafplatz finden und landen im Hafen am Firth of Tay.
155 km
So, 4. August
STIRLING haben wir in guter Erinnerung. Damals, 2003 waren wir allerdings nicht beim Wallace-Monument und nicht in der Burg. Das wollen wir heute nachholen.
Die erste heroische Figur auf dem Weg zu einer schottischen Nation war William Wallace.
Er zettelte eine Rebellion gegen die Engländer an und war hier in Sterling 1297 sogar erfolgreich gegen die Streitmacht König Edwards I.
Ein Jahr später wurden die Schotten in der Schlacht von Falkirk - unserem heutigen Tagesziel - allerdings vernichtend geschlagen. Unser Held wurde nach London gebracht und grausam hingerichtet.
Dadurch wurde er zum Märtyrer.
Wenn ich an ihn denke, habe ich immer Mel Gibson im Film „Braveheart“ vor Augen.
Das Monument ist ein neugotisches Machwerk aus dem 19. Jhd. Der 67m hohe Turm ist weithin sichtbar.
Am besten gefällt uns der recht steile Aufstieg vom Parkplatz aus.
Ein begabter Holzkünstler hat entlang des Weges einige sehr nette Skulpturen geschaffen.
Wir sind nicht die einzigen, die da hinauf wandern. Ganze Karawanen sind heute am Sonntag unterwegs. Und noch einmal so viele fahren mit dem Shuttle-Bus.
Wir haben’s gesehen und können uns nun der Burg von Sterling widmen.
Die Stadt selbst nehmen wir auf unsrem Fußmatsch vom Parkplatz zum Castle mit. Wir finden sie weder besonders hübsch noch besonders interessant.
Die Stuart-Könige manifestierten ihre Macht durch den Bau der prächtigen Festung, die die Stadt überragt. Bereits seit dem 12. Jhd. hatte sich hier, in dieser strategisch günstigen Lage, der Sitz der Könige von Schottland befunden.
20 Jahre nach Wallace schlug König Robert the Bruce hier in der Nähe ebenfalls eine erfolgreiche Schlacht. Beim Burg-Eingang wird er durch ein großes Denkmal geehrt.
Er erreichte die Unabhängigkeit von England, die 1328 offiziell anerkannt wurde und bis zur Hinrichtung Maria Stuarts 1587 andauerte.
Die meisten Gebäude von Stirling Castle stammen aus dem 15. und 16. Jhd, als das Schloss unter mehreren Königen namens James und der Königswitwe Marie de Guise, der Mutter von Maria Stuart, markant ausgebaut wurde. Es gibt aber auch noch Gebäudeteile aus dem 14. Jhd.
Die „Große Halle“ scheint baulich und farblich aus dem Rahmen zu fallen. Kein Wunder, sie wurde erst im 16. Jhd. im Renaissance-Stil erbaut. Etwa ein Jahrhundert lang fanden in ihr die wichtigsten gesellschaftlichen Anlässe des schottischen Königshauses statt, oft auch Sitzungen des schottischen Parlaments.
Lustig finden wir die Besichtigung der großen Küche, die liebevoll ausgestattet und mit Figuren belebt ist.
So, jetzt haben wir wir wieder eine Weile genug von Schlossbesichtigungen.
Eine Abwechslung stellt unser nächster Programmpunkt dar- die Kelpies von FALKIRK. Die beiden eindrucksvollen, über 30m hohen Pferdeköpfe aus Edelstahl-Platten scheinen aus einem Wasserbecken aufzutauchen.
Sie haben seit ihrer Entstehung 2014 maßgeblich zur wirtschaftlichen Struktur der Region beigetragen. Der Touristenstrom, den sie anziehen, ist enorm.
Ein riesiges Areal wurde für sie komplett umgestaltet. Zwei Kanäle wurden miteinander verbunden und für Ausflugsboote schiffbar gemacht. Eine große Parkanlage entstand.
Die riesigen Figuren gehen auf eine schottische Legende zurück, die von gefährlichen Wassergeistern in Pferdegestalt erzählt. Zugleich wollte der Künstler, Andy Scott, an die Arbeitskraft von Pferden erinnern, die bis ins 20. Jhd. hinein eine große Rolle spielte.
Wir haben wieder einmal genug vom Massentourismus und ziehen uns auf den “lauschigen“ Parkplatz des Stadions zum Schlafen zurück.
Hier sind wir tatsächlich völlig ungestört, während der Regen gemütlich aufs Dach trommelt.
87 km
Mo, 5. August
So ganz ungestört waren wir doch nicht. Ein paar Burschen lieferten sich auf den großen, freien Flächen des Parkplatzes Autorennen mit quietschenden Reifen.
Gegen Mitternacht gingen sie aber dann nach Hause zur Mama, um vermutlich an ihren Computer weiterzumachen.
Die restliche Nacht haben wir gut geschlafen, während es durchgeregnet hat.
Mal sehen, wie sich heute das Wetter entwickelt. Im Augenblick ist es trocken.
Wir bewundern die vielfältige Nutzung dieses Parkplatzes. Fahrschulautos üben jetzt in der Früh zwischen den weißen Strichen Einparken.
Im Vorbeifahren auf der Autobahn recken uns die Kelpies noch einmal ihre silbernen Köpfe entgegen.
Wir sind nun auf dem Weg nach Edinburgh.
Ein Stückchen südlich davon bewundern wir drei - fast parallele - Brücken über den Firth of Forth.
Die 2,5 km lange, rote Eisenbahnbrücke ist besonders spektakulär. Sie erregte 1890 weltweites Aufsehen. Für den Bau wurden 50.000 Tonnen Stahl verbaut und Stahlkabel zur Stabilisierung, mit denen man die Erde eineinhalb umwickeln könnte.
Man wollte einfach kein Risiko eingehen, denn kurz davor war eine andere - hochgelobte - Brücke in der Nähe in einer Sturmnacht samt Zug in die Tiefe gestürzt. Davon saß der Schreck noch in den Knochen.
1964 wurde dann die Forth Road Bridge dem Straßenverkehr übergeben.
Und 2017 kam zu Verstärkung die moderne Queensferry Crossing Bridge dazu, um den Verkehr nach Edinburgh zu bändigen.
Es gibt sogar Viewing Points, um dieses seltsame Szenario bewundern zu können.
Klaus schickt die Drohne, aber der Wind ist ist so stark, dass er sie beinahe überfordert. Nur sehr gutes Zureden und alle möglichen Tricks können sie dazu bewegen, zurückzukehren. Der wieder einsetzende Regen ist dafür gar nicht hilfreich.
Kaum ist das Abenteuer überstanden, blinzelt die Sonne, als ob nichts gewesen wäre.
Da geht Klaus gleich noch einmal auf Foto-Safari.
Es bewahrheitet sich eben wieder einmal das Sprichwort, das ich bereits vor fast einem Monat zitiert habe: “Wenn dir das Wetter nicht gefällt, dann warte eine Minute“.
Auf dem Parkplatz eines großen Supermarkts am Stadtrand von EDINBURGH schlagen wir unser Hauptquartier für die nächsten zwei Tage auf.
Wir kommen uns fast vor, wie beim Walmart in Amerika. Hier können wir bis spätabends einkaufen und aufs Klo gehen. Nur WLAN gibts keines.
Also satteln wir unsere Drahtesel und radeln zum nahen McDonald’s. Wir müssen nämlich unbedingt Karten fürs Navi runterladen und einiges updaten.
Hier klappt’s, aber dafür müssen wir die unangenehmen Gerüche und die laute Geräuschkulisse in Kauf nehmen.
Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg in die Innenstadt.
Dafür sind unsere Motor-Klappis wieder einmal bestens geeignet.
Heute wollen wir nur ein bisschen flanieren und Abendessen.
Wir finden die PizzaHut, in der wir bereits vor 21 Jahren waren. Auch heute schmeckt’s uns wieder sehr gut. Die haben jetzt sogar veganen Käse.
Der Stadtbesichtigungs-Marathon ist erst für morgen geplant.
Wir blicken zum überdimensionalen Scott-Memeorial und zur Royal Mile samt Castle hinüber.
Die Stadt ist voller Leben, es findet nämlich gerade das Fringe-Festival statt.
Es handelt sich um das weltweit größte Kultur-Festival mit einer Vielzahl von Veranstaltungen und viel Spektakel in den Straßen.
Bei einer Gruppe chinesischer Schüler, die musizieren und in farbenfrohen Kostümen tanzen, bleiben wir hängen.
Mit Filmmaterial und vielen Fotos im Kasten kehren wir zu unseren abgestellten Fahrrädern zurück, um festzustellen, dass das Gittertor zu den Radständern inzwischen zugesperrt wurde.
Man kann drüberklettern, und unsere klein zusammengefalteten Bromptons lassen sich auch problemlos über den Zaun heben- wieder ein kleines Abendteuer erlebt.
Nach Hause radeln wir im Regen, aber auch diese paar Tropfen gehen bald wieder vorbei.
60 km + 15,41 km mit dem Fahrrad (mit Motor)
Di, 6. August
Wir radeln wieder in die Innenstadt.
Ganz nahe bei unserem Stellplatz führt ein langer baumbestandenener Hohlweg für Fußgänger und Radfahrer vorbei, der die halbe Stadt erschließt. Unser „Mapsi“-App bringt uns auf diesem Weg in die Nähe des Burgbergs.
Das Castle ist für heute ausgebucht. Wir können also nicht rein. Meine Aussage, die ich in Stirling über Schlossbesichtigungen getroffen habe, war eben doch nicht voreilig.
Das düstere Kastell hat viel erlebt. Vom 11. Jhd. bis ins 19. Jhd. wurde daran gebaut.
Aber bereits im 7. Jhd. stand auf dem Castle Rock eine Festung.
Maria Stuart residierte hier und brachte in den königlichen Gemächern ihren Sohn James/ Jakob zur Welt, der nach dem Tod Elisabeths I als James/ Jakob I König von England und als James/Jakob VI König von Schottland wurde. Von ihm stammt der Begriff Great Britain.
Vor dem Schloss wurde bereits die Tribüne für das Royal Edinburgh Military Tattoo aufgebaut. Es findet im September statt, und wir sind nicht traurig, dass wir es versäumen.
Wir wenden uns nun einem typischen Mietshaus aus der Zeit um 1620 zu, dem Gladstone’s Land. Das sechsstöckige Hochhaus wurde vom National Trust for Scotland erworben, was ihm den Abriss ersparte.
Das Gebäude stammt ursprünglich aus dem 16. Jhd. und wurde ca. 100 Jahre später in die Breite ausgebaut, um mehr Räume vermieten zu können.
Der Name leitet sich von seinem Besitzer ab, der als Vermieter = Landlord auftrat.
Man kann drei Stockwerke besichtigen, die sich jeweils einem Jahrhundert widmen. Die Räume sind sehr liebevoll eingerichtet. Besonders gut gefallen uns auch die Decken- und Wandzeichnungen aus dem 17. Jhd., die erst vor ein paar Jahren freigelegt wurden.
Wir bekommen die Wohnung und den Laden der wohlhabenden Familie eines Gewürzhändlers - kurz vor der Erbauung der New Town - zu sehen und einen Tuchladen, der auch als Treffpunkt junger Damen diente, die ungestört von ihren „Anstandswauwaus“ sein wollten.
Klaus interessiert sich für den Fußwärmer im Büro.
Hier erzählt uns die Kustodin die Geschichte des Kunsttischlers William Brodie, der im 18. Jhd. im Nachbarhaus wohnte. Tagsüber war er ein hochangesehener Mann, aber nachts betätigter er sich als Einbrecher. Als Schlosser konnte er sich überall Zutritt verschaffen, und als Möbeltischler kannte er alle Geheimfächer. Schließlich wurde er an einem Galgen gehängt, den er selbst gebaut hatte.
Das oberste Stockwerk widmet sich der Situation Anfang des 20. Jhd., als einfache Arbeiter hier wohnten, und das Haus völlig überbevölkert war. Old Town hatte seinen vornehmen Status verloren. Die Oberschicht war in die New Town gezogen.
Diese Besichtigung hat uns sehr gut gefallen.
Ganz in der Nähe grüßt uns die unübersehbare steinernen Krone der Kathedrale.
Ursprünglich stammt die Kirche aus dem 12. Jhd. Aus dieser normannischen Zeit stammen aber nur noch die vier achteckigen Säulen, die den Turm tragen. Der Eindruck ist also vorwiegend gotisch, auf eine äußerst massive Art. Mir gefällt das wuchtige Innere durchaus.
der Reformator John Knox hat hier gepredigt. Seine Statue zeugt davon.
Die neugotische Kapelle des Distel-Ordens ist nicht unser Ding.
Wir fahren weiter zum Parlament, das die Schotten erst 1999 zugestanden bekamen.
Das moderne Gebäude stammt von einem katalanischen Architekten, der uns nichts sagt. Es gefällt uns nicht besonders gut.
Auch heute gibt es in dem Straßen wieder jede Menge Spektakel und Klamauk: Redner, Musiker, Akrobaten, Clowns, Zauber- und Feuershows.
Wir haben Mühe, unsere Räder auch die Menschenmenge zu manövrieren.
Das Holyrioodhouse bewundern wir nur durch das Gittertor.
Hier spielten sich rauschende Feste und hinterhältige Morde ab. Das ehemalige Kloster war eine beliebte Zufluchtsstätte Maria Stuarts.
Nun tragen uns unsere Räder - beflügelt durch die „Düsenmotoren“ - hinauf auf den Calton Hill.
Hier stehen einige unsäglichen Gebäude, z.B. das National Monument in Form eines ruinösen griechischen Tempels.
Die Aussicht von hier oben lohnt sich aber. Wir sehen sogar bis zu den drei Brücken hinüber, von denen ich gestern erzählt habe.
Als wir nach einer rasanten Abfahrt wieder unten ankommen, ziehen wir uns in die kühle und ruhige Oase der National Gallery of Scotland zurück.
Das Museum umfasst Gemälde, Drucke, Zeichnungen und Skulpturen vom 14. bis zum 19. Jhd.
Wir wollen vor allem den Vermeer sehen: „Christus bei Maria und Martha“. Außerdem ist gerade noch ein Werk dieses Künstlers hier zu Besuch: „Junge Frau am Virginal stehend“.
Auch andere Leckerbissen entdecken wir- ebenso wie solche kulinarischer Art im angeschlossenen Bistro.
Uns jetzt haben wir noch den halbstündigen Heimweg vor uns.
Wie schön ist es doch in der ruhigen Abgeschiedenheit unseres Häuschens auf dem Supermarkt-Parkplatz ;-)
Hier können wir uns der Nachbereitung unseres heutigen Besichtigungsprogramm widmen.
Ich recherchiere, dass die Hauptstadt Schottlands ungefähr 500.000 Einwohner hat.
Außerdem fabriziert Klaus einen köstlichen Bohnenaufstrich, ganz ohne Mixer- nur durch Zerdrücken und Kleinschneiden.
19,35 km mit dem Fahrrad (mit Motor)
Mi, 7. August
Nach ausgiebigem Ausschlafen machen wir einen Großeinkauf auf unserem „Heimatgrundstück“ und füllen unseren Wassertank bei der Tankstelle nebenan.
Dann verabschieden wir uns von Edinburgh mit einer kleinen „Stadtrundfahrt“, bei der wir die vielen Grünflächen bewundern. Da gibt es einige nette Wohnviertel.
Die Altstadt selbst habe ich als recht dunkel und grau empfunden.
Wir wenden uns nun nach Osten zur Küste, in die Region LOTHIAN.
In DUNBAR machen wir unsere Mittagspause im kleinen Hafen.
Zunächst nehmen wir nur einen beeindruckenden Felsen wahr, auf dem Möwen nisten.
Man muss schon ganz genau schauen, wenn man die spärlichen Reste einer Burg entdecken will.
Dabei hatte die im 16. Jhd. durchaus eine Bedeutung. Maria Stuart kam in den turbulentesten Zeiten ihres Lebens hierher. Auch während ihrer Schwangerschaft zog sie sich hinter diese Mauern zurück.
Als sie in Ungnade fiel, wurde diese Zuflucht der Königin als Quelle für Probleme angesehen und zerstört.
Die Kleinstadt selbst zeigt uns eine bunte Hauptstraße mit vielen Geschäften.
John Muir ist hier geboren und bekam ein Denkmal. Er war Mitbegründer der National Parks von Yosemite und Sequoia- wir waren in beiden.
Bei der Weiterfahrt zeigt uns ein Schild, dass wir nun in die Region SCOTTISH BORDERS wechseln, die Grenzregion zu England.
Gestern hat Klaus bereits nach einer Laundrette-Station recherchiert. Wir entdecken sie bei einer Tankstelle und schlagen hier unser Homeoffice auf, während unsere Wäsche gewaschen und getrocknet wird.
Die Firma, die diese Stationen aufstellt, nennt sich „Revolution“. Für uns stellen diese Automaten wirklich eine Revolution dar. Wir ersparen und so die teuren Campingplatzgebühren, um an eine Waschmaschine zu kommen.
EYEMOUTH heißt der Ort, in dem wir uns für die Nacht niederlassen.
Wir stehen vor einem Sportplatz und können so das Fußballtraining der hiesigen Mädchenmannschaft miterleben.
Nach ständigem Wechsel von Regen und Sonnenschein nützen wir ein Sonnenfenster und machen eine Abendspaziergang in den kleinen Yachthafen.
Die Straße dorthin wird gesäumt von den Fotos der Heringsköniginnen in vollem Ornat, mit Zepter und Krone, von 1950 bis heute.
Eine ältere Frau mit Hund begegnet uns. Ob sie auch mal Heringskönigin war?
90 km
Do, 8. August
Für Klaus’ Malstunde suchen wir uns einen sonnigen Platz oberhalb des Hafens.
Nach einem gemütlichen Vormittag, bereiten wir uns seelisch darauf, Schottland zu verlassen.
Und schon sehen wir den Grenzstein. Kurz vor BERWICK-UPON-TWEED sind wir also wieder in ENGLAND.
Dreizehn Mal „pendelte“ diese Stadt zwischen den beiden Ländern hin und her.
Die Sitzbesichtigung ist nicht sehr ergiebig. Es gibt noch die recht gut erhaltene Stadtmauer aus dem 16. Jhd. Der Festung schenken wir kaum Beachtung.
Drei Brücken führen nebeneinander über den Tweed.
Die Old Bridge aus dem 17. Jhd., die New Bridge von 1928 und Stephenson’s berühmtes Eisenbahnviadukt von 1850, die Royal Border Bridge.
Ganz locker fährt man heutzutage über die Grenze, dabei lieferten sich die Schotten und die Engländer in der Vergangenheit die erbittertsten Kämpfe.
Wir dringen weiter in die Grafschaft NORTHUMBERLAND vor.
LINDISFARNE, auch HOLY ISLAND genannt, ist eine Gezeiteninsel, die bei Flut vom Meer umspült ist, die man aber bei Ebbe bequem mit dem Auto erreichen kann.
Bevor man auf den ca. 5 km langen Causeway gelangt, zeigt eine Tafel mit Leuchtschrift an, bis zu welcher Uhrzeit eine Überfahrt gefahrlos möglich ist. Die Zeiten verschieben sich jeden Tag.
Der riesige Parkplatz auf der Insel ist fast voll. Mit Glück können wir gerade noch eine Parklücke ergattern.
Nun geht es zu Fuß weiter, oder - wie wir das machen - per Fahrrad.
Es gibt ein richtiges Dorf, das vor allem aus Cafés, Restaurants und Guest Houses zu bestehen scheint.
Wir besuchen die Ruine der Priory aus dem 11. Jhd, die von einem alten Friedhof mit schönen Hochkreuzen umgeben ist. Von hier aus trugen Benediktiner-Missionare den christlichen Glauben bis auf das europäische Festland hinaus. unter Heinrich VIII wurde das Kloster aufgelöst und verfiel.
Auf einem steilen Hügel liegt Lindisfarne Castle. Die Burg stammt aus dem 16. Jhd.
1901, als sie in einem sehr schlechten Zustand war, kaufte sie ein Privatmann und ließ sie von einem namhaften Architekten restaurieren und zu einem Herrenhaus umbauen.
Ab 1906 waren in dieses edle Holyday Home zahlreiche illustre Gäste geladen.
Heute gehören auch wir dazu. Die vielen verwinkelten Räume sind mit großer Liebe zum Detail eingerichtet und ausgestattet. Man könnte fast meinen, dass sie immer noch bewohnt sind.
Nachdem wir uns satt gesehen haben, machen wir uns auf den Rückweg und suchen uns, nach der Überquerung des Causways, ein sicheres Plätzchen, von wo aus wir zuschauen wollen, wenn die Flut kommt.
Bis dahin haben wir aber noch über zwei Stunden Zeit.
Wie gut, dass wir unser Büro immer dabei haben.
Zuerst kommt es uns so vor, als würde sich gar nichts tun. Als die, als sicher ausgewiesene Zeit, schon eine halbe Stunde vorbei ist, geht es auf einmal schnell. Die Drohne filmt, wie die Straße langsam überschwemmt wird.
Wir sind natürlich nicht die einzigen mutigen, die immer noch da sind. Von unserem Standort aus können wir noch ein wenig ausharren.
Als unser WoMo nasse Füße bekommt, wird es auch für uns höchste Zeit, uns in Sicherheit zu bringen.
Das war jetzt wieder ein nettes, kleines Abenteuer.
Wir peilen nun BAMBURGH an, die alte Hauptstadt von NORTHUMBRIA, einem Königreich der Angeln, das hier im 7. und 8. Jhd. n.Chr. bestand. Die riesige Burg scheint davon zu erzählen.
Den Platz, den wir für die Nacht geplant haben erreichen wir erst um 17h30. Für unsere Verhältnisse ist das sehr spät.
Es gibt noch Platz, aber die Übernachtung wäre recht teuer- ohne jeden Service. Außerdem müssten wir um 8h früh schon wieder weg sein. Das gefällt uns nicht.
Bei der Herfahrt haben wir eine Parkmöglichkeit neben der Straße gesehen. Hier stehen wir gratis sehr nett am Wasser. Das gefällt uns besser.
71 km
Fr, 9. August
Nach dem mich Klaus mit einigen köstlichen Brombeeren aus unserem heutigen Front Garden aus dem Bett gelockt hat, machen wir uns wieder fröhlich auf den Weg.
Wir entdecken einen Campingplatz, auf dem nur am Abend jemand kassieren kommt- ideal für uns, das Klo auszuleeren und den Wassertank zu füllen. Natürlich waschen wir uns bei dieser Gelegenheit gleich die Haare.
Grundbedürfnisse gedeckt, wir wenden uns der Kultur zu.
Die Burg Bamburgh ist ja gleich um die Ecke. Wir würdigen den imposanten Bau von außen. Ihren guten Erhaltungszustand verdankt er seinen privaten Besitzern, die ihn als „kleines Ferienhäuschen“ benutzen. So etwas hatten wir doch schon gestern.
Die schöne Lage, mitten in den Dünen, lädt uns zu einem Spaziergang ein.
Die Sandberge sind mit hohem Gräsern bewachsen, sodass sie von Ferne aussehen, als wären die von Pelz überzogen. Aber auch hübsche Blümchen und der allgegenwärtige Blutweiderich schaffen es, sich Nährstoffe aus dem Sand zu ziehen.
Unten am Meer finden wir dann - wie nicht anders erwartet - einen schönen, langen Sandstrand vor.
Auf einer schönen Küstenstraße fahren wir nun weiter nach Süden. Die Nordsee glitzert.
Wir freuen uns schon auf Alnwick Castle, das ja in den ersten beiden Harry-Potter-Filmen als Hogwarts-Schloss zu sehen war. Auch für Robin Hood und noch andere Filme diente das Gemäuer als Kulisse.
Die Burg ist vom 14. Jhd. bis heute der Stammsitz der Familie Percy, Herzöge von Northumberland.
Im 15. Jhd. waren die Percys in die blutigen Schlachten der Rosenkriege zwischen den Häusern Lancaster und York verwickelt. Da muss man natürlich unbedingt blutige, abgeschnittene Wachsköpfe ausstellen.
Schließlich kommt der damalige Earl ja auch in Shakespeares Heinrich IV vor.
In den Burghöfen wird jede Mange Spektakel für Kinder angeboten.
Eigentlich sind wir ja auf der Suche nach Hinweisen darauf, wo einzelne Harry-Potter-Szenen gedreht wurden.
In dieser Hinsicht müssen wir uns mit dem reich bestückten Gift Shop zufrieden geben.
Durch einen Teil des großen Burggartens spazieren wir - ein wenig enttäuscht - zurück zum Parkplatz und setzten danach unseren Weg nach Süden fort.
Auf das heimliche Wahrzeichen dieser Grafschaft sind wir schon recht gespannt, das gigantische Land-Art-Projekt „Lady of the North“ in der Nähe von CRAMLINGTON. Die liegende Dame ist 200m lang und ca. 30m hoch.
Man kann sie also von unten gar nicht wahrnehmen und von den Aussichtshügeln nur ein wenig erahnen. Da muss eindeutig die Drohne ran. Wenn es nur nicht so stürmisch wäre.
Wir wandern ein wenig durch die 19ha große Parkanlage „Northumberlandia“, deren Herzstück die Lady ist und raten, auf welchem Körperteil wir jetzt gerade herumsteigen.
Auf dem Parkplatz können wir übernachten. Also haben wir Zeit zuzuwarten, ob der starke Wind doch noch nachlässt.
Sicherheitshalber fotografiert Klaus ein Plakat im Visitor Centre.
Hier erfahren wir auch, dass das Projekt im Rahmen der Renaturierung eines Tagebaus entstanden ist, bei dem Kohle, Schiefer und Schamott abgebaut worden waren. Anstatt das angehäufte Schuttmaterial wieder in die Tagebaugrube zu schütten, beschloss man daraus einen öffentlichen Park zu gestalten. Die Figur wurde aus 1,5 Millionen Tonnen Erde errichtet.
85 km
Sa, 10. August
Bevor wir uns auf den Weg machen, wagen wir ein Experiment.
Wir fahren ganz langsam über den - fast leeren - Parkplatz und probieren aus, ob uns die Drohne folgt. Es klappt.
Meine Erwartungen an NEWCASTLE-UPON-TYNE sind gar nicht hochgeschraubt- eine hässliche Industriestadt vermute ich. Ihr Exportschlager war seit dem 13. Jhd. die Kohle.
Im 19. Jhd. florierten zusätzlich Werften und Waggonbau und später die Stahlindustrie.
Heute blüht vor allem die Banken- und Geschäftswelt.
In den letzten 20-30 Jahren hat die Stadt 250 Millionen Pfund in kulturelle Institutionen, Parks und Anlagen gesteckt.
Vor 21 Jahren sind wir hier nur durchgefahren. Diesmal haben wir mehr Zeit.
Wir radeln am Fluss Tyne entlang.
Auf den ersten Blick sehe ich gleich einmal sechs historische Brücken- und eine neue, die Millenium Bridge. Bezeichnenderweise wird der Fußgänger- und Radfahrer-Übergang auch „Zwinkerbrücke“ = „Blinking Bridge“ genannt. Die Kippbrücke sieht aus, als würde sie ihr Augenlid heben, wenn ein großes Schiff kommt. Dieses System ist einzigartig auf der Welt.
Wir überqueren sie hinüber zu den Gateshead Quays und dem BALTIC, dem Centre for Contemporary Art. Hierher hat es uns gezogen.
In diesem Gebäude war einmal eine industrielle Mühle untergebracht, die enge Handelsbeziehungen zum Baltikum hatte- daher der Name.
Als erstes genießen wir die Aussicht aus dem obersten Stock.
Von den Ausstellungen sind wir recht angetan. Besonders beeindruckt mich die Fotografin und Feministin Franki Raffels.
Gerade, als wir das Gebäude verlassen, „zwinkert uns die Brücke zu“.
Wir können zuschauen, wie sie ganz langsam ihr „Augenlid“ hebt und danach wieder senkt.
Schiff können wir keines entdecken, aber es ist gerade Punkt 12h. Vielleicht wird der Mechanismus regelmäßig getestet, oder er wird jeden Samstag Mittag Schaulustigen vorgeführt.
Jedenfalls freuen wir uns, dass wir gerade rechtzeitig gekommen sind.
Gleich daneben sitzt übrigens die hellgrüne „gläserne Made“ von Sir Norman Foster, das Musikveranstaltungszentrum Sage Gateshead.
Wir sind überrascht. Es gefällt uns sehr gut in dieser Stadt.
Die Uferpromenade lädt zum Flanieren ein. Es sind sogar Liegestühle und Sitzgruppen zum Pausieren und Plaudern aufgestellt.
Auch an der Burg radeln wir vorbei. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die namensgebende neue Burg. Das war die hölzerne Vorgängerin aus 1089. Lange davor - unter den Römern - hatte es nämlich schon eine Festung gegeben, die den östlichen Außenposten des Hadrianswalls markiert hatte.
Wir sitzen nun wieder im Auto und steuern ein weiteres gewagtes Kulturprojekt an, die gigantische Skulptur des „Angel of the North“ aus den 1990er- Jahren. Sie ist zum Wahrzeichen der Erneuerung Newcastles geworden.
Der schöne Engel besteht aus rostbraunem Stahl. Er ist 20m hoch und hat eine Flügelspannweite von 54m.
Nachtquartier gewährt uns heute eine ruhige Wohngegend von DURHAM. Der Parkplatzwächter selbst gibt uns seinen Sanktus.
Obwohl wir eigentlich schon recht müde sind, rappeln wir uns nochmals auf und marschieren zu Fuß los.
Die Stadt am River Wear wurde von den Mönchen der heiligen Insel Lindisfarne - die Gezeiteninsel, auf der wir vorgestern waren - gegründet, als sie mit den Gebeinen des Hl. Cuthbert auf der Flucht vor den Wikingern waren.
Die liegen nun in der schönen normannischen Kathedrale.
Die Kirche ist wunderschön, aber riesengroß- der größte europäische Sakralbau der Romanik.
Die Rasenfläche davor lädt dazu ein, gemütlich zusammen zu sitzen.
Ganz neu für die romanischer Bauweise können wir hier anstelle einer hölzernen Flachdecke ein frühes Kreuzrippengewölbe bewundern.
Auffällig sind die mächtigen mit Zickzackmuster verzierten Rundpfeiler.
Bemerkenswert ist die mittelalterliche Uhr, die neben der Zeit auch die Mondphasen und die Bahn der Planeten anzeigt.
Die weißen Friedenstauben aus Papier, die wir im Mai im Langhaus der Wells Cathedral gesehen haben, sind offenbar in der Zwischenzeit hierher weitergezogen. Wir begrüßen sie freudig als alte Bekannte.
Der Westfront der Kirche mit den beiden Türmen ist eine wunderschöne Halle vorgelagert, die Galilee Chapel. Hie liegt der Venerable Bede begraben. Der Mönch aus dem 8. Jhd. verfasste die erste Abhandlung über die Geschichte Englands.
An einer der Kirchentüren befindet sich ein Sanctuary Knocker, ein Klopfer in Form eines Löwenkopfes.
Verbrecher, die hier anklopften, konnten für 37 Tage Schutz durch die Kirche finden. Danach musste er sich dem Gericht stellen oder vom nächsten Hafen aus das Land verlassen.
Einer der mächtigen Bischöfe, die in der gegenüberliegenden Burg aus der Zeit Wilhelms des Eroberers residierten, war an der Gründung der Universität maßgeblich beteiligt- sie gehört zu den ältesten des Landes.
Heute dient die Burg als eine Art Wohnheim für Studenten. „Die leben wahrscheinlich hier wie in Hogwarts“, meint Klaus.
Tatsächlich wurden hier Harry-Potter-Szenen gedreht, allerdings im Kreuzgang.
Wir spazieren durch die belebte Fußgängerzone und durch das bunte Markttreiben nach Hause.
Jetzt wird es aber höchste Zeit, unsere MacBooks aufzuklappen.
56 km
So, 11. August
Ein richtiger kultureller Leckerbissen wartet heute als erster Programmpunkt auf uns, die Saxon Church in ESCOMB. Das einfache, turmlose Steinkirchlein wurde im 7. Jhd. aus den Ruinen eines nahe gelegenen Römerforts gebaut. Das sieht man einigen Steinen deutlich an.
Ein kleiner, alter Friedhof mit zerbrochenen Grabplatten umgibt sie.
Oberhalb der Kirchentür ist eine Sonnenuhr aus dem 8. Jhd. angebracht.
Seit der Einweihung bis heute werden hier Gottesdienste gefeiert.
Auch heute, am Sonntag, ist gerade ein „Service“ im Gang.
Der Reverend bittet uns hinein: „You are very welcome“, und drückt uns ein Liederbuch in die Hand.
Wir wollen nicht stören, also bewundern wir den schlichten, kleinen Innenraum von der Kirchenbank aus.
Eine Besonderheit ist das steinerne Altarkreuz, das noch älter ist als die Kirche.
Nach dem Evangelium und der Predigt, schleichen wir uns - möglichst unauffällig - wieder hinaus.
Es herrschte eine durchaus angenehme Atmosphäre da drinnen.
Der Gottesdienst schien vom Kirchenvolk gestaltet zu sein. Der Reverend spielte - in der Zeit, in der wir dabei waren - überhaupt keine Rolle.
Jetzt fehlt uns noch ein Foto. Klaus schießt es durch ein Fenster, das es vorher sorgfältig poliert hat.
Für heute haben wir nur noch „Pure Nature“ and „Outstanding Beauty“ vor uns.
Wir fahren nach Westen, ins Landesinnere, mitten in die Pennines hinein.
Dieses Mittelgebirge, das sich von Norden nach Süden zieht, könnte man als das das Rückgrat Englands bezeichnen. Es bildet auch die Hauptwasserscheide in Nordengland.
Es gefällt uns so gut in den grünen Hügeln, dass wir auf einer wenig befahrenen Strecke nochmals versuchen, das WoMo von der Drohe verfolgen zu lassen. Wir wollen sozusagen uns selbst filmen, wie wir durch die Landschaft gondeln. Für ca. 1-2 km geht das gut, dann werden wir unsrem treuen Begleiter offenbar zu schnell, und er verliert uns. Wir halten an, und versuchen das gute Stück mit der Fernbedienung zu orten bzw. am Himmel zu sehen- keine Chance.
Wir sind besorgt. Ob wir es jemals wiederfinden werden?
Wir fahren zurück zum Startplatz, in der Hoffnung, dass das Wunderwerk der Technik vielleicht seinen „Homepoint“ gefunden hat.
Und tatsächlich, ich bin direkt gerührt, als ich unser kleines, graues Fröschlein ganz unschuldig auf der Ausweiche an der Straße sitzen sehe. Gott sei Dank hat es in der Zwischenzeit niemand überfahren.
Sehr erleichtert und um eine Erfahrung reicher setzen wir unsere Fahrt fort.
Dabei sinnieren wir, woran wir deutlich merken, dass wir nicht mehr in Schottland sind, sondern wieder in England:
-Wir können die Aussprache der Leute wesentlich besser verstehen.
-Das Land ist viel dichter besiedelt. Eine Ortschaft folgt der nächsten.
-Es gibt Wälder.
-In den Kirchen - typisch anglikanisch - gibt es Kaffeemaschinen und Kinder-Spielecken. Und in ehemaligen Seitenkapellen sind oft Shops und sogar Klos untergebracht.
Wir kommen an ehemaligen Blei- und Silberminen vorbei. Flurnamen und Namen der Pubs erzählen von „Minors“. Man ist gerade dabei, die Bergwerke für den Besuch von Touristen herzurichten.
In ALSTON schlagen wir einen Haken und wenden uns wieder nach Osten zurück.
Übrigens, Ende Juni waren wir nur 20 km von hier entfernt, als wir den Hadriandswall besichtigt haben.
Nach langer Zeit übernachten wir heute wieder einmal vor einem Pub, dem „Red Well Inn“ in BARNARD CASTLE. Klaus holt sich zum selbstgekochten Abendessen ein Pint.
144 km
Mo, 12. August
Wir sind ein bisschen enttäuscht, weil es regnet.
Heute stehen nämlich die landschaftlich besonders schönen YORKSHIRE-Dales auf dem Programm.
Wir haben vor, den ganzen Tag im Nationalpark zu verbringen.
Wir fahren durch sehr hübsche, blumengeschmückte Dörfer.
Auf schmalen Straßen geht es nach Südosten dahin durch diese von fast hundert Flusstälern durchzogene Landschaft.
Das Hochplateau ist durch grüne Hügel, karge Gipfel und zahlreiche Höhlen und Wasserfälle geprägt. An den Hängen sehen wir durch Steinmäuerchen gegliederte Felder.
Erfreulicherweise bessert sich das Wetter bald, und wir können den Tag so richtig genießen.
Wir haben ja auch eine Wanderung geplant.
MALHAM gehörte früher den Mühlen und Minen und heute den Wanderern, von denen hunderte auf den gut angelegten Wegen unterwegs sind.
Wir interessieren uns vor allem für die spektakuläre Karstlandschaft von Malham Cove.
Die halbmondförmige Kalksteinklippe fällt steil terrassenförmig in ein Flusstal ab. Sie ist an die 80m hoch und rund 300m breit. Uns erinnert ihre Form ein wenig an eine Arena.
Einst stürzte ein riesiger Wasserfall über die Klippe. Seitdem aber die eiszeitlichen Gletscher abgeschmolzen sind, versickert der Fluss, der ihn speiste nach wenigen hundert Metern im Boden.
Einmal im 19. Jhd. und einmal 2015 kam es nach heftigen Regengüssen vor, dass wieder Wasser über die Felsen fiel.
Wir wandern ins Tal hinein, und dann geht es über sehr viele Stufen hinauf aufs Plateau.
Oben kann man die bizarren Gesteinsformationen sehen, die vom Gletscher über eine sehr lange Zeit geprägt wurden. Man meint riesige Beckenknochen oder Wirbeln von Sauriern zu erkennen- lauter kleine Gletschermühlen.
Klaus hat extra die Drohne bis hier herauf mitgeschleppt. Sie liefert tolle Bilder, die wir ja schon aus „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ kennen. Harry und Hermine hatten hier oben ihr Zelt aufgeschlagen.
Nach dem Abstieg spüre ich deutlich meine Oberschenkel. Das wird vermutlich einen Muskelkater geben.
Und jetzt brauchen wir einen Schlafplatz. Wir finden ihn nach ca. 15 km auf einem Parkplatz am Ortsrand von HELLIFIELD.
115 km
Di, 13. August
Die Sonne bemüht sich. Es kann ein schöner Tag werden.
Gestern Abend haben wir noch recherchiert. Die Detektivin Robin Ellacott aus den „Cormoran Strike“-Büchern von Robert Galbraith alias J.K. Rowling stammt doch aus Yorkshire.
Wir haben tatsächlich ihren Heimatort MASHAM gefunden.
Das ist gar nicht weit von hier entfernt. Da fahren wir jetzt hin- auf sehr schmalen, heckengesäumten Straßen.
Ein reizender Ort, ohne Frage. Er bietet allerdings keinerlei Besonderheiten und ist in keinem Reiseführer erwähnt.
Wir besuchen die Kirche St. Mary the Virgin, in der Robin geheiratet hat- auch völlig unspektakulär.
Im Inneren erwartet uns aber doch eine sehr nette Begegnung.
Wir kennen das ja schon, dass in anglikanischen Kirchen vor dem Gottesdienst manchmal Kaffee ausgeschenkt wird. Hier erwartet uns allerdings eine echte Küchenzeile mit Geschirrspüler und allem drum und dran. Während der Gottesdienste kann man sie mit Falttüren schließen.
Jetzt gerade ist im linken Seitenschiff ein veritables Kaffeekränzchen mit viel Lachen und Plauderei im Gang. Wir werden sofort eingeladen.
Der Reverend plaudert mit uns übers Reisen, über Wien und über die besonders lebendige Kirchengemeinde, deren Pfarrer er erst seit Kurzem ist.
Im rechten Seitenschiff gibt es einen großen, gut bestückten Kinder-Spiel-Bereich.
Wir sind beeindruckt von der netten Atmosphäre, die hier herrscht.
Ob Robins Mutter heute auch dabei war? ;-)
Wir fahren weiter zur Kathedrale von RIPON.
Sie wirkt vollständig gotisch auf uns, aber natürlich gab es auch hier Vorgängerbauten.
Die bemerkenswerte angelsächsische Krypta ist nämlich aus dem 7. Jhd. Der kleine, Raum mit einem Tonnengewölbe, einem kleinen Altar und einem verwinkelten Gang ist völlig schmucklos außer einem Alabasterrelief aus dem 14. Jhd, das die Auferstehung darstellt: Jesus klettert nackt aus seinem Steinsarkophag und tritt scheinbar achtlos auf die schlafenden Soldaten.
Das auffälligste in der Kirche ist die bunte Chorschranke aus dem 15. Jhd. Auf ihr sind - farbenprächtig bemalt - Könige und Bischöfe dargestellt, die in der Geschichte der Kathedrale eine Rolle gespielt haben.
Auch die Glasfenster gefallen uns gut.
Was uns aber besonders interessiert, sind die kuriosen Schnitzereien im Chorgestühl, die Lewis Carroll - dessen Vater hier Erzdiakon war - zu seinen Figuren aus „Alice im Wunderland“ inspirierten.
Sie sind gar nicht so leicht zu finden. Um die witzigsten zu entdecken, müssen wir den Bischofssitz hochklappen.
Nun gehen wir noch ein wenig in der sympathischen Kleinstadt spazieren.
Als Stellplatz für die Nacht bietet sich uns der große Parkplatz in KNARESBOROUGH an. Eine öffentliche Toilette ist gleich nebenan.
Beim Abendspaziergang durch das reizende Dorf treffen wir auf dem Marktplatz auf fransig bunte Gestalten, die Volkslieder aus elisabethanischer Zeit zum Besten geben. Auf den Bänken rundherum sitzen nicht nur Zuhörer aus Fleisch und Blut, sondern auch solche aus Bronze.
102 km
Mi, 14. August
Unser Parkticket gilt nur bis 8h früh, daher haben wir uns schon gestern Abend innerlich darauf vorbereitet, heute einen Blitzstart hinzulegen.
Wir wachen aber von selbst schon so zeitig auf, dass wir ganz leicht fertig werden. Klaus repariert vor der Abfahrt sogar noch eine Kleinigkeit.
YORK macht gleich von Anfang an einen netten Eindruck auf uns. Häuser aus unverputzten Ziegeln herrschen vor.
Bereits in der Römerzeit war die Stadt ein bedeutendes Zentrum.
Unter den Wikingern hieß es Jorvik. Seit damals heißen die Straßen hier „Gates“, nach dem nordischen „gata“.
Wilhelm der Eroberer ließ im 11. Jhd. eine große Burg bauen. Von ihr ist nur mehr der Turm in Form eines Kleeblatts übrig. Er steht mitten in der Stadt auf einem künstlichen, grünen Hügel, dem Baile Hill.
Die Industrialisierung scheint fast spurlos an der Stadt vorbeigegangen zu sein.
Touristenströme wuzeln sich durch die Shambles, die Gasse, die so eng ist, dass die Dächer der mittelalterlichen Fachwerkhäuser fast aneinander stoßen.
Es gibt aber auch viele andere Gässchen voller Geschäfte und Lokale, in denen es geruhsamer zugeht.
Straßenmusikanten und Akrobaten bieten bunte Fotomotive.
Sie Stadtmauern sind noch zu einem Großteil vorhanden, und wir wandern ein wenig darauf herum.
Von hier oben gefällt uns der Blick auf die Stadt sehr gut. Die elfenbeinfarbenen Türme des hochgotischen Münsters dominieren das Stadtbild.
Es ist die größte mittelalterliche Kirche Englands.
Der Lettner, eine Steinmetzarbeit aus 1420 enthält 15 lebensgroße Figuren von englischen Königen. Die ungerade Zahl kam zustande, weil Heinrich der VI nachträglich eingefügt wurde. Sein Vater war während der Bauzeit plötzlich verstorben. Dadurch entstand eine Asymmetrie.
Darüber erhebt sich die wunderschöne, gewaltige Orgel aus Holz mit ihren bemalten Orgelpfeifen.
Davor findet zu unserer Freude gerade einer Chorprobe statt. Die jungen Leute können wirklich was, und ihre Klänge begleiten unsere ganze Besichtigung.
Bemerkenswert sind die schönen, mittelalterlichen Fenster, z.B. „The Heart of Yorkshire“ über dem Hauptportal, das ein herzförmiges Muster zeigt.
Auf dem Rosenfenster kann man weiße und roten Rosen sehen, die auf die Beendigung der Rosenkriege hinweisen sollen.
Das südliche Querschiff wurde 1984 durch einen verheerenden Brand - ausgelöst durch einen Blitzschlag - fast ganz zerstört.
Sogar die Decke stürzte auf den Kirchenboden.
Beim Wiederaufbau wurden sechs Schlusssteine des Gewölbes, die unwiederbringlich verloren waren, nach Entwürfen von Kindern gestaltet. Sie zeigen Astronauten, einen Taucher, einen Wal, der gerettet werden soll und ein fast verhungertes Kind, zu dem sich eine helfende Hand streckt.
Eine kleine, berührende Ausstellung zeigt Bilder von Brand, Verwüstung und Restaurierung.
Der Vollständigkeit halber bestaunen wir noch das filigrane Chorgestühl und gehen in Krypta und Kapitelhaus.
Wir waren 2003 hier und auch da waren wir beeindruckt. Klaus freut sich, dass er jetzt bessere Fotos machen kann als damals.
Vor den Kirchentoren sitzt Konstantin der Große auf seinem Thron. Er wurde in York im 4. Jhd. zum Kaiser gekrönt.
Da, wo jetzt das Münster steht, war nämlich damals das römische Hauptquartier.
Nicht unerwähnt soll noch ein anderer bekannter Sohn der Stadt bleiben, Guy Fawkes, der am 5. November 1605 in London das Parlament samt Abgeordneten und König in die Luft sprengen wollte.
Er wurde gefasst und fand ein unrühmliches Ende am Galgen. Aber er ist immer noch sehr populär.
Der Guy Fawkes Day wird jährlich mit Feuerwerk gefeiert. Und die Guy-Fawkes-Masken sind bei Demos recht beliebt, wenn man nicht erkannt werden will.
In der Schule haben wir das Sprüchlein gelernt:
„Remember, remember
the Fifth of November
Gunpowder, treason and plot …“
Wir fahren weiter nach LEEDS.
Diese Stadt bringt man mit Textilindustrie und Maschinenbau in Verbindung.
Laut Reiseführer schaffte sie den „Absprung ins neue Zeitalter“.
Wir sehen tatsächlich viele moderne Bauten.
Wir satteln die Drahtesel und radeln bei Sommerwetter - ungeahnten 26° - kreuz und quer dorthin, wo es uns gerade gefällt. Das ist recht lustig.
Großartige Sehenswürdigkeiten gibt es ja keine.
Wir landen z.B. beim Nelson Mandela Peace Garden, einer grünen Oase in der Stadt, die dem Kämpfer gegen die Apartheid gewidmet ist.
Am nettesten sind ja oft die unerwarteten Dinge.
So werden wir auf der Straße Zeuge einer Tanz-Performance der besonderen Art. Die Tänzer und der Flötist improvisieren offensichtlich. Aber alles fügt sich zu einem gelungenen Ganzen.
Unser Parkplatz eignet sich für eine Übernachtung nicht. Also suchen wir uns etwas Netteres außerhalb der Stadt.
In der Ortschaft MORLEY finden wir ein ruhiges Plätzchen in einer Sackgasse.
95 km
Do, 15. August
Heute müssen wir mit kühlem, diesigem und nieseligem Wetter vorlieb nehmen.
Nach einem gemütlichen Mal-Vormittag mit Ausschlafen fahren wir weiter nach Süden.
In der Nähe von WEST BRETTON-WAKEFIELD besuchen wir den YSK, den Yorkshire Sculpture Park.
Wir ziehen uns Wanderschuhe und Regenjacken an und wandern im Nieselregen zwischen den Skulpturen herum.
Im herrschaftlichen Park eines großen - ehemals privaten - Anwesens finden zwischen alten Bäumen wechselnde Ausstellungen namhafter Künstler statt. Wir entdecken z.B. ein Werk des Österreichers Erwin Wurm.
Und wieder machen wir eine Entdeckung: Bharti Kher, eine Bildhauerin aus London mit indischen Wurzeln beeindruckt uns ganz besonders.
Sie spricht von ihrer unerschütterlichen Beziehung zum Körper, seinen Erzählungen und der Natur der Dinge. Dabei versucht sie sich in einer breiten Palette von Herstellungspraktiken.
Nach diesem Kunstgenuss ziehen wir die Park4Night-App zu Rate, weil wir unseren Wassertank wieder auffüllen müssen. In einer Tankstelle finden wir den - gut versteckten - Wasserhahn. Wie haben wir solche Dinge früher bloß - ohne Internet - hingekriegt?
Nun zieht es uns wieder in die Berge.
Der Peak District National Park ist der südliche Ausläufer der Pennines.
Wir kämpfen uns in Sturm, Nebel und Regen aufwärts. Von den zahlreichen View Points aus sehen wir überall das Gleiche, eine Nebelsuppe.
Für heute haben wir genug. Morgen soll das Wetter besser werden.
Wir ziehen uns auf einen kleinen Parkplatz in GLOSSOP zurück. Er bietet übervolle Brombeersträucher und Beschallung durch die benachbarte Musikschule- na, das sind wir ja aus der Penzinger Straße in Wien gewohnt.
80 km
Fr, 16. August
Es ist kühl, aber es regnet immerhin nicht und bei unserer weiteren Fahrt durch die Berge haben wir gute Sicht.
Später kommt sogar die Sonne heraus, und wir können eine richtigen Sommertag genießen.
Der Peak District besteht aus dem eher unbewohnten Dark Peak mit Heidelandschaft und Hochmooren und den Graslandschaften von White Peak. Dieser Teil des Nationalparks hat sanftere Hügel und ist besiedelt.
Wir sehen zwar viele Schafe, aber die wildlebende Wallabys, die hier leben sollen, zeigen sich uns leider nicht. Dafür muss man wohl doch nach Australien fahren- schon erledigt.
Wir sind jetzt in der Grafschaft DERBYSHIRE.
In ASHBOURNE verlassen wir den Nationalpark, und unsere Reise nach Süden geht weiter.
In LICHFIELD machen wir eine Sitzbesichtigung der uninteressanten Kathedrale aus dem 19. Jhd. und eine intensivere Besichtigung des Supermarkts Morrison, der uns unter anderem ein Café mit Gratis-WLAN bietet. Wir müssen uns unbedingt neue Bücher runterladen.
Unseren Schlafplatz finden wir - wie so oft - im Grünen, in einem schönen, ruhigen Park.
123 km
Sa, 17. August
Auch heute wartet ein schöner Sommertag auf uns.
Als erstes ist wieder einmal unser Klo dran. Das App führt uns zu unserem Erstaunen auf das Areal eines riesigen Vergnügungsparks, auf dem es eben auch ein Hotel und einen Campingplatz gibt. Völlig unbeanstandet können wir hier „dumpen“.
Beruhigt geht es nun nach BIRMINGHAM, der zweitgrößten Stadt Englands.
Der erste Eindruck der Stadt- dreckig und heruntergekommen,
Es scheint mit kaum vorstellbar, dass J.R.R. Tolkien, der zur Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jhd. am idyllischen Stadtrand aufgewachsen ist, hier seine Inspiration für das Auenland der Hobbits gewonnen hat.
Der Reisführer schreibt, dass drei Dinge die Stadt zerstört haben: Deutsche Bomben, die Industrialisierung und die Bausünden der 1960er und 1970er-Jahre.
Allen Dreien wurde und wird der Kampf angesagt.
Auf unserer Stadtrundfahrt per Fahrrad stoßen wir immer wieder auf riesige Baustellen und auf interessante, ganz moderne Neubauten, die oft direkt neben alten Gebäuden stehen. Als Fotomotiv ist so etwas natürlich sehr spannend.
Das neue Wahrzeichen von „Brum“, wie die Bürger ihre Stadt nennen, gilt das „Bullring“, ein Einkaufszentrum mit 15.000 kreisrunden Aluminiumplatten an der Fassade. Ihm gelang es, die Betonwüste im Stadtzentrum in einen glitzernden Konsumtempel zu verwandeln.
Klaus nennt es das „Warzenschwein“- der Name passt hervorragend.
Man versucht aber auch durch andere neue Projekte und viel Kunst mehr Lebensqualität zu schaffen, um dem schlechten Ruf der Metropole entgegen zu winken.
Zuletzt tauchen wir in die neue futuristische Central Library ein.
Die größte Bibliothek Europas dient aber auch aus Kultur- und Unterhaltungskomplex.
Den Bau selbst vergleichen Kritiker mit einer gigantischen Hochzeitstorte.
Uns gefällt das transparente Glasgebäude mit seine 1,5 Millionen Büchern und vielen bequemen Sitzgelegenheiten. Hier werden aber auch eine Kinderbibliothek, Workshops, Multimedia-Arbeitsplätze, Probenräume für Musiker und ein Theatersaal geboten.
Vom Dachgeschoss aus - mit seinem hübschen „Secret Garden“ hat man eine wunderbare Aussicht auf die Skyline der Stadt.
Der Skakespeare-Room stammt offenbar aus einem alten Gebäude und wurde hier wieder eingesetzt.
Wir sind ja gar nicht weit Stratford-upon-Avon entfernt. Das haben wir bei unserer letzten England-Reise gründlich abgearbeitet. Diesmal werden wir es auslassen.
Und weil wir schon in einer Bibliothek sind, nützen wir das gute WLAN und kaufen gleich ein paar Bücher- im Apple-Store ;-)
Wir könnten hier drin Tage verbringen, aber uns zieht es zum Auto zurück, weil wir heute noch einiges vor haben.
Vor dem Eingang springt uns noch die Skulptur von Gillian Wearing ins Auge- „A Real Birmingham Family“. Die Künstlerin hat Recherchen und Umfragen durchgeführt und sich für diese reale Familie entschieden. Zwei Schwestern, beide Singles mit ihren beiden Söhnen. Eine der beiden Frauen ist schwanger. Es gibt eben viele Formen von Familie, nicht nur die „übliche“.
Wie machen uns schließlich wieder auf den Weg.
Mittlerweile sind wir in den MIDLANDS, im County WARWICKSHIRE.
COVENTRY ist unser nächstes Ziel.
Park4Night empfiehlt uns einen Parkplatz in einer Luxus-Wohngegend- was für ein Kontrast zu Birmingham. Wir steigen wieder auf die Klappis um und radeln durch die hübsche Stadt zur Haupt-Sehenswürdigkeit, der Kathedrale.
1940 wurde sie und fast das gesamte Stadtzentrum durch Bomben zerstört.
Es wurde eine neue Kathedrale gebaut, wobei die Ruinen der alten als Mahnmal in den Neubau integriert wurden. Besonders schön ist der gelungene Einsatz von Licht.
Das sieht man besonders an den schräg gestellten, bunten Glasfenstern, die den Lebenszyklus des Menschen von der Geburt bis zu Tod und Auferstehung darstellen- nur durch Farbe und Licht.
Beim modernen Chorgestühl scheinen sich Vögel - der Heilige Geist? - in den Himmel zu erheben.
An der Außenfassade kämpft der Hl. Michael, der schon der Patron der alten Kirche war, gegen den Teufel.
Man gelangt direkt vom neuen Kirchenraum in die Ruine der alten Kathedrale. Ich habe den Eindruck, dass sie besonders schön gewesen ist.
Das war noch nicht unser letzter Programmpunkt für heute.
Wir müssen nämlich noch Wäsche waschen. Eine Laundrette vor einem Supermarkt leistet uns dabei - wie gewohnt - gute Dienste.
Uff, jetzt müssen wir schauen, dass wir „nach Hause“ kommen. Wo ist das bloß heute?
Hier dürfen wir nämlich leider nicht über Nacht bleiben.
In WARWICK nimmt uns unser Lieblingsmarkt TESCO auf. Hier stehen wir ganz am Rand des Parkplatzes „im Wald“.
103 km
So, 18. August
Wo sind wir hier eigentlich gelandet?
WARWICK entpuppt sich als eine reizendes mittelalterliches Städtchen mit Fachwerkhäusern und unverputzten, efeubewachsenen Ziegelbauten mit weißen „Rüscherln“ an den Dachgiebeln. Auch zwei Stadttore sind noch vorhanden.
Die Burg ist unerwartet riesig. Sie soll das hübscheste mittelalterliche Schloss Großbritanniens sein.
Wir begnügen uns trotzdem mit der Außenansicht. Die Wachsfiguren, die die Gemäuer bevölkern, und grausig in der Folterkammer und im Kerker ihr Unwesen treiben, wollen wir auf keinen Fall erleben.
Stattdessen wartet Blenheim Palace in der historischen Stadt WOODSTOCK in der Grafschaft OXFORDSHIRE auf uns.
Eines der größten und bekanntesten Schlösser Englands ist Weltkulturerbe und das Zuhause der Herzöge vom Marlborough.
John Churchill, ein Urahn von Winston Churchill gewann 1704 eine wichtige Schlacht und bekam als Dank dafür von seiner Königin Anne dieses Barockschloss geschenkt.
Die Bauarbeiten für den Prachtbau zogen sich schleppend dahin, und nach dem Tod der Monarchin, mussten sie die Malboroughs auf eigene Kosten weiterführen.
Nicht nur das Haus ist beeindruckend, sondern auch der riesige Park.
Wir wandern durch die Räume. Von der englische Geschichte haben wir zu wenig Ahnung, um die Leute auf den Gemälden irgendwie zuordnen zu können.
Allein das Zimmer, in dem Winston Churchill 1874 geboren wurde, weckt unser Interesse einigermaßen. Sein Großvater war nämlich der 7. Duke of Marlborough.
Was wir wirklich sehen wollen, ist der Innenhof, in dem eine Schlüsselszene des James-Bond-Films „Spectre“ gedreht wurde.
Für uns geht es weiter nach OXFORD.
Und schon sitzen wir wieder auf unseren Fahrrädern.
Von unsrem Parkplatz am Stadtrand radeln wir zunächst sehr nett am Fluss Cherwell entlang.
Und dann schlängeln wir uns durch die Massen der Touristen.
Ehrwürdige Colleges, deren Geschichte bis ins 12. Jhd. zurückreicht, überragen mit ihren majestätischen gotischen Türmen, Kuppeln und Zinnen die Wohnhäuser. „City of Spires“ wird die Stadt deshalb genannt.
Im Stadtzentrum gibt es kaum ein Haus, das nicht einer „ehrenwerten Lehranstalt“ gehört.
Die Bauten erinnern uns an Kirchen, „Tempel des Wissens“ nennt sie Klaus.
Die traditionellen Strukturen sind hier fest verankert und brechen erst langsam auf. Oxford ist immer noch überwiegend männlich und weiß.
Jetzt im August sind keine Studenten unterwegs, nur wir Touristen.
Bei der Weiterfahrt zu unserem Schlafplatz kommen wir durch den Vorort COWLEY, „The Home of the MINI“. Die Ikone aller englischen Autos wird bis heute hier gebaut.
Nach 10 km finden wir - auch heute wieder - einen sehr schönen Platz für die Nacht, einen Wanderparkplatz inmitten der Natur- mit übervoller Brombeerhecke.
Ein wenig Muße nach diesem heißen Tag tut uns jetzt gut.
117 km
Mo, 19. August
Im County BUCKINGHAMSHIRE liegt WINDSOR, eine typische englische Kleinstadt mit Backsteinbauten, Shops und Pubs.
Was nicht so typisch ist, ist das Castle, mittendrin.
Seine Ausmaße sind außergewöhnlich.
Wir bestaunen die Dimensionen und die Warteschlangen an den Kassen.
Ich war vor 50 Jahren da drin. Das muss für diese Inkarnation für uns beide reichen.
Die königliche Familie hieß übrigens bis 1918 Sachsen-Coburg-Gotha. Da Großbritannien und Deutschland einander im Ersten Weltkrieg bekämpften, benennen sich die Royals seit damals nach ihrem Sommersitz „Windsor“.
Jenseits der Themse liegt das Eton Collage, die berühmteste „Public School“ Englands. Man muss dafür halt das nötige Kleingeld haben: £ 30.000 pro Jahr. König Charles und seine Söhne gingen natürlich hier zur Schule.
Wir brechen bald wieder auf und sind nun tatsächlich auf dem Weg nach London.
Dafür müssen wir allerdings in das ROYAL COUNTY OF BERKSHIRE wechseln.
Nun hoppeln wir auf der Autobahn im Stop-and-Go-Modus dahin.
Nach langer Zeit steuern wir wieder einmal eine Campingplatz an.
Da uns ja für einige Tage in London umtun und dabei unser Auto zurücklassen wollen, wird uns hier wohl mehr Sicherheit geboten, und mehr Komfort auch.
Der Platz in OCKHAM ist sehr schön und sauber. Im Seerosenteich in der Mitte wird auch geangelt.
Der mittelalterliche Philosoph und Theologe William of Ockham, das Vorbild von William of Baskerville aus dem „Namen der Rose“ stammte übrigens von hier.
Bis zur Bahnstation, von wo aus wir in die Stadt fahren können, sind es ca. 2,5 km.
Da radeln wir hin, um uns einmal umzusehen.
Danach richten wir uns gemütlich ein und machen Pläne für die nächsten Tage.
102 km
Di, 20. August
Unser London-Abenteuer beginnt.
Wir wollen zunächst feststellen, wo genau am Donnerstag der Treffpunkt für unsere Harry-Potter-Tour in der Nähe der Victoria Station sein wird, und wie lange wir brauchen, um dorthin zu kommen.
Wir marschieren also um 8h45 zum Bahnhof HORSLEY im County SURREY und nehmen den Zug um 9h18. Ein freundlicher Bahnbeamter hat uns erklärt, welche Tickets für uns am geeignetsten sind. Schließlich wollen wir bis Freitag jeden Tag in die Stadt fahren und auch die U-Bahn benutzen.
Wir sind pünktlich am Busbahnhof und können alles für unsere Tour in die Zauberwelt erfolgreich checken.
Ab nun sind wir entspannt touristisch unterwegs.
Gleich fallen uns die vielen Glaspaläste auf, und mitten drin „The Albert“, ein kleines Haus aus 1862, das beiden Weltkriegen und der Abrissbirne getrotzt hat. Zwischen den ultramodernen Hochhäusern wirkt es deplatziert, aber auf eine sehr nette Weise. Heute befindet sich ein angesagtes Pub darin.
Da passt es ja genau, dass „The Shard“ herüberwinkt, die Scherbe, der 310m hohe Wolkenkratzer, der 2012 fertig gestellt wurde- kurz bevor wir, just in diesem Jahr, zu Silvester hier waren.
Westminster Abbey ist für heute ausgebucht. Wir haben eh gerade überlegt, ob wir wirklich reingehen wollen.
An den Houses of Parliament und am Big Ben spazieren wir vorbei.
Es fällt uns auf, dass nur sehr wenige Privatautos unterwegs sind. Wir sind hier ja in der „Low Emission Zone“, in die man nur mit Genehmigung hineinfahren darf. Das tut der Stadt natürlich sehr gut.
Wir flanieren durch den großen St. James-Park und winken zum Buckingham Palace hinüber. 2012 haben wir dort die Wachablöse bewundert. Das brauchen wir nicht noch einmal. Für diesmal genügen uns ganz normale Polizisten, die hoch zu Ross unterwegs sind.
Der Piccadilly Circus mit seinen riesigen Werbetafeln gefällt mir immer noch nicht.
Beim Trafalgar Square verschwinden wir unter den Blicken Nelsons durch den Eingang in die National Gallery in eine andere Welt.
ich finde es immer wieder berührend, berühmte Bilder, die mir aus Abbildungen vertraut sind, im Original sehen zu können. Ein Vermeer ist auch dabei: „Junge Frau sitzend am Virginal“.
Nach diesem Besuch wartet noch eine Besichtigung ganz anderer Art auf uns.
Gar nicht weit von hier ist nämlich die Denmark Street, wo auf Nr. 26 der Privatdetektiv Cormoran Strike, der mich so lange auf dieser Reise in Hörbüchern begleitet hat, sein Büro und seine Wohnung in der Mansarde hat. Auch die Musikhandlungen, die in den Büchern vorkommen, gibt es wirklich.
Nun interessiert uns noch sein Stammlokal, „The Tottenham“, das bereits in der Serie auf „The Flying Horse“ umbenannt wurde. Viele Pints hat er sich in diesem sehr urigen, traditionellen Pub gegönnt. Wir nehmen es genauestens in Augenschein. Hier sind wir übrigens im Stadtteil SOHO.
Unser heutiges Programm haben wir damit abgearbeitet.
Jetzt haben wir noch einen ziemlich langen Heimweg vor uns.
Wie angenehm, nun wieder in unsrem Häuschen bei einer Tasse Tee und unseren Laptops zu sitzen.
Klaus radelt allerdings nochmals los und erntet eine Schüssel voller reifer Brombeeren, die uns bei unserem Marsch vom Bahnhof nach Hause aufgefallen sind- köstlich!
ca. 80 Zug-km und noch einige mit U-Bahn und zu Fuß
Mi, 21.August
„Der Lange Marsch“ und die lange Zugfahrt zum Bahnhof Waterloo finden heute eine halbe Stunde später statt als gestern. Wir sind also gut ausgeschlafen.
Wir verbringen fast den ganzen Tag im British Museum. Es wurde 1753 gegründet und ist somit das älteste Museum der Welt. Außerdem ist es so groß, dass einem die Orientierung schwer fällt.
Die Fülle, die man hier anschauen könnte, ist überwältigend. Es ist gar nicht so leicht, sich für die Sammlungen zu entscheiden, die einem am meisten interessieren.
Die Wahl fällt ziemlich schwer bei etwa acht Millionen Objekten, die die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit von ihrem Anfang bis zum heutigen Tag dokumentieren. Berühmt sind unter anderem die ägyptischen Mumien, der Stein von Rosette und der Parthenonfries.
Erstaunlich, was hier im Laufe der Zeit aus allen Teilen der Welt zusammengeraubt wurde.
Man weiß natürlich nicht, was aus all den Schätzen geworden wäre, wenn sie die Briten nicht mitgenommen hätten.
Neben den erwähnten Highlights faszinieren uns die fein gearbeiteten Flachreliefe aus 650 v.Chr, die eine Löwenjagd des neuassyrischen Königs Ashurbanipal in Ninive, Mesopotamien, darstellen.
Mir gefallen die Objekte aus Afrika, Australien und Neuseeland besonders gut.
Die Götterwelt Indiens haben wir auf unserer Reise 2008 ein wenig kennen gelernt.
Natürlich schauen wir auch in Japan vorbei. Wir haben ja vor, bald dorthin zu reisen.
Zuletzt bewundern wir noch die 78 Schachfiguren der Wikinger aus dem 12. Jhd, die man auf der Insel Lewis gefunden hat. Vor etwas mehr als einem Monat waren wir dort.
Die Figuren wurden aus Walrosszähnen sehr fein geschnitzt. Sie sind bis zu 10cm groß. Der König sitzt auf dem Thron und hat die Hand am Schwert. Die Königin scheint sehr nachdenklich zu sein. Die Läufer sind als Bischöfe dargestellt, die Springer als Ritter. Einige Türme sind als Berserker dargestellt, die mit wildem Blick in ihre Schilde beißen.
Die Bauern allerdings sind nur schmucklose Marksteine.
Jetzt sind wir aber froh, wieder an die frische Luft zu kommen.
Ein flotter Fußmarsch bringt uns zur St. Paul’s Cathedral. Der gewaltige Kuppelbau ist ja sehr eindrucksvoll, aber £ 25,00 sind uns für den Eintritt zu teuer. Die Barockkirche wurde um1666 nach Plänen von Christopher Wren erbaut.
Wir sind jetzt eh schon erschöpft, und fahren lieber nach Hause, wo unsere Computer schon auf uns warten.
ca. 80 Zug-km und noch einige mit U-Bahn und zu Fuß
Do, 22. August
Heute ist der große Harry-Potter-Tag.
Wir erwischen unseren Zug in die Stadt und kommen rechtzeitig zum Treffpunkt der Tour.
Als wir im Bus sitzen, denken wir, dass jetzt nichts mehr schief gehen kann, weit gefehlt.
Wir kommen nach einer Fahrzeit von ca. eineinhalb Stunden bei den Warner-Brothers-Studios an, und sollen beim Eingang unsere Tickets herzeigen. In dem Kuvert, das wir von Busfahrer bekommen haben, ist nur eine Eintrittskarte drin.
Einer der Angestellten ist sehr freundlich und hilfsbereit. Er macht unseren Busfahrer ausfindig. Der wühlt in seinen Papieren und findet mein einsam übrig gebliebenes Ticket wirklich.
Da bin ich aber erleichtert.
Ab diesem Zeitpunkt geht aber alles glatt. Alles ist gut durch organisiert und sehr nett aufbereitet.
Wir bekommen die originalen Filmsets mit ihren detailgenauen Einrichtungen, Requisiten und Kostümen zu sehen- vom kleinen Zimmer unter der Treppe über den Bahnsteig 9 3/4, den Zug, den Speisesaal von Hogwarts, die Gryffindor-Räume, einige Klassenzimmer, Dumbledores Büro, Hagrids Hütte, den verbotenen Wald, das gemütliche Haus der Weasleys, usw. Wir dürfen sogar Alraunenwurzeln aus der Erde ziehen, bis sie schreien.
Ein riesiges Modell von Schloss Hogwarts wurde für alle Außenaufnahmen verwendet.
Besonders reizend ist die Winkelgasse mit vielen kleinen Details, die einem in den Filmen wahrscheinlich gar nicht auffallen.
Auch die Räumlichkeiten und Verliese der Gringotts Bank dürfen wir betreten.
In der Cafeteria wird Butterbier ausgeschenkt- wir haben’s nicht probiert. Und in ihrem Hof fährt der Knight Bus ab
Was ich besonders interessant finde, ist die Arbeit der Maskenbildner und die Werkstätten, in denen Seidenschnabel, der Hippogreif, der Riesenbasilisk und sogar unser geliebter Dobby entstanden sind und mit Hilfe von Greenscreen, Marionetten, Computeranimationen und Prothetik zum Leben erweckt wurden. Ich bewundere die ungeheuere Kreativität. Und es ist unglaublich, wie viel Handarbeit für jede Szene nötig war.
Der Audioguide bietet darüber hinaus noch viele Interviews und Hintergrundinformationen.
Uns hat’s gut gefallen. Trotzdem sind wir froh, als wir dem Gewusel und der Geräuschkulisse wieder entkommen.
Alle Viertelstunden geht von hier aus ein Bus zurück in die Stadt.
Dann erwischen wir im Laufschritt einen günstigen Zug nach Hause.
ca. 80 Zug-km und ca. 50 km mit dem Autobus
Fr, 23. August
Zum letzten Mal eilen wir auf vertrauten Wegen zum Bahnhof.
Jeden Tag sind uns beim Blick aus dem Zugfenster die weißen Schlote der Battersea Powerstation aufgefallen. Das ehemalige Kohlekraftwerk war von 1933 bis 1983 in Betrieb.
Dieser riesengroße Ziegelbau, der am Südufer der Themse im Stadtteil BATTERSEA steht, bietet heute ein Einkaufszentrum, Luxuswohnungen mit Dachgärten und Apple Büroräume für 1400 Mitarbeiter.
An der sehr gelungenen Renovierung und Umgestaltung waren die Stararchitekten Frank Gehry und Norman Foster beteiligt.
Das wollen wir uns unbedingt aus der Nähe anschauen.
Wir sind schwer beeindruckt. Das ganze Stadtviertel sieht völlig neu aus, die U-Bahn-Station, die Straßen und viele moderne, originelle Wohnbauten. Und alles ist total sauber.
Uns gefällt diese Gegend mit den ungewöhnlichen Wolkenkratzern sehr gut. Das ist eine völlig andere Seite von London, die wir hier kennenlernen. Wir kommen uns vor, wie in einer Stadt der Zukunft.
Moderne Gebäude sind heute unser Schwerpunkt. Wir fahren also mit der U-Bahn nach Tower Hill. Von hier genießen wir einen schönen Blick auf den Tower of London- aber der ist natürlich nicht so modern ;-) Bereits unter Wilhelm dem Eroberer wurde mit seinem Bau begonnen.
Als wir 2012 über Silvester hier waren, haben uns in dieser Gegend einige brandneue Glaspaläste gefallen, von denen einige damals sogar noch in Bau waren.
Wir freuen uns z.B. „The Gherkin“ = „Das Gurkerl“ wiederzusehen. 30 St Mary Axe ist der ziemlich sperrige offiziellen Name des 180m hohen, gurkenförmigen Bürogebäudes.
Als weiteren Bekannten begrüßen wir „The Shard“ = „Die Scherbe“. Mit ein bisschen Fantasie sieht das 310m hohe Gebäude wie ein Glassplitter aus.
In diesem Stadtteil haben wir wieder das wilde Durcheinander von altem Verschnörkeltem und Ultramodernem. Seit wir damals hier waren, wurde offensichtlich fleißig weiter gebaut.
Wir biegen um die Ecke und entdecken ganz unvermutet den Leadenhall Market, ein mit Glasdächern überwölbtes Marktgelände, in dem man sich ins 19. Jhd. versetzt fühlt. Alle Läden und Marktstände sind einheitlich gestaltet. Harry Potters Winkelgasse bekam von hier ihre Inspiration. Einige Szenen wurden sogar hier gedreht. Wir fühlen uns tatsächlich fast wie verzaubert, bezaubert auf jedem Fall.
Unser nächster Programmpunkt ist die Abbey Road. Wir wollen endlich unsere „Beatlemania“, die wir in Liverpool begonnen haben, zum Abschluss bringen.
Die Frage, welcher Zebrastreifen der richtige ist, stellt sich nicht. Wir finden Trauben von Leuten mit gezückten Handys vor, und eine Schlange von „Fotomodellen“, die sich beim Überqueren in Szene setzen wollen. Klaus gehört bald auch dazu ;-)
Das Kultur- und Unterhaltungsviertel COVENT GARDEN mit den Markthallen des ehemaligen Gemüsemarktes liegt auf unserem Weg ins WEST END.
Aber jetzt haben wir uns eine Pause in der Pizza Hut verdient. Eine Stärkung, damit wir den heutigen langen Tag durchhalten, ist unbedingt nötig.
Wir haben ja noch einen Musical-Abend im traditionsreichen Lyceum Theatre vor uns, in dem bereits seit 1999 The Lion King gespielt wird.
Die Aufführung ist sooooo toll, noch viel toller, als wir es uns vorgestellten konnten. Die Kostüme, die Masken, die Farben, die originelle Art, wie die Tiere dargestellt werden- wieder einmal die unglaubliche Kreativität und die Arbeit unzähliger Hände. Nicht zu vergessen natürlich das Können der wunderbaren Tänzer*innen und Sänger*innen.
Ein Glas Champagner, das mir Klaus spendiert, passt hervorragend dazu.
Ganz beschwingt verlassen wir das Theater und sind geflasht. Die dunkle Gasse vor uns wird durch eine Unzahl von neonpinken Fahrrad-Rikschas grell erleuchtet. Die Gefährte, die mit rosa Plüsch und Lämpchen ausgestattet sind und auf Kundschaft hoffen, scheinen einander in puncto Kitsch übertreffen zu wollen.
Möglichst rasch winden wir uns vorbei. Wir wollen lieber noch einen letzten Spaziergang machen und genießen „London by Night“ an der Themse, auf unsrem Weg zur Waterloo Station.
Ein letztes Mal steigen wir in den Zug nach Horsley.
Der Fußmarsch zum Campingplatz auf der sehr spärlich beleuchteten Straße ist unsere letzte Herausforderung des heutigen Tages.
Kurz nach Mitternacht fallen wir in unser gemütliche Bett und schwelgen noch ein wenig in den Erinnerungen an diesen wunderbaren Tag.
ca. 80 Zug-km und noch einige mit U-Bahn und zu Fuß
Sa, 24. August
Es gießt wie aus Kübeln. London scheint bitterlich zu weinen, dass wir abreisen.
Wir sind aber gar nicht traurig. Wir freuen uns darauf, „on the road again“ zu sein.
Heute gleiten wir hauptsächlich auf der Autobahn nach Osten.
Unser Tagesziel ist MAIDSTONE in der Grafschaft KENT.
Der Ort bietet uns einen großen Supermarkt und - ganz in der Nähe - einen Schlafplatz in einer friedlichen Sackgasse.
Viel Arbeit im Homeoffice wartet auf uns
114 km
So, 25. August
Der Ort, in dem wir geschlafen haben, hat auch einen McDonalds mit gutem Internet. Wir müssen nämlich für den letzten Teil unserer Reise noch Karten fürs Navi herunterladen.
Natürlich hat Klaus das bereits in Wien gemacht, aber das Programm hat sie „vorausschauend“ nach einem Monat gelöscht. Länger braucht man sie etwas offenbar nicht. In regelmäßigen Abständen hatten wir ja auf dieser Reise immer wieder das gleiche Problem. Nicht jedes WLAN erlaubt und das Herunterladen.
Aber, wie Klaus so treffend feststellt: „McDonalds ist die „Ultima Ratio“.
Jedenfalls sind wir erfolgreich.
Beruhigt können wir uns dem letzten Highlight in England zuwenden, CANTERBURY Cathedral.
Sie ist ohne Zweifel ein sehr beeindruckender Bau.
Durch das bunt bemalte Christ Church Gate schreiten wir in den heiligen Bereich, the Cathedral Precinct, die Domfreiheit.
Diesmal schaffen wir es sogar ins Innere des Doms- es ist noch nicht alle ausgebucht.
Beim Anstellen für den Einlass kommt uns eine der steinernen „Heiligenfiguren“ im Westportal so bekannt vor. Es ist tatsächlich „Elisabetha II Regina“. Immerhin war sie das Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Neben ihr steht der Prinzgemahl.
Auf dem Erklärungszettel, den wir bekommen, steht, dass wir nun ein Gotteshaus betreten, und kein Museum. Aber natürlich ist es für uns und die vielen anderen Touristen genau das. Sogar die Besichtigungsrichtung ist angegeben.
Die Kathedrale wurde im Romanischen Stil begonnen. Die Bauarbeiten zogen sich über 600 Jahre hin. Immer wieder gab es Rückschläge durch Brände und Kriege.
Heute präsentiert sich die Kirche im Wesentlichen als gotisch.
Eine Besonderheit der englischen Gotik ist das doppelte Querhaus.
Die Farbenpracht der zum Teil mittelalterlichen Glasfenster bestimmen die überwältigende Atmosphäre.
Natürlich ist die Stelle bezeichnet, wo es 1170 zur Ermordung des damaligen Erzbischofs Thomas Becket kam- während er gerade betete. Nach dieser Tat wurde Canterbury zum berühmtesten Wallfahrtsort des Landes. Zahlreiche Heilungen werden dem Hl. Thomas zugeschrieben. Diese werden in in herzigen Glasfenstern aus dem 12. Jhd. dargestellt. Z.B. schwebt er in vollem Bischofsornat stromlinienförmig aus seinem Sarkophag über einen Kranken, der daraufhin gesund wird. Einem Jäger, dem versehentlich ein Pfeil durch den Hals geschossen wurde, gibt er heiliges Wasser zu trinken. Er hat’s überlebt.
Von 1220-1538 ruhten die Gebeine des Heiligen in einem Schrein in der Trinity Chapel.
Heinrich VIII ließ ihn zerstören.
In der Krypta gefallen uns einmal mehr die bemerkenswert-skurrilen romanischen Kapitelle.
Nun wandern wir noch durch den Kreuzgang, der von über 800 Wappensteinen geziert ist. So wurden die Familien der Spender gewürdigt, die den Bau finanzierten.
Im Kapitelsaal ist die Holzdecke besonders bemerkenswert.
Hier unterzeichneten 1986 Margaret Thatcher und François Mitterrand den Vertrag zum Bau des Kanaltunnels.
Das Städtchen CANTERBURY ist sehr hübsch, besonders „The King’s Mile“mit ihren alten Häusern. Teilweise sind sie so schief, dass man sich wundert, dass sie nicht umfallen.
Natürlich sind in fast allen Lokale und Shops untergebracht.
Wir reisen weiter, unserer letzten Nacht in England entgegen.
Zuvor lassen wir aber noch unsere englische Gasflasche bei einer Tankstelle zurück.
Beim Einbau musste Klaus ja tricksen. Aber der Umbau auf unsere angestammte europäische Flasche funktioniert klaglos.
Nun stehen wir auf einem Parkplatz für Wohnmobile in DOVER, mit Blick auf die sehr gut erhaltene Burg.
80 km
Mo, 26. August
Blitzstart in der Früh, Fahrt in den Hafen. Wie schön, das Meer wiederzusehen, und die weißen Kreidefelsen.
Passkontrolle, weil wir in die EU einreisen.
8h Einchecken für die Fähre. Um 9h15 legen wir ab. Es schüttet- zum letzten Mal sind es „Cats and Dogs“.
Diesmal steht mein Magen die Überfahrt gut durch. Wir können uns also gemütlich einem
„Um-die-Ecke-gedacht“-Rätsel widmen.
Um 12h Ortszeit (MEZ) landen wir bei Sonnenschein in FRANKREICH, in CALAIS.
Eine Stunde haben wir auf dem Meer zurückgelassen, von dem wir uns jetzt wieder verabschieden müssen.
Ab nun herrscht auf den Straßen wieder Rechtsverkehr. Die angegebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen darf man nun nicht mehr im Geist mit 1,6 multiplizieren, weil es sich wieder um Stundenkilometer handelt und nicht mehr um Miles per hour. Die Umgewöhnungsphase ist aber nur sehr kurz.
Über eine Gratis-Autobahn fahren wir bis kurz vor LILLE, wo wir auf dem Parkplatz einer Schule den restlichen Tag und die Nacht verbringen werden. Es sind ja Ferien. Da ist das erlaubt.
111 km + ca. 40 km mit der Fähre
Di, 27. August
Wir sind nun eindeutig auf der Heimreise und verbringen den Tag fast ausschließlich auf der Autobahn Richtung Südosten.
Bei der Durchfahrt durch BELGIEN - durch die WALLONIE - machen wir eine Pause in CHARLEROI und radeln ein wenig in der Stadt herum, die leider einen ungepflegten und etwas heruntergekommenen Eindruck macht.
Am besten gefällt uns eindeutig der moderne Springbrunnen, der zum Durchradeln und Erfrischen einlädt.
Bald zieht es uns weiter.
Vor einem großen Supermarkt entdecken wir eine Laundrette-Station- dasselbe System, wie wir es aus Großbritannien kennen. Das kommt uns sehr gelegen.
Bis zu unserem Schlafplatz haben wir noch einige Kilometer vor uns. Wir genießen die Fahrt durch die Ardennen.
Wir übernachten wieder in FRANKREICH, am Stadtrand von CHARLEVILLE-MÉZIÈRES am grünen Ufer der Maas.
237 km
Mi, 28. August
Es geht weiter nach Südosten.
SEDAN hat sowohl im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) als auch in den beiden Weltkriegen eine Rolle gespielt.
Es gibt eine Burg, aber sonst keine, für uns interessante, Sehenswürdigkeiten.
Wir widmen uns wieder einmal wichtigen Haushaltstätigkeiten wie Klo ausleeren, Wasser nachfüllen und - ganz was Seltenes - Auto waschen.
Weiter gleiten wir durch eine hübsche, leicht wellige Landschaft.
Die Hitze hat uns ereilt. Es hat 27°- ganz ungewohnt für uns.
Am Nordrand vom METZ finden wir einen sehr schönen Schlafplatz am Waldrand.
Hier sitzen wir im Schatten unserer Markise.
165 km
Do, 29. August
Klaus hält seine Malstunde und verschafft mir dadurch eine gemütlichen Vormittag.
Gegen 12h machen wir uns wieder auf den Weg, nachdem wir einem Blick aus der Ferne auf die Kathedrale von METZ geworfen haben.
Noch rasch ein französischer Supermarkt, und schon reisen wir nach DEUTSCHLAND ein.
Es geht auf der Autobahn durchs SAARLAND und schließlich über den Rhein nach BADEN.
In KARLSRUHE finden wir zum Übernachten einen schattigen Parkplatz am Zoologischen Stadtgarten, zwischen einem Spazierweg und einer Fahrradstraße.
Nach dem Abendessen machen wir noch einen Spaziergang durch den Park, mit Blick auf den Zoo und den Japanischen Garten.
Heute war der heißeste Tag unserer Reise- bis jetzt. Wir haben 32° gemessen.
Fremdartiges Tiergeschrei wiegt uns in den Schlaf.
247 km
Fr, 30. August
Heute ist Besuchs- und Begegnungstag.
Zum Frühstück sind wir bei Klaus’ Schulfreundin in MARKGRÖNINGEN, in der Nähe von Stuttgart eingeladen.
Wir werden reich bewirtet und fühlen uns bei Ulli und ihrem Mann Horst sehr willkommen. Bei wunderbaren Gesprächen können wir uns bis 15h kaum losreißen.
Unsere nächste Station ist DEISENHAUSEN in BAYERN.
Wir haben Adam und Steffi und die kleine Amara vor zwei Jahren in Italien kennen gelernt.
Mittlerweile ist noch Baby Gabriel dazugekommen.
Wir werden reich beschenkt durch die Gastfreundschaft und die Offenheit, die uns diese jungen Leute in den Gesprächen entgegenbringen.
Wir dürfen im Hof ihres schönen Hauses im WoMo übernachten.
242 km
Sa, 31. August
Den Brezeln und anderen Köstlichkeiten können wir nicht widerstehen und bleiben noch zum Frühstück.
Nachdem wir im Baumarkt noch eine Euro-Gasflasche erstanden haben, sind wir wieder auf Achse.
Durch Staus und zähflüssigen Verkehr auf der Autobahn zieht sich die Strecke bis zum Brenner ziemlich lange hin.
Wir freuen uns, als die Berge der uns vertrauten Alpen vor uns auftauchen.
Nach der Fahrt durch ÖSTERREICH, TIROL fahren wir um ca. 16h endlich über die Grenze nach ITALIEN, SÜDTIROL.
Unseren Schlafplatz finden wir im hübschen Städtchen STERZING/ VIPITENO.
Oh, wie angenehm, es beginnt zu regnen. Ein richtiges Gewitter wird daraus. Herrlich, diese Abkühlung.
282 km
So, 1. September
Zwischen Fetzten von Morgennebel taucht die Burg von Sterzing auf, sehr romantisch.
Von Regen ist nichts mehr zu merken.
Wir sind auf dem Weg nach Venedig. Noch ein Tag auf der Autobahn liegt vor uns.
Die Fahrt durch das schöne Südtirol genießen wir sehr.
Ein bisschen bekommen wir es mit „Traffico Rallentato“ = zähflüssigem Verkehr zu tun.
Da hören wir einfach unsere Lieblings-Playlist und schmettern aus voller Kehle: „Born to be Wild“, „On the Road again“, usw.
Im VENETO lassen wir die Berge hinter uns und merken, dass wir jetzt wirklich in Italien sind.
Die schlanken Zypressen und die ockerfarbenen Hausdächer sind unverkennbar.
Und wir singen mit John Lennon: „All you need ist Love“.
In MESTRE wartet der nicht besonders lauschige aber dafür sehr praktische Campingplatz „San Giuliano“ auf uns.
Wir kommen am frühen Nachmittag an und richten uns gemütlich ein.
Heute ruhen wir uns noch aus.
Aber morgen beginnt unser Hardcore-Kulturprogramm.
336 km
Mo, 2. September
Unser Campingplatz ist vor allem deshalb so praktisch, weil wir direkt von hier aus mit dem Vaporetto nach VENEDIG fahren können.
Wir nehmen das Boot um 10h und nach einer halben Stunde Fahrzeit und einer weiteren halben Stunde Fußmarsch kommen wir in den Giardini an. Diese grüne Insel ist einer der Hauptaustellungsorte der Biennale di Venezia, der internationalen Kunstausstellung, die seit 1895 alle zwei Jahre in der Lagunenstadt stattfindet.
28 Länder präsentieren sich hier in ihren nationalen Pavillons. Natürlich ist auch Österreich dabei. Mehrere Dutzend anderer Staaten, die auf diesem Areal keinen eigenen Pavillon erbaut haben, stellen während der Biennale in, über das gesamte Stadtgebiet verstreuten, angemieteten Räumlichkeiten aus. Einigen davon werden wir uns übermorgen widmen.
Das heurige Motto der Biennale lautet: STRANIERI OVUNQUE - FOREIGNERS EVERYWHERE.
Egal, wo man hingeht, oder wo man ist, trifft man immer auf Fremde- sie/ wir sind überall.
UND egal, wo man sich befindet, ist man immer, tatsächlich und tief im Inneren ein Fremder.
Migration und Entkolonisierung sind heuer besonders zentrale Themen.
Wie jedes Mal können wir auch heuer sehr interessante und auch berührende Präsentationen sehen. Aber es sind auch viele dabei, mit denen ich wenig anfangen kann.
Die Hitze beeinträchtigt unseren Besuch sehr.
Am frühen Nachmittag schleppen wir uns zurück zu den Fondamente Nove, der Anlegestelle, von der aus uns das Vaporetto nach Hause zurückbringt.
Jetzt brauchen wir ein Erholungspause im Schatten, ehe wir uns unserer täglichen Computerarbeit widmen können.
Di, 3. September
Wunderbar, es hat frühmorgens geregnet!
Aber jetzt, als wir zum Vaporetto um 10h gehen, baut sich die Hitze wieder auf.
Heute marschieren wir zum Arsenale. In der ehemaligen Schiffswerft mit ihren Hallen aus dem 16. Jhd. gibt es, unabhängig von den Länderrepräsentationen, eine durch Kuratoren zusammengestellte Themenausstellung statt.
In den Innenräumen ist die Temperatur erträglich, und daher kann ich mich heute viel besser den Kunstwerken widmen als gestern.
Wir sind froh, dass wir schon so oft in Venedig waren und alles, was man als Tourist sehen „muss“ bereits erledigt haben.
Die engen, unübersichtlichen Gässchen, die Kanäle und Brücken sind alte Bekennte für uns.
Auch in zwei Jahren - zu nächsten Biennale - wollen wir wieder hier sein.
Auf unserem Weg zurück zum Boot, besuchen wir noch einige Ausstellungen von Staaten, die keinen eigenen Pavillon erbaut haben und während der Biennale in, über das gesamte Stadtgebiet verstreuten, angemieteten Räumlichkeiten ihre Kunstwerke zeigen- in Kirchen und Palazzi.
Mit dem Boot geht es dann wieder nach Hause.
Wir steigen über die niedrige Stufe zu unseren Campingplatz.
Für Klaus ist sie leider zu hoch. Er stolpert und stürzt unglücklich. Sofort spürt er starke Schmerzen in der linken Schulter. Und es wird nicht besser.
Da bleibt uns nichts übrig, als die Ambulanz zu rufen, die uns ins Unfallkrankenhaus in MESTRE bringt.
Vier Stunden lang sitzen wir dort herum, um dann zu erfahren, dass der Kopf des Oberarmknochens angeknackst ist.
Ein Taxi bringt uns zurück nach Hause.
Beim Aussteigen heben wir unsere Füße sehr hoch…
Klaus trägt nun seinen linken Arm in der Schlinge, die die Schulter fixiert. Operation ist keine nötig.
Autofahren kann er natürlich nicht.
Wer wird sich wohl diesmal unser erbarmen und uns abholen?
Mi, 4. September
Nach dem Ausschlafen ruft Klaus seinen Bruder, Stefan an.
Er wird den Flieger nehmen und morgen früh als rettender Engel hier erscheinen.
Der erfahrene Wohnmobilist wird uns nach Hause bringen.
Wir verbringen also heute einen gemütlichen Ruhetag auf dem Campingplatz.
Den Schotten, die sich neben uns einrichten, schenken wir unsere letzten britischen Pence.
Am Abend kochen wir - für heuer - zum letzten Mal im Wohnmobil.
Do, 5. September
Kurz vor 8h kommt Stefan bei uns am Campingplatz an.
Wir wollten heute ohnehin nach Hause fahren.
Das werden wir jetzt auch tun, und zwar in netter Gesellschaft.
Wir verbringen den Tag auf der Autobahn, mit mehreren Pausen.
Um 11h reisen wir in ÖSTERREICH ein.
Auf einer Autobahn-Raststation machen wir unsere Mittagspause.
Ca. um 16h sind wir - sehr dankbar - zu Hause.
Stefan eilt sofort zum Zug nach Oberösterreich.
Wir fangen an, das Auto auszuräumen, und - wie jedes Jahr - feiern wir unser Heimkommen beim Griechen.
609 km
Gesamtkilometer: 11297 km